Dilger, Hubert Casimir Anton 

Geburtsdatum/-ort: 05.03.1836;  Engen
Sterbedatum/-ort: 14.05.1911; Greenfield bei Front Royal (Virginia, USA)
Beruf/Funktion:
  • badischer und US-Artillerieoffizier, Rancher
Kurzbiografie: 1853 Kadettenanstalt, 1854 Korporal
1855 Portepee-Fähnrich, im gleichen Jahr Leutnant im Artillerie-Regiment Karlsruhe-Gottesaue
1859 Oberleutnant, 12.8.1861 Entlassung aus dem Militärdienst
1861-1865 Teilnahme am Sezessionskrieg auf Seiten der Unionsarmee, Captain, in der Folge u. a. Generaladjutant des Staates Illinois (1868-1872)
1879 Niederlassung in Greenfield als Rancher
1907 Reise in die badische Heimat
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1865 (Philadelphia) Elise, geb. Tiedemann (gest. 1907 Mannheim)
Eltern: Vater: Dr. med. Eduard Dilger (1809-64), Großherzoglich-badischer Physikus (Amtsarzt)
Mutter: Emmeline, geb. Dürr (gest. 1841)
Geschwister: keine
Kinder: 14
GND-ID: GND/137373538

Biografie: Horst Ferdinand (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 60-62

„Take the Dutch out of the Union Army and we could whip the Yankees easily!“ („Ohne die Deutschen in der Unionsarmee könnten wir die Yankees leicht zu Paaren treiben!“), soll der berühmte Südstaatengeneral Robert E. Lee ausgerufen haben – jeder dritte Soldat Lincolns war deutscher Abkunft. Beide Bürgerkriegsheere, das der Nordstaaten wie das der Sezessionisten, waren praktisch aus dem Boden gestampft worden, und in dieser Situation wurden ausgebildete und zum Teil kampferfahrene Soldaten, wie sie die Einwanderungswellen der Fünfziger und Sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts mit sich führten, zu kriegsentscheidenden Kadern. „Einer der hervoragendsten Leute, die damals nach Amerika kamen, war der badische Artilleriehauptmann H. Dilger Er erwies sich als einer der besten Artillerieoffiziere unseres Heeres, und ich hatte die Freude, daß er lange unter meinem Kommando stand“ (C. Schurz).
Indessen hatte Dilgers Laufbahn – er verlor früh seine Mutter (1841) und wuchs bei Verwandten in Karlsruhe auf – eher unauffällig begonnen: er entschied sich schon in jugendlichem Alter für das Waffenhandwerk als (vermeintlichen) Lebensberuf. Da wohl das Alltagseinerlei einer badischen Garnisonsstadt nicht so ganz dem draufgängerischen Naturell des jungen Offiziers entsprach, entschloß er sich zur Auswanderung, und dabei spielte der gute Rat eines schon nach 1848/49 emigrierten Onkels, Louis Dürr, eine gewichtige Rolle.
Der vorzüglich ausgebildete Artillerieoffizier zog also am 1. 4. 1862, als Captain und Chef der „Battery J, First Ohio Light Artillery“, in den seit 1861 hin- und herwogenden Kampf, bestand bei Cross Keys am 8. 6. 1862 die Feuertaufe und zeichnete sich bei den folgenden Kampfhandlungen durch Kaltblütigkeit und persönlichen Mut, verwegenen und geschickten Einsatz seiner Geschütze und einen gewissen sechsten Sinn in der Einschätzung der vermutlichen Operationen des Gegners aus. Diese Eigenschaften hatte er zunächst in schweren Niederlagen der Unionsarmee (Bull Run II am 29./30. 8. 1862, Chancelorsville am 2. 5. 1863) zu bewähren. Insbesondere in der letzteren Schlacht leistete die Batterie J erfolgreichen hinhaltenden Widerstand, der verhinderte, daß die Nordarmee total vernichtet wurde, und ermöglichte, daß sie sich neu formierte. Dilgers Brigadekommandeur C. Schurz schildert eine Kampfszene: Dilger „hielt bis zum letzten Augenblick sein Kartätschenfeuer aufrecht und gab den Befehl zum Aufprotzen erst, als die feindliche Infanterie bereits zwischen seinen Geschützen stand. Sein Pferd wurde unter ihm weggeschossen, ebenso die beiden Deichselpferde...Nach einem vergeblichen Versuch, diese Geschütze mit den toten Pferden abzuschleppen, mußte er sie dem Feind überlassen. Die übrige Batterie schickte er ins Hintertreffen und behielt nur ein Geschütz auf der Chaussee, welches er im Zurückweichen von Zeit zu Zeit auf den verfolgenden Feind abfeuerte.“
Nach dem Tiefstand der Sache der Union im Mai 1863 änderte sich die Lage schnell: mit den Siegen bei Gettysburg (1.-3. 7. 1863) und Chattanooga (23.-25. 11. 1863) wendete sich das Kriegsglück, und der berühmte Feldzug General Shermans in Georgia und Carolina trug entscheidend zur Niederlage der Südarmee bei. Bei allen diesen Aktionen war Dilger beteiligt; der Ruf des „Captain Leatherbreeches“ nahm legendäre Züge an. Wo er mit seiner Batterie auftauchte, wurde der Kampfgeist der Infanterie angespornt, die sich seiner schlagkräftigen Unterstützung sicher war. Ein Gedenkstein auf dem Schlachtfeld von Gettysburg kündet noch heute von Dilgers Tapferkeitstaten. Sie fanden allerdings – wenn man von einer ihm verliehenen Kongreß-Medaille absieht – nicht die verdiente äußere Anerkennung. „Mancher unter diesen spät Gekommenen ist nie zur rechten Geltung gelangt, wenn er noch so Tapferes geleistet hat. Um nur einen zu nennen: Dilger. Er wurde als simpler Captain ausgemustert, obwohl er wahrscheinlich der beste Artillerist des ganzen amerikanischen Heeres gewesen ist“ (W. Kaufmann). Dilgers Biograph B. Lamey berichtet, er sei „erst spät zum Oberst und General befördert worden“; Belege hierfür ließen sich nicht auffinden. (Dilgers Unterlagen sind bei einem Brand seines Hauses verlorengegangen). Es mag sein, daß Dilgers offenherzige Zivilcourage dem Avancement im Wege stand; Graf Zeppelin, seinerzeit Militärbeobachter des Bürgerkriegs, berichtet z.B., daß Dilger seinem Kommandeur – Schurz – nach dessen Darlegung eines Operationsplans vor versammeltem Offizierskorps „trocken“ entgegnet habe: „Aber, Herr General, so dummes Zeug werden Sie doch nicht machen?“ Der Freundschaft mit Schurz tat dies keinen Abbruch, in anderen Fällen sind aber andere Reaktionen vorstellbar.
Dilgers Entscheidung, nach dem blutigen Ringen in Amerika zu bleiben, fiel schon vor Ende des Krieges. Er heiratete 1865 eine Tochter des Hauses Tiedemann, das ihn bei seiner Ankunft in den USA gastfreundlich aufgenommen hatte. Der Übergang in einen zivilen Beruf brauchte aber seine Zeit; „es bedurfte verschiedener Anläufe, bis er die ihm gemäße Lebensform gefunden hatte“ (B. Lamey). Erst 43jährig fand er seine definitive Lebensaufgabe, er etablierte sich in einer großen Ranch in Virginia und züchtete Pferde, Rinder und Schafe, ausgerechnet in Virginia, dem früheren Zentrum der Sezessionsbestrebungen. In jahrzehntelanger friedlicher Auf- und Ausbauarbeit – die dem unter den Folgen des verheerenden Krieges leidenden Staat zugute kam – wuchs er in seine eigentliche Lebensaufgabe hinein und residierte als hochgeachteter Patriarch einer vielköpfigen Familie auf seiner Ranch. Die Wandlung des Kriegshelden zum verantwortungsbewußten Familienvater und „geehrten und beliebten Bürger Virginias“ (Nachruf in der örtlichen Presse) spiegelt seine Antwort, die er W. Kaufmann – dem Autor eines Standardwerks über die Deutschen im amerikanischen Bürgerkrieg – auf dessen Bitte hin erteilte, seine Kriegserlebnisse zu schildern: „Meine Kriegserfahrungen sind nicht von so hocherfreulichen Resultaten gewesen, um in Erinnerungen zu schwelgen, die mich nur ärgern könnten, und lügen oder verschleiern kann ich nicht. Jetzt stehe ich auf ganz neutralem Boden.“
Ein letzter Besuch des 71jährigen in der alten Heimat verlief tragisch. Während dieses Besuchs starb die geliebte langjährige Lebensgefährtin. – Fünf Söhne und fünf Töchter überlebten ihn; zwei Töchter heirateten nach Karlsruhe, zwei nach Mannheim.
Quellen: GLAK: Pers.-Akte H. Dilger Sign. 238/1662; Mitteilungen v. Herrn Hans Gaenshirt, Freiburg i. B., Urenkel v. H. Dilger
Nachweis: Bildnachweise: in: Lamey, General H. Dilger, 64 und 73.

Literatur: C. Schurz, Lebenserinnerungen Bd. II, 1906/7; General H. Dilger, in: Bad. Landeszeitung Nr. 273 vom 16. 6. 1911 (ohne Verf.); W. Kaufmann, Die Deutschen im amerik. Bürgerkrieg, 1911; B. Lamey, General H. Dilger, in: Ekkart 1964, 62-74, dort weitere Literaturangaben; B. Ottnad, Geschichtl. Beziehungen zw. B-W u. d. Vereinigten Staaten, in: Ruperto Carola Bd. 39, 73 bis 86, 1966; H. G. Zier, Südwestdeutsche als Teilnehmer am Sezessionskrieg, in: USA u. B-W in ihren geschichtl. Beziehungen, Beiträge u. Bilddokumente, hg. v. d. Landesarchivdirektion B-W in Verbindung mit dem Württ. Geschichts- und Altertumsverein e. V. Stuttgart, 1976; M. Junkelmann, Der amerik. Bürgerkrieg 1861-1865, 1992.
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