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"alles irgendwie Wyhl"

Plakat: 15 Jahre danach. 1990 blickten die badisch-elsässischen Bürgerinitiativen auf ihren erfolgreichen Protest zurück. [Quelle: Badisches Landesmuseum 2010/570]
Plakat: 15 Jahre danach. 1990 blickten die badisch-elsässischen Bürgerinitiativen auf ihren erfolgreichen Protest zurück. [Quelle: Badisches Landesmuseum 2010/570]

Am 17./18. 1975 Februar war Baubeginn für das AKW Wyhl im Wald nahe dem Ort am Kaiserstuhl. Die Errichtung des Kraftwerks bei Wyhl war im Sommer 1973 angekündigt worden, nachdem der ursprünglich geplante Standort bei Breisach wegen heftiger Widerstände aus der Bevölkerung aufgegeben werden musste. Auch in und um Wyhl wurden unmittelbar nach Bekanntwerden des Beschlusses Proteste laut. Gegen die Pläne gingen mehrere zehntausend Ablehnungen ein, einige erreichten auch das Bundesinnenministerium. Anfang des Jahres 1975 sprach sich hinwiederum eine Mehrheit der Einwohner von Wyhl für den Bau aus, hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen. Ende Januar folgte die Freigabe. Als die Baumaschinen anrollten, kam es zu einer Besetzung des Geländes. Ganze Familien stellten sich vor die Lastwagen. Nach einer Räumungsaktion durch die Polizei wurde der Platz am darauffolgenden Sonntag nochmals besetzt. Im Verlauf des Jahres 1975 kam es zu einem gerichtlich angeordneten Baustopp, gefolgt von dessen Aufhebung im Herbst. 

Angesichts des massiven Widerstands und einer drohenden Verhärtung der Fronten gab die Landesregierung ein Strategiepapier in Auftrag, das als Grundlage für die folgenden Verhandlungen diente. Im November 1975 räumten die Besetzer den Bauplatz. Die folgenden Monate dienten zur Vorbereitung eines Verfahrens am zuständigen Verwaltungsgericht Freiburg. Dabei wurde allen Beteiligten ermöglicht, ihre Vorschläge einzubringen und Sachverständige zu benennen. Nach über zehn Verhandlungstagen, die unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit in der Herbolzheimer Breisgauhalle stattfanden, erfolgte Mitte März 1977, also rund zwei Jahre nach der ersten Besetzung und damit verhältnismäßig schnell, die Urteilsverkündung. Die Errichtung des AKW wurde wegen Sicherheitsmängeln in den bestehenden Plänen abgelehnt. Bis 1983 kam es zu weiteren Gerichtsverfahren und Protesten, die mit der Entscheidung unter dem neuen Ministerpräsidenten Lothar Späth, das Vorhaben für längere Zeit auf Eis zu legen, vorläufig endeten. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl drei Jahre später trug dazu bei, das Gefahrenpotenzial von Kernenergie stärker bewusst zu machen. In den 1990er Jahren wurde das Projekt AKW Wyhl offiziell eingestellt.

Die Bürgermeister von Weisweil, Sasbach, Wyhl und Endingen überreichen im Regierungspräsidium Freiburg Unterschriften gegen den Bau eines Bleiwerks in Marckolsheim im Elsass. Der Erfolgreiche Protest im Herbst 1974 ging den Ereignissen von 1975 in Wyhl voraus. [Quelle: Landesarchiv BW, StAF W 134 Nr. 102228f]
Die Bürgermeister von Weisweil, Sasbach, Wyhl und Endingen überreichen im Regierungspräsidium Freiburg Unterschriften gegen den Bau eines Bleiwerks in Marckolsheim im Elsass. Der Erfolgreiche Protest im Herbst 1974 ging den Ereignissen von 1975 in Wyhl voraus. [Quelle: Landesarchiv BW, StAF W 134 Nr. 102228f]

Die Proteste von Wyhl und die Entscheidung des Freiburger Verwaltungsgerichts 1977 wurden zu einem Signal. Maßnahmen, die als „von oben“ aufgezwungen empfunden wurden, waren nicht unumkehrbar und konnten in eine andere Richtung gelenkt werden. Unter den Widerständlern befanden sich viele traditionelle CDU-Wähler, wie beispielsweise Landwirte. Bemerkenswert ist außerdem, dass es sich um eine internationale Angelegenheit mit Teilnehmern aus dem Elsass und der Schweiz handelte. Auch wenn viele weitere Auseinandersetzungen folgten wurde klar, dass ein gesellschaftliches Umdenken eingesetzt hatte, das nicht mehr zu ignorieren war.

Heute ist das für das AKW Wyhl vorgesehene Gelände Naturschutzgebiet. Die Vorgänge vom Frühjahr 1975 in Wyhl haben im Lauf der Jahre legendäre Züge angenommen. Einige Stimmen warnen, nicht zu romantisieren und das Geschehen besser realistisch zu betrachten.

Weitere Informationen zum Thema:

„Die Lieder aus Whyl ..." in der Sammlung des Badischen Landesmuseums

Beiträge im SWR:

Zitat in der Überschrift nach "AKW - KKW - Wyhl Chronik: 45 Jahre! Widerstand im Wyhler Wald, in Kaiseraugst, Marckolsheim und Gerstheim" BUND, Regionalverband Südlicher Oberrhein, Artikel vom 13.02.2018 mit weiteren Thesen und Links, aufgerufen am 16.02.2022.

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