Bergstraesser, Arnold 

Andere Namensformen:
  • Bergsträsser oder Bergsträßer
Geburtsdatum/-ort: 14.07.1896; Darmstadt
Sterbedatum/-ort: 24.02.1964;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Kultur- und Sozialwissenschaftler
Kurzbiografie: 1914 Abitur am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart
1914–1918 Teilnahme am I. Weltkrieg
1919–1923 Studium d. Staatswissenschaften u. Geschichte
1923 Promotion zum Dr. phil. bei Alfred Weber: „Die wirtschaftl. Mächte u. die Bildung des Staatswillens nach d. dt. Revolution. Studie zur Frage d. berufsständischen Verfassung“
1924–1928 Wissenschaftl. Assistent an d. Univ. Heidelberg
1928 Habilitation für Staatswissenschaften: „Landwirtschaft u. Agrarkrise in Frankreich“
1928–1933 Geschäftsführung des Instituts für Sozial- u. Staatswissenschaften an d. Univ. Heidelberg
1932–1936 außerordentlicher Professor an d. Univ. Heidelberg für Staatswissenschaften u. Auslandskunde
1937–1943 Emigration in die USA, bis 1943 Professor an den Claremont Colleges, Cal., für German Civilization and European History
1944–1954 Professor an d. Univ. of Chicago für German Cultural History
1950–1953 Gast- bzw. Vertretungsprofessor in Frankfurt am M. u. Erlangen
1954–1964 ordentlicher Professor an d. Univ. Freiburg im Br. für Wiss. Politik u. Soziologie
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1925 Erika (1900–1977), geb. Sellschopp
Eltern: Vater: Arnold (1841–1897), Verleger
Mutter: Ernestine (1869–1944), geb. Brandeis
Geschwister: Christoph Eberhard (1914–1986), Halbbruder
Kinder: 3; Arnold Georg (1927–1928), Mariana (1933–2015) u. Dorothea (1940–2007)
GND-ID: GND/118656147

Biografie: Joachim Detjen (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 21-25

Bergstraessers gleichnamiger Vater war Verleger in Darmstadt, Vorsitzender des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und nationalliberaler Landtagsabgeordneter. Seine Mutter stammte aus Prag und war Schauspielerin. Der Vater starb ein Jahr nach der Geburt des Sohnes. Bergstraesser hatte einen wesentlich jüngeren Halbbruder aus der 1912 geschlossenen zweiten Ehe seiner Mutter. Er verbrachte seine Jugend in Stuttgart, wo er 1914 das Abitur am renommierten Eberhard-Ludwigs-Gymnasium bestand und dann als Kriegsfreiwilliger in den I. Weltkrieg zog. Schon im Herbst 1914 wurde er bei Ypern schwer verwundet und verlor das rechte Auge.
Nach Beendigung der Militärzeit studierte Bergstraesser vom Sommersemester 1919 an Nationalökonomie, Geschichte, Soziologie und öffentliches Recht in Berlin, Tübingen, München und vor allem Heidelberg. Dort waren Eberhard Gothein und Alfred Weber seine wichtigsten akademischen Lehrer. 1923 wurde er mit der Dissertation „Die wirtschaftlichen Mächte und die Bildung des Staatswillens nach der deutschen Revolution. Studie zur Frage der berufsständischen Verfassung“ promoviert.
Bergstraesser war in jungen Jahren in der Jugendbewegung aktiv. So war er als Schüler Mitglied im Stuttgarter Wandervogel und galt dort, so Carlo Schmid in seinen Lebenserinnerungen, als „wichtiger Mann“. Als Student war Bergstraesser Angehöriger der Akademischen Freischar, einer politisch gemäßigten studentischen Vereinigung. Als deren Vertreter gehörte er zeitweilig dem Vorstand und später dem Ältestenrat der Deutschen Studentenschaft an. Bergstraesser trat dabei entschieden allen Versuchen entgegen, über eine völkisch-rassische Definition jüdische Studierende aus der Deutschen Studentenschaft auszugrenzen. Bergstraesser war hochschulpolitisch vielfach engagiert. So hatte er einen hohen Anteil am Aufbau der Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft, aus der später die Studentenwerke hervorgingen. Er übernahm 1924 für einige Zeit die Geschäftsführung des in Heidelberg von Carl Joachim Friedrich initiierten Akademischen Austauschdienstes, der Keimzelle des 1931 gegründeten Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Er war weiterhin Mitglied im zentralen Gremium der Notgemeinschaft für die deutsche Wissenschaft, der Vorläuferin der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ferner war er von 1928 bis 1933 Vertrauensdozent der Studienstiftung des deutschen Volkes.
Nach Abschluss des Promotionsverfahrens blieb Bergstraesser an der Universität Heidelberg. Er wurde 1924 Assistent Alfred Webers und unterstützte diesen beim Aufbau des Instituts für Sozial- und Staatswissenschaften. An diesem Institut erfolgte dann 1928 auch die Habilitation mit sozialökonomischen Frankreichstudien. Sie waren die Frucht mehrerer Studienaufenthalte Bergstraessers in Frankreich und Ausdruck seines besonderen Interesses an den deutsch-französischen Beziehungen. Bergstraesser veröffentlichte 1930 zu diesem Themenfeld eine Broschüre mit dem Titel „Sinn und Grenzen der Verständigung zwischen den Nationen“ sowie ein umfangreiches Buch über „Staat und Wirtschaft Frankreichs“, das Bestandteil eines zweibändigen, zusammen mit Ernst Robert Curtius (1886–1956) verfassten landeskundlichen Werkes war. 1932 wurde Bergstraesser die Eberhard-Gothein-Stiftungsprofessur für Staatswissenschaften und Auslandskunde übertragen. Im Wintersemester 1932/33 war er zudem Dozent in Berlin an der von Ernst Jäckh gegründeten Deutschen Hochschule für Politik.
Bergstraesser war ursprünglich ein Anhänger der linksliberalen DDP. Zu Beginn der 1930er-Jahre näherte er sich jedoch zunehmend nicht parteigebundenen Kreisen der rechten Kulturintelligenz an. Belegt ist seine über den Kulturhistoriker Friedrich Wolters erfolgte Annäherung an den George- Kreis. Überzeugt davon, dass sich aufgrund der Parteienzersplitterung die drängenden innen- und außenpolitischen Probleme der Weimarer Republik nicht mehr auf der Grundlage eines parlamentarischen Systems lösen ließen, setzte Bergstraesser – wie andere auch – auf die Etablierung einer autoritären Staatsführung. Er unterstützte daher aktiv die Präsidialkabinette Brüning, von Papen und von Schleicher.
Bergstraesser hielt auch während der Krisenjahre der Weimarer Republik an politischer Liberalität als akademischer Maxime fest, das heißt am offenen Umgang mit divergierenden Überzeugungen und Meinungen. Diese Liberalität praktizierte er allerdings nicht im Disziplinarverfahren gegen den Heidelberger Statistikprofessor Emil Julius Gumbel, der sich in der pazifistischen „Liga für Menschenrechte“ betätigte. Nach kritisch- provokativen Äußerungen Gumbels 1932 über die Ehrung von Kriegsopfern aktivierte die Philosophische Fakultät auf Anordnung des zuständigen Landesministers und des Rektors den Disziplinarausschuss für nicht beamtete Dozenten, zu denen Gumbel gehörte. Im Hintergrund stand eine Kampagne rechter Studentenvereinigungen. Vorsitzender des dreiköpfigen Ausschusses war der Staatsrechtler Gerhard Anschütz, während Bergstraesser Protokollführer war und in dieser Eigenschaft den Abschlussbericht des Ausschusses verfasste. Dem Vorschlag des Ausschusses folgend beschlossen die Universitätsgremien den Entzug der Lehrerlaubnis für Gumbel, der daraufhin entlassen wurde.
Sympathien für die „nationale Revolution“ der Nationalsozialisten ließ Bergstraesser in Verlautbarungen während der Jahre 1933 und 1934 erkennen. Er verstand die Umwälzung aber als Revolution einer breiteren nationalen Bewegung, als deren Träger er die „Frontgeneration“ ansah. Als Beleg hierfür darf gewertet werden, dass Bergstraesser sich dem „Stahlhelm“ angeschlossen hatte.
Bergstraesser sah sich gleichwohl zunehmenden Anfeindungen aus der NS-Studentenschaft sowie von Seiten der seit dem Wintersemester 1933/34 regimetreuen Universitätsleitung ausgesetzt. Als Nachfahre eines jüdischen Großvaters wurde er zum „Nichtarier“ erklärt; seine Vorlesungen wurden im Mai 1935 mit Boykottaufrufen belegt. Die Gestapo schätzte Bergstraesser zudem als Gegner des Nationalsozialismus ein. Es erstaunt daher nicht, dass Bergstraesser zum Ende des Sommersemesters 1933 die Geschäftsführung des Instituts für Sozial- und Staatswissenschaften abgeben musste und auch andere Ämter verlor. Seit Herbst 1934 versuchte die Universitätsleitung zudem, Bergstraesser die Prüfungserlaubnis zu entziehen. Dies gelang ihr schließlich im Sommersemester 1935. Bergstraesser ließ sich daraufhin zum Wintersemester 1935/36 beurlauben. Seine Absicht, die Lehre im Sommersemester 1936 wieder aufzunehmen, lehnte die Universitätsleitung ab. Im August 1936 entzog der Reichserziehungsminister Bergstraesser die Lehrbefugnis. Damit war seine Beschäftigungsgrundlage entfallen. Der Rektor kündigte Bergstraesser zum 30. September 1936. Bergstraessers Veröffentlichungen zu dieser Zeit waren bereits von einer zunehmend kritischeren Haltung gegenüber der sich etablierenden NS-Diktatur bestimmt.
Mithilfe von Freunden, darunter der an der Harvard University lehrende Politikwissenschaftler Carl Joachim Friedrich sowie der spätere General Hans Speidel, gelang Bergstraesser und seiner Familie 1937 die Ausreise in die USA. Er fand eine Anstellung als Professor für deutsche Kultur und europäische Geschichte an den Claremont Colleges im Großraum Los Angeles.
Die Mitwirkung bei der Entlassung Gumbels wie auch das anfängliche Verständnis für die Umwälzung von 1933 holten Bergstraesser jedoch bald ein. Bereits 1938 waren Hinweise beim FBI eingegangen, dass er in subversive Aktivitäten verwickelt sein könne. Einige Jahre später gab es aus einem der Colleges Anzeigen mit der – unbegründeten – Behauptung, dass seine intellektuelle Haltung „gefährlich für die amerikanische Jugend“ sei.
Nach Ausbruch der Kriegshandlungen im Dezember 1941 wurde Bergstraesser wie zahlreiche japanische und deutsche Staatsangehörige auch für gut zwei Monate interniert. Die deutsch-jüdische Emigrantenzeitung „Aufbau“, die von Bergstraessers Verhaftung erfahren hatte, entfachte im Frühjahr 1942 eine Kontroverse über seine Mitwirkung an Gumbels Disziplinarverfahren und sein politisches Verhalten vor, während und nach der NS-„Machtergreifung“. Dies war der Anlass für eine zweite Internierung Bergstraessers, die von September 1942 bis Januar 1943 dauerte.
Nach der Entlassung vermittelte George N. Shuster, Präsident des Hunter College in New York und Mitglied des regionalen „Enemy Alien Board“, Bergstraesser eine Tätigkeit als Instrukteur im „Army Special Training Program“ an der University of Chicago. Nach Beendigung des Ausbildungsprogramms blieb Bergstraesser an der Chicagoer Universität und wurde 1944 Professor für deutsche Kulturgeschichte. n den folgenden Jahren entwickelte er vielfältige wissenschaftliche Initiativen, darunter das 1944 zusammen mit Shuster geschriebene Buch „Germany. A Short History“. Bergstraesser wirkte auch als Herausgeber bzw. Mitherausgeber der „Deutschen Beiträge zur geistigen Überlieferung“ sowie der „German Books“, einer Rezensionszeitschrift. Intensiv beschäftigte er sich mit Goethe, in dessen Denken er universalisierbare Handlungsmaßstäbe fand. Als Frucht seiner Bemühungen erschien 1949 die umfangreiche Studie „Goethe’s Image of Man and Society“. Ebenfalls 1949 fand in Aspen, Colorado, das von Bergstraesser initiierte „Goethe’s Bicentennial Convocation“ statt. An der Tagung nahmen neben anderen Albert Schweitzer, Thornton Wilder und Ortega y Gasset teil. Der als Referent vorgesehene Martin Buber konnte nicht teilnehmen. Die Tagungsbeiträge gab Bergstraesser 1950 unter dem Titel „Goethe and the Modern Age“ heraus.
Die amerikanischen Erfahrungen bewirkten eine deutliche Akzentverschiebung in Bergstraessers politischen Orientierungen. Die Humanitätsidee und das Bewusstsein vom Wert des Einzelnen, generell das abendländische Erbe einschließlich seines Transzendenzbezuges, lösten die Fixierung auf den Staat und die eigene Nation ab. Während der Emigration verlor Bergstraesser keineswegs das Interesse an der Entwicklung in Deutschland. So unterzeichnete er 1947 das „Memorandum der Arbeitsgemeinschaft für deutsche Fragen an der Universität Chicago“. In dem Papier sprachen sich 13 Professoren aus der deutschen Emigration, darunter neben Bergstraesser Fritz Caspari, Max Rheinstein und Hans Rothfels, dezidiert gegen die Einführung des amerikanischen High-School-Systems in der amerikanischen Besatzungszone und für die Beibehaltung des herkömmlichen dreistufigen Schulsystems aus. 1950 beriet Bergstraesser die späteren Bundeswehrgeneräle Speidel, Heusinger und Foertsch beim Abfassen der „Himmeroder Denkschrift“, die Bundeskanzler Adenauer zur Frage eines möglichen deutschen Verteidigungsbeitrages in Auftrag gegeben hatte.
Trotz seiner gesicherten beruflichen Stellung in den USA war Bergstraesser daran interessiert, wieder nach Deutschland zurückkehren. Auch in Deutschland gab es Interesse an ihm. So erhielt er 1946 einen Ruf auf eine mit der Leitung des Instituts für Weltwirtschaft verbundene Professur an der Universität Kiel. 1950 zeigte sich die Universität Hamburg an ihm interessiert und im Sommersemester dieses Jahres wirkte er an der Universität Frankfurt am Main als Gastprofessor. Bergstraesser nutzte seinen Aufenthalt zur Kontaktaufnahme mit seiner alten Universität in Heidelberg, wobei es ihm vorrangig darum ging, von der Universität rehabilitiert zu werden. Das gelang ihm insofern, als er ab 1953 als außerordentlicher Professor mit dem Zusatz „beurlaubt“ im Vorlesungsverzeichnis geführt wurde. Ab dem Wintersemester 1952/53 nahm Bergstraesser in Erlangen die Vertretungsprofessur für Amerikanistik wahr. Er lehnte in diesen Jahren Rufe an die Universitäten Köln (Amerikanistik) und Frankfurt am Main (Soziologie, verbunden mit einer Zugehörigkeit zum Institut für Sozialforschung) ab. Stattdessen entschied er sich 1954 für die Universität Freiburg im Breisgau. Die Denomination seines Lehrstuhls als „Wissenschaftliche Politik und Soziologie“ ging auf seinen Wunsch zurück.
Bergstraesser war einer der Gründerväter der deutschen Politikwissenschaft; er musste, wie die anderen Gründerväter auch, das neu eingeführte Universitätsfach gegen Widerstände der Nachbarfächer, insbesondere der Geschichtswissenschaft, durchsetzen. Und er musste das Fach konzeptionell entfalten. Bergstraessers konzeptioneller Beitrag bestand darin, die Politikwissenschaft als eine synoptische und praktisch-normative Wissenschaft zu begreifen und ihren Gegenstand in den politischen Gestaltungsaufgaben („res gerendae“) zu sehen. Genau darin sah Bergstraesser den Unterschied zur Geschichtswissenschaft, die sich mit vergangenen Sachverhalten („res gestae“) befasst. Diese Unterscheidung hat bis heute nichts von ihrer Plausibilität verloren. Widerstand kam vor allem vom Freiburger Neuhistoriker Gerhard Ritter, der Bergstraesser und seinen Schülern das Leben schwer zu machen suchte.
Bergstraesser, der in den Vorständen vieler Gremien mitwirkte, war ein überaus erfolgreicher Wissenschaftsorganisator. Auf ihn geht die Gründung zahlreicher Einrichtungen in Wissenschaft und Bildung zurück. So war er Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien, Mitbegründer und Leiter des Forschungsinstituts der Gesellschaft für Auswärtige Politik, Gründer und Leiter der Arbeitsstelle für kulturwissenschaftliche Forschung in Freiburg, Mitbegründer der Stiftung Wissenschaft und Politik. Er war Präsident der deutschen UNESCO-Kommission, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bürger und Staat, der Vorgängerin der Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg, Vorsitzender der Politischen Akademie Eichholz der Konrad-Adenauer-Stiftung, Beiratsmitglied der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, Beiratsmitglied des deutschen Volkshochschulverbandes sowie Mitglied der Kommission zur Beratung der Bundesregierung in Fragen der politischen Bildung. Bergstraesser war auch Herausgeber bzw. Mitherausgeber des Jahrbuches für Amerikastudien, des Jahrbuches der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, der Freiburger Studien zu Politik und Soziologie und der Zeitschrift Gesellschaft – Staat – Erziehung.
Die Schwerpunkte der wissenschaftlichen Arbeit Bergstraessers lagen im Bereich der Internationalen Beziehungen und der politischen Bildung. Er war aber so sehr mit dem Aufbau der Politikwissenschaft und der Förderung einer Schar begabter Schüler wie Manfred Hättich, Gottfried-Karl Kindermann, Hans Maier, Dieter Oberndörfer, Heinrich Popitz, Alexander Schwan, Hans-Peter Schwarz, Kurt Sontheimer und Friedrich H. Tenbruck beschäftigt, dass ihm die Zeit fehlte, große Monographien zu verfassen. Er konzentrierte sich auf kürzere Abhandlungen, Essays und Vorträge. Die wichtigsten Beiträge wurden in umfangreichen Sammelbänden zusammengefasst wie: „Politik in Wissenschaft und Bildung“ (1961) und „Weltpolitik als Wissenschaft“ (1965). Die Textsammlung „Staat und Dichtung“ (1967) enthält Beiträge, die in Heidelberg und in den USA geschrieben
wurden.
Zusammen mit Theodor Eschenburg von der Universität Tübingen veröffentlichte Bergstraesser 1955 ein Memorandum, das sich mit der Eingliederung der neu gegründeten Streitkräfte in die demokratische Ordnung der Bundesrepublik befasste. Ebenfalls zusammen mit Eschenburg konzipierte er Mitte der 1950er-Jahre die ersten Lehrpläne für das schulische Unterrichtsfach Gemeinschaftskunde in Baden-Württemberg.
Bergstraesser galt mehrfach als Kandidat für hohe politische Ämter. Der baden-württembergische Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger, der sich zum Kreis der Schüler Bergstraessers zählte, hätte ihn gerne im Bundestag gesehen. Kiesinger versuchte auch mehrfach, Bergstraesser zum Kultusminister zu machen, scheiterte dabei aber an CDU-internen Widerständen. Schließlich fiel der Name Bergstraesser als eines möglichen Kandidaten für die Wahl zum Bundespräsidenten im Jahr 1959. Am 12. Juli 1961 wurde Bergstraesser das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.
Bergstraesser starb überraschend wenige Tage nach seiner Rückkehr von einer Asienreise. Wie angesehen er war, lässt sich daran erkennen, dass die Todesmeldung in fast allen deutschen Tageszeitungen erschien, dass es Nachrufe in diversen wissenschaftlichen Zeitschriften gab und dass die Witwe Beileidsbekundungen von Bundespräsident Lübke, Bundeskanzler Adenauer und Ministerpräsident Kiesinger erhielt.
Quellen: BA Koblenz N 1260 Nr. 90, Nr. 97, Nr. 185; UA Freiburg B 3/383, B 172/378; Arnold Bergstraesser, Rückblick auf die Generation von 1914, in: Robert Tillmanns (Hg.), Ordnung als Ziel. Beiträge zur Zeitgeschichte, 1954, 7ff.; Hans Speidel, Brief an Arnold Bergstraesser, in: Fritz Hodeige/Carl Rothe (Hgg.), Atlantische Begegnungen. Eine Freundesgabe für Arnold Bergstraesser, 1964, 9-12; Schreiben d. Ordenskanzlei des Bundespräsidialamtes vom 28. April 2014 an den Verfasser; schriftliche Auskünfte von Mariana Bergstraesser u. Günter C. Behrmann an den Verfasser, 2014; schriftl. Auskunft von Roland Eckert an den Verf. von 2014.
Werke: Die wirtschaftlichen Mächte u. die Bildung des Staatswillens nach d. dt. Revolution. Studie zur Frage d. berufsständ. Verfassung, 1923 (Diss. phil. Heidelberg, unveröff.); Landwirtschaft u. Agrarkrise in Frankreich, 1928 (Habilitationsschrift, in: Schmollers Jb. 52, 77-129); Sinn u. Grenzen d. Verständigung zwischen den Nationen, 1930; Staat u. Wirtschaft Frankreichs, 1930; Nation u. Wirtschaft, 1933; Lorenzo Medici. Kunst u. Staat im Florentiner Quattrocento, 1936; (mit George N. Shuster) Germany. A Short History, 1944; Goethe’s Image of Man and Society, 1949; (Hg.) Goethe and the Modern Age. The International Convocation at Aspen, Colorado, 1949, 1950; Politik in Wissenschaft u. Bildung. Schriften u. Reden, 1961; Führung in d. modernen Welt, 1961; (Hg. mit Dieter Oberndörfer) Klassiker d. Staatsphilosophie. Ausgewählte Texte, 1962; Die Macht als Mythos u. als Wirklichkeit. Eine Untersuchung, 1965; Weltpolitik als Wissenschaft. Geschichtliches Bewusstsein u. politische Entscheidung, 1965; Staat u. Dichtung, 1967.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (gegen 1960), in: Baden-Württembergische Biographien 6, S. 17, Arnold-Bergstraesser-Institut Freiburg im Br. – Porträt, gemalt von Claudia Eleonore Eckert, geb. Müller, 1936 (?), u. Porträt, gemalt von Helga Marten, gegen 1990, beide ebd.

Literatur: Fritz Hodeige/Carl Rothe (Hgg.), Atlantische Begegnungen. Eine Freundesgabe für Arnold Bergstraesser, 1964; Jürgen Schwarz, Arnold Bergstraesser u. die Studentenschaft d. frühen zwanziger Jahre, in: Zs. für Politik, 1968, 300-311; Claus-Dieter Krohn, Der Fall Bergstraesser in Amerika, in: Exilforschung, 1986, 254-276; Dorothee Mussgnug, Die vertriebenen Heidelberger Dozenten. Zur Geschichte d. Ruprecht-Karls-Universität nach 1933, 1988, 82ff., 160f., 185f., 231ff.; Host Schmitt, Existentielle Wissenschaft u. Synopse – zum Wissenschafts- u. Methodenverständnis des ‚jungen Arnold Bergstraesser, in: Politische Vierteljahresschrift 1989, 466-481; Rainer Eisfeld, Ausgebürgert u. doch angebräunt. Deutsche Politikwissenschaft 1920–1945, 1991 (Neuaufl. 2013); Horst Schmitt, Politikwissenschaft u. freiheitliche Demokratie. Eine Studie zum „politischen Forschungsprogramm“ d. „Freiburger Schule“ 1954–1970, 1995; Horst Schmitt, Ein „typischer Heidelberger im Guten wie im Gefährlichen“. Arnold Bergstraesser u. die Ruperto Carola 1923–1936, in: Reinhard Blomert/Hans Ulrich Eßlinger/Norbert Giovannini (Hgg.), Heidelberger Sozial- u. Staatswissenschaften. Das Institut für Sozial- u. Staatswissenschaften zwischen 1918 u. 1958, 1997, 167-196; Reinhard Blomert, Intellektuelle im Aufbruch. Karl Mannheim, Alfred Weber, Norbert Elias u. die Heidelberger Sozialwissenschaften in d. Zwischenkriegszeit, 1999; Joachim Detjen, Die Politikwissenschaft als Geburtshelferin d. schulischen Politischen Bildung – Arnold Bergstraessers Beitrag zur Etablierung des Unterrichtsfaches Gemeinschaftskunde u. Politik in B-W, in: Thomas Goll u.a. (Hgg), FS für Paul-Ludwig Weinacht zum 65. Geburtstag, 2003, 268-296; ders., Elemente politischer Philosophie im Denken Arnold Bergstraessers, in: Lothar Waas (Hg.), Politik, Moral u. Religion – Gegensätze u. Ergänzungen. FS zum 65. Geburtstag von Karl Graf Ballestrem, 2004, 245-282; Emanuel Sarkisyanz, Arnold Bergstraesser (1896–1964) zum vierzigjährigen Gedenken. Vom Bekennertum zum Professorentum, 2004; Sebastian Liebold, Starkes Frankreich – instabiles Deutschland. Kulturstudien von Curtius/Bergstraesser u. Vermeil zwischen Versailler Frieden u. Berliner Notverordnungen, 2008; Sebastian Liebold, Arnold Bergstraesser u. Fritz Caspari, in: Frank Schale/Ellen Thümler/Michael Vollmer (Hgg.), Intellektuelle Emigration. Zur Aktualität eines historischen Phänomens, 2012, 89-110; Günter C. Behrmann, Dt. Nachkriegspolitologen in d. Nationalsozialistischen Diktatur: Arnold Bergstraesser, in: Hubertus Buchstein (Hg.), Die Versprechen d. Demokratie, 2013, 431-466; Günter C. Behrmann, Arnold Bergstraesser, in: Barbara Stambolis (Hg.), Jugendbewegt geprägt, 2013, 103-124; Sebastian Liebold, Arnold Bergstraesser, in: Eckhard Jesse/Sebastian Liebold (Hgg.), Dt. Politikwissenschaftler – Werk u. Wirkung, 2014, 99-112.
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