Cranz, Christiane (Christl) Franziska Antonia 

Geburtsdatum/-ort: 01.07.1914; Brüssel
Sterbedatum/-ort: 20.09.2004; Oberstaufen-Steibis
Beruf/Funktion:
  • Skiläuferin
Kurzbiografie:

19281933 Hindenburg-, heute: Goethe-Gymnasium, in Freiburg

19331936 Studium an der Hochschule für Leibesübungen in Berlin mit Sportlehrer-Examen

19341941 Laufbahn: Erfolge als Skiläuferin, Siege bei 280 bis 330 Rennen, 24 deutsche Meister- und 12 Weltmeisterschaften

1936 Olympiasiegerin in der Alpinen Kombination

19361940 SS 1936 bis SS 1939 und vom 10. April bis 10. Oktober Studium der Philologie an der Universität Freiburg

1936 IV 1VI 18 Assistentin am Institut für Leibesübungen in Freiburg

19481977 Gründungsmitglied und Vorsitzende des Skiclubs in (Oberstaufen-)Steibis

1949 Gründung der Skischule Steibis, betrieben bis 1987 mit ihrem Mann

19481957 Beauftragte für Frauenfragen, Vorsitzende des Frauen- und Mädelausschusses des Dt. Skiverbandes, DSV

1951 ff. Mitglied im Frauen-Komitee des Internationalen Skiverbandes, FIS

19561964 Betreuerin des DSV und Wettkampfrichterin bei drei olympischen Spielen

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Auszeichnungen: Ehrungen: Ehrenbürgerin von Steibis (1960); Aufnahme in die International Hall of Fame des Frauensports (1991); Bronze-Gedenktafel am Christl Cranz-Spazierweg in Oberstaufen (2008)
Verheiratet:

1943 Adolf Borchers (1913–1996), Berufsoffizier der Wehrmacht, später Skilehrer


Eltern:

Vater: Rudolf (1890–1950), Kaufmann

Mutter: Susanna, geb. Schubert (1890–1970), Hausfrau


Geschwister:

2; Rudolf (1918–1941) und Harro (1920–2007).


Kinder:

3; Barbara (geb. 1953), Jörg (geb. 1954) und Christl (geb. 1956)

GND-ID: GND/105203521

Biografie: Klaus Schlütter/Michael Kitzing/Fred Ludwig Sepaintner (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 84-87

Cranz’ Vater, Kaufmann in Brüssel, musste samt Familie nach dem Ende des I. Weltkrieges nach Württemberg fliehen, weshalb Cranz in Trailfingen bei Reutlingen aufwuchs. Bereits mit sechs Jahren lernte sie dort Skilaufen, damals noch auf Brettern, die das Doppelte ihrer Körpergröße betrugen. 1921 zog die Familie nach Interlaken in der Schweiz; sie besaß auch ein Chalet in Grindelwald. Während dieser Jahre bestritt Cranz zusammen mit ihrem Bruder Rudolf, zu dem sie ein besonders enges Verhältnis hatte, erste Kinder- und Juniorenrennen. Auch Rudolf gehörte Ende der 1930er Jahre zu den deutschen Spitzenskifahrern. Bei den Olympischen Spielen 1936 belegte er in der Kombination den 6. Platz und gewann zwischen 1937 und 1941 vier Deutsche Meistertitel im Slalom und der Kombination. Als er am ersten Tag des Russlandfeldzuges 1941 fiel, beendete die gerade 27jährige ihre Sportkarriere. Das macht deutlich, wie eng ihr Verhältnis zum älteren Bruder war. Auch ihr zweiter Bruder Harro war Skiläufer, erreichte aber die Klasse seiner beiden älteren Geschwister nie.

Nach ersten Erfahrungen im Skifahren in Grindelwald und der Scheidung der Eltern, zogen die Mutter und Kinder 1928 nach Freiburg, wo Cranz 1933 das Abitur ablegte. Die folgenden drei Jahre studierte sie an der Hochschule für Leibesübungen in Berlin und schloss 1936 mit dem Sportlehrerexamen ab. 1936 war sie kurz Assistentin am Hochschulinstitut für Leibesübungen in Freiburg. Dort studierte sie auch Philologie und bestand 1940 das I. Staatsexamen für das höhere Lehramt. Cranz war dann kurze Zeit in Karlsruhe Lehrerin.

Während der Schul- und Studienzeit genoss Cranz zahlreiche Privilegien. Sie war für Kaderlehrgänge freigestellt und konnte an internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Als Sportlerin wurde sie von Eugen Winterhalter (1897/98 ? –1940) geformt. Meist als einzige Frau unter Männern trainierte sie am Feldberg in der sogenannten Tauernrinne. Ihren ersten größeren Erfolg erreichte Cranz 1931, als sie beim Abfahrtsrennen vom Herzogenhorn nach Menzenschwand die damals amtierende Schwarzwaldmeisterin besiegte. Im Jahr darauf machte sie erstmals international auf sich aufmerksam, als sie beim Arlberg-Kandahar-Rennen in St. Anton 2. wurde. Um an diesem Wettbewerb teilnehmen zu können, brauchte sie die Sondergenehmigung des badischen Kultusministeriums, nachdem der Schulleiter ihres Gymnasiums Bedenken geäußert hatte. Im Winter 1933/1934 wurde Cranz zum ersten Kaderlehrgang des Deutschen Skiverbandes eingeladen und konnte noch in der gleichen Saison ihre ersten deutschen Meistertitel in Abfahrt, Slalom und der Kombinationswertung erringen. Im gleichen Jahr schaffte sie auch den internationalen Durchbruch bei den Skiweltmeisterschaften in St. Moritz mit Gold im Slalom und in der Kombination. Bis 1939 kam Cranz auf 12 Weltmeistertitel, davon vier im Slalom, drei in der Abfahrt und fünf in der Kombinationswertung. 1937 in Chamonix und 1939 in Zakopane hatte sie jeweils in allen drei Disziplinen gesiegt und bei der Ski-WM 1941 in Cortina d`Ampezzo errang sie zwei goldene und eine Silbermedaille. In der Abfahrt hatte sie über sieben Sekunden Vorsprung. Diese drei Medaillen wurden ihr vom internationalen Skiweltverband 1947 in Pau aberkannt, weil an diesen Wettkämpfen fast nur Athleten aus NS-Deutschland, dem faschistischen Italien und deren Sympathisanten teilgenommen hatten.

In einem Interview in späteren Jahren bemerkte Cranz einmal lapidar, im Grunde habe sie so ziemlich jedes Rennen, bei dem sie angetreten sei, gewonnen. Obwohl ihre aktive Zeit kaum zehn Jahre währte, dürften es zwischen 280 und 330 Rennen gewesen sein. Mit 12 WM-Titeln ist sie in den „ewigen“ Bestenlisten des Internationalen Skiverbandes unerreicht, auch wenn Weltmeisterschaften heute nicht mehr jährlich, sondern nur alle zwei Jahre ausgetragen werden. Außerdem war Cranz bei 24 Deutschen Meisterschaften erfolgreich.

Den Karrierehöhepunkt Cranz’ bildeten die IV. Olympischen Winterspiele im Februar 1936 in Garmisch-Partenkirchen, wo rund 600 Athleten, darunter 80 Frauen, in 17 Sportarten antraten. Der Alpine Skisport stand erstmals auf dem Programm. Anders als bei Weltmeisterschaften gab es jedoch lediglich eine Kombinationswertung und keine Einzelwertungen in Abfahrt und Slalom.

Von Beginn an galt Cranz als Favoritin. Dem wurde sie gerecht, als sie auf der Abfahrtsstrecke eine britische Athletin einholte, die eine Minute vor ihr gestartet war. Durch eine Unachtsamkeit in einer vereisten Traverse kam sie jedoch zu Fall und wurde von der Britin wieder überholt. Trotz ihres Sturzes beendete sie den Abfahrtslauf zunächst als 6. mit 19 Sekunden Rückstand auf die führende Norwegerin Laila Schou Nilson (1919–1998). Vor 35 000 Zuschauern gelang es ihr dann jedoch, in den beiden Slalomläufen 21,30 Sek. aufzuholen, sodass sie wieder Gold gewann.

Natürlich war Cranz durch den Olympiasieg zu Hause ein Superstar, weil sie nicht aufgegeben und den Erfolg aus scheinbar hoffnungsloser Position errungen hatte. Das passte in die NS-Propaganda. Bei ihrer Heimkehr nach Freiburg wurde ihr ein großer Empfang bereitet. Cranz wurde „Mädelgruppenführerin“ im BDM, was dem Rang eines Leutnants der Wehrmacht gleichkam. Sie gehörte dem NS-Reichsbund für Leibesübungen an und war ab 1939 Fachwartin für den Damenskisport. Nachweislich war sie kein NSDAP-Mitglied, was ihre Instrumentalisierung durch die Parteipropaganda jedoch nicht verhindert hat. Aktiv beteiligte sie sich aber nur an zwei Aktionen: 1936 unterschrieb sie einen NSDAP-Wahlaufruf und beteiligte sich sechs Jahre später bei einer Aktion zur Spende von Skiern für die Ostfront, was propagandistisch überhöht wurde. Vor großer Presse übergab sie ein Paar ihrer Skier für Soldaten an der Ostfront. Die Bevölkerung aber nahm dies gar nicht recht wahr; sondern erwartete das eher von einem gefeierten Skistar.

Nach dem II. Weltkrieg wurde Cranz von den Franzosen wegen Spionageverdachts zunächst interniert und musste Zwangsarbeit in der Landwirtschaft leisten, bis es ihr 1947 gelang, in die amerikanische Zone zu fliehen, wo sie von der Spruchkammer Sonthofen als „Mitläuferin“ zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Ihr Neuanfang begann 1947 in Steibis im Oberallgäu, wo sie trotz Schwierigkeiten eine Skischule mit Ferienheim aufbaute. Obwohl sie einen Universitätsabschluss als Sportlehrerin hatte, wurde ihr die Führung des Betriebes zunächst verwehrt. Sie musste 1948 erst ein Diplom als Skilehrerin machen. Schwierigkeiten auch danach: eine Verordnung aus dem Jahr 1936 gestattete es Frauen nicht, den Beruf einer Skilehrerin auszuüben. Mit Hilfe von befreundeten Skifahrern wies sie jedoch nach, dass Frauen in anderen Ländern sehr wohl Skilehrerinnen waren, was den Weg freiräumte. Cranz wurde eine der ersten Deutschen in diesem Beruf, die Skikurse getrennt für Erwachsene und Kinder anbot.

Danach hat sie sich bei der Gründung des Skiclubs in Steibis und auch im Deutschen Skiverband, DSV, über viele Jahre engagiert. Im Skiclub des Bergdorfs war sie fast drei Jahrzehnte Vorsitzende, für den DSV zwischen 1956 und 1964 bei drei Olympischen Spielen Betreuerin und Wettkampfrichterin. Außerdem war sie seit 1951 Mitglied im Frauen-Komitee des Internationalen Skiverbandes.

Bis ins hohe Lebensalter – sie wurde 90 Jahre alt! – pflegte Cranz den Skisport, seit 1950 in der Skischule von ihrem Mann unterstützt, der damals als ehemaliger Luftwaffenoffizier aus der russischen Kriegsgefangenschaft kam. Berichtet sei noch ein Vorgang: In den 1970er Jahren erhielt Cranz Post aus Straßburg. Sie enthielt ihre Goldmedaille von 1936, die seit den Wirren beim Ende des II. Weltkrieges verschwunden gewesen war.

Die Gemeinde Oberstaufen, in der das Bergdorf Steibis liegt, hat Cranz mehrfach geehrt und 1991 wurde ihr Name in die International Hall of Fame des Frauenskisports aufgenommen. Medaillen und Erinnerungsstücke an die bislang erfolgreichste deutsche Skiläuferin sind im Schwarzwälder Skimuseum in Hinterzarten ausgestellt. Dort befindet sich auch Videomaterial von Gesprächen mit Cranz, worin sie einen lebendigen Einblick in die Pionierzeit des Skisports vermittelt.

Quellen:

StA Augsburg Spruchkammer Sonthofen Akte B 238, Spruchkammerakte Christl Cranz; UA Freiburg UAF B 16, Matrikel Cranz; B1/3603 Institut für Leibesübungen, Stellen und Personalia, 1937–1944 u. a. zu Christl Cranz, Rektoratsakte; B34/7 Entnazifizierungsakte des Instituts für Leibesübungen 1945–1946 u. a. zu Christl Cranz; B 17/770, Quästurakte 1941–1945; B 251/800 und 801, Foto, Sportlehrerausbildung, Wintersportlager am Feldberg, Christl Cranz bei einem Skikurs 1942; Auskunft des UA Freiburg vom 12.12.2018.

Werke: Skilauf für die Frau, 1935; (mit Rudi Cranz) „Erprobtes u. Erfahrenes“. Skiläufer u. ihr Gerät, 1939; Christl Cranz … plaudern über … neue Perspektiven im Wintersport, 1949; „Christel erzählt“: Plaudereien aus meinen Skiläuferjahren, 1950; Wir laufen Ski, 1958; (mit Max Probst) Steibis: 861–1833 m, im Alpenfrieden, 1964.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (o.J.), Skimuseum Hinterzarten.

Literatur:

Freiburg ehrt die Olympiasiegerin Christl Cranz, in: Völkischer Beobachter vom 20.2.1936; Adolf Schmid, Christl Cranz: Die Freiburger Skilegende, in: Freiburger Almanach 50, 1999, 117–122; Christl Cranz-Borchers wird 90. Bis heute unerreicht im alpinen Skisport, in: FAZ vom 1.7.2004; Christl Cranz-Borchers, deutsche Skiläuferin, in: Internationales biogr. Archiv 51/2004 vom 18.12.2004; Christl Cranz-Borchers, in: Internationales Sportarchiv 22/2005 vom 4.6.2005; Brigitte von Savigny, Schwarzwälder Skimuseum, 2008; Birgit-Cathrin Duval, Christl Cranz: „Ich konnte das einfach“. Von der erfolgreichsten deutschen Skiläuferin aller Zeiten, auf https://www.Hochschwarzwald.de/Reisemagazin/Alle-Geschichten/Historie/Christel-Cranz-ich-konnte-das-einfach!; Annette R. Hofman, Christl Cranz-Borchers, in: Michael Fahlbusch/Ingo Haar/Alexander Pinwinkler (Hgg.), Handbuch der völk. Wissenschaften. Akteure. Netzwerke. Forschungsprogramme, 2. Aufl. 2017, 120–122; Prominente des Skisports in: https://www.Oberstaufen.info/Oberstaufen/Wintersport-mit-Tradition/Prominente-des-Skisports, einges. am 5.12.2018.

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