Brandt, Otto 

Geburtsdatum/-ort: 1892-08-26;  Heidelberg
Sterbedatum/-ort: 1935-01-16; Erlangen
Beruf/Funktion:
  • Historiker
Kurzbiografie: 1903-1911 Humanistisches Gymnasium in Heidelberg
1911-1916 Studium der Geschichte, Romanistik und Germanistik in Heidelberg, München, Paris und Berlin, u. a. bei Hermann Oncken, Max Lenz, Robert Pöhlmann und Hans Delbrück
1914-1916 Bibliothekarische Tätigkeit am Historischen Seminar der Universität Heidelberg
1915 Dr. phil. (summa cum laude) in Heidelberg (Thema der Dissertation: „England und die Napoleonische Weltpolitik 1800-1803“, zunächst veröffentlicht als Teildruck „Die Genesis des Friedens von Amiens 1800-1801“)
1916 Staatsexamen für das höhere Lehramt (Geschichte, Französisch, Deutsch und Latein), seit Mai Assistent bei Max Lenz in Hamburg
1917-1919 Lehramtspraktikant an der Oberrealschule und am Gymnasium in Heidelberg
1918 Badisches Kriegshilfekreuz für aktive Mitarbeit beim Roten Kreuz
1919 Habilitation für Mittlere und Neuere Geschichte in Kiel (Thema der Habilitationsschrift „August Wilhelm Schlegel. Der Romantiker und die Politik“)
1920 Vertretung der Schleswig-Holsteinischen Landeskunde in Kiel
1924 außerordentlicher Prof. in Kiel, zugleich betraut mit der Vertretung der westeuropäischen Geschichte; Sachverständiger „für den durch die Abtretung Nordschleswigs erfolgenden deutsch-dänischen Archivalienaustausch im Auftrag des Auswärtigen Amtes“
1928 planmäßiger außerordentlicher Prof. für Mittlere und Neuere Geschichte in Erlangen; Sekretär der „Kommission für Geschichtsunterricht im Internationalen Ausschuß für Historische Wissenschaften“
1931 Auswärtiges Mitglied der „Königlich-Dänischen Gesellschaft für vaterländische Geschichte und Sprache“
1932-1933 Dekan der Philosophischen Fakultät
1934 ordentlicher Prof. für Neuere und Neueste Geschichte
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1922 Ebba, geb. von Bartholin in Kopenhagen
Eltern: Vater: Samuel David Friedrich Ludwig Brandt (1848-1938), Dr. phil. und theol., Gymnasiallehrer (klassische Philologie), zuletzt Geheimer Hofrat und Honorarprof. in Heidelberg
Mutter: Elisabeth, geb. Säbel (1857-1934)
Kinder: 3 Söhne (Erich, geb. 1923; Werner, geb. 1925; Gerhard, geb. 1927)
GND-ID: GND/116406682

Biografie: Volker Dotterweich (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 52-54

Geborener Pfälzer, gewann der Historiker Brandt in den Jahren seines Wirkens in Kiel einen festen Platz in der Landesgeschichtsschreibung wie kaum ein Auswärtiger seit der Zeit Friedrich Christoph Dahlmanns. Im Mittelpunkt seines wissenschaftlichen Lebenswerks stand dabei die Darstellung bedeutender Persönlichkeiten des 18. und frühen 19. Jahrhunderts (August Wilhelm Schlegel, Graf Friedrich Reventlow, Caspar von Saldern), die er nach gründlichen Quellenstudien innerhalb des geistigen Lebens und der politischen Strömungen ihrer Zeit meisterhaft zu charakterisieren verstand. Brandt entstammte einer südwestdeutschen Pfarrer- und Gelehrtenfamilie. Eine in der Kindheit erlittene Armverletzung schloß ihn vom Wehrdienst aus. So konnte er sich in den Jahren unmittelbar vor und nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit größerer Intensität als viele seiner Altersgenossen dem Studium der Geschichte, der Romanistik und Germanistik widmen. Seine von Hermann Oncken in Heidelberg angeregte und von Max Lenz in Berlin betreute Dissertation über den Ursprung des Dritten Koalitionskrieges konfrontierte ihn erstmals mit den nationalpolitischen Problemen der napoleonischen Zeit. Folgte diese Erstlingsarbeit noch ganz dem „Primat der Außenpolitik“, so ließ Brandts Habilitationsschrift über August Wilhelm Schlegel (1919) ein überaus feines Gespür für den inneren Zusammenhang von geistiger Kultur und Politik erkennen. Mit dieser Arbeit, die der Herausbildung des Nationalgedankens im deutschen Norden nachging, fand Brandt das wissenschaftliche Arbeitsgebiet, das ihn über ein Jahrzehnt beschäftigen sollte: die Geschichte Schleswig-Holsteins, Dänemarks, der Ostseeländer, Nordeuropas. Trotz mancher Widerstände, die es zu überwinden galt, gehörte er in Kiel bald zu jenen landfremden Professoren, die zu Schleswig-Holstein ein inneres Verhältnis fanden. Die Förderung durch Arnold Oskar Meyer und seine Heirat mit der Dänin Ebba von Bartholin trugen nicht wenig dazu bei, um den jungen Gelehrten im Norden heimisch werden zu lassen. Eine besondere Vorliebe entdeckte er für die aristokratische Welt des 18. Jahrhunderts, jener so reichen Epoche der Geistesgeschichte Schleswig-Holsteins. 1925 legte er sein Buch „Geschichte und Politik Schleswig-Holsteins um die Wende des 18. Jahrhunderts“ vor, in dem er die Bedeutung des Emkendorfer Kreises (Graf Reventlow, Klopstock, Matthias Claudius, Ernst Schimmelmann, Julia Reventlow, die Stolbergs, Lavater) für das kulturelle und politische Leben des Landes einfühlsam beschrieben hat. Es gehört zu den herausragenden landesgeschichtlichen Forschungsarbeiten jener Zeit, auch wenn Brandt die Rolle überschätzte, die Schloß Emkendorf für die Entstehung des Nationalbewußtseins in den Herzogtümern tatsächlich spielte. Die Schrift über „Heinrich Rantzau und seine Relationen an den dänischen König“ (1927) sollte den Platz bestimmen, den der große Humanist des 16. Jahrhunderts in der Geschichte der Gegenreformation einnimmt. Brandts weiträumigstes Werk schließlich, „Caspar von Saldern und die nordeuropäische Politik im Zeitalter Katharinas II.“ (1932), zeigt nationale und europäische Zusammenhänge der schleswig-holsteinischen Geschichte auf. Erneut wurde mit Schloß Schierensee ein holsteinischer Herrensitz und seine kulturhistorische Bedeutung in das Licht der Geschichte gehoben. Aber der Akzent liegt nun eindeutig auf der Biographie Salderns, des Vertrauten Katharinas II., und auf der Untersuchung seines Einflusses auf die russische Diplomatie. In der Folgezeit wandte sich Brandt, der 1928 einem Ruf nach Erlangen gefolgt war, neben der fränkischen Geschichte vor allem der Vergangenheit seiner badisch-pfälzischen Heimat zu. Doch das im Auftrag der Kommission für bayerische Landesgeschichte übernommene Werk über „Staat und Kultur Karl Theodors von der Pfalz“ gelangte infolge der Zeitverhältnisse und seines völlig unerwarteten Todes über Vor- und Aktenstudien nicht hinaus.
Zwei Grundzüge prägen das Werk des Historikers: Stets ging es ihm darum, politische Geschichte und geistige Kultur als eine innere Einheit und sodann die Landesgeschichte in ihren Beziehungen zur nationalen und europäischen Geschichte zu erfassen. Durch seine akademische Herkunft zu distanzierter Objektivität und vorurteilsfreier Universalität nach Rankes Vorbild angehalten, war Brandt kein „politischer Historiker“ im engeren Sinne. Gleichwohl haben Politik und Zeitereignisse den Horizont seiner wissenschaftlichen Arbeiten und seines akademischen Wirkens mitbestimmt. Noch während des Krieges, als er beim Roten Kreuz aktiv mitarbeitete, hielt Brandt historisch-politische Lazarettvorträge, und auch der Wissenschaftler stellte sich den pädagogischen Aufgaben seines Faches. In seiner Dissertation führte er gegen Autoritäten wie Heinrich von Treitschke und Max Duncker den kühnen Nachweis, daß nicht in erster Linie Frankreich, sondern England den Ausbruch des Dritten Koalitionskrieges (1805) verursacht habe. Der unterschwelligen Analogie zur Gegenwart verdankte das Buch im Kriegsjahr 1916 seine zweite Auflage. Zu Beginn seiner Kieler Lehrtätigkeit war dann die stärkere Berücksichtigung der Landesgeschichte im akademischen Unterricht ein Desiderat. Damals, als nach der deutschen Niederlage das Grenz- und Volkstumsproblem in Schleswig in eine kritische Phase trat, hatte die Geschichte der Herzogtümer eine aktuelle politische Bedeutung. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise schließlich sah sich Brandt, wie das Gros der zeitgenössischen Historiker, stärker mit den historisch-politischen Problemen der jüngsten Vergangenheit konfrontiert, mit der Frage nach den Ursachen des Ersten Weltkrieges, nach der deutschen Kriegsschuld und nach den Folgen des Versailler Vertrags. Er hat diese Fragen in akademischen Vorträgen („Herr mach uns frei!“, 1929; „Selbstbestimmungsrecht der Völker und Nationalitätsprinzip“, 1930) und Vorlesungen in deutsch-nationalem Sinne beantwortet. Nach seinem Beitritt zur NSDAP wurde er mit der Herausgabe des fünfbändigen „Handbuchs der Deutschen Geschichte“ betraut, das „dem deutschen Volk die Grundzüge seiner nationalen Entwicklung ... auch unter Berücksichtigung der rassisch-völkischen Probleme“ (Schmeidler) darlegen sollte. Den Abschnitt von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß brachte er nahezu noch zum Abschluß. Eine seiner letzten Vorlesungen, eine Pflichtvorlesung für Hörer aller Fakultäten, hatte die „Geschichte der nationalsozialistischen Bewegung und Revolution“ (Wintersemester 1933/34) zum Gegenstand. Ohne Zweifel liegt Brandts Bedeutung in seiner Kieler Wirksamkeit, in den starken Impulsen, die er als akademischer Lehrer und durch seine historiographische Praxis der schleswigholsteinischen Landesgeschichtsforschung gab. Aus seinen Kieler Vorlesungen erwuchs ein Grundriß „Geschichte Schleswig-Holsteins“ (1925), der seiner Ausbildung als Gymnasiallehrer und seinem pädagogischen Geschick viel verdankt und sich – in überarbeiteter Fassung – bis heute als nützliches landesgeschichtliches Handbuch behauptet hat.
Werke: Schriftenverzeichnis: Wilhelm Klüver, O. Brandt. Ein Nachruf, Heide (Holstein) 1935,10-16; Auswahl: England und die Napoleonische Weltpolitik 1800-1803, Heidelberg 1916; Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, Stuttgart-Berlin-Leipzig 1925, 2. Aufl. 1927; Zur Vorgeschichte der schleswig-holsteinischen Erhebung, Berlin 1927; Geschichte Schleswig-Holsteins. Ein Grundriß, Kiel 1925, 8. Überarb. u. erw. Aufl. Kiel 1981; (zusammen mit Karl Wölfle), Schleswig-Holsteins Geschichte in Karten und Bildern. Ein Nordmark-Atlas, Altona 1928; Caspar von Saldern und die nordeuropäische Politik im Zeitalter Katharinas II., Erlangen 1932.
Nachweis: Bildnachweise: Schmeidler, vor 23; Klüver.

Literatur: Bernhard Schmeidler, Dr. O. Brandt, Jber. d. Universitätsbundes Erlangen, 1934/35, 21-29; Arnold Oskar Meyer, Nachruf auf O. Brandt, HZ 152 (1935) 219 f.; Wilhelm Klüver (s. o. Schriftenverzeichnis); Alexander Scharff, NDB 2 (1971) 533; Waltraud Riesinger und Heidrun Marquardt-Rabiger, Die Vertretung des Faches Geschichte a. d. Univ. Erlangen von deren Gründung (1743) bis zum Jahre 1933, Jb. f. Fränkische Landesforschung 40 (1980) 254-257.
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