Wetterer, Anton 

Geburtsdatum/-ort: 04.06.1864;  Oberschopfheim
Sterbedatum/-ort: 24.01.1939;  Bruchsal
Beruf/Funktion:
  • Geistlicher und Historiker
Kurzbiografie: 1871-1879 Volksschule Oberschopfheim
1879-1881 Privatunterricht bei Pfarrverweser Joseph Kunz (1844-1925) in Diersburg
1881-1886 Grimmelshausen-Gymnasium Offenburg bis Abitur
1886-1890 Studium der katholischen Theologie in Freiburg; 2. 7. 1890 Priesterweihe durch Erzbischof Johann Christian Roos
1890-1895 Vikar an verschiedenen Seelsorgestellen; Pfarrverweser in Triberg und Elzach
1895-1907 Pfarrverweser an der Hofpfarrei Bruchsal
1907-1939 Stadtpfarrer in Bruchsal
1922 14. Sep. Dekan des Landkapitels Bruchsal
1927 12. Mai Dr. theol. h. c. der Universität Freiburg; Erzbischöflicher Geistlicher Rat
1904-1938 Bezirkspfleger der Badischen Historischen Kommission in Bruchsal
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Isidor (1825-1888), Landwirt
Mutter: Brigitta, geb. Feger (1824-1902)
Geschwister: 4
GND-ID: GND/1012372006

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 292-293

Bestimmenden Einfluss auf Wetterers beruflichen Werdegang hatte sein Religionslehrer Kunz, der ihm nach dem Besuch der Volksschule Privatunterricht erteilte und ihm so den Eintritt in das Gymnasium ermöglichte. Nach dem Abitur studierte Wetterer Theologie, erhielt 1890 die Priesterweihe und war dann Vikar und Pfarrverweser in verschiedenen Pfarreien, bis er zur Jahreswende 1895/96 an der Bruchsaler Hofkirche St. Damian und Hugo die Nachfolge von Joseph Kunz antrat. Mit der Übernahme der dortigen Stadtpfarrei, 1907, folgte Wetterer ein zweites Mal in das Amt seines geistlichen Gönners und Förderers. Es begann der weitaus längste Abschnitt seines Priestertums, der der Seelsorge in Bruchsal galt; 32 Jahre lang, bis zu seinem Tod, leitete er die Stadtpfarrei und versah dieses Amt „zuverlässig und standhaft“ (A. K. Haus). Seit 1922 war er auch Dekan des Landkapitels Bruchsal.
Herausragende pastorale Fähigkeiten und eine starke Persönlichkeit machten Wetterer in seiner Zeit zur markantesten Priestergestalt im Bruchsaler Klerus (A. Heuchemer). Als ein prägender Charakterzug, auch darin dem Vorbild seines Lehrers Kunz verpflichtet, erscheint Wetterers karitativ-soziale Gesinnung. Für ihn war Caritas nie zuerst eine Frage der Organisation, was sich gerade in den Jahren der großen Arbeitslosigkeit und der allgemeinen wirtschaftlichen Not zeigte. Er nahm Caritas als eine persönliche Verpflichtung wahr. So feierte er dann auch sein 40jähriges Priesterjubiläum, jeder öffentlichen Ehrung abhold, gemeinsam mit hundert der Ärmsten der Stadt an einem Tisch.
Überregionalen Bekanntheitsgrad hatte Wetterer jedoch als ausgewiesener Kenner und fachkundiger Erforscher der Orts-, Heimat- und Kirchengeschichte des Bruchsaler Raumes erworben. Es waren zunächst rein pfarrliche Gründe, die ihn veranlassten, einer Reihe ungeklärter Rechtsfragen nachzugehen, wie sie sich nach der Säkularisation (1802/03) zwischen Staat und Kirche ergeben hatten. Auf praktischem Weg fand Wetterer so zu einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Geschichte des ehemaligen Bistums und Hochstiftes Speyer rechts des Rheins. Dabei entstanden eine Reihe wichtiger Detail- und Personenstudien u. a. über das Bischöfliche Vikariat in Bruchsal (1927), Untersuchungen zur Säkularisation des Ritterstiftes Odenheim in Bruchsal (1918 und 1922), ein Beitrag über Kardinal Damian Hugo von Schönborn (1915) sowie den Bruchsaler Kanonikus und Stiftsprediger Johann Adam Gärtler (1918).
Im Hinblick auf noch anhängige staatliche Zahlungsverpflichtungen hat Wetterer maßgeblich zur Erhellung der Rechtslage beigetragen. Noch als Seelsorger an der Hofkirche führte er mit der Domäne Verhandlungen, um den Neubau eines Pfarrhauses zu erwirken. Ebenso mit staatlicher Finanzierung konnte 1911/12 die umfassende Erneuerung der Stadt- und Stiftskirche Unsere Liebe Frau in Angriff genommen und nach kriegsbedingten Unterbrechungen noch kurz vor seinem Tod zum Abschluss gebracht werden. Aufgrund seiner Vertrautheit mit der Geschichte der Stadt und ihres Umlandes war er schon 1904 von der Badischen Historischen Kommission zum Bezirkspfleger bestellt worden. Seine Berufung als Pfleger der Kunst- und Altertumsdenkmäler (1910) scheiterte unter Hinweis auf seine seelsorglichen Verpflichtungen am Einspruch der Kirchenbehörde.
Wetterers zahlreiche heimat- und kirchengeschichtlichen Studien beruhen auf solider quellenmäßiger Grundlage. Viele seiner kleinen Aufsätze wurden in der Tagespresse gedruckt, längere Beiträge erschienen auch als Sonderdrucke. Mehrfach veröffentlichte Wetterer im Freiburger Diözesanarchiv; seine Studie „Die Säkularisation des Ritterstiftes Odenheim in Bruchsal“ (1918) fand Aufnahme in Ulrich Stutz’ Zeitschrift für Rechtsgeschichte. Besondere Anerkennung für seine wissenschaftliche Tätigkeit wurde ihm anlässlich der Jahrhundertfeier der Erzdiözese Freiburg durch die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Freiburger Theologischen Fakultät zuteil. Dennoch ist nur ein Bruchteil dessen, was Wetterer in mühsamen Archivstudien erarbeitet hatte, im Druck erschienen, zumal mit zunehmendem Alter sein Mitteilungs- und Darstellungsbedürfnis merklich nachgelassen hatte. Die von ihm angestrebte zusammenfassende Darstellung der Geschichte Bruchsals und des rechtsrheinischen Teiles der Diözese Speyer, wofür er eine einzigartige Stoffsammlung zusammengetragen hatte, ist nie zustande gekommen.
Wetterers Leben umfasste alle politischen Veränderungen seit der Reichsgründung. Sein letzter Lebensabschnitt war von der NS-Herrschaft überschattet. Obwohl er den offenen Konflikt mied, wusste jedermann um seine innere Ablehnung und Gegnerschaft. Er, der stets „die Ehre Gottes und das Heil der Seelen“ vor Augen hatte, bezog in der Predigt und in der kirchlichen Vereinsarbeit gegen den damals propagierten Führer- und Rassenkult unmissverständlich Position.
Wetterer starb wenige Monate vor Ausbruch des II. Weltkrieges. So blieb ihm zu erleben erspart, wie die Stadt zerstört wurde und ein Großteil dessen, was er mit viel Mühe und Fleiß geschaffen hatte, der Vernichtung anheim fiel.
Quellen: Nachlass im StadtA Bruchsal.
Werke: Verzeichnis d. Schriften, zusammengest. von O. B. Roegele, in: ZGO 96, 1948, 624-629; auch FDA 41 NF, 1941, 42/43. – Auswahl: Die Verlegung des Kollegiat-Ritterstifts Odenheim im Jahre 1507, 1907; Die Condé'schen Truppen in Bruchsal u. im Buhrain im Jahre 1795, 1914; Johann Adam Gärtler. Prediger u. Kanonikus an d. Stiftskirche zu Bruchsal, 1918; Die Säkularisation des Ritterstifts Odenheim in Bruchsal, in: Zs. d. Savigny-Stiftung für Rechtsgesch., Kan. Abt VIII, Bd. 39, 1918, 44-153; Das Bruchsaler Schloss. Seine Baugeschichte u. seine Kunst, in: Vom Bodensee zum Main 21, 1922, 1927 2. Aufl.; Das Bischöfl. Vikariat in Bruchsal von d. Säkularisation 1802/03 bis 1827, in: FDA 29 NF, 1929, 49-114 u. 30 NF 1930, 208-289.
Nachweis: Bildnachweise: Konradsblatt 6, 1939, 97; BNN, Nr. 19, 1989, 13; Heuchemer, 1990, 35 (vgl. Lit.).

Literatur: A. Siegel, Dekan Geistl. Rat Dr. Wetterer, in: Konradsblatt, 23. Jg., Nr. 6, 1939, 97; J. Sauer, Dekan Geistl. Rat Dr. h.c. Wetterer †, in: FDA 39 NF, 1939, XI-XV; N. N., A. Wetterer, in: FDA 41 NF, 1941, 41-43; O. B. Roegele, A. Wetterer. Lebensgang, in: ZGO 96, 1948, 623 f.; F. Siegele, Dekan A. Wetterer. Engagierter Priester u. Stadthistoriker, in: BNN Nr. 19, 1989, 13; A. Heuchemer, Zeit d. Drangsal. Die kath. Pfarreien Bruchsals im Dritten Reich, 1990, 36 f.; A. K. Haus, Bruchsal u. d. Nationalsozialismus. Geschichte einer nordbad. Stadt in den Jahren 1918 bis 1940, 2001, 73 f.
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