Böklen, Ernst Adolf 

Geburtsdatum/-ort: 22.07.1863;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 21.05.1936; Villach (Kärnten)
Beruf/Funktion:
  • Pfarrer, Mythologe, Sprachforscher
Kurzbiografie: 1877–1881 Seminarist in Maulbronn und Blaubeuren
1882–1886 Studium der ev. Theologie und der Philosophie in Tübingen
1886 Erste theologische Dienstprüfung
1886–1890 unständiger Dienst in Herbrechtingen und Ravensburg
1889 Zweite theologische Dienstprüfung
1890–1899 Pfarrer in Dünsbach
1899–1915 Pfarrer in Großbottwar
1902 Dr. phil.
1912 Ersatzmann zur 8. Landessynode für Marbach
1915–1925 Pfarrer in Großsachsenheim
1929–1930 im Ruhestand Pfarrverweser in Peterzell
1925–1936 Ruhestand in Murrhardt
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 30.9.1890 Auguste, geb. Roth (8.10.1866–9.6.1960), Tochter des Johann Georg Roth, Fabrikant in Ravensburg
Eltern: Vater: Hermann Böklen (30.10.1827–31.12.1903), Kaufmann
Mutter: Julie, geb. John (4.5.1827–11.4.1893)
Geschwister: 3: Anna (* 1865); Gustav (* 1866); Wilhelm (* 1848)
Kinder: 3: Martha (* 1891); Elisabeth (* 1893); Sophie (* 1895)
GND-ID: GND/116223413

Biografie: Andreas Butz (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 20-21

Ernst Böklens besondere Interessen galten schon in seiner Studienzeit, unter dem Einfluss seiner akademischen Lehrer Julius von Grill und Emil Kautzsch, dem Alten Testament. Die alttestamentarische Religion in ihren Zusammenhängen mit der allgemeinen Religionsgeschichte zu sehen und selbst zu erforschen, veranlasste ihn, eine zweimal, 1892 und 1894 von der Teylerschen Theologischen Gesellschaft in Haarlem gestellte Preisaufgabe über den „Einfluss des Parsismus auf das Judentum“, zu beantworten, das zweite Mal mit dem Erfolg, dass ihm die silberne Medaille dieser Gesellschaft zuerkannt wurde. Einen Teil dieser Arbeit überarbeitete er und veröffentlichte sie. Bei seiner Promotion wurde diese Arbeit dann als Dissertation angenommen. Professor Wilhelm Bousset stand ihm bei dieser Umarbeitung beratend zur Seite. Richtungsweisend für seine wissenschaftliche Weiterentwicklung wurde dann ab etwa 1898 seine Bekanntschaft mit den Werken von Ernst Siecke, in welchen Astronomie, Astrologie und alte Mythologien in Beziehung zueinander gesetzt werden. Vor allem der Einfluss der Wahrnehmung des zu- und abnehmenden Mondes auf den Menschen und als Mondkalender für seine Orientierung in der Zeit sah Böklen immer wieder als Schlüssel für die Deutung der Mythen an, und er versucht dies durch die Vergleichung der Mythenstoffe der unterschiedlichen Völker zu belegen. Durch diesen Anstoß gelangte er zu einem ganz neuen Verständnis des Alten Testaments. Die erste Frucht seiner durch Siecke gewonnenen Anschauungsweise war eine Abhandlung über die Sintflutsage. Wenige Jahre später schloss sich der als liberal geltende Pfarrer mit Siecke und ähnlich gerichteten Forschern wie Lessmann, Hüsing, Ehrenreich und anderen zu der Gesellschaft für vergleichende Mythenforschung zusammen, die sich aber nach nur kurzem Bestehen während des Kriegs und infolge dessen wieder auflöste. Die Gesellschaft für vergleichende Mythenforschung vertrat den Standpunkt, dass die Mythen vermutlich durchweg, zum mindesten ganz überwiegend, die Schicksale der Himmelskörper behandelten, und es seien zunächst und im engeren Sinne, Erzählungen dieser Art, welche im Verständnis dieser Gesellschaft unter einem Mythos verstanden wurden.
Einen etwas anderen Ansatz verfolgte Böklen mit seinen beiden „Sneewittchenstudien“, wo er das Märchen in eine Motivreihe zerlegt, welche er auch in zahlreichen anderen Märchen wieder fand. Es handele sich somit nur Varianten dieses besonderen Märchentyps, für den er jedoch keine Deutung liefern konnte. Seine Arbeit über die „Unglückszahl 13“, welche bezeichnenderweise 1913 erschien, vergleicht das Vorkommen dieser Zahl in den Mythen, und leitet die Bewertung dieser Zahl aus dem Mondkalender ab.
Die sich ihm mehr und mehr aufdrängende Überzeugung von dem innigen Zusammenhang zwischen Mythos und Sprache und den ähnlichen Bedingungen ihrer beiderseitigen Entstehung veranlasste ihn, seine Anschauungen hierüber in dem Buch über „Die Entstehung der Sprache im Lichte des Mythos“ vorzulegen. Bei der Entstehung der Sprache habe die naive Wahrnehmung des zu- und abnehmenden Mondes eine Schlüsselrolle gespielt, indem der Ursprung des Sprechens das Nachahmen der Mondphasen gewesen sei, was er durch die vergleichende Untersuchung von Mythen zu stützen suchte.
Seinen Ruhestand verbrachte Böklen in Murrhardt, wo auch seine Tochter Sophie lebte, und wo er sich als Alterssitz ein Häuschen erworben hatte. Dort konnte er sich weiterhin mit seinen Studien beschäftigten. Für die Murrhardter Zeitung schrieb er in größeren Abständen ortskundliche Artikel. Böklen verstarb durch einen plötzlichen Schlaganfall während eines Besuches bei der Familie seiner Tochter, die mit ihrem Mann, dem Sägewerksdirektor Rudolf Sigel in Villach in Kärnten lebte. Böklen war zur Konfirmation seines jüngsten Enkelkindes angereist.
Die unveröffentlichten Manuskripte einiger weiterer Arbeiten des Mythenforschers gingen an die Württembergische Landesbibliothek. Sie beschäftigen sich vor allem mit dem Neuen Testament, genauer mit den Gleichnissen Jesu, seiner Auferstehung und Passion, seiner „Wahl zum König“. Aber auch eine Untersuchung über das Brautwerbermärchen im Alten und im Neuen Testament findet sich unter diesen Arbeiten. Auch hier versuchte er, die Inhalte durch systematisches Vergleichen in einen größeren Zusammenhang zu stellen.
Quellen: LKAS A 127, 380; WLB Cod. hist. oct. 226.
Werke: Die Verwandtschaft der jüdisch-christlichen mit der parsischen Eschatologie, 1902; Die Sintflutsage. Versuch einer neuen Erklärung, in: Archiv für Religionswissenschaft 6 (1903); Adam und Quain. Im Lichte der vergleichenden Mythenforschung, 1907; Sneewittchenstudien, 1910; Die „Unglückszahl“ Dreizehn und ihre mythische Bedeutung, 1913; Sneewittchenstudien II, 1915; Das Entstehen der Sprache im Lichte des Mythos, 1922.

Literatur: Schwäbischer Merkur 1936, Nr. 120; Hermann Ehmer/Hansjörg Kammerer, Biographisches Handbuch der Württ. Landessynode, 2005, 98.
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