Reinhard, Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 12.02.1880;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 02.04.1975;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Domdekan
Kurzbiografie: 1890-1899 Bertholdsgymnasium Freiburg i. Br., Abitur
1899-1902 Studium der katholischen Theologie an der Universität Freiburg i. Br.
1902-1903 Priesterseminar St. Peter, 02.07.1903 Priesterweihe
1903 Vikar in Grombach bei Wimpfen
1903-1910 Kaplan in Mannheim (Jesuitenkirche)
1910-1912 Pfarrverweser in Ladenburg
1912-1919 Repetitor und Studentenseelsorger am Theologischen Konvikt in Freiburg i. Br.
1916 Dr. theol. („insigni cum laude et eximia eruditione“) an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg i. Br.
1919-1929 Direktor des Erzbischöflichen Konvikts in Freiburg i. Br.
1929 Domkapitular, Päpstlicher Geheimkämmerer
1937 Päpstlicher Hausprälat
1951 Apostolischer Protonotar
1955 Domdekan
1957 Senator h. c. der Universität Freiburg i. Br.
1959 Ruhestand
1960-1967 Lehrauftrag im Priesterseminar St. Peter: Theologische Fragen der Gegenwart unter dem Gesichtspunkt des seelsorgerlichen Kerygma
1963 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch (seit 22.01.1890, vorher evangelisch)
Eltern: Vater: Johann Reinhard, Erbgroßherzoglicher Lakai
Mutter: Theresia, geb. Heger
Geschwister: keine
GND-ID: GND/1012296105

Biografie: Horst Ferdinand (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 298-299

Die angehenden Theologen des Collegium Borromaeum in Freiburg i. Br. nannten Reinhard einen „Kirchenlehrer der Erzdiözese“, und damit ist die in vielen äußeren Ehrentiteln zum Ausdruck kommende herausragende Position, die Reinhard während vieler Jahrzehnte an leitender Stelle des Erzbistums einnahm, zutreffend umschrieben. Er war Priester, zuerst und zuletzt, aus ganzem und vollem Herzen, der früh getroffenen Entscheidung für den geistlichen Stand lebenslang aus innerster Überzeugung verpflichtet, ein hochgebildeter Theologe, aber „nicht eigentlich Gelehrter, der sammelt und forscht, vielmehr ein Denker, der in überzeugtem und lauterem Gehorsam des Glaubens sich dem auch im Glauben mit Recht und Pflicht denkenden Geist in hoher Verantwortung verpflichtet wußte“ (R. Schlund). Nie war ihm die Disciplina sacra Selbstzweck. Gewiß dienten die „Wege und Quellen der theologischen Erkenntnis“ (1929) – wie auch seine in respektabler Zahl verfaßten anderen Schriften – der systematischen Einführung seiner Schüler in das eigenständige Denken, aber immer ging es ihm um die Anwendung des Erkannten und Erarbeiteten im praktischen priesterlichen Dienst, in der Verkündigung und Pastoral. Seine eigentliche Lebensleistung liegt in der Heranbildung und Erziehung ganzer Generationen von Priesterkandidaten und Religionslehrern sowie in der Weiterbildung von aktiven Priestern. Noch 90jährig setzte er sich energisch für den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an den öffentlichen Schulen ein: „Die Frohe Botschaft des Religionsunterrichts wird in den Herzen der heutigen Jugend nur dann ankommen, wenn jeder Schein vermieden wird, das kirchliche Lehrwort wolle ihr zum Glauben und zur Beachtung im Leben aufgenötigt werden“. Wenn die Erteilung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach in Frage gestellt werde, „dann wird am besten erwidert, daß es ihm doch um ein bedeutsames Lebens- und Bildungsgut geht“ – selbstverständlich, daß Reinhard dieses Lebensgut auch im „Dritten Reich“ entschlossen verteidigte. „Seine auf hoher Warte stehende Auseinandersetzung mit den Lehren der nationalsozialistischen Weltanschauung fand das argwöhnische Interesse der Gestapo“, berichtet Reinhard Schlund. Ohne Umschweife stellte er sich als Mitglied des Domkapitels in der Mohr-Affäre vor seinen Bischof; die sechs Mitglieder des Domkapitels, darunter Reinhard, traten mit einem Schreiben vom 11. März 1937 an die Kurie in Rom für ihren bedrängten Erzbischof C. Gröber ein. Dabei bestanden zwischen Gröber und Reinhard nicht nur Temperamentsunterschiede. Zwischen der hierarchisch-verabsolutierenden Denkweise und der sich oft überstürzenden Impulsivität Gröbers und der nüchtern-bedächtigen, gründlichen und manchmal etwas umständlich wirkenden Art Reinhards lag ein beträchtliches Gefälle. Gleichwohl wußte Reinhard mit seinem klugen Rat den Erzbischof vor unüberlegten Handlungen zu schützen; so warnte er ihn etwa mit Erfolg vor der Erteilung des „Imprimatur“ für ein aus dem Kreis der sogenannten Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher (AKD) stammendes Buch „Deutschland und der Glaube“, da die Schrift der entscheidenden Frage aus dem Wege gehe, „welche Idee die höhere ist, die christlich-katholische oder die völkisch-nationalsozialistische“.
Selbstverständliche Autorität, Noblesse und Bescheidenheit waren die tragenden Charakterzüge Reinhards. In seinem Testament verbat er sich alle Würdigungen seiner Person bei seiner Beisetzung. „Je mehr wir der Sache dienen, desto mehr erfüllt sich unser Leben“, schrieb er einmal.
Quellen: Nachlaß Conrad Gröber (Faszikel AKD) und Personalakte Wilhelm Reinhard im EAF
Werke: Das Wirken des Heiligen Geistes im Menschen nach den Briefen des Apostels Paulus (Diss., Freiburger Theologische Studien 1918); Die Anfänge des Priesterseminars und des Theologischen Konviktes der Erzdiözese Freiburg i. Br. (Freiburg 1927); Altes und Neues zur Heranbildung von Priestern (Aufsatzreihe im Oberrheinischen Pastoralblatt, Freiburg 1928/29); Wege und Quellen der theologischen Erkenntnis (o. O. 1929); Artikel „Berufung“, „Modernismus“, „Reformkatholizismus“, „Syllabus“ in LThK 1. Aufl. (Freiburg i. Br. 1930-1938); Der Laie im übernatürlichen Organismus der Kirche (Freiburg 1932); Katholische Studentenseelsorge, Geschichte und Gestalt (Paderborn 1945); Ist das Abendland auf christlichem Weg? Gedanken zur religiösen und kulturellen Zeitlage (Freiburg 1949); Hg.: Josef Schofer, Kompaß für die deutschen Studenten (5. und 6. Aufl. Freiburg 1922)
Nachweis: Bildnachweise: in: Badische Zeitung vom 08.07.1963

Literatur: Robert Schlund, Reinhard, Wilhelm, Dr. theol., in: FDA 97, 1977, 549-553; Bruno Schwalbach, Erzbischof Conrad Gröber und die nationalsozialistische Diktatur, Karlsruhe 1985, 92-95; Das Wiedersehen der B-Abt. 1890-99 im Alten Schiff zu Freiburg im Sommer 1924 (ohne Verf., Lebensläufe) Freiburg i. Br. 1924
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)