Bohn, Anton Engelbert
Geburtsdatum/-ort: | 1889-03-23; Niefern, jetzt Niefern-Oeschelbronn |
---|---|
Sterbedatum/-ort: | 1966-06-04; Karlsruhe |
Beruf/Funktion: |
|
Kurzbiografie: | 1895 Volksschule in Niefern (Pforzheim) 1901-1905 Kant-Realschule in Karlsruhe 1905-1907 Lehrerseminar Karlsruhe 1907 Volksschullehrerexamen 1907-1910 Studium Handelshochschule Mannheim und kaufmännische Praxis 1910 Handelslehreraspirant 1912 Handelslehrer-Staatsexamen, dann Handels- und Gewerbeschule Donaueschingen 1914 Handelslehrer an der Handelsschule Karlsruhe 1920 Regierungsrat (Badisches Ministerium des Kultus und Unterrichts) 1926 Oberregierungsrat 1934 Handelsschuldirektor Handelsschule II Karlsruhe 1949 Oberstudiendirektor Handelsschule I mit Wirschaftsoberschule Karlsruhe 1952 Verdienstkreuz der BRD (für seine Verdienste um den Aufbau und die Organisation des Kaufmännischen Berufs- und Berufsfachschulwesen als Referent für das Handelsschulwesens beim früheren badischen Ministerium des Kultus und Unterrichts in den Jahren 1920-1934, insbesondere als Schöpfer der Fachschulverordnung vom 18. April 1925) 1954 Ruhestand 1966 Die Stadt Karlsruhe stiftet den Engelbert-Bohn-Preis für die beste wirtschaftswissenschaftliche Leistung des jährlichen Abiturs 1967 Die Handelsschule Karlsruhe-Durlach erhält den Namen Engelbert-Bohn-Schule |
Weitere Angaben zur Person: | Religion: rk. Verheiratet: Paula, geb. Thoma (geb. 1893 in Königheim über Lauda) Eltern: Vater: Philipp Bohn, Bahnbeamter Mutter: Maria, geb. Wildenmann Geschwister: 6 Kinder: 2 Söhne (Ärzte) |
GND-ID: | GND/1012178544 |
Biografie
Biografie: | Erich A. Krotz (Autor) Aus: Badische Biographien NF 1 (1982), 74-77 Bohn schuf nach dem ersten Weltkrieg die Grundlagen für das moderne Berufs- und Wirtschaftsschulwesen im alten Lande Baden und im späteren Lande Baden-Württemberg. Seine Arbeit wurde wegweisend und beispielhaft in Deutschland und fand über die deutschen Grenzen hinaus lebhafte Beachtung. Aus ihr entwickelte sich die Konzeption der lebensnahen, modernen Wirtschaftsoberschulen und heutigen Wirtschaftsgymnasien. Zwischen 1926 und 1933 errichtete Bohn in Baden die ersten Wirtschafts-Oberschulen. (Freiburg 1926, Mannheim 1929, Karlsruhe 1933). Als Bohn im Jahre 1907 sein Volksschullehrer-Examen ablegte, wurde das Handelsschulwesen in Baden erstmals durch eine „landesherrliche Verordnung“ staatlich geregelt. Bohn entschloß sich, sein Studium an der damaligen Handelshochschule Mannheim weiterzuführen, das er mit der Staatsprüfung für Handelslehrer abschloß. Von 1914 bis 1920 war er als Handelslehrer an der Handelsschule Karlsruhe tätig. Im November 1920 wurde er als Referent für das Handelsschulwesen in das badische Ministerium des Kultus und Unterrichts berufen, wo er in den 14 folgenden Jahren seine weitschauenden Vorstellungen von der Neugestaltung des Berufs- und Fachschulwesens, insbesondere aber des wirtschaftlichen Schulwesens verwirklichen konnte. Noch beherrschte das humanistische Bildungsideal Humboldtscher Prägung nahezu unbestritten das Feld, und Naturwissenschaften und Technik, die Hauptträger des Fortschritts der Zeit, wurden vielfach noch mit Argwohn betrachtet. Der Forderung nach wirtschaftlicher Bildung wurde materialistisches Denken unterstellt. Der junge Referent war indessen für seine Aufgabe gut gerüstet. Drei Männer haben auf Bohns Entwicklung einen entscheidenden Einfluß ausgeübt: Wilhelm August Lay, der Begründer der experimentellen Didaktik, der ihn am Karlsruher Lehrerseminar mit den Methoden exakter Forschung vertraut machte und bei dem er Assistent wurde, Heinrich Nicklisch, dem er als einem der wichtigsten Repräsentanten der betriebswirtschaftlichen Forschung seiner Zeit in Mannheim begegnete und der ihn später für einen Lehrauftrag in Mannheim gewinnen wollte, Leopold Stemmer, der als Direktor der Handelsschule Karlsruhe (1912-29) methodisch und organisatorisch ungewöhnlich erfolgreich war und dessen erzieherisches Wirken die junge Handelslehrergeneration seiner Zeit auf Jahrzehnte hinaus befruchtete. Die Ernennung Bohns zum Referenten darf als ungewöhnlicher Glücksgriff der Unterrichtsverwaltung bezeichnet werden. Pädagogisch hervorragend geschult, wirtschaftswissenschaftlich gründlich ausgebildet, organisatorisch begabt und beruflich erfahren, trat mit Bohn ein Praktiker in den Dienst des Ministeriums, der sein Handeln ideologisch zu unterbauen vermochte und der die Erfahrungen, das Wissen und die Fähigkeiten besaß, die sein Amt erforderte. Hinzu kam die seltene Chance, daß das Schulwesen der jungen Republik unmittelbar nach dem Ende des ersten Weltkrieges für wirtschaftliche und pädagogische Reformen weit geöffnet war und daß das berufliche Ausbildungswesen, das mit der Wirtschaftsentwicklung im zweiten Kaiserreich nicht Schritt gehalten hatte, dringender Reformen bedurfte. Entscheidend aber erwies sich für die Arbeit Bohns die Tatsache, daß 1922 mit Willy Hellpach ein Mann an die Spitze des Kultusministeriums trat, der klare Vorstellungen von der Neugestaltung des deutschen Schulwesens besaß, der dem Berufsschulwesen ein besonderes Interesse entgegenbrachte und der seinem Referenten nicht nur freie Bahn schuf, sondern ihn bei der Verwirklichung seiner vielfach noch recht umstrittenen Vorstellungen nachdrücklich unterstützte. Hellpachs Auffassung von der „Wesensgestalt der deutschen Schule“ (Leipzig 1925) hatte Bohn weitgehend zu seiner eigenen gemacht. Hellpachs drei Idealitäten: Christentum, Menschentum und Volkstum erfüllten auch ihn. Aber auch Oswald Spenglers Kulturkreise der Weltgeschichte, Arnold J. Toynbees Bild der Menschheitsgeschichte („Studien zur Weltgeschichte“) und vor allem José Ortega y Gassets Untersuchungen über „Das Wesen geschichtlicher Krisen“ haben Bohn beeindruckt und die Richtung seiner Reformen bestimmt. Er sah in den neuen, von ihm entwickelten Wirtschaftsschulen die zeitgemäße Schulform für den Menschen der Gegenwart, „die in ihrem Aufbau, ihrem Lehrplan und ihrer Zielsetzung die Wende von der wissenschaftlichen zur vitalen Vernunft berücksichtigt“. Bohn war überzeugt, daß seine Wirtschaftsoberschule die der kommenden Epoche am nächsten wahlverwandte Bildung vermitteln müsse. Das Leben verlange nicht nur den Einbau der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Lehrfächer in die neue Schule, sondern es verlange auch, daß diese in den Mittelpunkt einer neuen Allgemeinbildung gestellt werde. Für Bohn war der Kulturbereich Wirtschaft das Gebiet, in welchem die Spannungen im menschlichen Leben zwischen Individualwert und Sozialwert durch sittlich-religiöse Höchstwerte überwunden wurden. „Leben“, schrieb Bohn, „heißt in erster Linie wirtschaften, heißt mit den Mitteln der Technik Güter erzeugen, verteilen, veredeln, verbrauchen, gelenkt durch bedeutsame wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Forschungsergebnisse, gesichert durch die Rechts-, Staats- und Gesellschaftsordnung, gebunden und erhöht durch das Wahre, Gute, Schöne, Heilige.“ (Bohn, „Entwicklung, Gestalt und Idee der Wirtschaftsmittel- und Wirtschaftsoberschulen in Baden“, in: 80 Jahre Handelsschule Karlsruhe, 1952.) In rascher Folge und klarer logischer Entwicklung erschienen seine grundlegenden Verordnungen: 1922 erfolgte die Neuordnung der Ausbildung und Prüfung für die badischen Handelslehrer, die ein volles akademisches Studium verlangte mit dem Ziel der Heranbildung eines Handelslehrers mit dem spezifischen Fachwissen der Wirtschaftslehre, der Rechtslehre und Pädagogik sowie den speziellen Fachgebieten der besonderen Betriebswirtschaftslehre. 1925 kam die fundamentale Verordnung über „Die Einrichtung von Fachschulen“ heraus, die den Zweck und die Aufgabe der kaufmännischen Berufsschule erstmals klar umriß und die Dreigliederung des wirtschaftlichen Schulwesens in Kaufmännische Berufsschule, Höhere Handelsschule und Wirtschaftsoberschule festlegte und gesetzlich verankerte. Das duale Ausbildungssystem für den gewerblichen und kaufmännischen Lehrling wurde sanktioniert und die staatliche Aufsicht über das Berufsschulwesen verordnet. Religion, Deutsche Sprache, Staatskunde und Geschichte, Fremdsprachen und wirtschaftliche Erdkunde wurden zu Pflichtfächern, zahlreiche Nebenfächer traten hinzu. Die Höhere Handelsschule wurde als Mittelschule für Wirtschaft und Verwaltung begründet, die Trennungslinie zwischen allgemeiner und beruflicher Ausbildung beseitigt und die moderne, zur Lebens- und Hochschulreife führende Wirtschaftsoberschule, das heutige Wirtschaftsgymnasium, konzipiert. Diese Fachschulverordnung wurde beispielhaft für die Weimarer Republik. 1929 wurde erstmals im Badischen Gesetz- und Verordnungsblatt der Lehrplan der Wirtschaftsoberschulen bekanntgegeben, der im Grunde, trotz zahlreicher Veränderungen im Laufe der Jahre, bis zur Gegenwart gültig geblieben ist. Es versteht sich, daß Bohn bei der Durchsetzung dieser Reform gegen viele Widerstände ankämpfen mußte. Jahrzehntelang stellte sich das Mißtrauen gegen den Bildungswert des Realen, des wirtschaftlichen Geschehens, der soziologischen Werte der Entwicklung des modernen Wirtschaftsschulwesens in den Weg. Gerade hier aber erwies Bohn seine Standfestigkeit, die auf eine breite philosophische Bildung und eine starke, in sich ruhende Persönlichkeit zurückging. Seine Verordnungen und Gesetzesentwürfe waren durch eine vorausschauende Motivierung, eine eindeutige Zielstellung, einen planmäßigen Aufbau und eine schöpferische Gedankenführung bestimmt. Daß die Wirtschaft Bohns Konzeptionen akzeptierte, zeigt der rasche Aufschwung des kaufmännnischen und gewerblichen Berufsschulwesens im Lande Baden der 20er Jahre, die stürmische Entwicklung der Höheren Handelsschulen und, verzögert durch den zweiten Weltkrieg, der Wirtschaftsoberschulen und Wirtschaftsgymnasien. 1934 war Bohn für den Nationalsozialismus nicht mehr tragbar. Er wurde zum Leiter der Handelsschule II (für Mädchen) in Karlsruhe degradiert. Zusätzlich mußte er 1943 die Leitung der Handelsschule I in Karlsruhe mit übernehmen, der die Karlsruher Wirtschaftsoberschule angegliedert war. 1947, nach Kriegsende, wurde ihm dann die Leitung der Handelsschule I und der Wirtschaftsoberschule endgültig übertragen; in sein ministerielles Amt wurde er nicht mehr eingesetzt. Bis zu seiner Zurruhesetzung im Jahre 1954 leitete Bohn diese große Karlsruher Schule, die er in den schwierigen Nachkriegsjahren zu einer musterhaften wirtschaftlichen Gesamtschule machte. In beruflichen Gremien, Verbänden und Arbeitsgemeinschaften noch vielfältig tätig, erlag er im Mai 1966 den Folgen eines tragischen Verkehrsunfalles. Bis zu seinem Tode waren aus drei badischen Wirtschaftsoberschulen mehr als 50 im Lande Baden-Württemberg geworden und weit über 100 in der Bundesrepublik. Den vollen Durchbruch der Wirtschaftsoberschulen zur uneingeschränkten Hochschulreife der Wirtschaftsgymnasien im Jahre 1967 hat er nicht mehr erlebt. Persönlich war Bohn ein liebenswerter Mensch von größter Bescheidenheit, gütig, hilfreich, kameradschaftlich, ein idealer Vorgesetzter, seinen Schülern und Lehrern ein väterlicher Freund. Das geistige Werk, das Bohn dem deutschen Bildungswesen hinterließ, macht ihn zu einem der großen deutschen Pädagogen des 20. Jahrhunderts. Er erkannte den humanen und sozialen Wert- und Bildungsgehalt des Kulturgebietes Wirtschaft und stellte ihn in den Mittelpunkt seiner schöpferischen Arbeit. Berufsbezogenes Fachwissen und allgemeine Bildung formte er zu einer neuen schulischen Synthese, deren bleibender Ausdruck das Wirtschaftsgymnasium wurde. Das menschliche Leben ist ohne wirtschaftliche Betätigung nicht denkbar. Bohn war der unverbrüchlichen Überzeugung, daß der Sinngehalt der Wirtschaft dem Menschen unserer Zeit echte Bildung erschließt, weil die tiefste Sinnerfüllung der Wirtschaft in der Für- und Vorsorge für unsere Existenz, in der Sorge um das tägliche Brot für den Menschen liegt. |
---|---|
Werke: | Die kaufmännische Fachschule in Baden, in: Vierteljahreshefte für Handelsschulpädagogik 7/1929; Die Vereinheitlichung im kaufmännisch-wirtschaftlichen Schulwesen im Hinblick auf die Schulreform in Deutschland, in: Wirtschaft und Erziehung 6/1949; Die Wirtschaftsoberschule in Baden, in: Wirtschaft und Erziehung 10/1951; Die Entwicklung der Karlsruher kaufmännischen Berufsschule, in: 80 Jahre Handelsschule Karlsruhe 1952; Entwicklung, Gestalt und Idee der Wirtschaftsmittel- und Wirtschaftsoberschulen in Baden, in: 50 Jahre im Dienst der Jugend und Wirtschaft, Festschrift der Fr. List-Schule Mannheim 1952 und 80 Jahre Handelsschule Karlsruhe 1952; Die Handelslehranstalt I Karlsruhe, in: Jahresberichte 1945/54 der Handelslehranstalt Karlsruhe. |
Nachweis: | Bildnachweise: Ölgemälde von L. Barth, 1962, 75 x 100 cm, im Lehrerzimmer der Friedrich-List-Schule (Wirtschaftsgymnasium) Karlsruhe. Fotos: Jahresberichte der Schule. |
Literatur + Links
Literatur: | Haaf, O., Oberstudiendirektor Engelbert Bohn, in: Jahresberichte der Wirtscha´ftsoberschule und Handelsschule Karlsruhe 1955/59; Schneider, K., Engelbert Bohn, zu seinem 75. Geburtstag, in: Jahresbericht der Hochschule I Karlsruhe 1963/64; Krotz, E. A., Pionier des badischen Handelsschulwesens. Zum Tode von Oberstudiendirektor i. R. Engelbert Bohn, in: Badische Neueste Nachrichten Nr. 133 v. 10. 6. 1966; Schmieder, L., Engelbert Bohn, in: Erziehung und Beruf, 8/1966; Nachruf des Verbandes der nordbadischen Handelslehrer zum Tode E. Bohns, in: Merkurbote 8/1966; Schneider, K., Zum Tode von OSTD E. Bohn, in: Jahresbericht der Fr. List-Schule Karlsruhe 1967; Krotz, E. A., Von der Wirtschaftsschule zum Wirtschaftsgymnasium, 40 Jahre Wirtschaftsoberschulen in Baden, in: Kultus und Unterricht, Amtsblatt 12/68; Der Engelbert-Bohn-Preis, in: Jahresbericht 1967/68 der Fr. List-Schule Karlsruhe, 1968; Schmitt, V., Engelbert Bohn, Begründer u. Gestalter des modernen kaufmännischen Bildungswesens, in: 100 Jahre Handelsschule Karlsruhe und Jahresbericht 1972. |
---|