Himmelsbach, Hermann 

Geburtsdatum/-ort: 1862-11-04;  Oberweier bei Lahr
Sterbedatum/-ort: 1944-01-10;  Freiburg
Beruf/Funktion:
  • Holzindustrieller
Kurzbiografie: Volksschule in Oberweier bzw. Friesenheim, höhere Schule in Lahr, vermutlich bis zur mittleren Reife, Lehrjahre im Ausland
1887 Eintritt in die väterliche Firma (Holzgroßhandel und Holzimprägnierung) als Teilhaber, Wohnsitz in Offenburg
1900 Verlegung der Firma unter dem Namen Gebrüder Himmelsbach nach Freiburg, Teilhaber: Benjamin, Georg und Hermann Himmelsbach
1900-1927 Mitbegründer und Vorsitzender des Vereins von Holzinteressenten Südwestdeutschlands
1902 Umzug nach Freiburg
1912 Familien- und Geschäftsjubiläum der Firma Himmelsbach, größter Produzent von Eisenbahnschwellen in Europa
1914-1918 Organisator der Holzwirtschaft im Krieg
1920 Ehrendoktor der Universität Freiburg – naturwissenschaftlich-mathematische Fakultät. Ehrensenator der Technischen Hochschule Karlsruhe
1918-1919 Berater der Reichsregierung in Reparationsfragen, Mitwirkung an den Verhandlungen um den Versailler Vertrag, Vorsitzender des Zentralverbandes der Vereine deutscher Holzinteressenten
1924 Federführend beim Abschluß der Verträge über die „Coupes supplémentaires“ im besetzten Gebiet
1925-1927 Niedergang der Firma wegen des Skandals um die „Coupes supplémentaires“-Verträge. Bis 30er Jahre Prozesse um Rehabilitierung und Schadensersatz
1937 Abweisung der letzten Klage
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1887 (Euskirchen/Rheinland) Emma, geb. Lückerath
Eltern: Vater: Franz Josef Himmelsbach (1816-1889), Holzhändler
Mutter: Katharina, geb. Winter
Geschwister: 15, davon 5 früh verstorben
Kinder: 8
GND-ID: GND/1012561712

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 136-138

Als die Firma Gebrüder Himmelsbach 1921 ihr 75jähriges Bestehen feierte, dokumentierte der Hauschronist neben einer großen Vergangenheit gute Zukunftsaussichten. Wenige Jahre später brach das Unternehmen jedoch unter spektakulären Umständen zusammen. Der Grund war die Mitwirkung der Firma an der Erfüllung der Reparationsforderungen der Siegermächte, insbesondere die Beteiligung an den Verträgen über die „coupes supplémentaires“ im Februar 1924. Es ging dabei um zusätzliche Holzlieferungen für die französischen Kriegsgeschädigten. Die „coupes supplémentaires“-Verträge betrafen die besetzten linksrheinischen Teile Bayerns (Pfalz), Hessens und Preußens (Rheinland). Die Problematik bestand darin, daß die Besatzungsmacht als Souverän über Staatswald verfügte. Die beteiligten Holzunternehmen verpflichteten sich zu Lieferungen an Frankreich und wurden entschädigt durch Überlassung von Schlägen im Staatswald. Die Firmen sahen sich der Drohung ausgesetzt, daß im Weigerungsfalle ihre Werke beschlagnahmt würden. Die führende Persönlichkeit beim Vertragsabschluß war Hermann Himmelsbach, den die Holzindustriellen des besetzten Gebietes kurz zuvor zum Vorsitzenden einer Reparationsholz-Treuhandgesellschaft bestimmt hatten. Die betroffenen Länderregierungen erfuhren nachträglich von der Existenz der Verträge, als Himmelsbach sie zur Mitwirkung an der Vertragserfüllung – finanziell oder durch Holzlieferungen aus dem unbesetzten Gebiet – gewinnen wollte, um Kahlhiebe in den Staatswäldern zu vermeiden. Diese Mitwirkung wurde jedoch nicht gewährt. Im April 1924 ging die Firma Gebrüder Himmelsbach dazu über, einen Teil der ihr zugewiesenen Schläge abzuholzen.
In einer Anfrage des deutsch-völkischen Blocks des bayrischen Landtags manifestierte sich Protest; dann führte der Redakteur der Zeitschrift „Holzmarkt“ Otto Fernbach eine aufsehenerregende Pressekampagne mit massiven Angriffen, die er auf die Firma Gebrüder Himmelsbach und die Person des Hermann Himmelsbach konzentrierte. Er ergriff die Gelegenheit, mit dem Mann abzurechnen, der Deutschland 1919 bei den Reparationsverhandlungen in Versailles, Spa und Paris vertreten hatte und der ein guter persönlicher Freund des „Erfüllungspolitikers“ Dr. Josef Wirth, des Reichskanzlers von 1921/22, war. Als Himmelsbach im Oktober 1924 die Klageschrift gegen Fernbach wegen Beleidigung und Geschäftsschädigung drucken ließ, war er noch optimistisch. Mittlerweile ging aber die Saat der Diffamierungen auf. Fernbach und der bayrische Forstwissenschaftler und Schriftleiter des „Holzhandelsblatts“ Professor Endres forderten die deutschen Regierungen zu Boykottmaßnahmen gegen Gebrüder Himmelsbach auf und bezichtigten diese des Landesverrats.
Tatsächlich verweigerten die Forstverwaltungen der Länder der Firma den Zuschlag beim Holzkauf, ohne jedoch dies als Boykott zu deklarieren und Absprachen untereinander zuzugeben. Reichsbahn und -post, die Hauptabnehmer der Schwellen und Masten, erteilten keine Aufträge mehr. Die Firma kämpfte ums Überleben. Neben Hermann Himmelsbach engagierten sich dessen Sohn Dr. H. Himmelsbach in Köln, Oskar Himmelsbach, der Direktor des Werkes Walhallastraße bei Regensburg, und dessen Vater Georg als der Vorsitzende des Aufsichtsrats (Josef Himmelsbach, Sohn des Benjamin Himmelsbach und Direktor des Werkes Gaulsheim bei Bingen, war 1923 vier Wochen von den Alliierten inhaftiert, da er sich während des passiven Widerstandes geweigert hatte, die belgische Besatzungsmacht zu beliefern.) Dramatische Szenen spielten sich beispielsweise beim Eisenbahnzentralamt in Berlin ab, wo die Herren Himmelsbach statt mit der gewohnten Ehrerbietung nun abweisend behandelt wurden. Die Überzeugung, einem Unrecht zum Opfer gefallen zu sein, führte zu einer Reaktion, wie sie aus Kleists „Michael Kohlhaas“ oder von August Sutter, dem „Kaiser von Californien“, bekannt ist. 1926 klagte Gebrüder Himmelsbach AG gegen das Deutsche Reich, die Reichspost und die Länder Preußen, Hessen und Bayern auf Schadensersatz und Unterlassung jeglicher Benachteiligung. 1934 wurde die Klage durch das Reichsgericht abgewiesen. Als Himmelsbach 1944 starb, war von dem Vermögen der Glanzzeit nur noch Unbedeutendes übrig. Einem Rat des mit ihm verschwägerten Bankiers Josef Abs folgend, hatte er die Aktienmehrheit gehalten. Hätte er gleich 1924 oder 1925 nach dem Freispruch Fernbachs die Firma stillgelegt, hätte er einen Teil des Vermögens retten können. Dies unterblieb in dem Glauben, daß ein bodenständiges altes Unternehmen „sich in Deutschland gegen offenbares Unrecht würde durchsetzen können“.
Himmelsbach machte eine Entwicklung durch vom Oberweirer Dorfjungen zum Wirtschaftskapitän internationalen Zuschnitts. Daß er ein brillanter Geist war, hatten die Eltern schon erkannt, die dafür sorgten, daß er im Ausland Französisch und Italienisch lernte. Sein großbürgerliches Wohnhaus in der Nähe des Freiburger Bahnhofes (Bertholdstraße, Kultur- und Tagungsstätte) war nicht nur der Rahmen eines soliden Familienlebens großbürgerlichen Zuschnitts – der junge Leo Wohleb unterrichtete dort als Hauslehrer –, sondern auch Schauplatz gepflegter Geselligkeit. Glanzlichter in Himmelsbachs Biographie sind mit 1912 und 1920 verbunden. 1912 feierte er – eben 50 Jahre alt – seine Silberne Hochzeit als Jubiläum des Hauses und der Firma. Die Belegschaft erhielt aus diesem Anlaß eine Arbeitszeitverkürzung und eine Verbesserung der sozialen Absicherung durch eine Stiftung. Im übrigen trat Himmelsbach persönlich immer wieder als Mäzen auf: durch namhafte Zuwendungen an die Technische Hochschule Karlsruhe und die Universität und Stadt Freiburg. Die Universität ehrte ihn 1920 durch die Verleihung der Ehrendoktorwürde. Die frühen 20er Jahre erlebte Himmelsbach trotz oder vielleicht auch wegen der zu bewältigenden Schwierigkeiten als erfolgreiche und glückliche Zeit. Er paßte die Organisation des Unternehmens den neuen Gegebenheiten an und gründete neue Werke, zum Beispiel in Ostpreußen als Ausgleich für den Verlust der Werke in Frankreich und Belgien oder in Neuenburg/Baden, wo er die ehemalige Zeppelinhalle von Baden-Baden als Sägehalle aufstellen ließ. 1923 bis 1927 beteiligte er sich an der Mologa AG, einer Holzkonzession in Sowjetrußland, angeregt durch den Altreichskanzler Dr. Josef Wirth. Das Ende dieses Unternehmens, das aus der Wirth/Rathenau'schen „Rapallopolitik“ und Lenins NEP erwachsen war, fiel zeitlich mit dem Untergang der Firma Gebrüder Himmelsbach zusammen. Im Freiburger Handelsregister wurde die Firma, die seit 1900 hier ihre Zentrale hatte, erst 1944 im Todesjahr der Brüder Hermann und Georg Himmelsbach gelöscht.
Quellen: StAF: Bestand Notariat Freiburg FR Abt. IV, Zug. 1984/89II, Paket 278 Nr. 35; StadtAF: Dwe 475a. Die Feiern im Hause Himmelsbach im November 1912; UA Freiburg: Bl/153; Handelsregister beim Amtsgericht Freiburg; Familienarchiv Erggelet: Druckschrift: Coupes supplémentaires. Klageschrift des Dr. h. c. H. Himmelsbach, stellv. Vorsitzender d. Aufsichtsrates d. Gebr. Himmelsbach AG Freiburg i./Br. gegen Otto Fernbach-Berlin, Verleger d. Zeitung Der Holzmarkt. Berlin 1924. Außerdem: Stammtafel, Zeitungs- u. Zeitschriftenbelege u. Familienfotos; Familienarchiv Künstle/Arnold: Gedrucktes Urteil d. Landgerichts I Berlin v. 6. Okt. 1926, In Sachen Gebr. Himmelsbach AG Freiburg i./Br. gegen Redakteur Otto Fernbach Berlin, Maschinenschr. Klageschrift v. 1934: In Sachen Gebr. Himmelsbach AG Freiburg i./Br. gegen Deutsches Reich und Gen.; Mündliche Auskünfte von Hugo Frey, der 1922 in die Firma Himmelsbach eintrat und in der firmeneigenen Fachschule Krozingen ausgebildet wurde, sowie von Jürgen Gaebeler, Bonndorf, Himmelsbachs Verbandstätigkeit; Privat-A Dr. Theodor u. Klaus Haefele, Freiburg i. Br.: Familiengeschichtl. Unterlagen.
Nachweis: Bildnachweise: in Firmenchronik u. Privatbesitz Erggelet.

Literatur: Firmenchronik: Heinrich Hertzer, Gebr. Himmelsbach AG Freiburg i. Br. 1846-1921. Ein Rückblick über 75 Jahre. Freiburg 1922; Peter Fromherz, Zw. zwei Gewalten. Die Waldverwüstungen. Der Fall Himmelsbach u. s. Lehren, nach urkundl. Unterlagen dargestellt von Landgerichtsrat Dr. P. Fromherz. Karlsruhe 1925; Die Industrie in Baden, im Jahr 1925, bearb. u. hg. v. Bad. Statist. Landesamt, Karlsruhe 1926, 29 f., 228, 231, 241; Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. Bd. 155. Berlin/Leipzig 1937, 257-292. Urteil v. 1. 6. 1935, III. Zivilsenat in Sachen Gebr. Himmelsbach w. Deutsches Reich u. a.; Rainer u. Renate Liessem, Die Mologa AG 1923-1927, in: Jahresheft d. Breisgau-Geschichtsvereines Schauinsland 1975/93, 83-91; Karl Stiefel, Baden 1648-1952. Bd. II. Karlsruhe 1977, 1155; Michael Becker, Die Entwicklung von Unternehmensverbänden d. Sägeindustrie in Süddt. seit d. Jahr 1900, in: Mitt. d. Bundesforschungsanstalt f. Forst- u. Holzwirtschaft, Hamburg 1978.
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