Württemberg, Friedrich II./I., Herzog / Kurfürst / König 

Geburtsdatum/-ort: 06.11.1754; Treptow an der Rega/Pommern
Sterbedatum/-ort: 30.10.1816;  Stuttgart; begr. in der Gruft (Protestantische Abteilung) der Schlosskirche Ludwigsburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: protestantisch
Verheiratet: 1780-1788 Auguste Karoline Friederike Luise, geb. von Braunschweig-Lüneburg
18.5.1797 Charlotte Auguste Mathilde, geb. von Großbritannien
Eltern: Vater: Herzog Friedrich Eugen von Württemberg (21.1.1732-22.12.1797)
Mutter: Friederike Sophie Dorothea, geb. von Brandenburg-Schwedt (18.12.1736-9.3.1798)
Geschwister: Ludwig (Louis) (30.8.1756-20.9.1817)
Eugen (I.) Friedrich Heinrich (21.11.1758-20.6.1822)
Sophie Dorothee (Maria Feodorowna) (23.10.1759-5.11.1828)
Wilhelm (27.12.1761-10.8.1830)
Ferdinand (21.10.1763-20.1.1834)
Friederike Elisabeth Amalie Auguste (27.7.1765-24.11.1785)
Elisabeth Wilhelmine Luise (21.4.1767-18.2.1790)
Wilhelmine (3.6.1768-22.10.1768)
Carl Friedrich Heinrich (3.5.1770-22.8.1791)
Alexander (I.) (24.4.1771-4.7.1833)
Heinrich Friedrich Karl (3.7.1772-28.7.1838)
Kinder: 4; Wilhelm I. (27.9.1781-25.6.1864), Katharina (21.2.1783-28.11.1835), Auguste Sophie Dorothee (24.12.1783-3.10.1784), Paul Friedrich Karl August (19.1.1785-16.4.1852)
GND-ID: GND/118703218

Biografie: Wolfram Siemann (Autor)
Aus: Lexikon Haus Württemberg S. 289-292

Friedrich war der Schöpfer des modernen Württemberg, das durch seine Politik unter schwierigsten politischen und materiellen Umständen in den Kreis der bedeutenden Mittelstaaten Deutschlands im 19. Jahrhundert emporwuchs. Obwohl das Urteil über seine Person zwiespältig ist, herrscht auch bei seinen Kritikern kein Zweifel an der überragenden Leistung dieses Monarchen. Erfüllt von den Maximen des aufgeklärten Reformabsolutismus und dem Vorbild französischer Verwaltungsprinzipien, sicherte er den Aufstieg Württembergs vom Herzogtum zum Königreich und in die staatliche Souveränität. Als persönliche Eigenschaften vereinte er Willensstärke, Zielstrebigkeit, Gewalttätigkeit, Arbeitswut und Rechtlichkeit, wodurch er – verbunden mit einem überlegenen Verstand – als abhängiger Potentat selbst Napoleon Respekt abnötigte. Er regierte sein Land nach den Prinzipien der Staatsräson und im Sinne einer aufgeklärten Erziehungsdiktatur, wobei er durch sein persönliches Regiment stets über alles bis ins Detail unterrichtet sein wollte.
Friedrich wurde in einer kleinen Stadt in Pommern geboren, als sein Vater, der spätere Herzog Friedrich Eugen, dort als Offizier in Diensten des preußischen Königs Friedrich II. stand. Seine Erziehung erfuhr er in Württemberg und Lausanne, nachdem sein Vater 1769 den aktiven Militärdienst quittiert und sich in die württembergische Grafschaft Mömpelgard zurückgezogen hatte. Friedrich erhielt in dieser Zeit eine umfassende Bildung, zu der auch die Kenntnis der französischen, italienischen und lateinischen Sprache gehörte. Auch er war für die Offizierslaufbahn bestimmt, die er 1774 im preußischen Heer begann. Er erhielt das Kommando über Regimenter in Pommern und Schlesien und beteiligte sich am Bayerischen Erbfolgekrieg in den Jahren 1778/79. Ende 1781 verließ er aber nach Verstimmungen mit dem preußischen Hof den Dienst und wechselte in russische Dienste unter dem Zaren Paul I. Seine Schwester, Sophie Dorothee, hatte als Gemahlin des Zaren und nunmehrige Großfürstin Maria Feodorowna den Weg dorthin geebnet. In russischen Diensten beteiligte er sich an einem Krieg gegen die Türkei und erhielt nach seiner Rückkehr den Posten eines Generalgouverneurs des russischen Teils von Finnland. Sein Aufenthalt in Rußland war eng verknüpft mit dem Schicksal seiner ersten Ehe, die übereinstimmend als „Katastrophe“ bewertet wurde. Als seine erste Gemahlin, Auguste von Braunschweig-Lüneburg, aus ihrer unglücklichen Verbindung mit einer in Standeskreisen kompromittierenden Scheidung ausbrechen wollte, fand sie die Sympathie der russischen Zarin Katharina, so daß Friedrich 1786 genötigt war, seine Entlassung einzureichen und nach Württemberg zurückzukehren. Er siedelte sich zunächst in Bodenheim bei Mainz an, wo er ein kleines Landgut erstanden hatte, wechselte 1790 jedoch nach Ludwigsburg über. Während dieser Zeit erlebte er den Ausbruch der Französischen Revolution aus eigenem Augenschein, den er sich durch eine Parisreise im Jahre 1789 verschaffte. Diese Erfahrung prägte nachhaltig seine Furcht vor einer kommenden Revolution in Deutschland und vor dem Aufbegehren des ‘niederen Volkes’.
Die zweite Heirat mit der Kronprinzession Charlotte Auguste Mathilde von Großbritannien stiftete für Friedrich eine Verbindung zu den führenden Dynastien in Europa. Sie fiel in das Jahr 1797, in dem er die Herrschaft in dem noch drittrangigen Herzogtum antrat, wobei er sich zugleich zwei Fronten ausgesetzt sah, welche seine ganze Regierungszeit bestimmten: nach außen zum revolutionären, dann napoleonischen Frankreich hin, nach innen gegenüber den eigenwilligen, selbstbewußten Landständen. Deren Eigengewalt versuchte Friedrich rigoros zu brechen, nachdem diese nicht bereit waren, auf ihre eigene, an Frankreich orientierte Außenpolitik zu verzichten. Seit 1799 löste der Herzog den altständischen Landtag wiederholt auf, bis Friedrich 1805 mit Gewalt gegen die Stände vorging, deren wichtigste Führer verhaftete, sich der Kassen bemächtigte und die Verfassung aufhob.
Bereits zu Beginn seiner Herrschaft sah sich der Herzog in die säkulare Auseinandersetzung zwischen dem napoleonischen Frankreich und den verbündeten Alliierten hineingezogen. An der Seite Österreichs beteiligte er sich an dem 2. Koalitionskrieg, mußte aber 1800 vor den französischen Truppen das Land räumen. Diese Erfahrung lehrte ihn, sich künftig mit dem mächtigen Nachbarn zu arrangieren. Konsequent verfolgte er dabei das Ziel, das württembergische Territorium zu vermehren. Das geschah bereits im Pariser Vertrag vom 20. Mai 1802, der den Bestand des Herzogtums sicherte und Entschädigungen für die verlorenen linksrheinischen, an Frankreich abgetretenen Gebiete in Aussicht stellte. Das Herzogtum hatte Sitz und Stimmrecht in der Reichsdeputation, welche über diese Entschädigungen in ihrem Hauptschluß vom Jahre 1803 befand. Altwürttemberg erweiterte sich um ein Neuwürttemberg, das sich zusammensetzte aus einer Anzahl geistlicher Besitzungen (Fürstpropstei Ellwangen, Reichsabtei Zwiefalten, die Frauenklöster Heiligkreuztal, Rottenmünster, Margrethausen, das Ritterstift Comburg, die Abtei Schöntal, das adlige Damenstift Oberstenfeld) sowie aus neun Reichsstädten (Aalen, Esslingen, Giengen, Heilbronn, Reutlingen, Rottweil, Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch Hall, Weil der Stadt). Friedrich erhielt zugleich die Würde eines Kurfürsten. Regierungskommissare nahmen alsbald die neuen Gebiete in Besitz, die in absolutistischer Weise in drei Landvogteien gegliedert und gegen Altwürttemberg durch Zollschranken abgeriegelt wurden.
Es fiel Friedrich schwer, sich aus dem alten Reichsverband zu lösen. Als es unmöglich wurde, Neutralität zu wahren, verband er sich nach einem persönlichen Zusammentreffen mit Napoleon in der Residenz Ludwigsburg am 3. Oktober 1805 mit diesem zu einer Allianz. Fortan konnten französische Heeresverbände auf fest bezeichneten Straßen durch Württemberg marschieren; Friedrich beteiligte sich mit Truppen an der Schlacht von Austerlitz 1805, an dem Krieg gegen Preußen 1806, im April 1809 bei der Niederschlagung des Tiroler und Vorarlberger Aufstands, an dem Feldzug gegen Rußland 1812/13, aus dem von 15.800 Württembergern nur 300 zurückkehrten, bis zur Leipziger Völkerschlacht am 16. bis 18. Oktober 1813. Erst im Vertrag von Fulda (1813) wechselte Friedrich zu den Alliierten über und sicherte damit den Bestand seines Landes.
Die den Feldzügen jeweils nachfolgenden Friedensregelungen erweiterten das Territorium Württembergs noch beträchtlich, so der Friede von Preßburg (1805, Landvogtei Altdorf, Stadt und Herrschaft Ehingen, Grafschaft Hohenberg, die Donaustädte Mengen, Munderkingen, Riedlingen, Saulgau, die Komtureien Affaltrach und Hall, Dätzingen und Rohrdorf, Hemmendorf und Rexingen, das Priorat Hofen sowie die Herrschaft Liebenau), der Friede von Schönbrunn (1809, Besitzergreifung von Mergentheim) und der Vertrag von Compiègne (1810); hinzu kamen die Bestimmungen der Rheinbundakte (1806), mit der sich der am 1. Januar 1806 zum König erhobene Gefolgsmann des französischen ‘Protektors’ aus dem Reichsverband löste.
Friedrichs konsequente Bündnistreue gegenüber Napoleon sicherte ihm freie Hand für seine Politik im Innern. Diese kombinierte rigorose Repressalien gegenüber den alten Ständen, widerstrebenden Reichsstädten und Reichsrittern, Fürsten, Grafen und oppositionellen Publizisten mit einer zielstrebigen Modernisierungspolitik, welche aus dem zusammengewürfelten Konglomerat an alten und neuen Territorien einen Gesamtstaat, ein „Reich Württemberg“, wie es vorübergehend hieß, formte. Widerstand gegen Truppenaushebungen in Mergentheim ahndete er mit Todesurteilen und Inhaftierungen auf dem Hohenasperg. Eine wirkungsvolle „geheime Polizei“ spürte – wie auch in den anderen Rheinbundstaaten – jeglichem inneren Widerstand nach. Ein eigens eingerichtetes Polizeiministerium sowie ein nachgeordnetes Oberzensurkollegium kontrollierten alle in Württemberg erscheinenden und die dorthin eingeführten Druckschriften sowie die Buchhandlungen des Landes. Sämtliche dem Rationalismus widerstrebende Äußerungen, darunter auch die zeittypischen Formen des Pietismus, schwärmerische Bewegungen und modische Geister- und Heillehren (Magnetismus, Mesmerismus), gerieten unter Aberglaubensverdacht und wurden rücksichtslos verfolgt.
Diese scharfe Kontrolle der inneren Verhältnisse schuf den Handlungsspielraum für die Beseitigung des in Alt- und Neuwürttemberg gespaltenen Ständestaats; zu den Reformmaßnahmen gehörten im einzelnen: die Organisation der Zentralbehörden als Ministerien, die weitgehende Trennung von Justiz und Verwaltung, die geographische Gliederung des Landes in Kreise und Oberämter, die Einheit des Rechts, die Reform des Schulwesens, die Anerkennung der drei Konfessionen als gleichberechtigt – unabdingbar in dem nunmehr konfessionell gemischten Gesamtstaat und die Verbesserung der Lage der Juden. Für wirtschaftliche Reformen blieb angesichts der Finanznot des Staates und der versperrten Exportwege seit den napoleonischen Kriegen wenig Raum. Die Agrarreform blieb in Ansätzen stecken, die eigentlich von Friedrich gewünschte „Aufhebung der Zünfte im Allgemeinen“ blieb aufgeschoben. Die staatliche Eisenindustrie hingegen erlebte wegen militärischer Bedürfnisse eine Scheinblüte. Die Wirtschaftseinheit wurde durch die Beseitigung der Binnenzölle 1808 immerhin durchgeführt.
Friedrich orientierte sich zwar an französischen Vorbildern, doch war er stets bestrebt, sich die größtmögliche Unabhängigkeit des Staates zu bewahren, soweit es die politischen Umstände überhaupt zuließen. Nur widerstrebend schloß er sich dem Verteidigungs- und Angriffspakt Napoleons an, der in Gestalt des Rheinbundes ursprünglich auch eine Gesamtverfassung der Mitgliedsstaaten mit dem Sitz einer Bundesversammlung in Frankfurt bringen sollte. Friedrich widersetzte sich erfolgreich solchen Verfassungstendenzen, wie er auch – gemeinsam mit Bayern – auf dem Wiener Kongreß verhinderte, daß das neu zu konstituierende Deutschland eine zu starke Bundesverfassung, etwa mit einem Bundesgericht, erhielt. Dem Deutschen Bund trat er erst nachträglich und als letzter der beteiligten Fürsten am 1. September 1815 bei, nachdem alle Versuche, Reservatrechte zu formulieren, an Metternich gescheitert waren.
Die Verhandlungen des Wiener Kongresses veranlaßten den König, einer Vorschrift des bevorstehenden Bundes durch eine eigene Verfassungsgebung zuvorzukommen. Einem zum 15. März 1815 einberufenen gesamtwürttembergischen Landtag legte er ein Staatsgrundgesetz vor, das auf erbitterten Widerstand der Stände traf. Diese verlangten ihr „gutes altes Recht“, nicht aber das vorgeschlagene Repräsentativsystem. Die Hartnäckigkeit des Landtags, unterstützt durch eine allgemeine Volksbewegung, verhinderte, daß Württemberg noch zu Lebzeiten ihres ehemals absolutistischen Herrschers eine moderne Repräsentativverfassung erhielt. Erst dem Nachfolger gelang dies nach dem Tode Friedrichs: König Wilhelm I. oktroyierte keine Verfassung, sondern er unterzeichnete – einzigartig in der Geschichte des deutschen Konstitutionalismus – am 25. September 1819 einen gemeinsam mit den Ständen ausgehandelten Vertrag. Friedrich hatte den Weg dazu gebahnt; nachdem er Württemberg durch eine kurze Phase des Spätabsolutismus seit 1805 geführt hatte, hätte er den Weg zweifellos auch zu diesem Ende beschritten, wenn es ihm vergönnt gewesen wäre. Ludwig Uhland kommentierte das Resultat schließlich mit den Worten: „Mancher wird manches vermissen, aber das Wesentliche besteht; vor allem der Urfels unseres alten Rechts, der Vertrag.“
Nachweis: Das Haus Württemberg: ein biographisches Lexikon / hrsg. von Sönke Lorenz ... In Zusammenarbeit mit Christoph Eberlein ... und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Stuttgart; Berlin; Köln 1997; Bildnachweise: Landesarchiv Baden-Württemberg

Literatur: Hans Medick, Von der Bürgerherrschaft zur Staatsbürgerlichen Gesellschaft – Württemberg zwischen Ancien régime und Vormärz, in: Bürgerliche Gesellschaft in Deutschland. Historische Einblicke, Fragen, Perspektiven, Frankfurt a.M. 1990, S. 52–79.
Paul Sauer, Der schwäbische Zar – Friedrich, Württembergs erster König. Stuttgart 1984, S. 47–56, 80–99.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)