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Auswanderung nach Algerien

Nicht immer war das „Gelobte Land“ das Ziel

Pfaffenweiler bei Freiburg, aufgenommen von Willy Pragher im September 1955 [Quelle: Landesarchiv BW, StAF W 134 Nr. 028854b]

Pfaffenweiler bei Freiburg, aufgenommen von Willy Pragher im September 1955 [Quelle: Landesarchiv BW, StAF W 134 Nr. 028854b]

Im 19. Jh. kam es zu mehreren großen Auswanderungswellen, auch im deutschen Südwesten. Nordamerika wurde nach 1845 zum Ziel von Massenauswanderungen. Davor hatten die Regionen im Osten - Donauraum und Galizien, Russland - neue Siedler angezogen. Infolge der Hungerkrise durch Ausbruch des Vulkans Tambora 1815 waren Menschen aus Südwestdeutschland insbesondere nach Bessarabien gelangt, das im Bereich der heutigen Republik Moldau liegt. Kaum bekannt ist, dass deutsche Auswanderer auch in Nordafrika Fuß zu fassen versuchten. So beschlossen Anfang der 1850er Jahre mehrere Familien aus Grötzingen in Baden nach Algerien auszuwandern. Weitere Schicksale belegen, dass das erhoffte bessere Leben ausblieb, trotz harter Arbeit. Den Maurermeister Johann Höllstern, der 1845 mit seiner sechsköpfigen Familie nach Algier aufbrach mit der Vorstellung „um freies Haus, Feld und allezeit Arbeit“, fand sich stattdessen in einer schlechten Unterkunft wieder. Zusätzlich belasteten Hitze, verdorbenes Wasser und unzumutbare Arbeitsbedingungen die Situation. Schon nach drei Wochen starb Höllsterns Frau, wenig später wurde er selbst krank und gab schließlich auf. Die Familie konnte in die Heimat zurückkehren. Sie hatten Glück im Unglück, denn in anderen Fällen gestaltete sich dies schwieriger. Die im selben Jahr mit Mann und einer kleinen Tochter nach Algier ausgereiste Elisabeth Keiser aus Urloffen im heutigen Ortenaukreis schaffte es, länger durchzuhalten. In Algerien brachte sie zwei weitere Kinder zur Welt. Doch nach mehr als zehn Jahren wurde auch sie krank. Nun wollte die für Urloffen zuständige Verwaltung die verarmten ehemaligen Einwohner nicht mehr aufnehmen. Ihr weiterer Verbleib ist nicht überliefert. Aus einem Bericht von Johann Höllstern geht hervor, dass fast alle ihm bekannten Schicksalsgenossinnen und –genossen Algerien wieder verlassen haben.

Als besonderer Fall sind die über 130 Personen aus Pfaffenweiler bei Freiburg in Erinnerung geblieben, die, ebenfalls Anfang der 1850er Jahre, unter falschen Versprechungen zur Ausreise nach Algerien gezwungen wurden. Da die Gemeinde einen Teil der Kosten zu tragen hatte, schien dies eine kostengünstigere Lösung zu sein als das begehrtere Nordamerika. Angesichts der geschilderten Zustände sprachen die Betroffenen nach ihrer Ankunft von Verbannung. Weitere Einzelheiten werden deutlich. Nach der Februarrevolution 1848 hatte Frankreich den nördlichen Teil Algeriens als Siedlungskolonie ausgewiesen. Die überwiegende Mehrzahl der meist mittellosen Einwanderer, von denen viele aus dem Elsass stammten, wurden zu billigen Arbeitskräften deklariert. Nur wenigen war es möglich Land zu erwerben. Die Flurstücke, die die Gemeinde Pfaffenweiler veräußert hatte um die Aktion zu finanzieren, gingen als „Afrika“ ins kollektive Gedächtnis ein. Durch den heutigen Weinberg führt der „Untere Afrikaweg“. Auch ein Denkmal erinnert an die Auswanderer. Trotz der zahlreichen Hilferufe konnten nur wenige von ihnen zurückkehren.

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Algerien als Auswanderungsziel finde ich interessant. Auch ich finde: viel zu wenig bekannt. Sie erwähnen in Ihrem Text von Versprechungen. Wer hat versprochen? Wie haben das die Leute im Südwesten erfahren? Algerien ist groß. Wer hat vor Ort die Ankommenden in die entprechenden gewiesen?

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In einer frühen Phase warb Frankreich um Einwanderer. In vielen Fällen übernahm die Gemeinde die Organisation der Reise. Es gab auch einen Zweigverein für deutsche Auswanderung. Einen Text über die Auswanderer vom Kaiserstuhl finden Sie z.B. unter https://t1p.de/k68uy. Über die Situation in Algerien, wo auch Menschen aus anderen Regionen Deutschlands ankamen siehe z.B. https://t1p.de/sh5sb

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