null

Der Mössinger Generalstreik

Beweisfotos im Prozess des Mössinger Generalstreiks. Quelle: StAS.
„Beweisfoto vom Versuche, die Türe aufzubrechen in der Burkhardtschen Fabrik“. Der Aufbruchsversuch wurde auf Anweisung der Streikleitung abgebrochen. Quelle: Landesarchiv BW, StAS Wü 28/3 T 13 L 38/33 Fasz. B Qu. 38

Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler von Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Die KPD rief für den Folgetag zum Generalstreik auf, doch gelang es nirgends, diesen umzusetzen. Außer im kleinen schwäbischen Industriedorf Mössingen am Fuße der Schwäbischen Alb. Dort demonstrierten am 31. Januar 1933 zahlreiche Arbeiterinnen und Arbeiter im reichsweit einzigartigen Mössinger Generalstreik gegen die Machtübernahme der Nationalsozialisten. Am Vorabend hatte der Mössinger KPD-Vorsitzende Martin Maier eine Versammlung der Arbeitervereine einberufen und den Streikzug geplant. Um 12 Uhr am Folgetag zogen 100 Gegner Hitlers quer durch den Ort und machten dabei an den drei großen Mössinger Textilbetrieben Pausa, Merz und Burkhardt Halt. Mit einem großen Transparent beschrieben mit „Heraus zum Massenstreik“ forderten die Streikenden die Belegschaften auf, sich ihrem Demonstrationszug gegen das Regime anzuschließen. So wuchs der Zug auf insgesamt 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an. An der dritten Fabrik versuchten einige Demonstranten die Fabriktore aufzubrechen, was auf Anweisung der Streikleitung jedoch sofort unterbunden wurde. Kurz darauf wurde der Demonstrationszug auf dem Rückweg in der Bahnhofstraße von einer Reutlinger Schutzpolizeieinheit aufgelöst.

Nur wenige Stunden nach der Auflösung des Streiks wurden die ersten Verhaftungen vorgenommen. Insgesamt wurde gegen 98 der Streikteilnehmer Anklage erhoben. Bei 92 Personen lautete die Anklage auf „erschwerten Landfriedensbruch“ und bei sechs Männern, den so genannten Rädelsführern, auf „Vorbereitung zum Hochverrat in Tateinheit mit erschwertem Landfriedensbruch“. Die Akten des Strafprozesses gegen Teilnehmer des Mössinger Generalstreiks liegen im Staatsarchiv Sigmaringen, einige Akten konnten bereits digitalisiert werden. Zu sehen sind vor allem die handschriftlich verfasste anonyme Anzeige gegen die Streikenden, polizeiliche Lichtbilder und Lagepläne der „Tatorte“ sowie die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Stuttgart.

Warum es ausgerechnet in Mössingen zu einem Aufbegehren gegen die Machtübernahme der Nationalsozialisten kam und nicht an einem anderen Ort, wirft bis heute Fragen auf. Denn zwar agierte in Mössingen eine starke Linke, vertreten vor allem durch die kommunistische Partei und ihre Anschlussorganisationen, die bei den Reichstagswahlen 1932 in Mössingen jeweils über 30% der Wählerstimmen für sich verbuchen konnte und mit mehreren Mitgliedern im Gemeinderat vertreten war (zum Vergleich: SPD6 %). Andererseits war die Wählerschaft der NSDAP inzwischen auf mehr als 40 % angewachsen. Letztere hatte sich im öffentlichen Raum jedoch noch kaum zu erkennen gegeben.

In den 1980er-Jahren wurde die Geschichte des Generalstreiks erstmals aufgearbeitet und die Mössinger Ereignisse vom 31. Januar 1933 kamen allmählich ins Bewusstsein breiter Teile der Öffentlichkeit.  Eine ausführliche Analyse des Mössinger Generalstreiks finden Sie im Artikel von Dieter Grupp in den Archivnachrichten des Landesarchivs Baden Württemberg sowie auf der Seite des Mössinger Museums und Stadtarchivs, die dem Mössinger Generalstreik einen „Virtuellen Geschichtsort“ widmen. (JH)

00

Weitere Blogeinträge

Suche

LEO-BW-Blog

Logo LEO-BW-Blog

Herzlich willkommen auf dem LEO-BW-Blog! Sie finden hier aktuelle Beiträge zu landeskundlichen Themen sowie Infos und Neuigkeiten rund um das Portalangebot. Wir freuen uns auf Ihre Kommentare zu den einzelnen Posts.

Über den folgenden Link können Sie neue Blog-Beiträge als RSS-Feed abonnieren: 

https://www.leo-bw.de/web/guest/blog/rss