Bläsi, Franz Josef 

Geburtsdatum/-ort: 29.03.1893;  Schönau/Schwarzwald
Sterbedatum/-ort: 14.11.1963; Kandel/Pfalz
Beruf/Funktion:
  • Pädagoge, Oberbürgermeister von Bruchsal, MdL-CDU
Kurzbiografie: 1898-1904 Volksschule Schönau, 1904-1908 Bürgerschule Schönau, 1908-1911 Realschule Schopfheim, 1911-1913 Oberrealschule Freiburg
1913-1919 Universität Freiburg: Studium der Mathematik und Physik als Hauptfächer, Chemie mit Mineralogie und Geologie als Nebenfächer
1917 VII-1918 XI Landsturmmann
1919 II Staatsprüfung für das Höhere Lehramt, anschließend bis 1920 Lehramtspraktikant am Bruchsaler humanistischen Gymnasium
920 III-1927 IV Lehramtsassessor am Bruchsaler humanistischen Gymnasium
1927 IV Ernennung zum Professor und Beamten auf Lebenszeit
bis 1941 VIII Lehrtätigkeit am Bruchsaler humanistischen Gymnasium
bis 1945 VII Lehrtätigkeit am Realgymnasium Karlsruhe-Durlach
1945 VII Bürgermeister von Bruchsal, von amerikanischer Militärregierung ernannt
1946 VI zum Bürgermeister durch Stadtrat gewählt, 1948 II Wiederwahl zum Bürgermeister durch Volkswahl auf 6 Jahre, 1954 I Wiederwahl zum Bürgermeister durch Volkswahl auf 12 Jahre
1956 IV Ernennung zum Oberbürgermeister, nachdem Bruchsal Große Kreisstadt wurde
1949 II Eintritt in den Landtag von Württemberg-Baden als Nachfolger von Dr. Heinrich Köhler
1950 XI Wahl in den Landtag von Württemberg-Baden
1952 III Wahl in die Verfassunggebende Landesversammlung von Baden-Württemberg
1952-1956 Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1920 Bruchsal, Elisabeth, geb. Winterhalter (1896-1966), Bruchsal
Eltern: Johann Bläsi (1854-1938), Hutmacher, Schönau/Schwarzwald
Hedwig, geb. Ebert (1869-1932)
Geschwister: 1 Bruder, 4 Schwestern
Kinder: Elisabeth, Hausfrau (geb. 1921)
Hedwig, Sozialarbeiterin (geb. 1922)
Felizitas, Studiendirektorin a. D. (geb. 1923)
Hermann, Pfarrer und Dekan (geb. 1925)
Franzpeter, Studiendirektor a.D. (1926-1990)
Hubert, Dipl.-Volkswirt und Oberstudiendirektor a. D. (geb. 1928)
Bernhard, Dr. jur., Ministerialdirektor im Wissenschaftsministerium (geb. 1930)
Hildegard, Dr. med., Oberärztin (1931-1988)
Nikolaus, Studiendirektor (1935-1990)
GND-ID: GND/1012375900

Biografie: Bruno Schwalbach (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 54-56

Die Lehrer der badischen Gymnasien kamen häufig aus Handwerkerfamilien, die ihren begabten Söhnen durch große finanzielle Opfer den Besuch einer Höheren Schule und das Studium an der Universität ermöglichten. So auch bei Bläsi, dessen mathematische Begabung sich schon auf der Schule zeigte und der für die Naturwissenschaften besonders aufgeschlossen war. Wären die Zeiten in normalen Bahnen verlaufen, er hätte seinen aktiven Schuldienst als Schulmann beendet. So berief ihn, ganz gegen seinen Willen, nach dem II. Weltkrieg die Pflicht in die aktive Politik. Politisch aufgeschlossen war Bläsi, wofür sein Eintritt in die Zentrumspartei im Jahre 1919 spricht, als die Monarchie in Deutschland klanglos abgetreten und das Deutsche Reich eine Republik geworden war. 1922 ließ er sich in den Bürgerausschuß als Stadtverordneter und 1926 als Stadtrat wählen. Vorsitzender der Zentrumspartei in Bruchsal wurde er 1932; im gleichen Jahr übernahm er den Vorsitz der Zentrumsfraktion im Bruchsaler Stadtrat.
Aus seiner christlich-katholischen Einstellung heraus gab es für ihn keine Konzession an das NS-Regime. Die Fächer, die er am Bruchsaler Gymnasium unterrichtete, beruhten auf den exakten Wissenschaften und boten ihm Schutz vor der NS-Ideologie, der Historiker und Germanisten ausgesetzt waren. Seine negative Einstellung zum NS-Regime war bekannt. Als seinen Söhnen die illegale Zugehörigkeit zum Bund „Neudeutschland“, der am 27. Juni 1939 durch Verfügung des Reichsinnenministers verboten worden war, im „Bruchsaler Prozeß“ 1941 zum Verhängnis wurde, bot sich der NSDAP eine willkommene Gelegenheit, den in Bruchsal hochgeachteten und am Gymnasium erfolgreichen Lehrer aus Bruchsal zu entfernen und strafweise an das Realgymnasium Karlsruhe-Durlach durch das Badische Kultusministerium versetzen zu lassen.
Im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurden auf Weisung von Heinrich Himmler alle ehemaligen Abgeordneten des Reichstags, der Landtage und der Stadtparlamente der sogenannten „Systemparteien“ inhaftiert. So auch Bläsi. Auf den Protest des Freiburger Erzbischofs Conrad Gröber beim Reichssicherheitshauptamt in Berlin vom 29. August 1944 – am Sonntag, 3. September 1944, verlangte der Erzbischof öffentlich von der Kanzel des Freiburger Münsters die Freilassung der Inhaftierten – kamen diese Menschen wieder frei.
Die Stadt Bruchsal war am 1. März 1945 am frühen Nachmittag innerhalb von 20 Minuten zu 80 % zerstört worden. Tausend Menschen hatten den Tod gefunden. In dieser hoffnungslosen Situation versagte sich Bläsi nicht der Aufforderung der amerikanischen Militärregierung, das Amt des Bürgermeisters zu übernehmen.
Fragen wir nach der Leistung von Oberbürgermeister Bläsi, so ist die aus Trümmern wieder aufgebaute Stadt, wie sie sich bei seinem Tod im Herbst 1963 darbot, die überzeugende Antwort. Bruchsal hat architektonisch durch den Wiederaufbau ein neues Gesicht bekommen. Ein Kranz von Wohnsiedlungen legte sich um den wiederaufgebauten Stadtkern. Durch Zuzug einer mittelständischen Industrie erhielt die Stadt eine gesunde finanzielle Grundlage, nachdem sie 12 Jahre lang stärkstens auf Landeshilfe aus dem kommunalen Notstock angewiesen war. 1958 war der Wiederaufbau abgeschlossen. Die Stadt hatte ein neues Rathaus erhalten, ein neues Altersheim, zahlreiche Schulen, ein neues Schwimmbad, ein neues Wasserwerk und eine größere Kläranlage waren gebaut worden. Die Einwohnerzahl war vom 1.10.1945 bis zum 23.11.1963 von 12 853 Einwohnern auf 25 461 gestiegen.
Doch das Bild des Kommunalpolitikers Bläsi wäre unvollkommen, wollte man nicht des Pädagogen Bläsi gedenken, der Bruchsal zu einer „schulfreundlichen“ Stadt machte. Nahezu alle Schultypen sind hier vertreten, in welche die Kinder nicht nur der Stadt, sondern aus dem ganzen Landkreis strömen. Nicht zuletzt verdankt das humanistische Gymnasium, das frühere Schloß-Gymnasium, seiner Tatkraft sein Wiedererstehen. Im Landtag von Baden-Württemberg setzte er sich bei der Gesetzgebung insbesondere für ein solides Schulwesen ein.
Einmal gefragt, wie er das alles geschafft habe, sagte Bläsi spaßhaft: „Ich bin doch ein Alemanne. Man brennt das Alte ab und baut neu auf.“
Anerkennung fand Bläsi 1954 durch Verleihung des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland. Papst Johannes XXIII. verlieh ihm 1963 das Komturkreuz des Silvesterordens. Dem „in den Sielen“ gestorbenen Stadtoberhaupt räumte der Stadtrat ein Ehrengrab ein und benannte eine Straße nach ihm.
Quellen: Stadtarchiv Bruchsal: Personalakte, Entnazifizierung: „Nicht betroffen“. Spruchkammer Bruchsal vom 9.11.1946, AZ: 54/1/7529; mündliche und schriftliche Auskünfte von Sohn Hubert Bläsi, Oberstudiendirektor i. R., Heilbronn 1992, 1993
Nachweis: Bildnachweise: Photographie im Amtszimmer des Oberbürgermeisters im Rathaus in Bruchsal

Literatur: Otto B. Roegele, Bruchsal, wie es war. Karlsruhe 1955. Handbücher des Landtags von Württemberg-Baden, der Verfassungsgebenden Landesversammlung von Baden-Württemberg und des Landtags von Baden-Württemberg 1946, 1950, 1952-1956
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