Gedenktuch: „Gottesdienst am Versöhnungstage im Lager von Metz 5631" 

• nach 1870 [Herstellung]

• Berberich & Co. [Hersteller]
• Hersteller fraglich [Hersteller]

• Bad Säckingen [Herstellungsort]
• Ort fraglich [Herstellungsort]

1914 veröffentlichte das "Israelitische Familienblatt" (Ausgabe Nr. 39; 25.09.1914) zu Jom-Kippur ("Versöhnungstag") einen Artikel über den "Gottesdienst am Versöhnungstag im Lager von Metz im Jahr 1870". In diesem deutsch-französischen Krieg war erstmals eine jüdische Militärseelsorge im Einsatz: Der Rabbinatskandidat Dr. Blumenstein aus Mannheim, später Landesrabbiner von Luxemburg, predigte bei der Jom-Kippur-Feier vor Metz. Illustriert ist der Artikel mit einer Abbildung, der einen Rabbiner in einem Wirtshaussaal zeigt, umringt von Soldaten. Beigegeben ist ein Gedicht, das allerdings von einer Feier im Freien berichtet.

Dieses Gedicht und eine Darstellung des Gottesdienstes im Jahr 1870 unter freiem Himmel gibt das Gedenktuch wieder, zur Erinnerung an den Patriotismus der jüdischen Soldaten und deren postulierte Gleichstellung mit den christlichen Kameraden.

Am oberen Rand des rotgrundigen Tuches befindet sich ein Band, von zwei Engeln gehalten, mit der hebräischen und deutschen Inschrift: „Haben wir nicht Alle einen Vater? Hat uns nicht Alle ein Gott geschaffen?“ Über einer Versammlung von Soldaten ist auf einem Hügel eine Bima und ein verhängter Thora-Schrein zu sehen. Darüber sind die Gesetzestafeln mit lateinischen Zahlen als Inschrift dargestellt. Diese Darstellung fand auch als Bilderbogen oder Postkartenmotiv weite Verbreitung (s. https://objekte.jmberlin.de/object/jmb-obj-267160 ).

Der schmale Rahmen um das Mittelbild bildet an den vier Ecken Schlaufen, in die Medaillons eingehängt sind mit folgenden Texten (im Uhrzeigersinn oben links beginnend)

Nr. 1:

Vor Metz im Kriegeslager, // im Abend=Sonnenschein

Da traten Deutsche Krieger // aus den geschloss’nen Reih’n.

Marschirten froh und muthig // bergab in’s heit’re Thal.

In ernster Festesstimmung // zwölfhundert an der Zahl

Und Einer Commandirte, // Die Andern folgten gern:

Es galt ja sein Commando // dem Ewgen unserm Herrn

Die Waffen all’, sie wurden // zusammen jetzt gestellt;

Durch kleine Blendlaternen // der weite Platz erhellt.

Nr. 2: Ein Omed ward errichtet // auf einem großen Stein;

Ein Hügel für die Thora, // es sollt’ die Lade sein.

Der Hügel ward bedecket // mit wollenem Gewand

An einem Pfahl ein Flämmchen // als ew’ge Lampe brannt’.

Hier auf des Platzes Mitte, // ein wenig nur erhöht,

Mit einem Seil umzogen, auch das Almemmor steht.

Und als es nunmehr dunkelt, // drei Krieger treten vor;

Das ernste Werk der Sühne // verkünden sie im Chor.

Nr. 3: Ein And’rer tritt zum Omed, // Kol Niedre hebt er an;

Die jüdischen Soldaten, // sie folgen Mann für Mann.

Sie folgen laut und kräftig // dem heiligen Gesang,

Das Herz wird immer leichter, // das früher schwer und bang.

Und mit dem frühen Morgen, // da ziehn’n sie wieder aus

Dort unter freiem Himmel // in’s Welten=Gotteshaus

Hier bis die Sonne sinket, // die Schaar zum Himmel blickt

Und weder Trank noch Speise // hat heute sie erquickt.

Drauf bei Tag // mit Thränen sie gedenkt

Der lieben Kameraden, // die man ins Grab gesenkt.

Nr. 4: Hell endlich funkeln Sterne, // und sieben Mal ertönt

Das Wort des reinsten Glaubens, // der Liebe, die versöhnt.

Und Einer grüßt den Andern, // reicht ihm die Bruderhand

Geschlossen wird im Herzen // das schönste Freundschaftsband.

Die christlichen Kam’raden // als treue Liebeswacht,

Sie schützten ihre Brüder // von früh bis in die Nacht.

Nun treten Alle wieder ganz munter in die Reih’n Zu ihren Regimentern, im hellen Mondenschein Erhoben durch den Glauben, // ermuthigt zu der Pflicht,

Sind sie bereit zum Kampfe; // sie stehn und wanken nicht.

Das Tuch wurde 2004 aus dem Kunsthandel erworben.