Daniel, Heinz 

Geburtsdatum/-ort: 19.07.1893;  Freiburg i. Br.
Sterbedatum/-ort: 15.08.1960; Bozen
Beruf/Funktion:
  • Bühnenbildner
Kurzbiografie: bis 1914 Volksschule und Rotteck-Gymnasium in Freiburg i. Br.
1914-1917 Lehrerseminar in Freiburg i. Br.
1919-1922 Nach bestandener 1. Prüfung Zeichenlehrerkandidat an der Lessingschule Mannheim, quittiert den Schuldienst auf eigenen Wunsch
ca. 1922 Kunstgewerbeschule Pforzheim
ca. 1923 Landeskunstschule Karlsruhe, bei Georg Schreyögg, Bildhauer
1923-1924 Ehemaliges Stadttheater Hamborn (vermutlich Praktikant oder Volontär)
ca. 1924-1925 Hochschule für bildende Künste Frankfurt a. M., bei Vinzenz Cissarz (Fachklasse für dekorative Großmalerei)
1925-1938 Bühnenbildner: zuerst in Altona, ab 1927 am Deutschen Schauspielhaus Hamburg
1938-1944 Bühnenbildner in Berlin: Volksbühne, Deutsches Opernhaus und Kurfürstendamm-Theater
1945-1952 Bühnenbildner und Ausstattungschef am Mannheimer Nationaltheater
ab 1952 Bühnenbildner an der Unterländer Volksbühne Bruchsal
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: unverheiratet
Eltern: Vater: Wilhelm Daniel (1862-1923), Bäcker, Lebensmittelkaufmann
Mutter: Crescentia, geb. Pfaff (1866-1905)
Geschwister: 4 und 5 Halbgeschwister aus 2. Ehe des Vaters
Kinder: keine
GND-ID: GND/1012181898

Biografie: Horst Ferdinand (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 56-58

Auf Theaterzetteln des 19. Jahrhunderts wird man meist vergeblich nach dem Regisseur suchen, und von dem für das Bühnenbild und die Ausstattung Verantwortlichen ist schon gar nicht die Rede. Dagegen gibt es heute Theateraufführungen, die, wie ein zeitgenössischer Rezensent schreibt, von der Ausstattung entschieden werden: „Eine richtige Verpackung kann alles herausreißen, eine falsche alles einreißen.“ Aber diese Einsicht, daß nämlich das Werk des Bühnenbildners, in dem die Idee des Stücks ihren unverwechselbaren sichtbaren Ausdruck findet, bei der Rezension berücksichtigt werden müsse, ist relativ neueren Datums. An dieser Entwicklung, der „Emanzipation“ des Bühnenbilds und des Bühnenbildners als des Vermittlers des poetisch-dramatischen Inhalts eines Theaterstücks, hat Daniel wichtigen Anteil. Er hatte das Glück, in einer mit Kunst- und Naturschönheiten gleich reich gesegneten Landschaft aufzuwachsen. Auf langen Wanderungen erschloß er sich die Kunstschätze seiner engeren Heimat, die Werke der großen Maler, Bildhauer und Baumeister in Freiburg, Basel, Colmar und Straßburg. Auf den Höhen des Schwarzwalds, mit dem Blick auf die Alpen, wuchsen Naturbegeisterung und -vertrautheit, die ihn sein Leben lang begleiten sollten. Zugleich entstand bei diesen Streifzügen über Berge und Täler mit dem Blick ins Weite unbewußt ein untrügliches Gefühl für die Proportionen des räumlichen Sehens, das sich, zusammen mit den lebendigen Natureindrücken, in seinem späteren Werk so eindrucksvoll widerspiegeln sollte.
So lag die Berufswahl früh fest. Schon als Bub hatte Daniel in einem kleinen Holzverschlag neben dem Elternhaus Theateraufführungen für die Nachbarskinder veranstaltet; mit dem „Eintrittspreis“ – 5 Pfennige – finanzierte er die Beschaffung des Materials. Daß Daniel zunächst einen „Brotberuf“ erlernen mußte, ließ sich bei den Einkommensverhältnissen der Familie und der großen Kinderzahl nicht umgehen; aber ausgeübt hat er diesen Brotberuf – des Volksschullehrers – nie. Sofort nach der die Ausbildung abschließenden Dienstprüfung wechselte er in den künstlerisch-bildnerischen Bereich, zunächst als Zeichenlehrerkandidat. Dann aber durchlief er eine umfassende und gründliche Ausbildung in den für den späteren Bühnenbildner grundlegenden Fächern Malerei, dekorative Kunst, Bildhauerei, Architektonik. Hier erwarb er sich in angestrengter Bemühung die handwerkliche Meisterschaft, die ihn später befähigte, die Stimmungswerte jener Werke, für die er die Szene schuf, in die (Schein-)Wirklichkeit der Bühne umzusetzen.
Der Weg in die vordere Reihe der damaligen Bühnenbildnergeneration war kurz. Nach einer Anfängerposition in Altona wurde der erst 35jährige erstmals im Jahre 1927 an eine große Bühne berufen, das Schauspielhaus in Hamburg. Es war auf dem Gebiet der Bühnenkunst eine Zeit des Umbruchs: nach dem sich langsam überlebenden Bühnenrealismus und -naturalismus, die auf eine möglichst korrekte Wiedergabe der Wirklichkeit ausgerichtet waren, wurden Strömungen sichtbar, die auf eine mehr symbolische Bühnengestaltung und den Einsatz des Lichts an die Stelle gemalter Dekorationen ausgerichtet waren. A. Appia war wohl der erste, der Zeichen in dieser Richtung setzte – die denn auch vom traditionellen Bayreuth z. B. entschieden abgelehnt wurden –, und eine erste Sensation auf diesem Gebiet stellte das völlig stilisierte Bühnenbild E. Dülbergs zum „Holländer“ im Jahre 1927 dar. Mehr als nur Spurenelemente dieser Entwicklung finden sich auch bei Daniel, so etwa in seinen Entwürfen zu Strindbergs „Schwanenweiß“, vor allem aber in den genialischen Raumkompositionen des „Tasso“ und der „Nibelungen“, über die sich der Theaterwissenschaftler C. Niessen äußerte: „... Auf der Drehbühne ein ‚Terrain‘ aus Stufen, übereinandergeschichtete Ebenen und Schrägen, das in sich und durch sich selbst schaubar wurde.“ Ähnliche Entwürfe, in denen Daniel die Niessensche Forderung einer „Partitur des Schreitens“ verwirklichte, lieferte der Künstler für die „Bürger von Calais“ (G. Kaiser) oder „Brunhild“ (P. Ernst).
Diese Epoche der kühnen Experimente, der neuen Sachlichkeit und der Abstraktion (die erst viele Jahre später im Neu-Bayreuth Wieland und Wolfgang Wagners ihre die Theatergeschichte bestimmende Krönung finden sollte) wurde durch den Einbruch des „Dritten Reiches“ jäh beendet. NS-Kulturdiktator Goebbels bestellte einen „Reichsbühnenbildner“ (B. von Arent) „zur Überwachung der deutschen Bühnenbildkunst“ und zur „gemeinsamen deutschen Stilprägung“, und damit waren die „Gewagtheiten“ und „Überbetonungen“ (Weitzel, siehe Literatur) der zwanziger Jahre definitiv aus dem Bühnenraum verbannt.
Jetzt ging es um die Gestaltung eines „neuen, gesammelten, ruhig stilisierenden Bühnenbildes mythischer Monumentalität“. „Mit Entschiedenheit und dem für sie wesentlichen Gefühl für alles Gesunde lehnt die nationalsozialistische Bewegung alle willkürlichen Regieexperimente ab.“ So sehr es auch dem künstlerischen Ethos des mittlerweile ins Zentrum der deutschen Bühnenkunst, nach Berlin, gelangten Daniel widersprochen haben mag, ganz konnte er sich dem Bannkreis der behördlich verordneten Kunstrichtung nicht entziehen. Dafür stehen etwa die – handwerklich wie immer sauber gearbeiteten – Bühnenbilder zu einem Drama „Heinrich der Hohenstaufe“ des NS-Barden Dietrich Eckart. Diese konservativ-traditionalistische Szenerie gehört nicht zu den inspiriertesten Produktionen des Künstlers.
Aber die Epoche der Kompromisse und Verbiegungen blieb Episode und vermochte die Kraft der schöpferischen Phantasie Daniels nicht lahmzulegen. In den nach 1945 entstandenen Meisterwerken, etwa in den Entwürfen zu Werfels „Troerinnen“ oder Glucks „Iphigenie auf Aulis“, setzte er die mit dem Tasso und den Nibelungen eingeschlagene Richtung fort: Streng linearer Aufbau und Einbeziehung der Elemente Licht und Farbe in die Gesamtkonzeption des Bühnenraums kennzeichnen seine späten Arbeiten, die er für das Mannheimer Nationaltheater lieferte. Die stilistische Konsequenz und Dichte dieser Schöpfungen, die „einen in sich geschlossenen Eindruck von Klarheit und Grazie“ vermitteln („Mannheimer Morgen“, 29.6.1950), sind auch heute noch beeindruckend. Darüber hinaus ist Daniel ein ehrenvoller Platz in der Mannheimer Theatergeschichte sicher; er war es, der im Jahre 1945 in den Trümmern der Stadt, auf der Suche nach einer geeigneten Spielstätte anstelle des zerstörten Nationaltheaters, das zwar ziemlich ramponierte, aber noch halbwegs brauchbare „Schauburg“-Kino entdeckte, das dann zwölf Jahre lang, bis zur Wiedereröffnung des Nationaltheaters im Jahre 1957, als Behelfsbühne diente. In der Beschränktheit dieser Aushilfsbühne konnte sich seine „viel bewunderte Fähigkeit, in der Oper wie im Schauspiel die räumlichen Gegebenheiten der engen Behelfsbühne virtuos zu meistern“, aber auch seine Bildästhetik und sein hochentwickeltes Bewußtsein von der Funktionalität des Raumes, seine Vorstellung von der Einheit des Schauplatzes und des dramatischen Geschehens noch einmal überzeugend entfalten.
Quellen: Auskünfte von: Stadtarchiv Duisburg; StA Freiburg; StA Hamburg (A 531/56, Z 532/52, 55, 157); Universität Hamburg, Zentrum für Theaterforschung. Hamburger Theatersammlung; Reiss-Museum, Theatersammlung der Stadt Mannheim; Stadtarchiv Mannheim (PA Daniel 52/1975 Nr. 214); Stadtarchiv Pforzheim
Werke: Die Gestaltung des Bühnenbildes; Zum Thema „Bühnenbild“, in: Die Rampe 1927/28, Heft 4, 45-50, 52-55; Drei Jahre Behelfsbühne, in: Mannheim heute 1. Jg. Heft 1 November 1948; Heinz Daniel, Bühnenbilder, o. J. (1948), von Heinz Daniel zusammengestellt und herausgegeben (50 handsignierte Exemplare). – Daniel präsentierte seine Bühnenbilder in einer Vielzahl von Ausstellungen
Nachweis: Bildnachweise: in: Die Rampe, Blätter des Deutschen Schauspielhauses Hamburg, Spielzeit 1932/33 Heft 10; Porträtfoto von ca. 1952

Literatur: J. M. Verweyen, Licht als Symbol, in: Die Stätte, Beiträge zur Künstlerischen Kultur, hg. von der Deutschen Bühne e. V., September 1924 Heft 2; N. N., Arts décoratifs, les décors de théâtre, in: Die Rampe 1927/28, Heft 39, 24-26; H. R. L., Das Bühnenbild (ohne Jahr- und Quellenangabe: ca. 1935/36); F.-C. Kobbe, Zehn Jahre Bühnenbild. Das Werk Heinz Daniels im Theatermuseum zu Köln, in: Hamburger Nachrichten vom 16.02.1937; R. Weitzel, Der Bühnenbildner Heinz Daniel und die Kunst des Bühnenbildes, in: Ekkart 1938, 26-37; R. Großmann, Das Bühnenbild als seelische Landschaft. Bemerkungen zur Psychologie der Bühnenausstattung am Beispiel Heinz Daniels, in: Hamburger Tageblatt vom 05.06.1943; Der Bühnenbildner Heinz Daniel. Eine Ausstellung seiner Entwürfe in der Galerie Günther, in: Rhein-Neckar-Zeitung vom 14.02.1950; A. von Hahn, Dreißig Jahre deutsches Bühnenbild. Mit Arbeiten des Mannheimer Bühnenbildners Heinz Daniel, in: Mannheimer Morgen vom 29.06.1950; Theater in der Schauburg. Elf Jahre Nationaltheater Mannheim im Spiegel des „Mannheimer Morgen“. 1945-1956. Mannheim o. J.; Heinz Daniel †. Der Mannheimer Bühnenbildner, in: Mannheimer Morgen November 1960; H. Meyer, Das Nationaltheater Mannheim 1929-1979, Mannheim/Wien/Zürich 1979, 149-150: „Heinz Daniel hat zusammen mit dem Gastregisseur Erich Bormann alle Möglichkeiten der kleinen Bühne ausgeschöpft und den ‚Mannheimer Stil‘ erfolgreich weiterentwickelt“; D. Zöchling, Opernhäuser in Deutschland, Österreich und in der Schweiz, Hermes Handlexikon Düsseldorf 1983
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