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Porträts jüdischer Menschen aus Buchen

Blick zurück auf eine zerstörte Alltäglichkeit

Hella und Albrecht Levi (I) [Quelle: Bezirksmuseum Buchen, Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/] Hella und Albrecht Levi (I) [Quelle: Bezirksmuseum Buchen, Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/]

 

Einen wahren Schatz für die historische Forschung nennt der Historiker Tilmann Gempp-Friedrich die über 40 Glasnegative aus der Sammlung des Fotografen Karl Weiß, die jüdische Familien aus Buchen und Umgebung zeigen. Die Vernichtung des europäischen Judentums durch die Deutschen und ihre Verbündeten während der Zeit des Nationalsozialismus, tötete oder vertrieb nicht nur das deutsche Judentum, sondern löschte auch die Zeugnisse eines fast zwei Jahrtausende alten Zusammenlebens aus. Materielle Güter, wie Synagogen, Mikwen, Privathäuser, Geschäfte und Betriebe wurden zerstört oder arisiert, aber auch Immaterielles wie die Erinnerungen an eine gemeinsame Vergangenheit wurden durch Schuld und Scham nach der Shoah nur in seltenen Fällen wieder aufgegriffen. Mit der Vertreibung und Vernichtung wurden auch die Habseligkeiten der jüdischen Bevölkerung in Deutschland in alle Winde zerstreut und auch wenn es natürlich viele überlieferte Fotografien gibt, so gibt es nur wenige Sammlungen, die fast die gesamte jüdische Gemeinschaft eines klar umrissenen geografischen Bereichs wie den Altkreis Buchen umfasst. Die umfangreiche Sammlung ist somit eine einzigartige Quelle, um sich der durch den Zivilisationsbruch verschütteten, gemeinsamen Alltagsgeschichte zu nähern. Das Besondere an den Aufnahmen: Es gibt nichts Besonderes zu sehen. Anhand der Fotografien wird deutlich, wie das Zusammenleben und gemeinsame Leben funktioniert haben, nämlich in der Hauptsache unterschiedslos. Weder haben sie sich die Menschen zum Zeitpunkt des Studiobesuches als Opfer gesehen und inszeniert, noch wählte Karl Weiß eine künstlerische Komposition, die eine solche Sichtweise nahelegen würde und auch die Betrachterinnen und Betrachter damals konnten kaum etwas anders sehen als die Nachbarin, den Geschäftspartner oder den Wanderfreund aus dem Nachbarort. Selbstverständlich wusste man im kleinstädtischen Milieu im Altkreis Buchen, wer jüdisch war, nur spielte das eben keinesfalls in allen Lebensbereichen eine Rolle oder machte die Menschen unterscheidbar. Somit manifestieren sich in den Fotografien nicht einfach nur Erinnerungen, sondern es ist ein Abschied, weder die abgebildeten Menschen noch ihre Nachkommen leben in ihrer damaligen Heimat, dem Altkreis Buchen. Ein solches Bild ist also nicht nur ein Denkanstoß an jemanden, sondern ein Gedenken für jemanden. Insofern schwingt bei all der Alltäglichkeit, die diese Bilder ausstrahlen, auch immer ein Gefühl des Verlustes, der Trauer und des Unbehagens mit.

Den ganzen Text und die Fotografien finden Sie in unserem neuen Themenmodul zum jüdischen Leben.

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