Maggi, Julius 

Geburtsdatum/-ort: 1846-10-09; Frauenfeld/Thurgau
Sterbedatum/-ort: 1912-10-19; Küsnacht/Zürich
Beruf/Funktion:
  • Unternehmer, Erfinder von Fertigsuppen und Suppenwürze
Kurzbiografie: 1863 Beginn der kaufmännischen Lehre in Basel
1867-1870 Tätigkeit in der „Ofen-Pester-Dampfmühle-AG“ Budapest; zuletzt als stellvertretender Direktor
1869 selbständiger Müller in Kempttal/Schweiz
1874 Aufnahme des Adoptivbruders Eugen samt der Stadtmühle Zürich in die 1872 gegründete Kollektivgesellschaft „J. Maggi&Cie.“
1884 Nach zweijähriger Versuchsarbeit mit Maggi-Hülsenfruchtprodukten Unterzeichnung eines Abkommens zwischen der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft und der „J. Maggi&Cie.“, das die Gesellschaft verpflichtete, für drei Jahre das Patronat und die Öffentlichkeitsarbeit für die neue Erfindung Maggis zu übernehmen
1885 Beginn der industriellen Herstellung des Maggi-Bohnenmehls
1887 Errichtung einer Zweigniederlassung der Firma in Singen/Hohentwiel
1890 Gründung der „Maggis Nahrungsmittel AG“
1892 Anfänge einer betrieblichen Sozialpolitik
1897-1908 Aufbau von Fabriken im benachbarten Ausland: Singen 1897, Paris 1898, Bregenz 1907, Sesto San Giovanni bei Mailand 1908
1901 Übersiedlung Maggis nach Paris, um die Entwicklung des Fleischbrühe- und Suppengeschäfts in einer Weltstadt aus nächster Nähe zu verfolgen
1903 Gründung der „Société Laitière Maggi“ als Frischmilchbetrieb mit Ladenkette in Paris, bis 1913 bedeutendstes Milchversorgungsunternehmen des Kontinents
1908 Die seit 1892 vermarktete Fleischbrühe in Kapseln und danach als Granulat wird durch die heute noch üblichen Bouillonwürfel ersetzt
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1. 1871 (Veltheim-Winterthur) Magdalena (Nina), geb. Gyr (1846-1873)
2. 1879 (Seebach/Zürich) Louise, geb. Müller (1859-1919)
Eltern: Vater: Michael (1807-1881), Müller
Mutter: Sophie, geb. Esslinger geschiedene Hotz (1810-1891)
Geschwister: 4 und Halbbruder Eugen Hotz-Maggi
Kinder: 6:
aus 1. Ehe 2 Söhne
aus 2. Ehe ein Sohn und 3 Töchter
GND-ID: GND/11906667X

Biografie: Willi. A. Boelcke (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 190-191

Maggi ist weder in Singen geboren noch verstorben noch hat er einige Jahre dort verbracht. Sein Wirken aber, die durch ihn gegründete Fabrik, deren Bedeutung und Bekanntheitsgrad eng mit der Stadt am Fuße des Hohentwiel verknüpft erscheint, schuf die enge Verbindung des Namens Maggi mit der Stadt und der ganzen umliegenden Region und prägte zu einem Gutteil ihre industrielle Entwicklung. Der aus dem Italienischen Monza stammende Vater von Maggi, gelernter Müller und 1839 in der Schweiz eingebürgert, heiratete in eine Schweizer Familie ein und kaufte 1861 die Mühle in Kempttal. In einem hochmodernen Mühlenbetrieb in Ungarn absolvierte Maggi ein zweijähriges Praktikum, ehe er als 23jähriger den Betrieb in Kempttal übernahm. Maggi war ein ebenso ideenreicher wie temperamentvoller Mann mit viel Geschäftssinn und Durchsetzungsvermögen. Aufmerksam verfolgte er zeit seines Lebens die Umwälzungen in der europäischen Wirtschaft, die Veränderungen und sozialen Probleme in der industriellen Welt sowie die Entwicklungen im Ernährungsgewerbe. Schon 1866 hatte die Firma Maggi in Kempttal vorfabrizierte Gemüsesuppen – wenngleich ohne Erfolg – auf den Markt gebracht. 1882 empfahl der angesehene Arzt und Fabrikinspektor Dr. Fridolin Schüler-Mollis vor der Jahresversammlung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, wegen der Unzulänglichkeiten der Ernährung der Arbeiterbevölkerung den Konsum von Hülsenfrüchten im Hinblick auf ihren hohen Nährwert zu fördern. In Maggi fand er den Mann, der sich in Kempttal mit Feuereifer, Optimismus, viel Sachkunde und unter Hinzuziehung von Ernährungswissenschaftlern dieser Aufgabe annahm. Sein neu entwickeltes Bohnenmehl erfuhr für drei Jahre die Förderung der Gesellschaft. Seit 1886 stand Maggi an der Spitze einer Kommanditgesellschaft (Kommanditkapital 700 000 Schweizer Franken) mit dem erklärten Firmenzweck: „Herstellung und Verkauf von volkstümlichen Nahrungsmitteln, von Spezialitäten und medizinischen Erzeugnissen“. Trotz des Ausbaus von europäischen Zweigniederlagen als Versandgeschäften – darunter 1887 in Singen/Hohentwiel – wurden die erhofften Absatzerwartungen bis Ende 1880 nur zu knapp der Hälfte erfüllt. Auch der wenig später durch sein Drama „Frühlings Erwachen“ berühmt gewordene deutsche Schriftsteller Frank Wedekind (1864-1918) konnte 1886/8? als Leiter von Maggis „Reclame- und Pressebüro“ mit seinen plakatierten Werbetexten die potentiellen Konsumenten offenbar nicht im gewünschtem Umfange von den neuen Schnellgerichten begeistern.
Ein unermüdliches Vorantreiben von Produktinnovationen, die Erfindung der unverwechselbaren „Maggi Würze“ als Geschmacksverstärker und die Neugründung der Fabrik „Maggis Nahrungsmittel AG“ sollten den Aufschwung des Unternehmens herbeiführen, der aber bis Mitte der 1890er Jahre auf sich warten ließ. Um die Jahrhundertwende gelang der Durchbruch dank der Qualität der Erzeugnisse und im Zusammenhang mit dem Aufbau florierender Produktionsgesellschaften im benachbarten Ausland. 1897 entstand als eigener, verselbständigter Produktionsbetrieb die Maggi GmbH Singen (1897: 146 Mitarbeiter; 1914: 1 866, hauptsächlich Frauen). Der größte Absatzmarkt eröffnete sich den Produkten in den bevölkerungsstarken deutschen Industriegebieten; niedrige Angebotspreise steigerten die Nachfrageelastizität. Auf täglich eine Million Fleischbrühwürfel – Einzelverkaufspreis 5 Pfennige – beliefen sich vor den I. Weltkrieg die Singener Tagesproduktion und der deutsche Tagesverbrauch. Etwa die Hälfte des deutschen Marktes für Fertigsuppen befand sich damals in den Händen des Singener Werkes. Über 300 000 Einzelhändler vertrieben die werbewirksam angebotenen Fertigerzeugnisse von Maggi, zu denen seit 1910 auch Suppen in Würfelform gehörten. Seinen wirtschaftlichen Aufstieg zu einer bedeutenden Industriestadt verdankte Singen wesentlich der Expansion der Maggi Werke. Maggi wurde im Verlaufe weniger Jahrzehnte zum Markstein einer Küchenarbeit sparenden, neuen europäischen Suppenkultur mit dem Qualitätsimage eines Markenartikels. Seit 1901 lebte Maggi (nunmehr mit Vornamen Jules), der besessene Erfinder und seinen Mitarbeitern viel abverlangende Unternehmer, der erfolgreiche Kaufmann, unermüdliche Organisator und Pionier von wirtschaftlichem Fortschritt zugunsten der Menschen, in Paris. Dort gründete er – offenbar Berliner und Londoner Beispiele vor Augen – den Frischmilchvertrieb „Société Laitière Maggi“.
Eine Gehirnblutung riss Maggi 1912 jäh aus dem Arbeitsleben, einige Monate später verstarb er in der Schweiz. Das Aktienkapital der von ihm hinterlassenen Unternehmensgruppe belief sich 1913 auf 21 Millionen Schweizer Franken. Der angesehene badische Fabrikinspektor und Sozialpolitiker K. Bittmann schrieb in seinem Nachruf auf Maggi: „In ihm verloren alle die Länder, auf die sich seine Unternehmen erstrecken, einen hervorragenden Industriellen“. Bittmann betonte auch die für Baden beispielhafte betriebliche Sozialpolitik in den Werken Maggis, wo „Tausende von Angestellten und Arbeitern [in ihm]einen verständigen, vorurteilslosen Förderer moderner Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeiter“ gefunden hatten.
Quellen: A d. „Maggi AG Kempttal/CH“ u. A d. „Maggi AG Frankfurt/M“.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos im A d. „Maggi AG Kempttal/CH“ u. im A d. „Maggi AG Frankfurt/M“.

Literatur: Histor. Biograph. Lexikon d. Schweiz, Bd. 4, 1927, 791; Hans Rudolf Schmid, J. Maggi 9. 10. 1846-19. 10. 1912. Zum 100. Geburtstag, 1946; Willi A. Boelcke; Industrie im Raum Singen, in: Singen. Ziehmutter des Hegaus. Singener Stadtgeschichte, Bd. 1, hg. von Herbert Berner, 1987; Alfred G. Frei u. Susanne B. Schmidt, J. Maggi (1846-1912) Von d. Mühle zur Lebensmittelfabrik, in: Singener Stadtgeschichte, Bd. 2, 1990, 543-556; Jean Heer, Nestlé 125 Jahre von 1866 bis 1991, 1991.
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