Württemberg, Eberhard Ludwig 

Geburtsdatum/-ort: 18.09.1676;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 31.10.1733;  Ludwigsburg, begraben in der Schlosskirche Ludwigsburg
Beruf/Funktion:
  • Herzog
Weitere Angaben zur Person: Religion: lutherisch
Verheiratet: 16.5.1697, Johanna Elisabth von Baden-Durlach
Zweitehe: 1707, Wilhelmine von Grävenitz
Eltern: Vater: Wilhelm Ludwig von Württemberg
Mutter: Magdalena Sibylla, geb. Landgräfin von Hessen-Darmstadt
Kinder: Friedrich Ludwig (14.12.1698-23.11.1731)
GND-ID: GND/118687441

Biografie: Dieter Stievermann (Autor)
Aus: Lexikon Haus Württemberg, S. 169-172

Eberhard Ludwigs Jugend war von der Tatsache geprägt, daß er noch nicht einjährig seinen Vater verlor. Als einzigem Sohn fiel ihm das Herzogtum zu, doch mußte eine Regentschaft die Regierung führen: Den Familienstreit darüber entschied der Kaiser.
Die Erziehung stand im Spannungsfeld frommer Bestrebungen der Mutter und einer starken Beeinflussung im Sinne des höfisch-barocken Absolutismus durch den Onkel, Herzog-Administrator Friedrich Carl. Hofmeister war 1684–1693 der niedersächsische Adlige Staffhorst, der seit 1698 auch entscheidenden Einfluß auf die Landespolitik nahm. Als Folge der Kriegszeit konnte erst 1700 die zeitübliche Kavalierstour an die Höfe Westeuropas angetreten werden.
Am 16. Mai 1697 wurde im sogenannten Durlacher Hof zu Basel die Ehe mit Johanna Elisabeth von Baden-Durlach geschlossen. Seine 1707 eingegangene Zweitehe mit Wilhelmine von Grävenitz aus Mecklenburg wurde zwar 1708 für ungültig erklärt, aber unter skandalösen Umständen wiederaufgenommen und weitergeführt – so kehrte sie nach der Scheinehe mit dem Graf von Würben 1711 aus dem Schweizer Exil zurück und wurde „Landhofmeisterin“ – bis es 1731 zum endgültigen Bruch mit ihr kam.
Am 20. Januar 1693 wurde Eberhard Ludwig knapp sechzehnjährig vom Kaiser Leopold I. für volljährig erklärt, da der Onkel und Vormund Friedrich Carl in französische Gefangenschaft geraten war und man sich in Wien des an der Westfront wichtigen Württemberg weiter versichern wollte. Der junge Herzog konnte so formell die Regierung selbst übernehmen, blieb jedoch noch länger von anderen abhängig, wie er auch später leicht beeinflußbar erschien und eine konsequente eigenständige Regierung im Lande offenbar nicht anstrebte.
Der Reichskrieg mit Frankreich, bei dem das Ringen um die Pfalz in der ersten Phase im Mittelpunkt stand, blieb das Hauptproblem für Württemberg auch unter dem neuen Regenten – nicht nur außenpolitisch, sondern auch innenpolitisch, da es neben schwersten Kriegsschäden durch französische Einfälle (1688, 1693, 1707) um Steuererhebung und Heeresfragen schon vorher Konflikte im Herzogtum gegeben hatte. Es lag in der Natur der Sache, daß der junge Fürst hier zunächst der Landschaft stärker entgegenkam als sein militärisch ambitionierter Onkel.
Eberhard Ludwig, obgleich an den Geschäften der Alltagspolitik wenig interessiert, versuchte aber bald ebenfalls im Sinne des Absolutimus zu regieren, insbesondere ein stehendes Heer zu schaffen. Seine Eheprobleme erwiesen sich jedoch als selbstgeschaffenes Hindernis auch für seine innenpolitischen Bestrebungen, zumal ihn seine badische Gattin und der Schwiegervater als Bigamisten beim Kaiser verklagten. Als sich Eberhard Ludwig 1708 einer kaiserlichen Kommission beugen und die Ungültigkeitserklärung der zweiten Ehe hinnehmen mußte, war sein innenpolitisches Ansehen vollends dahin – erst 1710 kehrte er aus dem eidgenössischen Exil zurück, in das er seiner Geliebten gefolgt war. Gleichwohl konnte die Familie der Grävenitz, im Verein mit der ihr verbundenen ebenfalls landfremden Familie des Dr. Johann Heinrich Schütz und gestützt auf den Herzog, die Schlüsselpositionen der Herrschaft, das heißt die Mehrheit im Geheimen Rat, an sich bringen, später das vorgesetzte kleinere 1717 geschaffene Konferenzministerium vollständig beherrschen.
Eine solche Ausschaltung der traditionellen Führungsschicht war an sich ein Merkmal absolutistischer Herrschaftsstrukturen, doch in Württemberg diente es nicht den Machtinteressen von Staat oder Monarch, sondern vorzüglich der Bereicherung der Familien Schütz und Grävenitz, die von der Liebesbindung des Herzogs und seinem Zerfall mit Ehefrau, Moral und Land profitierten. Die Entfremdung zwischen Landesherr und Land manifestierte sich auch in der Residenzverlegung nach Ludwigsburg 1724, während die legitime Gattin in Stuttgart verblieb. Allerdings gelang es dem Herzog und seinen Vertrauten, 1724 die Landschaft zu einem Kompromiß und zur dauerhaften Bewilligung begrenzter Mittel für ein kleineres stehendes Heer zu bewegen. Überhaupt konnte der landschaftliche Einfluß sehr stark vermindert werden, indem man sich mit den dort dominierenden Familien arrangierte und anstatt mit einem großen Landtag mit kleinen Ausschüssen verhandelte. Zu den innenpolitischen Akzentsetzungen unter Eberhard Ludwig gehört ebenfalls die Bildung eines Kommerzienrats 1709, der im Sinne des Absolutismus eine merkantilistische Wirtschaftspolitik fördern sollte (Tabakanbau, Neckarschiffahrt, Postpläne). Auch im Steuerwesen kam es zu Reformen, wobei bereits der Gedanke größerer Steuergerechtigkeit mitspielte: wie in anderern Territorialstaaten auch hier gegen den Widerstand der Privilegierten.
Angesichts eines kränkelnden Erbprinzen und der daraus sich ergebenden Gefahr, daß Württemberg an eine konvertierte Nebenlinie übergehen würde, löste der Herzog 1731 seine Verbindung zu Wilhelmine von Grävenitz. An einen Erben war allerdings nicht mehr zu denken, auch blieb der Bruder Wilhelmines Leiter der württembergischen Politik.
Der Vorrang menschlich-privater Interessen des Herzogs und die innenpolitischen Probleme verhinderten wohl auch die eigentlich nicht schlechten Chancen, nach dem Vorbild Hannovers vom politisch bedrängten Kaiserhaus ebenfalls eine neue Kurwürde zu erlangen. Das zeitweilig beträchtliche militärische Engagement des Herzogs für Kaiser, Reich und Kreis trug – von hohen Chargen abgesehen – kaum wirkliche Früchte, die Enttäuschung konnte so nicht ausbleiben. In geheimen Kontakten zu Frankreich 1711 während des sogenannten Spanischen Erbfolgekrieges wurde sogar ein Königtum in Franken für Eberhard Ludwig diskutiert, doch kam es weder dazu noch zu einem wirklichen Ausbrechen aus der Reichsfront.
Wenngleich sich Württemberg nicht offen gegen den Kaiser und das Haus Habsburg stellte – auf Grund seiner objektiven Macht auch wohl schwerlich konnte – so zeichneten sich außenpolitisch doch neue Perspektiven ab: Mit dem aufsteigenden ebenfalls evangelischen Preußen wurden 1709, 1716 und 1731 defensive Verträge abgeschlossen, diese Beziehung durch die Heirat des Erbprinzen Friedrich Ludwig 1716 in Berlin mit einer Kusine des Königs aus der Nebenlinie Schwedt untermauert. Diese Option war zwar nicht übermäßig brisant, hielt sich doch Preußen unter Friedrich Wilhelm I. noch weitgehend im kaiserlich–habsburgischen Fahrwasser, doch hatte man damit ein gewisses Gegengewicht gegen den nahen katholischen Kaiser aus dem Hause Österreich, das gerade den Zenit seiner europäischen Machtstellung erreicht hatte.
Obwohl sich um 1700 in Europa viele Länder territorial vergrößern konnten, konnte Württemberg unter einem nur begrenzt handlungsfähigen Landesherrn lediglich kleine Zuerwerbungen verzeichnen, die dazu noch kaum dem Land an sich, sondern vor allem dem Privatbesitz des Herzogs bzw. seiner Kamarilla zu Gute kamen. Durch das Aussterben der Nebenlinie fiel aber 1723 die Grafschaft Mömpelgard an Eberhard Ludwig; die Ansprüche auf die übrigen linksrheinischen Besitzungen besaßen allerdings gegen Frankreich kaum eine Chance auf Realisierung.
Das besondere Interesse Eberhard Ludwigs galt seiner Geliebten und darüber hinaus einem barock-höfischen Lebensstil, der sich vorzüglich in Ludwigsburg verwirklichte. In diesen Rahmen gehört auch der 1702 geschaffene Hubertusorden. Der Herzog selbst hatte bereits 1694 den dänischen Elephantenorden erhalten, 1706 folgte der preußische Schwarze Adlerorden.
Im Gegensatz zur überwiegenden Stimmung in seinem streng lutherischen Land gestattete Eberhard Ludwig 1699/1700 vertriebenen Waldensern und französischen Protestanten reformierter Konfession die Niederlassung. Neben merkantilistischen Überlegungen und wohl auch dem Gedanken einer Provokation und Einschüchterung der herrschenden Kreise spielte dabei sicherlich die eigene konfessionelle Weitherzigkeit Eberhard Ludwigs eine Rolle: Es hatte so im Zusammenhang seiner Eheprobleme bereits Gerüchte über eine mögliche Konversion gegeben. 1724 sicherte er Katholiken und Reformierten, den neben den Lutheranern im Reich grundsätzlich anerkannten Glaubensrichtungen, für seine neue Residenz Ludwigsburg den privaten Gottesdienst zu. Die herrschende lutherische Orthodoxie sah sich darüber hinaus mit dem Ausbreiten der pietistischen Bewegung in ihren eigenen Reihen konfrontiert: Man schwankte zwischen Repression und einzelnen Konzessionen (Einführung der Konfirmation 1722), bis erst 1743 das sogenannte Pietistenreskript einen modus vivendi schuf. Gerade in der Konfrontation mit dem skandalösen Lebenswandel an der Spitze des lutherischen Landes erhielten die Vorstellungen der Pietisten von einem wirklich christlichen Leben ihre Brisanz.
Insgesamt werfen die Umstände der Regierungszeit Eberhard Ludwigs dunkle Schatten auch auf ihre Leistungen für die Barockkultur, nicht zuletzt durch das Schuldenmachen, das vor allem die Domänen belastete – doch hat vielleicht die eher schwache Politik des Herzogs eine durchaus denkbare engagierte Einmischung in die europäischen Auseinandersetzungen und damit katastrophale Folgen verhindert.
Quellen: HStA Stuttgart, G-Bestände.
Nachweis: Das Haus Württemberg: ein biographisches Lexikon / hrsg. von Sönke Lorenz ... In Zusammenarbeit mit Christoph Eberlein ... und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Stuttgart; Berlin; Köln 1997

Literatur: Otto Borst, Württemberg und seine Herren, Esslingen 1988, S. 163–174.
Klaus Merten u.a., Eberhard Ludwig, Herzog von Württemberg (1676–1733), Ausstellungskatalog, Stuttgart 1976.
Bernd Wunder, Herzog Eberhard Ludwig, in: 900 Jahre Haus Württemberg, Stuttgart 1984, S. 210–226.
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