Bezold, Carl Christian Ernst 

Geburtsdatum/-ort: 18.05.1859; Donauwörth
Sterbedatum/-ort: 21.11.1922;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Altorientalist
Kurzbiografie: 1877 Studium in München u. Leipzig
1879 als untauglich vom Militärdienst freigestellt
1880 Promotion bei Friedrich Delitzsch, Leipzig: „Die große Darius-Inschrift am Felsen von Behistun. Transkription des babylonischen Textes nebst Übersetzung u. Kommentar“
1883 Habilitation in München: Edition von „Die Schatzhöhle“, syrischer Text aus dem 5. Jh. n. Chr.; anschließend Privatdozent
1888 Ruf d. englischen Regierung zur Katalogisierung d. Kouyuncik-Sammlung im Britischen Museum, London
1894 o. Professor in Heidelberg
1916-1917 (Pro-)Rektor d. Univ. Heidelberg
1901 Ehrendoktorwürde d. Univ. Glasgow
1902 Ritterkreuz 1. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen
1908 Geheimer Hofrat u. Wahl zum Mitglied d. Münchner Akademie d. Wissenschaften
1909 Wahl zum Mitglied d. Heidelberger Akademie d. Wissenschaften, zugleich Sekretär
1917 Ernennung zum Geheimen Rat 2. Klasse
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Ehrendoktorwürde d. Univ. Glasgow (1901); Ritterkreuz 1. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen (1902)
Verheiratet: 1888 (München) Adele, geb. Bursian (1860–1936)
Eltern: Vater: Ernst Justus (1822–1885), Dr. jur., Bezirksgerichtsrat
Mutter: Viktoria Katharina, geb. Then (1837–1905)
Geschwister: keine
Kinder: keine
GND-ID: GND/116160918

Biografie: Nils P. Heeßel (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 23-25

Bezold verbrachte seine Jugend in Donauwörth und Augsburg, wo sein Vater Bezirksgerichtsrat war. Der Vater brachte dem Interesse des Sohnes an historischen Sprachen viel Verständnis entgegen, nicht zuletzt weil er seine außergewöhnliche Sprachbegabung erkannte. Ab 1871 besuchte er das Gymnasium in München und fand mit Prof. Martin Haug einen Lehrer, der ihn in das Chinesische und die akkadische Keilschrift einführte.
1877 nahm er das Studium in München bei den Semitisten Fritz Hommel und Ernst Trumpp, dem Sanskritisten Ernst Kuhn und dem klassischen Philologen Conrad Bursian auf. Von Anfang an studierte Bezold die gesamte Breite der semitischen und indoeuropäischen Sprachen. Sein Hauptaugenmerk aber lag auf dem Akkadischen, Arabischen, Syrischen, Äthiopischen und auch dem Chinesischen und er blieb während seines ganzen Lebens in diesen Sprachen auf der Höhe der Forschung. 1879 setzte er, wegen Untauglichkeit vom Militärdienst verschont, seine Studien an der Universität Leipzig vor allem bei dem Altorientalisten Friedrich Delitzsch fort. Hier promovierte er 1880 mit einer epigraphischen Studie zur großen Behistun-Inschrift des Darius, die bei der Entzifferung der Keilschrift eine große Rolle gespielt hatte.
Wie aus dem Schlusssatz seines der Dissertation beigefügten Lebenslaufs hervorgeht, sah Bezold sich vor allem als Philologe: „Die Erforschung der Sprachen um ihrer selbst willen und speziell die Förderung der semitischen Grammatik erachte ich für die Aufgabe meines Lebens.“ Seiner Promotion ließ er noch ein Studiensemester an der Universität Straßburg bei Theodor Nöldeke folgen, dem er Zeit seines Lebens freundschaftlich verbunden blieb.
1882 begab sich Bezold auf eine Studienreise nach England, die ihn auch zum Keilschriftstudium in das Britische Museum in London führte. Am 23. April 1883 habilitierte er sich mit der Edition des apokryphischen syrischen Textes „Die Schatzhöhle“ aus dem 5. Jh. n. Chr. in München und lehrte dann dort als Privatdozent. 1888 erhielt er aufgrund seiner Arbeiten im Britischen Museum einen Ruf der englischen Regierung zur Katalogisierung der dortigen Tontafeln aus der Bibliothek Assurbanipals, des letzten großen Assyrerkönigs zu Ninive. Diese Anstellung kam Bezold auch aus privaten Gründen gelegen, da er am 28. April 1888 Adele, die Tochter seines Münchner Professors für klassische Philologie Conrad Bursian, geheiratet hatte. An der Katalogisierung der Assurbanipal-Bibliothek arbeitete Bezold von 1888 bis 1894 und zwischen 1889 und 1899 wurde sein magnum opus „Catalogue of the Cuneiform Tablets in the Kouyunjik Collection of the British Museum“ in fünf Bänden publiziert. In den ersten vier Bänden beschrieb Bezold jedes einzelne der über 22 000 Fragmente nicht nur ausführlich nach Größe, Erhaltungszustand und Textinhalt, sondern gab sehr häufig auch ganze Passagen in Keilschrifttypographie wieder; der fünfte Band erschließt die Texte durch zahlreiche Indices. Der Katalog der „Kouyuncik- Sammlung“ war die erste systematische Erfassung einer Tontafelsammlung überhaupt; er setzte in jeder Hinsicht Maßstäbe, gab dem jungen Fach der Altorientalistik eine klare Forschungsrichtung und führte dazu, dass diese Sammlung alsbald zur am besten erschlossenen Bibliothek des Alten Orients avancierte. Obwohl alle Altorientalisten den Katalog ausgiebig nutzten und noch heute nutzen, wurde er zu Bezolds Erbitterung selten zitiert.
Während seiner Londoner Zeit widmete sich Bezold auch der Herausgabe der Keilschrifttexte aus dem ägyptischen Tell el-Amarna im Britischen Museum, die 1892 unter dem Titel „The Tell el-Amarna Tablets in the British Museum“ erschien. Die Vorlage der Texte in Foto und Keilschriftautographie war eine grundlegende Vorarbeit für Jörgen Knudtzons spätere Bearbeitung dieser wichtigen, durch zahlreiche Museen zerstreuten Korrespondenz der ägyptischen Könige mit den altorientalischen Königen sowie ihren levantinischen Vasallen im 14. Jh. v. Chr.
Am 13. März 1894 erhielt Bezold einen Ruf als o. Professor der semitischen Philologie und Direktor des Orientalischen Seminars an die Universität Heidelberg. Dort führte Bezold die von ihm seit 1886 herausgegebene „Zeitschrift für Assyriologie und vorderasiatische Archäologie“ zur internationalen Anerkennung und etablierte sie als das deutsche Fachjournal für Altorientalistik. Daneben schrieb er zahlreiche Artikel und veröffentlichte mehrere Bücher, unter anderem das viel beachtete populärwissenschaftliche Buch „Ninive und Babylon“, das mehrere Auflagen erlebte. Im „Babel-Bibel-Streit“ der Jahre 1902/05 um die von seinem Berliner Lehrer Friedrich Delitzsch vertretene Behauptung, die jüdische Religion und weite Teile des Alten Testaments gingen auf babylonische Wurzeln zurück, hielt sich Bezold lange zurück. Als er schließlich mit dem am 1. Juli 1903 gehaltenen und 1904 gedruckten Vortrag „Die babylonisch-assyrischen Keilinschriften und ihre Bedeutung für das alte Testament“ in die Debatte eingriff, war dies zu spät, um wirksam zu werden. Bezold lieferte jedoch eine gründliche Widerlegung von Delitzschs Thesen, die bis heute Bestand hat. Wie wenig solche grundlegenden Diskussionen Bezold lagen, zeigt ein Vermerk in einem Brief an den Altorientalisten Heinrich Zimmern vom 20. Oktober 1903: „Ihrem Wunsch, dass der Babel-Bibel-Streit nun endlich ruhe, stimme ich von Herzen bei, besser wir schließen uns wieder ins stille Kämmerlein ein und studieren unsere Texte.“ Bezold wandte sich hiernach der altäthiopischen Sprache zu und edierte im Jahr 1905 das Kebra Nagast, einen Bericht über die Herkunft der Kaiser Äthiopiens.
In seiner Heidelberger Zeit achtete Bezold darauf, seine wissenschaftliche Schaffenskraft nur wenig von anderen Aufgaben einschränken zu lassen. Durch und durch unpolitisch, engagierte er sich jedoch 1909 bei der Gründung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, zuerst als Stellvertreter des ersten Sekretärs Wilhelm Windelband (➝ IV 323); bald jedoch lenkte er als Sekretär selbst die Geschicke während der Gründungsphase der Akademie. Mehrfach war er Dekan der philosophischen Fakultät, Mitglied des engeren Senats und im akademischen Jahr 1916/17 auch (Pro-)Rektor. Zu Anfang des Krieges arbeitete Bezold, von seiner Frau unterstützt, ein Jahr für das Rote Kreuz. Seine letzten Jahre waren der Ausarbeitung eines großen babylonisch-assyrischen Wörterbuchs gewidmet. Eine besondere Enttäuschung für ihn waren die heftigen, nicht immer unbegründeten Angriffe auf die ersten Ergebnisse des Wörterbuchprojekts, die unter anderem von Assyriologen, die Bezold sehr viel verdankten, so Bruno Meissner, vorgetragen wurden. Die Fertigstellung des Wörterbuchs sollte Bezold nicht mehr erleben; postum wurde sein babylonisch-assyrisches Glossar von seinem Schüler Albrecht Götze herausgegeben.
Quellen: UB Heidelberg, Nachlass Bezold Carl, Heidelberger Hs. 918–920 u. 1481–1502.
Werke: A. Bezold, Verzeichnis d. Schriften Carl Bezolds, in: Zs. für Assyriologie 35, NF 1, 1924, 57–72. – Auswahl: Die Achämenideninschriften, 1882; Die Schatzhöhle, syr. u. dt., 1. Tl., 1883; 2. Tl., 1888; Kurzgefasster Überblick über die babylonisch-assyrische Literatur, 1886; Catalogue of the cuneiform tablets in the Kouyunjik collection of the British Museum, 5 Bde., 1889–1899; The Tell el-Amarna tablets in the British Museum, 1892; Oriental Diplomacy, 1893; Ninive u. Babylon, 1903 (bis 41926); Die babylonisch-assyrischen Keilinschriften u. ihre Bedeutung für das Alte Testament, 1904; Babylonisch-assyrische Texte, 1904 (21911); Kebra Nagast, 1905; Hist. Keilschrifttexte aus Assur, 1915; Babylonisch-assyrisches Glossar, unter Mitw. v. Adele B. hgg. von Albrecht Götze, 1926.
Nachweis: Bildnachweise: Foto in: Kurpfälz. Museum, Heidelberg; Zs. für Assyriologie 35, NF 1, 1924, Blatt vor S. 1.

Literatur: Franz Boll, Carl Bezold, Nachruf, im Namen d. philosophischen Fakultät d. Univ. Heidelberg gesprochen bei d. Beisetzung am 23. 11. 1922, in: Sitzungsberr. d. Heidelberger Akad. d. Wissenschaften 1923; H. Zimmern, Friedrich Delitzsch u. Carl Bezold, in: Zs. d. Dt. Morgenländischen Gesellschaft 77, 1923, 129 f.; M. San Nicolò, NDB 2, 212 f.; D. Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932, 20 f.
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