Loewe, Siegfried 

Andere Namensformen:
  • ab ca. 1937 genannt Walter Loewe
Geburtsdatum/-ort: 19.08.1884; Fürth
Sterbedatum/-ort: 24.08.1963; Salt Lake City, Utah, USA
Beruf/Funktion:
  • Pharmakologe, Endokrinologe
Kurzbiografie:

1890–1902 bis 1894 Wöhlerschule, dann humanistisches Gymnasium (seit 1897 Lessing-Gymnasium), bis Abitur Ostern 1902, beide Frankfurt am Main

1902–1908 Studium der Medizin an den Universitäten Freiburg, SS 1902–SS 1903 und SS 1904, mit Physikum, Berlin, WS 1903/04 und WS 1904/05, Straßburg, SS 1905–SS 1906 und WS 1907/08 und München, WS 1906/07 mit ärztlicher Staatsprüfung im Mai 1907

1908 VII 23 Promotion in Straßburg: „Untersuchungen über den Verlauf der peptischen Verdauung des Kaseins und Serumglobulins“

1908–1910 Arbeit am physiologisch-chemischen Institut der Universität Straßburg, ohne Anstellung

1910 IV–1912 III Assistenzarzt an der psychiatrisch-neurologischen Klinik der Universität Leipzig

1912 IV–1915 IV Assistent am Pharmakologischen Institut der Universität Göttingen

1913 VII Habilitation für das Fach Pharmakologie: „Membran und Narkose“

1915 IV–1918 X Stellvertretender Institutsdirektor

1921 X–1928 IX ordentlicher Professor und Direktor des Pharmakologischen Instituts an der Universität Dorpat (heute Tartu), Estland

1928 X–1933 III Leiter des Hauptlaboratoriums der Städt. Krankenanstalten, Mannheim

1929 IX–1933 IV ordentlicher Honorarprofessor der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg

1933 IV–1934 V Arbeit an der „Notgemeinschaft dt. Wissenschaftler im Ausland“, Zürich

1934 VIII–1936 Rockefeller-Stipendiat am Mount Sinai-Hospital, New York

1936–1945 XII Visiting Researcher am Department of Pharmacology, Cornell Universität, New York

1946 I–1963 VIII Research Professor am Department of Pharmacology, Universität Utah, Salt Lake City, ab 1957 als Emeritus

Weitere Angaben zur Person: Religion: israelitisch
Auszeichnungen: Ehrungen: Ehrenmitglied der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft (1948) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (1960); Lesser-Loewe-Kolloquien in Mannheim (seit 1965).
Verheiratet:

1919 (Göttingen) Ida Adelheid Victoria, geb. Witte (1894–nach 1972)


Eltern:

Vater: August (1849–1888), Bankier

Mutter: Clothilde, geb. Blumenthal (1862–nach 1923)


Geschwister:

Edgar (geb. 1886?)


Kinder:

3; Ludwig Hermann August (geb. 1920), Police officer, Susana Renate, verh. Puttuck (geb. 1922), und Jens Lukas Silvester (1924–1942)

GND-ID: GND/137854412

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 348-354

Loewe, ein bedeutender Forscher auf den Gebieten der Biochemie, Pharmakologie und Endokrinologie, wurde als Bankierssohn in bayerisch Franken geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters zog die Mutter im Frühjahr 1890 mit ihren beiden kleinen Söhnen nach Frankfurt am Main. Dort besuchte Loewe zunächst die 1870 von der Polytechnischen Gesellschaft gegründete Wöhlerschule, eine Realschule, nach der VI. Klasse das humanistische Gymnasium, das ab 1897 Lessing-Gymnasium hieß. Ostern 1902 bestand er das Abitur und begann Medizin zu studieren. Nach zehn Semestern legte er die ärztliche Staatsprüfung ab.

Als Praktikant am physiologisch-chemischen Institut konnte Loewe unter Anleitung des Institutsdirektors Franz Hofmeister (1850–1922), der als Pionier der Proteinchemie gilt, dann in Straßburg seine Doktorarbeit über den allmählichen Abbau der Eiweiße Kasein und Serumglobulin schreiben.

Im Frühjahr 1910 erhielt er seine erste etatmäßige Stelle als Assistenzarzt in der psychiatrischen und neurologischen Klinik der Universität Leipzig. Loewe war zuständig für das experimentelle Klinik-Laboratorium und führte dort vor allem experimentell-pathologische Untersuchungen über Betäubungsmittel und über Tetanustoxine durch. Er nahm bald Kontakt zu dem bedeutenden Kolloidchemiker Herbert Freundlich (1880–1941) im physikalisch-chemischen Institut auf. Das Ergebnis daraus war die umfangreiche Arbeit „Zur physikalischen Chemie der Lipoide“, die weit über Loewes dienstliche Pflichten hinausging und „mit durchaus neuartigen Ergebnissen“ (Heubner, 1954, S. 520) aufwartete. Bereits hier ließ sich die Grundtendenz der gesamten Arbeit Loewes erkennen, sein Bestreben, Tatsachen theoretisch gründlich zu fundieren.

Ostern 1912 konnte Loewe an das Pharmakologische Institut der Göttinger Universität wechseln, was sich eher mit seinen Interessen deckte. Der damalige Direktor des Instituts, Wolfgang Heubner (1877–1957), erinnerte sich, dass schon beim ersten Zusammentreffen ein guter Kontakt entstanden sei. 1913 habilitierte sich Loewe mit der Schrift „Membran und Narkose“, ein Verfahren, über das keine Dokumente erhalten sind.

Als Privatdozent hielt Loewe sechs gut besuchte Vorlesungen. Gleichzeitig bearbeitete er mehrere wissenschaftliche Themen und errang rasch Anerkennung, so dass er nach der Einberufung Heubners zum Heer als dessen Stellvertreter eingesetzt wurde. Im Oktober 1917 beantragte die Medizinische Fakultät, Loewe den Professorentitel zu verleihen.

Als Heubner 1918 in sein Institut zurückkehrte, war er von Loewes Arbeit sehr beeindruckt und kümmerte sich um dessen Beförderung und finanzielle Besserstellung; denn Loewe habe weit „über das Mindestmaß des Notwendigen […] hinausgehende Bemühungen und Betätigungen im Interesse des Instituts“ erbracht (UA Göttingen, Personalakte Loewe, Brief Heubners vom 12.12.1918).

Im September 1920 wurde Loewe dann zum ordentlichen Professor und Direktor des Pharmakologischen Instituts der Universität Dorpat, Estland, berufen, wo er im WS 1921/1922 begann. Dies war das erste Pharmakologische Institut Europas. Loewe widmete ihm später seinen Artikel „Von der Wiege der Pharmakologie“ (1924).

In seinem Institut las er die Hauptvorlesung über Pharmakologie und leitete das Praktikum. Im Zentrum aber blieb die Forschung. Loewe besaß die Fähigkeit, begabte und tüchtige Mitarbeiter heranzuziehen und sie mit jeweils passenden Aufgaben zu begeistern. Unter diesen Mitarbeitern ist der Biologe Hermann Voss (1888-1979) zu nennen, mit dem Loewe sich anfreundete. Im Dorpater Arbeitskreis Loewes herrschte ein hervorragendes Arbeitsklima: „Jeder freute sich über die Erfolge des andern, die ja dem gemeinsamen Werk zugute kamen“ (Voss, 1959, S. 334). Wichtigstes Forschungsgebiet des Instituts bildeten Sexualhormone.

Mitte der 1920er Jahre setzte ein großer Aufschwung ein, den eine neue US-amerikanische Methode auslöste, die Wirkung von Hormonen zu testen. Loewe erkannte als erster nicht nur die Bedeutung dieser Methode, sondern auch die Notwendigkeit ihrer quantitativen Ausgestaltung, was weitere Entwicklungen ermöglichte. Zusammen mit Mitarbeitern arbeitete er quantitative biologische Testverfahren aus, mit denen zunächst Erkenntnisse über den Stoffwechsel des weiblichen Sexualhormons gewonnen wurden, das zunächst im Blut, 1932 auch im Harn der Frau nachgewiesen wurde. Diese Untersuchungen schufen weltweit „die Voraussetzungen für die therapeutische Anwendung dieses Hormons“ (Voss, 1964, S. 93).

1927 gelang erstmals mit dem sog. Loewe-Voss-Test, das postulierte, aber noch nicht bekannte männliche Sexualhormon nachzuweisen.

Diese Forschungen setzte Loewe in Mannheim fort, wohin er 1928 als Nachfolger Ernst Lessers (1879-1928) zur Leitung des Hauptlaboratoriums der Mannheimer Krankenanstalten berufen wurde. Dorthin folgten ihm auch Voss und andere Dorpater Mitarbeiter, so dass die Arbeit nahtlos fortgesetzt werden konnte.

Bald nach Loewes Ankunft ernannte ihn die Heidelberger Medizinische Fakultät zum ordentlichen Honorarprofessor. Am 15. Mai 1929 dankte Loewe der Fakultät für die Möglichkeit der Fortführung seiner Lehrtätigkeit, die er „um der Erfordernisse meiner Forschungsrichtung willen“ (UA Heidelberg, PA 1062) hatte verlassen müssen. Ab WS 1929/1930 hielt er für alle Studenten der Medizinischen Fakultät wöchentlich einstündig die Vorlesung „Hormone und ihre Wirkungen“. Die Arbeit des Hauptlaboratoriums, das er leitete, richtete Loewe auf die weitere Erforschung der Hormone aus und setzte nicht nur in Dorpat begonnene Untersuchungen von Sexualhormonen fort, sondern erweiterte sie auf andere Hormone, besonders die Nebennierenhormone. Das Mannheimer Laboratorium entwickelte sich zu einem international anerkannten Zentrum der endokrinologischen Forschung. Die ertragreich arbeitende Forschungsgruppe schloss sechs Akademiker ein, die von etwa zehn weiteren Mitarbeitern, meist Laborantinnen, unterstützt wurden, die hauptsächlich mit von Loewe organisierten Drittmitteln der Industrie und der „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ bezahlt wurden.

Diese günstige Entwicklung des Instituts wurde 1933 durch die NS-„Machtübernahme“ abgebrochen. Bereits im März, noch vor dem im April publizierten offiziellen Aufruf zum Boykott der Juden und den ersten Pogromen also, wurde das als „Judendomäne“ gescholtene Institut durch die neue Stadtverwaltung geschlossen (Fliedner, 1971, S. 173). Zwar konnten endokrinologische Forschungen in Mannheim, dank der Bemühungen von H. Voss, der zur pharmakologischen Firma Boehringer-Mannheim ging, fortgesetzt werden, für Loewe aber war das Ende seiner Arbeit auf diesem Gebiet eingetreten, da er das Labor nicht mehr betreten durfte. Nur dank der Hilfe eines einzigen im Institut gebliebenen Mitarbeiters hatte er wenige Bücher aus seinem Arbeitszimmer erhalten. Ihm, wie er später schrieb, waren „Werk- und Schaffensraum und dazu Lebensraum, Heimat und das Recht aufs Vaterland gestohlen“ (Brief von 1.1.1949 an den OB Mannheims, StadtA Mannheim S1/3372, S. 19).

Am 20. April 1933 wurde ein Brief der Heidelberger Universität an Loewe nach Mannheim geschickt. Darin hieß es, er werde „bis auf Weiteres beurlaubt“ (UA Heidelberg, PA 1062). Loewe indes war schon weg. Dem Rat eines Freundes folgend, dass er unverzüglich abreisen solle, „verließ [er] eines Abends […] das Haus und kam nicht mehr zurück“ (Ida Loewe, 1972, S. 47). Auf dem Umweg über Holland, wo ein befreundeter Pharmakologe ihm einen Arbeitsplatz angeboten hatte, ging er mit seinem alten estnischen Pass in die Schweiz. Dort fand er in Zürich die im April gegründete „Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler im Ausland“ und beteiligte sich an deren Tätigkeit. Bald folgte ihm die Familie. Die drei Kinder wurden in eine englische Quäkerschule in Gland am Genfer See gebracht, Ida Loewe blieb in Zürich.

Der Frankfurter Pathologe Philipp Schwartz (1894–1977), Gründer und Leiter der „Notgemeinschaft“, berichtet über die anstrengende Arbeit Mitte Juli 1933. Loewe und dessen Frau seien seine „unermüdlichen Helfer“ gewesen (Schwartz, 1995, S. 50). Ab 1934 gehörte Loewe zum Beirat der „Notgemeinschaft“ (Erichsen, 1994, S. 67). Damals wurden deutsche Wissenschaftler, darunter Loewe, an die neue Universität Istanbul berufen, die im November 1933 eröffnet wurde. Loewe fuhr nach Istanbul, lehnte den Ruf aber ab und nahm das Angebot der Rockefeller-Stiftung an, eine dreijährige Beihilfe und einen Arbeitsplatz im Laboratorium des Mount Sinai Hospitals in New York. Im Juli 1934 beteiligte er sich noch an einer Tagung schweizerischer Physiologen in Lausanne, im August begab er sich in die USA; seine Familie kam im November dieses Jahres.

Die Anfangsjahre in den USA waren hart. Fast rund um die Uhr lernte Loewe erst die Sprache. „Viel Schweiß“, wie er einmal zugab (Ida Loewe, 1972, S. 48), brachte aber Früchte. Dass Loewe das Englische – bis auf den deutschen Akzent – bald gut beherrschte, ist belegt. 1954 bedankten sich zwei amerikanische Professoren bei ihm im Vorwort zu ihrem Lehrbuch der Pharmakologie. Loewe habe die ursprünglichen Entwürfe gelesen und viele Sätze so umformuliert, dass sie die Gedanken der Verfasser besser ausdrückten. Loewe übersetzte auch Gedichte, etwa „Kritik des Herzens“ von Wilhelm Busch, ins Englische, was darauf schließen lässt, „welche Art von Philosophie und Humor seinem Herzen und seinem Wesen besonders nahe standen“ (Herker, 1965, S. 101).

Heubner, der 1936 die USA besuchte, bezeugte später, dass das Laboratorium im Mount Sinai Hospital „gar nicht den Vorstellungen ‚amerikanischer‘, d. h. üppiger Ausstattung entsprach“ (Heubner, 1954, S. 520), trotzdem arbeitete Loewe unverdrossen weiter. Als das Rockefeller-Stipendium ausgelaufen war, hatte er schon Fuß in New York gefasst. 1935 erschien sein erster amerikanischer Artikel, 1936 wurde er Mitglied der Amerikanischen Gesellschaft für Pharmakologie und experimentelle Therapie und hatte mehrere wichtige Kontakte zu amerikanischen Kollegen. Zwar konnte Loewe nur durch die Unterstützung verschiedener Stiftungen und Firmen oder in Kooperation mit anderen Laboratorien seine Forschungen durchführen, das aber gelang ihm. Ende 1936 schloss sich Loewe einem Laboratorium des Montefiore Hospitals in der New Yorker Bronx an, wo er bis 1942 blieb. Gleichzeitig wurde er für zehn Jahre, bis 1945, Gast-Forscher an die Cornell Universität in New York und konnte in beiden Laboratorien Forschungsarbeit betreiben.

Dort entwickelte er seine weltweit bekannt gewordenen Forschungen über Wirkstoffe des Marihuanas. Marihuana wurde zu jener Zeit ein nationales Problem. Loewe fand Kontakt zum Leiter der Chemischen Fakultät der Illinois Universität, Roger Adams (1889–1971), einem glänzenden Chemiker auf dem Gebiet organischer Naturstoffe. Adams gewann mit Mitarbeitern aus Cannabisextrakten das Cannabinol, Cannabidiol und, Haupterzeuger der Wirkung, ein Gemisch aus Tetrahydrocannabinolen. Loewe führte die pharmakologischen Tests durch, verglich den Wirkstoffgehalt von Cannabis verschiedener Herkunft, beschrieb das Wirkungsspektrum einschließlich einer analgetischen Wirkung und ermittelte Beziehungen zwischen chemischer Struktur und pharmakologischer Wirkung. Die Ergebnisse Loewes wurden nach seinem Tod weiterentwickelt, teilweise auch korrigiert. Seine Pionierbeiträge zur Entzifferung der Stoffe, die Marihuana zum Rauschgift machen, überdauerten aber in der Geschichte der Pharmakologie. Er fasste sie zusammen: „Nach Gewöhnungsgefahr im Sinne von Sucht und Toleranzsteigerung scheinen die Cannabiswirkstoffe an letzter Stelle unter den ‚Rauschgiften‘ zu stehen, nach der Breite zwischen Schwellen- und tödlicher Wirkung stehen manche von ihnen in vorderster Reihe unter allen Pharmaka.“ (1950, S. 192).

1946 zog Loewe samt Familie in die Mormonenstadt Salt Lake City, wohin ihn der Leiter der Pharmakologischen Abteilung der Universität Utah, Louis S. Goodman (1906–2000), als Research Professor eingeladen hatte. Dies sollte die letzte Station seines Lebens werden. Hier konnte er mit mehreren Mitarbeitern, zu denen inzwischen die eigene Tochter gehörte, experimentelle Arbeiten über Cannabis-Wirkstoffe fortführen. Er konzentrierte sich aber auf das theoretische Problem der Arzneimittel-Kombinationen, das er bereits in Dorpat zu bearbeiten begonnen hatte. Sein Ziel war der Aufbau einer quantitativen Pharmakologie und die Theorie der Wirkstoff-Kombinationen.

Nach dem Krieg konnte Loewe den Briefwechsel mit Freunden und Kollegen in Deutschland wieder aufnehmen. Er begann auch, wieder in deutschen Zeitschriften zu publizieren. Auf Anregung von Heubner, der damals in Berlin war, beantragte die Medizinische Fakultät der Heidelberger Universität im Februar 1951 einstimmig die Wiederernennung Loewes zum Honorarprofessor, die die badische Kultusverwaltung im März 1951 „ausnahmeweise […] mit Rücksicht auf die angestrebte Wiedergutmachung“ für Loewe genehmigte, so dass er künftig im Vorlesungsverzeichnis „wieder als Honorarprofessor geführt“ (UA Heidelberg, PA 4864) werden konnte. Als die Deutsche Pharmakologische Gesellschaft Loewe 1948 zu ihrem Ehrenmitglied ernannte, antwortete er mit einem Gedicht, das seine Freude, aber auch „seine Bescheidenheit in der kritischen Beurteilung der eigenen Leistung ausdrückte“ (Herker, 1965, S. 101).

Aus Anlass des Internationalen Physiologen- Kongresses in Brüssel 1956 besuchte Loewe noch einmal Europa, auch Deutschland, und traf viele alte Freunde und Kollegen. In den letzten Jahren seines Lebens beschäftigte er sich dann intensiv mit der Vorbereitung einer Geschichte der allgemeinen Pharmakologie, einem Werk, das er nicht zu Ende brachte.

Das von seiner Witwe verfasste und im Stadtarchiv Mannheim überlieferte Werkverzeichnis Loewes (S1/3372) zählt 260 Publikationen und lässt seine vielseitige wissenschaftliche Tätigkeit erkennen. Hinzu kommen über 80 Dissertationen und Aufsätze seiner Schüler und Mitarbeiter, die unter Anleitung Loewes geschrieben wurden. Das Ganze kennzeichnet seine „Neigung zum Vorstoß auf den letzten Grund der Erscheinungen und zur sauberen gedanklichen Systematisierung“ (Heubner, 1954, S. 521). Loewes Bedeutung ist von der steten Suche nach Vertiefung von theoretischen Grundlagen pharmakologischer Grundfragen gekennzeichnet: anfangs stand der Ausbau der quantitativen Pharmakologie im Zentrum, Loewes Bemühung, zwischen Dosis, Einwirkung und Auswirkung zu ergründen, später die Analyse und Deutung kombinierter Arzneiwirkung. Als Höhepunkte unter seinen Einzelleistungen ragen Forschungen über Sexualhormone und über Rauschmittel hervor.

Quellen:

UA Göttingen, KurPA Siegfried Loewe, Personalakte Loewe; UA Heidelberg, PA 1062, PA 4864, Personalakten Loewe; StadtA Mannheim, „Marchivum“, S1/3372, Biographische Sammlung Loewe; 27/2006, Nr. 7, Materialien über Loewe im Nachlass Klingmüller; Auskünfte des StadtA Göttingen vom 1.7.2016, des StadtA Frankfurt am Main vom 13.7.2016, des StadtA Mannheim vom 1.8.2016, des Lessing-Gymnasiums, Frankfurt, vom 3.8.2016 und des StadtA Fürth vom 11.8.2016.

Werke: Über die Bindung des Tetanustoxins, in: Biochemische Zeitschrift 33, 1911, 225–246, 34, 1911, 495–511; Klinische Erfahrungen mit Luminal, in: Deutsche medizinische Wochenschrift 38, 1912, 947 f.; Kritik der Meyer-Overtonschen Narkosetheorie, ebd. 2387 f.; Zur physikalischen Chemie der Lipoide. I.-IV., in: Biochemische Zeitschrift 42, 1912, 150–218; (mit W. Heubner) Über die zentral lähmende Strychninwirkung, in: Archiv für experimentelle Pharmakologie und Pathologie 71, 1913, 174–209; (mit G. Lange) Ausländische Spezialitäten und dt. Ersatzpräparate, in: Therapeutische Monatshefte 29, 1915, 166–174; (mit O. Loeb) Die örtliche Reizwirkung der zur Injektionsbehandlung empfohlenen Digitalispräparate, ebd. 30, 1916, 74–84, 220–230; (mit G. Magnus) Zur Pharmakologie . der Wundbehandlung, ebd. 32, 1918, 43–53, 225–230, 264–270; Die pharmakologische Seite des Ernährungsproblems, ebd. 343–350; Das schlagend überlebende Herzstreifenpräparat, in: Zs für die gesamte experimentelle Medizin 6, 1918, 289–300; (mit Marie Simon) Versuche über die Wirksamkeit der Nebennierenpräparate bei peroraler Zufuhr, ebd. 327–334; Über zyklische Seitenkettenäthylamine, ebd. 335–349; Von der Wiege der Pharmakologie, in: Archiv für experimentelle Pharmakologie und Pathologie 104, 1924, 1–5; (mit W. Faure) Zur experimentellen Prüfung von Haarwuchsmitteln (Humagsolan), in: Klinische Wochenschrift 3, 1924, 1532 f.; (mit W. Wadi) Ist die Schilddrüse für die Wirkungen der Jodalkalien auf das Blutbild maßgebend?, ebd. 2011, 1583 f.; (mit F. Lange) Zur Pharmakologie der Silbergerbstoffpräparate, ebd. 4, 1925, 1014–1017; (mit W. Faure) Unmittelbarer Nachweis der Muskeltätigkeit der Milzkapsel, ebd. 1358 f.; Nachweis Brunsterzeugender Stoffe im weiblichen Blute, ebd. 1497; (mit M. Ilison) Eine einfache Methode zur biologischen Wertbestimmung von Hypophysenpräparaten, ebd. 1692; Über einige Wirkungskennzeichen und -bedingungen eines Ovarialhormons, in: Zentralblatt für Gynäkologie 49, 1925, 1735–1758; Prüfung der Arzneiwirkung, in: Bernhard von den Velen, Paul Wolff (Hgg.), Handbuch der praktischen Therapie als Ergebnis experimenteller Forschung, Bd. 1, 1926, 167–196; Allgemeine Pathophysiologie und Therapie der männlichen Genitalfunktionen, ebd. 192–804; Pharmakologie und hormonale Beeinflussung des Uterus, in: Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie, Bd. 14, 1. Hälfte, 1. Teil, 1926, 501–554; (mit F. Lange und W. Faure) Über weibliche Sexualhormone. III. Die Wirksamkeit des Zyklushormons bei peroralen Zuführung, in: Deutsche medizinische Wochenschrift 52, 1926, 310–313; Randbemerkungen zur Namengebung auf dem Gebiet der Sexualhormone, ebd. 1685 f.; (mit F. Lange) Über weibliche Sexualhormone. VI. Ermittlungen über die Grundlagen einer Verwertbarkeit der Brunstreaktion der Maus zur biologischen Wertbestimmung des Zyklushormons, in: Zeitschrift für die gesamte experimentelle Medizin 51, 1926, 284–329; (mit F. Lange) Über weibliche Sexualhormone. VII. Der Gehalt des Frauenharnes an brunsterzeugenden Stoffen in Abhängigkeit vom ovariellen Zyklus, In: Klinische Wochenschrift 5, 1926, 1038 f.; (mit H. Voss) Über weibliche Sexualhormone. VIII. Eine placentare Inkredrüse Spenderin örtlich wirksamen Hormons?, ebd. 1083–1085; (mit F. Lange) Über weibliche Sexualhormone. X. Ergänzendes über das „Zählverfahren“ zur quantitativen Verfolgung des Brunstablaufs beim Nager, in: Zeitschrift für die gesamte experimentelle Medizin 54, 1927, 188–198; Die Wirkung synthetischer Cycloäthylamine aus der Verwandtschaft von Adrenalin und Histamin auf autonome Erfolgsorgane, ebd. 56, 1927, 271–333; Die Mischarznei, in: Klinische Wochenschrift 6, 1927, 1077–1085; (mit F. Lange und E. Spohr) Über weibliche Sexualhormone (Thelytropine). XII. Brunsterzeugende Stoffe (Thelykinine) als Erzeugnisse des Pflanzenreiches, in: Biochemische Zeitschrift 180, 1927, 1–26; Die quantitativen Probleme der Pharmakologie, in: Ergebnisse der Physiologie 27, 1928, 47–187; Arzneigemische und Mischarzneien, in: Die Medizinische Welt 2, 1928, 897–899; Untersuchungen über die Wirksamkeit des Nährpräparates „Promonta“, in: Klinische Wochenschrift 7, 1928, 253–255; (mit H. E. Voss, F. Lange und A. Wähner) Sexualhormonbefunde im männlichen Harn, ebd.,1376 f.; (mit H. E. Voss, F. Lange und F. Spohr) Über Wirkungsmerkmale des männlichen Sexualhormons bei Stoffen aus dem Pflanzenreich, in: Endokrinologie 1, 1928, 39–44; (mit H. E. Voss und E. Paas) Experimentell-therapeutische Studien an Weibchen mit spontanen Zyklusinsuffizienz, ebd. 323–337; Lesser, Ernst, in: Dt. biogr. Jahrbuch 10, 1928, 152–154; Zur Wirkungsweise der Paraffinpräparate, in: Klinische Wochenschrift 8, 1929, 1950–1952; (mit F. Lange) Entgiftetes Phenolphtalein, in: Klinische Wochenschrift 9, 1930, 207–209, 2217–2219; (mit H. E. Voss) Der Stand der Erfassung des männlichen Sexualhormons (Androkinins), ebd. 481–487; (mit F. Rotschild, W. Rautenbusch und H. E. Voss) Androkinin (männliches Sexualhormon) im männlichen Blut, ebd. 1457; Die Wirkstofferzeugung der Blutdrüsen als Betrachtungsgrundlage der klinischen Endokrinologie, in: Zentralblatt für innere Medizin 51, 1930, 257–271; Louis Levin †, in: Deutsche medizinische Wochenschrift 56, 1930, 151 f.; (mit H. E. Voss) Schnelltest auf männliches Sexualhormon, ebd. 1256–1258; (mit dems.) Maskulierung durch Androkinin, in: Klinische Wochenschrift 10, 1931, 1057; (mit dems.) Zur Wertbestimmung männlichen Sexualhormons an den Vesikulardrüsen des Nagermännchens, in: Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie 159, 1931, 532–544; (mit dems.) Die Wirksamkeit intravenös zugeführten Ovarialhormons, ebd. 161, 1931, 108–114; (mit dems. und F. Lange) Auswertung des Androkiningehalts von Testispräparaten des Handels, ebd. 162, 131, 633–648; Sichtbarmachung örtlicher Betäubungswirkungen, in: Klinische Wochenschrift 10, 1931, 649 f.; (mit L. Marx, F. Rotschild und H. E. Voss) Tierexperimentelle und klinische Erfahrungen über Nebennierenrindenhormone, in: Klinische Wochenschrift 11, 1932, 281–284; (mit H. E. Voss) Nachweis des Vorkommens von Gelbkörperhormon im Frauenharn, in: Schweizerische medizinische Wochenschrift 64, 1934, 1049 f.; Fluor und Knochensystem ebd. 1177; (mit H. Salfeld) „Mottling of Enamel“ effected by a single fluorine dose, in: Proceedings of the Society for Experimental Biology and Medicine 32, 1935, 1649–1651; Pseudohernia, a visible manifestation of local anesthetic action, in: Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics 56, 1936, 238–251; Pharmacological contributions to the problem of the autonomic control of skeletal muscle tonus, ebd. 58, 1936, 229–238; A pharmacological ejaculation test for bio-assay of male sex hormone, in: Proceedings of the Society for Experimental Biology and Medicine 34, 1937, 483–486; Influence of autonomic drugs on ejaculation, in: Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics 63, 1938, 70–75; (mit R. Adams u. a.) Structure of cannabidiol. Position of the double bonds in cannabidiol. Marihuana activity of tetrahydrocannabinols, in: Journal of the American Chemical Society 62, 1940, 2566 f.; (mit H. L. Wollner u.a.) Isolation of a physiologically active tetrahydrocannabinol from cannabis sativa resin, ebd. 64, 1942, 26–29; (mit R. Adams u.a.) Tetrahydrocannabiol homologs and analogs with marihuana activity, ebd. 694–697; (mit dems. und C. M. Smith) Optically active synthetic tetrahydrocannabinols, ebd. 2087–2089; Pharmacological study [of marihuana], in: The Marihuana Problem in the City of New York, 1944, Reprint 1973, 149–212; The chemical basis of marihuana activity, in: Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics 84, 1945, 78–81; Marihuana activity of cannabinol, in: Science 102, 1945, 615 f.; (mit R. Adams und K. H. Chen) Tetrahydrocannabinol homologs with a s-alkyl group in the 3–position, in: Journal of the American Chemical Society 67, 1945, 1534–1537; The rate of disappearance of marihuana-active Substance from the circulating blood, in: Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics 86, 1946, 294–296; Studies on the pharmacology and acute toxicity of compounds with marihuana activity, ebd. 88, 1946, 154–191; Bioassay by direct by direct potency estimation, in: Science 106, 1947, 89–91; (mit R. Adams und M. Happenist) New analogs of Tetrahydrocannabinol, in: Journal of the American Chemical Society 71, 1949, 1624–1628; Benetzung als Wirkungsfaktor, in: Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie 206, 1949, 357–360; Cannabiswirkstoffe und Pharmakologie der Cannabinole, ebd. 211, 1950, 175–193; (mit S. C. Harvey) Equidistance concept and structure-activity relationship of curarizing drugs, ebd. 214, 1952, 214–226; (mit S. L. Puttuck) Selektive Erregung sympathischer Ganglien durch Cresoxycholine (COC), ebd. 215, 1952, 525–546; The problem of synergism and antagonism of combined drugs, in: Arzneimittel- Forschung 3, 1953, 285–290; (mit Mitarbeitern) Isobols of dose-effect relations in the combination of pentylenetetrazole and trimethadione, in: Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics 113, 1955, 475–480; Isobols of dose-effect relations in the combination of pentylenetetrazole and phenobarbital, ebd. 114, 1955, 185–191; Isobols of dose-effect relations in the combination of niketamide (coramine) and Phenobarbital, ebd. 115, 1955, 6–15; Antagonisms and antagonists, in: Pharmacological Reviews 9, 1957, 237–242; Fragen zur Praxis der quantitativen Leistungsprüfung von Wirkstoffkombinationen, in: Arzneimittel-Forschung 11, 1961, 899–902.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (ca. 1959) Siegfried 342, UA Heidelberg, Pos I, Nr. 01908. – (vgl. auch Literatur).

Literatur:

NDB 15, 1987, 85f.; I. Fischer, Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten 50 Jahre, 1880–1930, 1933, 933; W. Heubner, Zum 70. Geburtstage von Prof. Dr. Siegfried Walter Loewe am 19.8.1954, in: Arzneimittel-Forschung 4, 1954, 520 f.; H. E. Voss, Herrn Professor Dr. med. Walter Siegfried Loewe, Salt Lake City, Utah, zum 75. Geburtstag am 19 Aug. 1959, in: Arzneimittel-Forschung 9, 1959, 533–535 (mit Bildnachweis); H. E. Voss, In memoriam Prof. Dr. Walter Siegfried Loewe, in: Deutsche medizinische Wochenschrift 89, 1964, 93 f. (mit Bildnachweis); Siegfried C. Harvey, In memoriam Siegfried Loewe, in: Arzneimittel-Forschung 14, 1964, 78f. (mit Bildnachweis); H. Herken, Siegfried Walter Loewe †, in: Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie 250, 1965, 99–101; Hans-Joachim Fliedner, Die Judenverfolgung in Mannheim 1933–1945, Bd. 1, 1971, 172 f.; Ida A. Loewe, mit dem Zusatz von H. E. Voss, Walter Siegfried Loewe (1884–1963), in: Mannheimer Hefte 1972, Nr. 2, 44–51; H. A. Strauss, W. Röder (Editors) International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945, Vol. II, Part 2, 1983, 741; R. Kattermann, Walter Siegfried Loewe (1884–1963). Sein Beitrag zur Analytik, Biologie und Pharmakologie der Sexualhormone, in: R. Kattermann (Hg.) Naturwissenschaft und Medizinische 75 Jahre Klinische Chemie, Pathobiochemie und Endokrinologie in Mannheim, 1910–1985, 1985, 85–102 (mit zahlr. Bildnachweisen); A. Butenandt, Erinnerungen an Walter Siegfried Loewe, ebd. 103–106; Philipp Schwartz, Notgemeinschaft, 1995; Regine Erichsen, Emigrantenhilfe von Emigranten – Die Notgemeinschaft Deutsche Wissenschaftler im Ausland, in: Exil (Frankfurt), 14, 1994, H. 2, 51–69; K. Löffelholz, U. Trendelenburg, Verfolgte deutschsprachige Pharmakologen 1933–1945, 2008, 31, 108 (mit Bildnachweis, 108).

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