Sutor, Emil Karl 

Geburtsdatum/-ort: 19.06.1888;  Offenburg
Sterbedatum/-ort: 13.08.1974;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Bildhauer
Kurzbiografie: 1903–1906 (?) Ausbildung zum Holzbildhauer in d. Werkstatt d. Firma Simmler u. Venator in Offenburg
1906–1907 Einjährig-Freiwilliger beim Offenburger Infanterie-Regiment Nr. 170
1907–1909 Studium an d. Kunstakademie Karlsruhe bei Hermann Volz
1911 Mitarbeit bei Bruno Wollstädter (1878–1940) in Leipzig
1912 Weiterbildung in Dresden, München, Stuttgart u. Paris
1913 Gründung einer „Werkstatt für Friedhofskunst“ in Offenburg
1914–1918 Kriegsdienst an d. Westfront, Verwundung, dann als Unteroffizier in Nordfrankreich u. Rumänien
1919–1921 Meisterschüler von Hermann Volz in Karlsruhe
1921–1074 freischaffender Bildhauer in Karlsruhe
1937 V. 1 NSDAP-Mitglied Nr. 4354598
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: Goldmedaille für die Plastik „Hürdenläufer“ zur Olympiade in Berlin (1936); Professor des Landes Baden-Württemberg (1954)
Verheiratet: 1970 (Karlsruhe) Viktoria Helga Carla, geb. Koellreutter (1918-1984)
Eltern: Vater: Karl (1844–1922), Lokomotivführer
Mutter: Franziska, geb. Schoch (geboren 1864)
Geschwister: 2; Pauline (1886–1893) u. Hedwig (geboren 1889)
Kinder: keine
GND-ID: GND/1012367169

Biografie: Johannes Werner (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 420-423

Nach Lehrjahren in Offenburg und Karlsruhe, nach Wanderjahren zu anderen Meistern und dem Krieg, der ihn an verschiedene Fronten führte, ließ Sutor sich in Karlsruhe nieder. Bis zu seinem Tod, d.h. über ein halbes Jahrhundert lang, arbeitete er von morgens bis abends und oft ohne Unterbrechung in seinem Atelier, das er nur ungern verließ. Sein Leben wurde gleichsam aufgezehrt von seinem Werk, hinter dem die Person ganz verschwand.
Die katholische Kirche war es, der Sutor schon früh eine Fülle von Aufträgen verdankte. Seine Arbeiten, meist Kreuzwege und Kreuzigungen, Marien- und Heiligenfiguren, auch ganze Krippen, gingen u. a. nach Baden-Baden, St. Bernhard (1920), Karlsruhe, Herz Jesu (1925) und St. Matthäus (1927), nach Mannheim, St. Peter (1928), St. Bonifatius (1930/1932) und St. Nikolaus (1932), Mosbach, St. Cäcilia (1935), Trossingen, St. Theresia (1935), Freiburg, St. Urban (1936), auch nach Karlsruhe-Rüppurr (1936) und nach Durlach (1938). Die vielen Dorfkirchen, die er in dieser Zeit ebenfalls ausstattete, wurden hier nicht einmal genannt. Nicht selten rief man Sutor auch aus seiner engeren Heimat hinaus. So arbeitete er am Dom von Altenberg im Bergischen Land (1939), im Saarland, in Oberschlesien und in der Schweiz.
Sutor war, wie man sieht, gefragt; was darauf schließen lässt, dass er, anders als viele andere Künstler seiner Zeit, seinen Auftraggebern weit entgegenkam. Mit seinen steilen, stilisierten und statuarischen Gestalten ging er bis an die Grenze des damals Modernen, ohne sie zu überschreiten. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass er auch Neuland betrat. Seine Kreuzwege waren nicht mehr, wie sonst üblich, eine Folge von vielfigurigen, zumindest ganzfigurigen, gleichsam epischen Bildern; sie zeigten nur noch Jesus selbst und allenfalls diejenigen, die ihm an den jeweiligen Stationen seines Weges begegneten, im dramatischen, psychologisch verdichteten Ausschnitt, oft auch nur im Porträt. Ein einziges Mal hat Sutor die Grenze mutig überschritten: mit der Madonna, die an der Fassade der von Hans Herkommer 1929 erbauten Frauenfriedenskirche in Frankfurt angebracht wurde. Sie ist, in ihrer ganzen Höhe von 12 Metern, mit farbigem Mosaik umkleidet und schaut mit großen Augen in die Welt.
Ungewohnt und ungewöhnlich ist diese Madonna, auch weil in ihr sehr verschiedene Traditionen verschmelzen. Zunächst erinnert sie an die acht Meter hohe Statue, die Maria mit dem Kind darstellte und sich in der Außennische am östlichen Abschluss der Kapelle auf der Marienburg befand. Diese Figur war um 1340 entstanden und etwa 40 Jahre später mit einem vielfarbigen Überzug aus Glasmosaik versehen worden. Auch erinnert diese Arbeit Sutors an altkirchliche, byzantinische Bilder, an Ikonen, vor allem aber an Werke, die aus der sogenannten „Beuroner Kunstschule“ hervorgegangen waren und die sich durch ihren enthobenen und erhabenen Charakter auszeichneten. Das waren Werke, die auf Sutor überhaupt einen großen Einfluss ausübten. Ganz von fern mochten auch die magischen Masken und exotischen Idole hineinwirken, für die sich die Expressionisten begeistert hatten. Die Bedeutung dieser Figur erwies sich nicht zuletzt darin, dass sich andere, bedeutendere Künstler von ihr inspirieren ließen. Ewald Mataré (1887–1965), der sie gewiss kannte, schuf 1932 einen Heiligen Thomas von Aquin, der ebenfalls ganz mit Mosaik überkleidet war. An seinem ersten Standort, an der Fassade einer Kirche in Berlin-Charlottenburg, musste er schon am Tag nach der Einweihung verhüllt werden; dann wurde das Werk entfernt, wie später auch an seinem zweiten Standort, einer Kirche in Düsseldorf-Wittlaer. Eine wiederum ganz ähnliche Skulptur schuf Ludwig Gies (1887–1966).
Sutor war also gut im Geschäft; vielleicht aber glaubte er erst nach 1933, seine wahre Bestimmung gefunden zu haben? Schon als die Stadt Karlsruhe in diesem Jahre ein Denkmal für Albert Leo Schlageter errichten wollte, war Sutor zur Stelle und trug mit seinem Entwurf den 2. Preis davon; die Ausschreibung dafür war bereits auf Baumeister und Bildhauer „arischer Abstammung“ beschränkt gewesen. Einen 1. Preis erhielt er im nächsten Jahr für ein als Brunnen ausgeführtes Kriegerdenkmal im Stadtpark von Wiesloch, das mit den Taten der Soldaten auch die der SA verherrlichte. Einen weiteren 1. Preis und den „Reichsauftrag“ zur Ausführung erzielte er für einen 38 Meter langen Fries für das Schloss in Posen, das zur ersten und einzigen „Führerresidenz“ des „Dritten Reiches“ ausgebaut wurde. Für die neue Chirurgische Universitätsklinik in Heidelberg schuf er 1936 eine „Germanische Familie“ unter einer Irminsäule, und noch im selben Jahr für die Olympiade in Berlin einen „Hürdenläufer“, der mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurde, und einen „Hockeyspieler“. Es folgten monumentale Kriegerdenkmäler in Forbach (1937) und auf der Reichenau (1938) und im gleichen Jahr für die soeben erbaute Karlsruher Forstner-Kaserne vor allem der „Kämpfer mit Schwert und Schild“, ein nackter, schmalhüftiger, breitschultriger, muskulöser Mann mit ausdruckslosem Gesicht; einer wie viele, ja wie fast alle, die damals entstanden. Auch das Relief mit den „Rosselenkern“ greift ein überaus beliebtes Thema auf. Sutors Werke sind von denen der Kollegen Albiker, Georg Kolbe (1877–1947), Josef Thorak (1889–1952) und Arno Breker (1900–1991) kaum zu unterscheiden. Denn nicht nur seine Themen, auch seine Formen hatten sich verändert, konnten nun nicht naturalistisch genug sein.
Auf einem Brunnen, den er 1939 für Donaueschingen entwarf, stellte Sutor, ebenfalls ganz im Geist der „neuen Zeit“, eine Mutter mit Kind dar. Und mit dieser Figur beteiligte er sich im selben Jahr erstmals an der „Großen Deutschen Kunstausstellung“, die unter der Schirmherrschaft Hitlers seit 1937 alljährlich im „Haus der Deutschen Kunst“ in München stattfand. Mit einer „Brunnengruppe“ und einem „Speerträger“ war er 1940 wieder dabei, außerdem mit einer neuen „Mutter“, die der Reichsführer SS Heinrich Himmler erwarb. Auch die Ausstellungen von 1941, 1942 und 1944 hat Sutor noch mit Erfolg beschickt. In der Postkartenreihe, die das „Haus der Deutschen Kunst“ herausgab und die ein wichtiges, auf Breitenwirkung angelegtes Medium der NS-Kunstpolitik war, kam er zweimal zum Zuge: mit der „Mutter“ von 1939 und natürlich der von 1940. Währenddessen waren unzählige Künstler mit Berufsverbot belegt; allein an der Karlsruher Akademie hatten schon 1933 Maler wie Babberger, Hubbuch, Schnarrenberger und Scholz gehen müssen. Sutor muss gewusst, mag wohl auch gebilligt haben, was um ihn herum geschah. Immerhin war er seit 1933 Mitglied der Reichskulturkammer und seit 1937 in der NSDAP.
Der pathetische „Entwurf für ein Siegesdenkmal“, den Sutor 1940 vorlegte, wurde nicht mehr ausgeführt. Aber wie viele andere machte Sutor nach dem Kriege weiter, als ob nichts geschehen wäre. Der Spruchkammerbescheid war erwartungsgemäß ausgefallen. Sutor wurde als „Mitläufer“ eingestuft und mit einer Sühne in Höhe von 500.–Mark, ersatzweise 25 Tage Arbeitsleistung, belegt. Nach einer kurzen Unterbrechung kehrte er zu seinen „religiösen“ Anfängen zurück, die er verdrängt oder sogar verleugnet hatte, so wie er jetzt seine jüngsten Werke verleugnete. Da passte es gut, dass es jetzt viel zu tun gab: man musste alte Kirchen wiederherstellen, weil sie vom Krieg beschädigt waren, oder erweitern, weil die Gemeinden rasch wuchsen, zumal durch den Zuzug von Flüchtlingen. Aus demselben Grund mussten auch neue Kirchen errichtet werden: zwischen 1947 und 1967 wurden allein in der Erzdiözese Freiburg 383 Kirchen gebaut. Was zu Sutor auch gut gepasst haben mag, war die Tatsache, dass sich die Erzdiözese von der zeitgenössischen Kunst, wie sie anderswo – zuweilen, beileibe nicht immer! – verstanden wurde, eher zurückhielt, hier wohl nichts wagen wollte.
Bald war Sutor wieder, wie eh und je, gefragt und im Geschäft. Er arbeitete u.a. für Karlsruhe, Herz Jesu (1954), Weinheim, St. Marien, und Stuttgart, St. Eberhard (1955), Konstanz, St. Nikolaus von der Flüe, Karlsruhe-Dammerstock und -Weiherfeld, St. Franziskus, und in -Grünwinkel, St. Josef (1956), Singen, Liebfrauen (1957), Ulm, Hl. Geist (1959), Mannheim-Käfertal (1961), Villingen, Bruder Klaus, und Karlsruhe, St. Stephan (1964) – um wiederum nur die wichtigsten Werke zu nennen. Es dürften wohl über 60 Kirchen und Kapellen sein, die Sutor ausgestattet hat. Was er schuf, waren meist wieder Kreuzwege und Kreuzigungsgruppen, Marien- und Heiligenfiguren, nun aber wieder in einem nicht-naturalistischen, aufs Wesentliche reduzierten Stil. Es konnte bei dieser ungeheuren, durch die von ihm bevorzugte Technik, den Zementguss, noch beschleunigte Produktivität nicht ausbleiben, dass sich die Werke glichen, oft bis aufs Haar. So sank Sutor in das Werkstattwesen zurück, aus dem er einst aufgestiegen war.
Daneben entstand eine Vielzahl von profanen Werken: ein Relief für das Grimmelshausen- Gymnasium in seiner Geburtsstadt Offenburg und ein „Orpheus“ für das Schauspielhaus in Karlsruhe (1948); dort auch ein Relief für das Haus des Handwerks (1957), ein „Sportler“ für das Wildparkstadion und ein „Flötenspieler“ für das Landratsamt (1960), dann eine „Ursula-Säule“ für Offenburg (1961); in Karlsruhe u.a. ein Brunnen für den Albtalbahnhof (1963) und einer für den Raiffeisenplatz (1969). Bei diesen Brunnen arbeitete Sutor unvermittelt ganz im Geist der Abstraktion – wie bei den Nachschöpfungen der „Diana“ und der „Hebe“ für den Schlossplatz in Karlsruhe (1967) gleichzeitig ganz in den Formen des Barock. Übrigens geht auf ihn noch ein Figürchen zurück, das fast jeder kennt: ein Rehkitz, das „Bambi“, das seit 1958 alljährlich als Filmpreis verliehen wird; als Vorbild diente eine Plastik der Bildhauerin Else Bach aus dem Jahr 1936.
Im Laufe seines Lebens hat Sutor vor allem in Baden eine lange, noch längst nicht überschaubare Reihe von Werken geschaffen, und überdeutlich spiegelt sich in ihnen, was man „Geschichte“ nennt.
Quellen: StadtA Offenburg Meldekarte Karl Sutor; StadtA Karlsruhe Abt. 3/B Standesbücher u. Sterbebuch 1922/Nr. 2335; GLA Karlsruhe 465 a/51/56/26776, Spruchkammerakte.
Nachweis: Bildnachweise: Huber, 1960 (vgl. Literatur); Emil Sutor im Atelier, um 1940, zwei Fotografien von Hans Schlitz, Karlsruhe, beide im Besitz des Autors.

Literatur: Heinrich Getzeny, Emil Sutor, ein bad. Bildhauer, in: Die christl. Kunst H. 29, 1932/33, 241-257; Georg Scholz, Der neue Kreuzweg von Sutor in d. Kirche zu Altwette (O.-S.), ebd. H. 31, 1934, 201-208; Gerta Krabbel (Hg.), Frauenfriedenskirche, 1935, 14-16; Thieme-Becker 32, 1938, 320; Fritz Wilkendorf, Der Bildhauer Sutor, 1940; Günther Röhrdanz, Natürliche Anmut u. beseelter Ausdruck. Zu den Arbeiten des oberrh. Bildhauers Emil Sutor, in: Die Kunst H. 45, 1944, 104-108; Franz Huber, Das Porträt: Prof. Emil Sutor, in: Ortenauer Heimatblatt vom 1.12.1960; Winfried Pilz, Der Kreuzweg im Altenburger Dom, 1985; Gerlinde Brandenburger u.a., Denkmäler, Brunnen u. Freiplastiken in Karlsruhe 1715–1945, 1989, 28-29, 693-694; Thomas Mutter, Beseeltes Zeugnis eines bad. Bildhauers. Die ehemalige Weihnachtskrippe im St. Blasier Dom. Emil Sutor wäre 100 Jahre alt geworden, in: Heimat am Hoch-Rhein H. 14, 1989, 77-80; Heidi Fischer, Die Apostel- u. Evangelistenfiguren von Emil Sutor in d. kath. Stadtpfarrkirche St. Bernhard in Baden-Baden, Magisterarbeit, Kunsthistorisches Institut d. Univ. Karlsruhe, 1999; Johannes Werner, Der bad. Bildhauer Emil Sutor, in: BH 2, 2010, 526-534.
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