Eckert, Georg Richard Erwin 

Geburtsdatum/-ort: 16.06.1893;  Zaisenhausen
Sterbedatum/-ort: 20.12.1972;  Mannheim
Beruf/Funktion:
  • evangelischer Pfarrer, Staatskommissar für Wiederaufbau des Landes Baden, MdL (Baden und Baden-Württeberg)-KPD, Verfolgter des NS-Regimes
Kurzbiografie:

bis 1911 Karl-Friedrich-Gymnasium in Mannheim bis Abitur; dann Eintritt in die SPD

1911 ff. Studium der evangelischen Theologie- und Philosophie in Heidelberg, Göttingen und Basel, u.a. bei Wilhelm Windelband, Edmund Husserl, Ernst Troeltsch, Johannes Bauer und Georg Wobbermin (1869-1943)

19141918 Einberufung in den I. Weltkrieg; Einsatz u.a. im Serbienfeldzug, an der Karpatenfront, in den Dolomiten und bei Kriegsende in Frankreich; zuletzt Leutnant

1919 Abschluss des Theologiestudiums in Heidelberg, anschließend Vikar in Pforzheim

19221927 Diasporapfarrer in Meersburg

19271931 Pfarrer der Trinitatisgemeinde in Mannheim, gleichzeitig geschäftsführender Vorsitzender des „Bundes religiöser Sozialisten Deutschlands“ und Redakteur von dessen Verbandszeitung „Sonntagsblatt des arbeitenden Volkes“ bzw. „Der religiöse Sozialist“

1931 Übertritt in die KPD; Suspendierung durch die badische Landeskirche, Kirchenaustritt; Rednertätigkeit für die KPD

19331936 nach Schutzhaft Betrieb einer Leihbücherei in Frankfurt am M.

19361940 Verurteilung wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 3 Jahren und 8 Monaten Haft, verbüßt in Freiendietz und Ludwigsburg

19401945 zunächst arbeitslos, dann kaufmännischer Angestellter; als „wehrunwürdig“ keine Einberufung zum Kriegsdienst

1946/47 Staatsrat und Staatskommissar zunächst für besondere Aufgaben, d. i. Entnazifizierung, dann für Wiederaufbau; Vizepräsident der Beratenden Landesversammlung Baden

19471956 MdL (Baden, dann Baden-Württemberg) -KPD

19501952 Geschäftsführender Vorsitzender des Friedenskomitees der Bundesrepublik Deutschland, Engagement in dieser Organisation bis zu deren Verbot 1959

1960 Verurteilung zu 9 Monaten auf Bewährung aufgrund des Engagements im Friedenskomitee als Tarnorganisation der KPD

19601972 zurückgezogen in Großsachsen lebend

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch, 1931 ausgetreten
Auszeichnungen: Ehrungen: Eisernes Kreuz II; Goldmedaille des Weltfriedensrates (1959); Carl-von-Ossietzky-Medaille des Friedensrates der DDR (1964)
Verheiratet:

1920 (Mannheim) Elisabeth, geb. Setzer (1898–1985)


Eltern:

Vater: Georg Ludwig (geb. 1865), Hauptlehrer

Mutter: Emma, geb. Lohrer (geb. 1869)


Geschwister:

7; Mina Emma (geb. 1894), Walther Siegfried Kurt (geb. 1896), Helmuth Martin Erich (geb. 1898), Hildegard (geb. 1899), Herbert (geb. 1903), Hans (geb. 1905 oder 1906?) und Eitel


Kinder:

Wolfgang (geb. 1922)

GND-ID: GND/118687700

Biografie: Michael Kitzing (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 115-120

Als sein Vater 1899 nach Mannheim versetzt worden war, lernte Eckert die soziale Not in der Großstadt kennen. Diese Eindrücke verstärkten sich bei der Tätigkeit des Vaters als ehrenamtlicher Armenpfleger und Leiter des städt. Waisenhauses „Wespinstift“. Der Vater habe keinen Unterschied gemacht zwischen den eigenen und den Waisenkindern; in den Waisenkindern sah Eckert Geschwister, wie er in einem späteren Lebensrückblick formuliert.

Nach dem Abitur am Karl-Friedrich-Gymnasium trat Eckert in die SPD ein und studierte Theologie und Philosophie in Heidelberg, Göttingen und Basel. Zum Schlüsselerlebnis wurde ihm der I. Weltkrieg. Hier hatte er sich dem Beispiel Ludwig Franks folgend zwar freiwillig gemeldet, war an mehreren Fronten eingesetzt wurde mit dem EK II. ausgezeichnet und war bei Kriegsende Leutnant, das Erlebnis des Krieges aber ließ ihn zum Pazifisten werden.

1919 schloss er sein Theologiestudium ab und wurde für drei Jahre Stadtvikar in Pforzheim, anschließend bis 1927 Pfarrer in der Diaspora in Meersburg. Dann wechselte er an die Mannheimer Trinitatiskirche, wo er sich den Ruf eines wortgewaltigen, ausgezeichneten Predigers erwarb. Zuweilen musste die Trinitatiskirche wegen Überfüllung polizeilich gesperrt werden.

Bereits in seiner ersten Wirkungsstätte in Pforzheim hatte Eckert 1922 den „Bund evangelischer Proletarier“ gegründet, der sich bald in „Bund evangelischer Sozialisten“ umbenannte. Hier formulierte er seine Grundideen: Die evangelische Kirche müsse frei sein vom Staat und frei werden von reaktionärer politischer Beeinflussung. Sie solle eine Volkskirche werden und dürfe nie wieder den Krieg predigen, sondern von allen Kanzeln Völkerfrieden verkünden und für eine dem Brudersinn Jesu entsprechende Gestaltung des Wirtschaftslebens eintreten.

1924 wurde Eckert Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft der religiösen Sozialisten Deutschlands“, woraus zwei Jahre später der „Bund der religiösen Sozialisten Deutschlands“ hervorging, dessen Vorsitz Eckert knapp fünf Jahre innehatte und das Verbandsorgan herausgab.

Es wird deutlich, wie Eckert das Programm des Bundes der religiösen Sozialisten beeinflusste, wobei er unverändert die Trennung von Kirche und Staat forderte. Die Kirchen sollten auf den Sturz der kapitalistischen Wirtschaftsordnung hinarbeiten, gegen Militärausgaben und Kriegsdienst predigen, aber für den Ausbau der öffentlichen Fürsorge. Die Kirchensteuer solle herabgesetzt werden, die kirchlichen Sitten und der Aufbau des Gottesdienstes eine neue Form erhalten, damit die Menschen unmittelbare Frömmigkeit erlebten. Eckert interpretierte ein revolutionäres Christentum, weil Jesus wollte, „dass seine Nachfolger Revolutionäre seien so lange, bis Gerechtigkeit sei auf Erden, Reichtum und Armut versunken seien in einer neuen Ordnung menschlicher Gemeinschaft!“ (Was wollen die religiösen Sozialisten, in: Arnold Pfeiffer, Religiöse Sozialisten, 1976, S. 343). In der Kirche sah Eckert großen Reformbedarf, ihre Wohltätigkeit sei lediglich Geschäft, ihre Liebestätigkeit „ein Pflästerchen neben der eiternden Wunde – eure Predigt ist Geschwätz, euer Trost hat keine Kraft – euer Segen ist verfault – und ihr wisst es nicht!“ (ebd., S. 341). Wegen dieser Äußerungen in einem Flugblatt des Bundes der religiösen Sozialisten wurde Ecker 1929 wegen „herabwürdigender und beleidigender Angriffe gegen die Kirche“ zu einer Geld- bzw. Ordnungsstrafe verurteilt.

Die Konflikte mit der Kirchenleitung verschärften sich, als Eckert 1930 auf dem evangelischen Kirchentag in Nürnberg bestritt, dass die Kirchen in der Sowjetunion verfolgt würden und sich weigerte, beim „Gebet gegen die SU“ aufzustehen, was in einem Eklat mündete. Eckert konnte sein Referat zum Thema „Erneuerung der Kirche“ nicht mehr vortragen, druckte es aber im „Sonntagsblatt des arbeitenden Volkes“ und wiederholte darin erwartungsgemäß seine bereits bekannte Kritik an der Amtskirche.

Auch sein Engagement im linken Flügel der SPD trug zu Konflikten mit der Kirchenleitung bei. Schon 1925 und 1926 kam es zu ersten Dienststrafverfahren, als Eckert bei den Reichspräsidentenwahlen vor Paul von Hindenburg (1847-1934) warnte und 1926 für die Kampagne von SPD und KPD zur Enteignung der Fürstenhäuser eintrat. In beiden Fällen war er bei aller grundsätzlichen Gehorsamspflicht gegenüber der Kirchenleitung nicht bereit, seine eigene politische Meinung als Staatsbürger zu verschweigen.

Zum Höhe- und Endpunkt des Konflikts kam es wegen der Warnungen Eckerts vor der heraufziehenden NS-Diktatur. Durchaus eindrucksvoll lesen sich seine Ausführungen im Rahmen einer Kundgebung „Christuskreuz, nicht Hakenkreuz“ im Mannheimer Musensaal am 17. Januar 1931. Die NS-Weltanschauung stehe in diametralem Gegensatz zum christlichen Glauben, den sie vollständig verzerre. Es sei einfach erschreckend, dass bis auf die Bischöfe von Mainz und Augsburg sowie einige katholische Priester in der evangelischen Kirche nichts unternommen wurde, „um der weltanschaulichen Aushöhlung des Christentums durch die Nationalsozialisten entgegen zu treten“ (Der religiöse Sozialist vom 15.2.1931, S. 27). Verherrlichung der Rasse, NS-Antisemitismus und Antisozialismus trat er schroff entgegen und führte seinen Zuhörern vor, wie die braune „Bewegung“ mit hemmungsloser Gewalt gegen politisch Andersdenkende agierte.

Ende 1930 wurde dann eine Veranstaltung Eckerts in Neustadt an der Haardt von Nationalsozialisten gestört, er aber von der Kirche für den Tumult verantwortlich gemacht und mit Redeverbot belegt. Eckert wehrte sich dagegen und warf dem Kirchenpräsidenten Klaus Wurth vor, demokratiefeindlich zu sein, wenn er gegen einen Pfarrer vorgehe, der die Weimarer Demokratie gegen Extremisten verteidigte. Er erhob sogar Klage vor dem Kirchenverwaltungsgericht, wobei er sich durch Rechtsanwalt Eduard Dietz vertreten ließ. Die Klage wurde abgewiesen. Da Eckert seine Anschuldigungen gegen den Kirchenpräsidenten veröffentlicht hatte, war er seit Februar 1931 dienstenthoben, was aber im anschließenden dienstgerichtlichen Verfahren aufgehoben wurde. Eckert wurde jedoch im Dienstalter um sechs Jahre zurückgestuft. Nur Eckerts Rückhalt im Kirchenvolk verhinderte die Amtsenthebung. In einer Protestpetition waren 100 000 Kirchenmitglieder für seine Wiedereinsetzung. Als Eckert im Oktober 1931 von der SPD zur KPD übergetreten war, kam es zur Dienstenthebung.

Auch das Verhältnis zwischen Eckert und seiner alten Partei war lange gespannt gewesen. Nachdem das Kabinett Hermann Müller entgegen dem Wahlversprechungen der SPD dem Bau des Panzerkreuzers A zugestimmt hatte, agitierte Eckert in Mannheim unter der Devise „Kinderspeisung statt Panzerkreuzerbau“ mit der KPD für ein Volksbegehren. Danach warb er in einem Einheitsausschuss für das Zusammengehen von Kommunisten und Sozialdemokraten. Gegen die Tolerierung des Kabinetts Heinrich Brüning (1885-1970) durch die SPD solidarisierte er sich mit der fraktionsinternen Opposition. Dann aber gab er es auf, „die SPD wieder […] zu einer kämpfenden Partei zu machen“ (Ein Schritt von großer Bedeutung, in: Mannheimer Gesprächskreis Geschichte + Politik, Erwin Eckert, 1993, S. 19) und wechselte zur KPD. Als er daraufhin als Pfarrer suspendiert wurde, brach er auch mit der ev. Kirche und trat aus, wodurch er sämtliche Positionen im Bund der religiösen Sozialisten verlor, dessen Mitglieder meist sozialreformerische, nicht aber radikal-revolutionäre Positionen einnahmen.

Dennoch ist Eckert lebenslang ein gläubiger Christ geblieben; sein weiteres Wirken stand im Spannungsfeld von Christentum und Kommunismus. Obwohl die KPD ihm zugesichert hatte, sein christliches Bekenntnis nicht aufgeben zu müssen, ist Eckert durch weiterhin praktizierten Glauben oftmals bei seinen neuen politischen Weggefährten auf Unverständnis gestoßen. Kurz nach seinem Übertritt unternahm Eckert eine Reise in die Sowjetunion und war danach ein gefragter KPD-Versammlungsredner. Jetzt begann ein unruhiger, entbehrungsreicher Lebensabschnitt, denn Eckert hatte sämtliche Versorgungsansprüche eingebüßt und war nur noch Mitarbeiter der kommunistischen Organe „Die rote Fahne“ (Berlin) und „Freiheit“ (Düsseldorf ).

Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand wurde Eckert in Schutzhaft genommen, bis er im Oktober 1933 entlassen wurde. Er zog nach Frankfurt und führte im Namen seiner Frau eine Leihbibliothek. Dort verkehrten Gesinnungsgenossen, die Eckert womöglich finanziell unterstützte. Auch wusste er von der Verbreitung oppositionellen Schrifttums wie der Broschüre „Das proletarische Volksgericht“, was 1936 zu seiner Verhaftung und Verurteilung wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu drei Jahren und acht Monaten Strafe unter Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte führte. Die Haft verbüßte Eckert in Freiendietz und Ludwigsburg. Für „wehrunwürdig“ erklärt blieb ihm wenigstens die Einberufung in den II. Weltkrieg erspart. Bis Weltkriegsende war Eckert kaufmännischer Angestellter in Frankfurt, bevor er, wieder in Baden, eine Rolle beim demokratischen Neuaufbau spielte.

Im Herbst 1945, als in der französischen Zone offiziell noch gar keine Parteien zugelassen waren, wollte er nach Anweisungen aus Ost-Berlin einen Parteienblock unter dem Namen „Neues Deutschland“ bilden. Er gewann zeitweise selbst die Mitarbeit von Vertretern aus dem katholischen Spektrum, wie den Freiburger Oberbürgermeister Wolfgang Hoffmann und Ernst Föhr. Das Projekt scheiterte erst, als deutlich wurde, dass das „Neue Deutschland“ kommunistisch dominiert war. Die Franzosen verboten es.

Um die Jahreswende 1945/46 kam es zur Neugründung der Parteien. Eckert erstrebte in (Süd-)Baden die Gründung einer Sozialistischen Einheitspartei und es gelang ihm, dass am 7. März 1946 eine Vereinbarung zwischen Sozialisten und Kommunisten unterzeichnet wurde, die die Bildung eines Ausschusses „zur Beratung aller wichtigen Fragen des Aufbaus der neuen Demokratie und zur Vorbereitung der Vereinigung beider Parteien“ (zit. nach Gert Meyer, Für die Vereinigung, 1993, S. 66) vorsah. Im Sommer 1946 war auch dieses Vorhaben gescheitert: Die badische SP hatte inzwischen über Günther Markscheffel (1908-1990), den Zonenverbindungsmann Kurt Schumachers (1895-1952), vom Zwangscharakter der Vereinigung von SPD und KPD in der SBZ erfahren. Wegen der Abschottung der französischen Zone lag zuvor nur wenig Information vor. Ein gemeinsames Zeitungsprojekt von SP und KP in Singen wurde durch die französische Besatzungsmacht verboten. Als schließlich die Kommunisten unter Eckerts Führung versuchten, durch eine Unterschriftenaktion über die Basis die Vereinigung der Parteien herbeizuführen, zog sich die SP endgültig vom Vereinigungsprojekt zurück, das auch bei ihren Wählern kaum Anklang gefunden hatte.

Als den badischen Kommunisten der Einzug in den Landtag gelang, blieben sie bis auf Eckert, der einzig profilierten Persönlichkeit, recht farblos. Zu seiner Bekanntheit trug auch bei, dass er im April 1946 zum Staatsrat für besondere Aufgaben und Vorsitzenden des politischen Kontrollausschusses für die Säuberung in Baden ernannt worden war. Enttäuscht von der lückenhaft und inkonsequent durchgeführten Entnazifizierung legte Eckert ein umfassendes Konzept zur Säuberung vor, das sich am Befreiungsgesetz für die amerikanische Zone orientierte, in Einzelbestimmungen sogar noch weiterging.

Dieser Vorschlag Eckerts zur Entnazifizierung stieß jedoch beim damaligen Präsidenten der badischen Landesverwaltung, Alfred Bund, und bei der französischen Militärregierung auf große Vorbehalte. Es herrschte die Befürchtung, dass durch die vorgeschlagene Institution eines Säuberungsinspektors die Möglichkeit aufkäme, sämtliche Verfahren an den politischen Kontrollausschuss zu ziehen, dass dies also nur ein Versuch sei, die Macht Eckerts und damit der KP zu stärken, zumal der politische Kontrollausschuss außerhalb der ordentlichen Verwaltung stand. Der Entwurf Eckerts berücksichtigte auch die Interessen der Besatzungsmacht zu wenig, ja schaltete sie aus dem Säuberungsverfahren weitgehend aus. Eckert trat daraufhin zum Jahresende 1946 von seinem Amt zurück, hatte aber im ersten Staatssekretariat Leo Wohlebs noch das Amt des Staatsrates für den Wiederaufbau inne und wurde Vizepräsident der Beratenden Landesversammlung.

Als Parlamentarier hat Eckert weder im badischen Landtag noch danach in dem Baden-Württembergs Wirkung erzielt. Bemerkenswert ist, dass er selbst in der KPD ein Fremdkörper blieb, der gezwungen wurde, 1950 den KP-Landesvorsitz in (Süd-)Baden abzugeben. Mehrfach waren damals von der KP-Spitze Dossiers über ihn verfasst worden, die ihm zwar „überdurchschnittliche rednerische Begabung und eine glänzende Schärfe des Verstandes“ bescheinigten (zit. nach Hartmut Hensgen, Erwin Eckert, 2015, S. 234), aber auch vorhielten, dass er nur seine eigene Meinung gelten lasse und nicht „die führende Rolle der Partei“ (ebd.) anerkenne. Mancher KP-Funktionär tat sich schwer mit Eckert; manchem Genossen dachte er „einige Etagen zu hoch“ (nach: Walter Ebert, Erinnerungen, 1993, S. 97), genauso wie kritisiert wurde, Eckert solle doch im Parteivorstand nicht immer sprechen wie mit „seinen Schäfchen in der Kirche“ (ebd.).

1947 bis 1949 ist Eckert noch hervorgetreten als Lizenzinhaber einer der ersten politischen Illustrierten der Nachkriegszeit, „Die Neue Demokratie“ (DND), die bei Burda in Offenburg erschien. Sie gab sich bisweilen satirisch-polemisch, etwa mit dem Bild einer Hyäne mit Zylinder und Orden, während im Hintergrund Soldaten im Schützengraben ihr Leben ließen. Bildunterschrift: „Krieg und Leichen – letzte Hoffnung der Reichen“ (zit. nach Franz Wacker, Küchengespräch, 1993, S. 71). Auf Druck der Berliner SED-Leitung musste das Blatt eingestellt werden. Diese bevorzugte ein zentrales Parteiorgan, zu dem es keine Konkurrenz in der eigenen Partei geben solle.

Den größten Achtungserfolg in der Nachkriegszeit erzielte Eckert 1949, als er als Mannheimer OB-Kandidat fast 35% der Stimmen erhielt. Während 1947 bei der Wahl von Fritz Cahn-Garnier Sozialdemokraten und Kommunisten noch einen gemeinsamen Kandidaten aufgestellt hatten, trat Eckert nach dem plötzlichen Tod von Cahn-Garnier als KPD-Kandidat an. Hermann Heimerich hatte die Unterstützung von CDU, SPD und DVP. Sicherlich war es seinem charismatischen Auftreten zu verdanken, dass Eckert in einigen Bezirken über 60% der Stimmen erhielt. Bei keiner der darauffolgenden Bundes- oder Landtagswahlen wurde ein nur annähernd so gutes KP-Ergebnis erreicht.

In den 1950er Jahren hat sich Eckert vor allem im „Weltfriedensrat“ betätigt. 1950 bis 1952 war er geschäftsführender Vorsitzender des Friedenskomitees der Bundesrepublik Deutschland und protestierte gegen die Wiederbewaffnung und atomare Aufrüstung. Diese Tätigkeit jedoch, die in erster Linie auf die Politik Moskaus ausgerichtet war, brachte Eckert 1960 eine Anklage vor dem Düsseldorfer Landgericht ein, die in einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung mündete. Nach Überzeugung des Gerichtes hatte er damit die „Rädelsführerschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation“ (Mannheimer Gesprächskreis Geschichte + Politik, Erwin Eckert, 1993, S. 148).

Danach zog er sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück und lebte er bis zu seinem Tode in einem überaus bescheidenen Häuschen in Großsachsen bei Weinheim, das einer ehemaligen Konfirmandin gehörte.

Die evangelische Landeskirche Baden hat sich mit der Bewertung Eckerts jahrzehntelang schwergetan. Bei seinem Tod erschien lediglich ein Nachruf von H. W. Bartsch, der feststellte, dass mit Eckert der evangelischen Kirche ein über 40 Jahre andauerndes Ärgernis genommen sei, das lediglich sein Eintritt in die kommunistische Partei begründet habe. Seine Verkündigungstätigkeit habe dagegen nie Anlass für Beanstandungen gegeben. Erst 1988 – zumal bei der Auseinandersetzung über „die wenig rühmliche Rolle der badischen Kirchenleitung im Dritten Reich“ (Klaus Scholder, Die Kirchen, I, 1977, S. 249) wurde die Forderung nach einer öffentlichen Rehabilitation Eckerts laut. Die evangelische Landeskirche veranstaltete zusammen mit den evangelischen Akademien Badens und der Pfalz beim 100. Geburtstag Eckerts ein Kolloquium zum Thema religiöser Sozialismus, und Landesbischof Klaus Engelhardt betonte in einer Predigt, dass es sich bei Eckert nicht um ein dunkles, sondern ein erhellendes Kapitel der badischen Kirchengeschichte gehandelt habe. Er kritisierte ausdrücklich, dass 1931 mit Eckert nur kurzer Prozess gemacht wurde, der seine theologische Position ausgeklammert habe und ihn nur wegen seines politischen Standortes entlassen. Auf Initiative des Kirchenbezirks Müllheim, der Unterschriften gesammelt hatte, erfolgte die Rehabilitation Eckerts im Zusammenhang mit dem Gedenken der evangelischen Kirche an die Revolution von 1848/49. Nun wurde festgestellt, dass Eckert sich nur von seinem christlichen Gewissen habe leiten lassen und seinen religiösen Überzeugungen treugeblieben sei. Eckert habe Recht gehabt, die Kirchenleitung aber sei auf dem rechten Auge politisch blind gewesen und beileibe nicht so entschlossen gegen Pfarrer mit NS-Sympathien vorgegangen. Wissenschaftlich ist es das Verdienst Friedrich-Martin Balzers, Eckerts Wirken in einer Vielzahl von Publikationen gewürdigt zu haben, was sicherlich auch Grundlage für diese Rehabilitation gewesen sein mag.

Quellen:

BA Abteilung Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR, Berlin-Lichterfelde, NY 4153, Nachlass Erwin Eckert; – Weitere Teile des Nachlasses Erwin Eckert im Besitz von Friedrich-Martin Balzer (Marburg). – Sonntagsblatt des arbeitenden Volkes 1924–1930; Der religiöse Sozialist, 1930–1931; Zeitschrift für Religion und Sozialismus, 1929–1931; Verhandlungen der Beratenden Landesversammlung des Landes Baden 1946–1947; Die neue Demokratie im Bild, 1947–1949; Verhandlungen des Badischen Landtags 1947–1952; Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung von Baden-Württemberg, 1952–1953; Verhandlungen des Landtags von Baden-Württemberg, 1954–1956; Friedrich-Martin Balzer (Hg.), Protestantismus und Antifaschismus vor 1933: der Fall des Pfarrers Erwin Eckert in Quellen und Dokumenten, 2011.

Werke: Publikationsverzeichnis Erwin Eckert (1922–1932), hgg. von Friedrich-Martin Balzer, ca. 1970. – (Auswahl) Reden o. J. (lediglich im StadtA Mannheim vorhanden); Was wollen die religiösen Sozialisten?, 1927; Kirche und Kommunismus – Stadtpfarrer Eckert, Mannheim, kommt zur KPD, 1931; Was wollen die religiösen Sozialisten (1928), in: Arnold Pfeiffer (Hg.), Religiöse Sozialisten, 1976, 338–344; Und wisst ihr es nicht!, ebd., 344–354; Im Kampf des Proletariats bis zum Tode. Antrittspredigt in Mannheim am 30. Januar 1927, in: Mannheimer Gesprächskreis Geschichte + Politik, Erwin Eckert (vgl. Literatur), 1993, 13–15; Ein Schritt von großer Bedeutung, ebd., 18–21; Friedrich-Martin Balzer (Hg.), „Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam?“, 1993; Christuskreuz, nicht Hakenkreuz, Reprint 2001.
Nachweis: Bildnachweise: Foto nicht ermittelt

Literatur:

(Auswahl) Heinrich Dietrich, Wie es zum Bund der religiösen Sozialisten kam, 1927; Margarete Herzer/Rudolf Herzer/Wilhelm Dauth (Hgg.), Ortssippenbuch Zaisenhausen, 1972; H.-W. Bartsch, Erwin Eckert – Ärgernis und Zeichen, in: Stimmen der Gemeinde 3, 1973, 43; Friedrich-Martin Balzer, Klassengegensätze in der Kirche, 1973; Klaus Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich, Band 1, 1977; Heiko Haumann (Hg.), Vom Hotzenwald bis Wyhl, 1977; Friedrich-Martin Balzer/ Karl Ulrich Schnell, Der Fall Erwin Eckert, 1987; Friedrich-Martin Balzer, Miszellen zur Geschichte des deutschen Protestantismus, 1990; Reinhard Grohnert, Die Entnazifizierung in Baden 1945–1949, 1991; Friedrich-Martin Balzer (Hg.), Ärgernis und Zeichen, 1993; Mannheimer Gesprächskreis Geschichte + Politik (Hg.), Erwin Eckert – Pfarrer und Kommunist, 1993; Gert Meyer, Für die Vereinigung der Arbeiterparteien, ebd. 63–67; Franz Wacker, Vom „Küchengespräch“ mit dem Pfarrer an die Seite des Staatsrates, ebd. 69–73; Walter Ebert, Erinnerungen an Erwin Eckert, ebd. 92–112; Ralf Stieber, Erwin Eckert – kirchliches Ärgernis oder ein Fall des Protestantismus, in: Aufbruch 29, 1993, Heft 17, 18; Ev. Akademie Baden (Hg.), Roter Himmel auf Erden? Der religiöse Sozialismus, 1993; Friedrich-Martin Balzer, Umstrittenes Ärgernis und unvergessenes Zeichen, ebd. 9–49; Klaus Engelhardt, Predigt über Matthäus 22, 1–14, ebd. 147–153; Jens Ulrich Klocksin, Kommunisten im Parlament, 1993; Frieder Kudis, Erwin Eckert (1893–1972). Ein christlicher Revolutionär aus Zaisenhausen, in: Jahrbuch des Landkreises Karlsruhe 4, 1994, 277–278; Ulrich Schadt, Religiöser Sozialismus in Baden zur Zeit der Weimarer Republik, in: Protestantismus und Politik, 1996, 102–122; Konrad Krimm, Erwin Eckert (1893–1972). Pfarrer – Sozialdemokrat – Kommunist, ebd. 261–271; Friedrich-Martin Balzer/Manfred Weißbecker, Erwin Eckert: badischer Pfarrer und revolutionärer Sozialist: 1893–1972, in: Lebensbilder aus Baden-Württemberg 19, 1998, 523–549; Friedrich-Martin Balzer (Hg.), Blicke in den Abgrund: das Ende der Weimarer Republik im Spiegel zeitgenöss. Berichte und Interpretationen, 2002; Udo Wennemuth, Erwin Eckert (1893–1972): Pfarrer der Jungbuschgemeinde 1927–1932, in: 50 Jahre Hafenkirche zur Barmherzigkeit Gottes, 2002, 31–35; Friedrich- Martin Balzer, Zwischen Gefängnis und Zuchthaus: der Alltag des Erwin Eckert, in: Europa vor dem Abgrund, 2005, 217–240; Adolf Martin Ritter, Erwin Eckert (1893–1972). Pfarrer, religiöser Sozialist, Kommunalpolitiker, in: Lebensbilder aus der Ev. Landeskirche in Baden im 19. und 20. Jahrhundert 2, 2010, 506–533; Hartmut Hensgen, Erwin Eckert, in: Kraichgau: Beiträge zur Landschafts- und Heimatforschung 24, 2015, 221–243.

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