Bieringer, Adolf 

Geburtsdatum/-ort: 29.08.1928;  Mörsch, Landkreis Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 12.02.1988;  Bruchsal
Beruf/Funktion:
  • Verwaltungsjurist, MdB-CDU, Regierungspräsident
Kurzbiografie: 1948 Abitur am Realgymnasium in Bruchsal
1948-1952 Jurastudium in Heidelberg, 1952 dort Erste Juristische Staatsprüfung, Note: gut
1952-1957 Gerichtsreferendar in Bruchsal, Heidelberg und Karlsruhe
1955 Promotion zum Dr. iuris utriusque, Heidelberg, Doktorvater und Berichterstatter: Prof. Dr. Dr. Otto Gönnenwein
1957 Zweite Juristische Staatsprüfung in Stuttgart
1957-1958 Anwaltsassessor bei den Rechtsanwälten Neuburger, Kirschner und Dr. Mohr in Mannheim
1958-1959 Rechtsanwalt beim Landgericht in Mannheim
1959-1972 Mitglied des Kreistages des Landkreises Bruchsal
1960 abgeordnet zum Verwaltungsgericht Karlsruhe, 1961 Regierungsrat
1961-1965 Mitglied des Deutschen Bundestages, CDU, Direktmandat im Wahlkreis Bruchsal mit 66 % der Stimmen
1964 Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Bruchsal auf 8 Jahre, 1971 Wiederwahl als Oberbürgermeister auf 12 Jahre, 1983 Wiederwahl als Oberbürgermeister auf 8 Jahre
1973 Mitglied des Kreistages des Landkreises Karlsruhe, Vorsitzender der CDU-Fraktion
1986 Regierungspräsident des Regierungspräsidiums Karlsruhe
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1964 Bruchsal, Elsbeth, geb. Rüdinger (geb. 1929)
Eltern: Erwin Bieringer (1894-1944), Hauptlehrer
Priska, geb. Heilig (1896-1965)
Geschwister: Annemarie Bieringer (1924-1988), Hauptlehrerin
Kinder: Matthias (geb. 1966)
Stefan (geb. 1967)
GND-ID: GND/118953567

Biografie: Bruno Schwalbach (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 44-46

Mit Bieringer trat ein Angehöriger der jüngeren Generation in die politische Öffentlichkeit. Noch in die Zeit der Weimarer Republik fielen seine Kinderjahre, während er das Ende der NS-Diktatur als Schüler und Flak-Helfer erlebte. Vater und Mutter standen im Lehrberuf – seit 1938 wohnte die Familie in Bruchsal –, den auch die einzige Schwester ergriff. Bieringer zog es zum Jura-Studium, von dem er sich ein Wirken im öffentlichen Leben versprach. Im üblichen Alter nach dem Abitur von der Schule kommend, traf er an der Universität mit der Kriegsteilnehmergeneration zusammen, die ihm an Lebenserfahrung voraus war, die er aber mit frischem Wissensstand übertraf. Vom Elternhaus zu Pflichterfüllung erzogen, aber auch durch den frühen Tod des Vaters angetrieben, war er bestrebt, recht zügig das Studium zu absolvieren. Die gescheite und lebenstüchtige Mutter, die bis zu ihrem Tod am Justus-Knecht-Gymnasium Religionsunterricht gab, übte einen starken Einfluß auf ihn aus.
Als Student war Bieringer in der „Jungen Union“ aktiv: Vorsitzender in Bruchsal und stellvertretender Landesvorsitzender Nordbaden. Sein Interesse galt der Kommunalpolitik. Mit 33 Jahren zählte Bieringer zu den zehn jüngsten Abgeordneten des Bundestages. In Bonn schien dem Verwaltungsjuristen und Fachmann für Steuerfragen eine überdurchschnittliche Karriere sicher. Doch der unerwartete Tod von Oberbürgermeister Prof. Franz Bläsi im November 1963 bewog ihn, sich um dessen Nachfolge in Bruchsal zu bewerben und auf das Bundestagsmandat mit Ablauf der Legislaturperiode zu verzichten. Auf Anhieb erreichte er bei der Wahl zum Oberbürgermeister von Bruchsal die absolute Mehrheit.
Als Bieringer das Amt in Bruchsal antrat, war der Wiederaufbau der zu 80 % zerstörten Stadt weitgehend abgeschlossen. Nach dem Grundsatz „Bruchsal, wie es war“ wurde die Stadt wiederaufgebaut. Kein Mensch ahnte damals, als die Grundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen war, die Verkehrsentwicklung der kommenden Jahrzehnte. So mußte über die Bundesstraße 3, die durch Bruchsal führt, der gesamte Verkehr von Nord nach Süd und umgekehrt geleitet werden. Eine „Nordtangente“ zur Entlastung ist bis heute noch nicht realisiert worden, zu groß ist der Widerstand der Naturschützer. Bieringer schuf zunächst neue Sportstätten: eine große Sporthalle, vorbildliche Anlagen und ein Hallenbad entstanden. Die Grundversorgung mit Wasser und Energie wurde sichergestellt, ebenso die Entsorgung. Eine Strukturkrise brachte den Abbau von Arbeitsplätzen. Der Hauptarbeitgeber „Siemens“ reduzierte die Zahl der Arbeitsplätze fast um die Hälfte. Durch spektakuläre Industrie-Neuansiedlung konnte Bieringer den Verlust der Arbeitsplätze ausgleichen.
Mit dem Ende seiner ersten Amtsperiode kam auf Bieringer eine erneute Bewährungsprobe zu. Der bisherige Landkreis Bruchsal wurde in den neugebildeten Landkreis Karlsruhe eingegliedert. Der Landtag von Baden-Württemberg hatte eine Gemeindereform beschlossen. Bruchsal bekam die Chance, mehrere Gemeinden in die Stadt einzugliedern: Büchenau, Untergrombach, Obergrombach, Heidelsheim und Helmsheim. Es konnte zu einem attraktiven Mittelzentrum ausgebaut werden, wozu der leistungsfähige Landkreis Karlsruhe die Voraussetzung schuf. Die „Balthasar-Neumann-Gewerbeschule“ wurde neu gebaut. Die Erweiterung des Stiftungskrankenhauses (aus der Zeit des Fürstbischofs Graf Limburg-Stirum) kam einem Neubau gleich.
Im Kreistag kam das politische Gewicht Bieringers zur Geltung. Er war hier der zweite Mann nach dem Landrat. Seine Sachlichkeit und politische Fairneß wurden auch von seinen Gegnern anerkannt. Seine Etatreden im Stadtrat wie im Kreisrat zeichneten sich durch Kürze und Präzision aus. Daneben besaß Bieringer profunde Kenntnisse in der Kunstgeschichte. Eindrucksvoll waren seine Schloßführungen, die er prominenten Gästen angedeihen ließ. Durch Auslandsreisen nach Frankreich, England, Italien und Israel weitete er sein Blickfeld. Streng schied er zwischen der öffentlichen und privaten Sphäre. In der dem Stadtoberhaupt nur bedingt zustehenden Freizeit widmete er sich ganz seiner Familie, insbesondere der Erziehung seiner beiden Söhne. Hier fand er in dem neuerbauten Eigenheim Ruhe und Kraft für die aufreibende Arbeit.
Ehrgeiz und Führungsqualitäten waren bei Bieringer ausgeprägt. Als sein Amtskollege im pfälzischen Frankenthal den Oberbürgermeister-Posten mit dem des 1. Bürgermeisters von Stuttgart eintauschte, sagte er zu dem Verfasser: „Das hätte ich nicht getan.“ Er war lieber in Bruchsal der Erste als in einer Großstadt der Zweite. Hier war er der Motor der Gemeindeverwaltung. Es sei nicht verschwiegen, daß er sich am Ende der Amtszeit frustriert fühlte. Unberechtigte Querelen hätten ihn abgehalten, erneut zu kandidieren. Da traf ihn die Entscheidung der Landesregierung, daß er Nachfolger des in den Ruhestand tretenden Regierungspräsidenten von Karlsruhe werden sollte. Mit Schwung und Verve übernahm er am 1. Januar 1986 die neue Aufgabe. Man merkte recht bald, daß ein erfahrener, sachlich denkender und über den Parteien stehender Verwaltungsjurist am Werk war, der, obwohl von Amts wegen Vorgesetzter, als „primus inter pares“ mit seinen Mitarbeitern verkehrte.
Schon 1961 hatte Bieringer eine Reise nach Israel unternommen. In seinem Wahlkreis berichtete er von den gewonnenen Eindrücken. Im Mai 1987 reiste er zusammen mit seiner Frau erneut nach Israel. Der Bruchsaler Gemeinderat hatte dem Ehepaar zum Abschied eine Israel-Reise zum Geschenk gemacht. Er betrachtete sich als „Stadtbotschafter nach Israel“. Um mit ehemaligen überlebenden jüdischen Bruchsaler Bürgern in Kontakt zu kommen, hatte sich Bieringer jahrelang bemüht. Am 11. Juli 1985 konnte er zahlreiche ehemalige jüdische Bürger und Bürgerinnen von Bruchsal im Rathaus begrüßen. Er ahnte nicht, daß eine tödliche Krankheit sein Leben bedrohte, die ihn im Herbst des Jahres 1987 ans Krankenbett fesselte, die nach wenigen Monaten sein Leben beendete. Noch am 17. November 1987 hatte der Gemeinderat ihm das Ehrenbürgerrecht verliehen. Das Stadtparlament hatte mit dieser Entscheidung die Arbeit Bieringers als Oberbürgermeister gewürdigt. Konkreter Anlaß war die Eröffnung des Bürgerzentrums, für das Bieringer den Grundstein gelegt hatte.
Quellen: Stadtarchiv Bruchsal: Personalakte; mündliche Auskünfte von Elsbeth Bieringer, Witwe, Bruchsal 1993, 1994
Werke: Dissertation „Großstadtbezirke als Mittel zur Förderung der Selbstverwaltung“ (Exemplar in Maschinenschrift, Juristisches Seminar Heidelberg, Sign. Vw 100. 3,2)
Nachweis: Bildnachweise: Zahlreiche Fotos in ‚Dokumentation‘ (vgl. Literatur); ein Ölbild (postum) ist in Auftrag gegeben, geplanter Standort: Sitzungssaal des Bruchsaler Rathauses

Literatur: Handbuch des Deutschen Bundestags, 4. Legislaturperiode 1961-1965; Profile der Region, Bd. 14, In Memoriam Dr. Adolf Bieringer – Bundestagsabgeordneter, Oberbürgermeister, Regierungspräsident, 1988; Nachrufe in: BNN vom 13.02./20.02./22.02.1988
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