Damm, Anton 

Geburtsdatum/-ort: 20.04.1874;  Wagenschwend
Sterbedatum/-ort: 04.10.1962;  Wagenschwend
Beruf/Funktion:
  • Landwirt, Bürgermeister und Reichstagsabgeordneter
Kurzbiografie:

18801888 Volksschule

18881890 Lehre in der elterlichen Küferei und Landwirtschaft

18901894 Wanderschaft als Praktikant des Küferhandwerks mit den Stationen: Mannheim, Mainz, Köln, Potsdam, Zürich und Würzburg

18941896 Militärdienst beim Infanterieregiment 109 in Würzburg

1897 Übernahme des elterlichen Betriebs

19041933 Gemeinderat, ab 1909 Bürgermeister in Wagenschwend, Amtsverlust durch die NSDAP

19201932 MdR-Zentrum

19331945 Vertreter, passiver Widerstand gegen das NS-Regime

1945 Gründungsmitglied und Vorstand der CDU in Wagenschwend

1957 Ehrenbürger von Wagenschwend

Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet:

1897 (Wagenschwend) Maria, geb. Bindchen


Eltern:

Vater: Franz Josef (1846–1917) Landwirt und Küfermeister

Mutter: Veronika, geb. Beichert


Geschwister:

2; Fabian (1876–1934) Dr. med. in Bruchsal, und Josef (1877–1956), OSB, Missionar in Tansania, Ostafrika


Kinder:

10, 7 Söhne u. 2 Töchter

GND-ID: GND/129871087

Biografie: Karlheinz Neser (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 91-93

Damm wuchs in Wagenschwend, einer Landgemeinde im Odenwald mit damals ca. 400 Einwohnern auf, die heute Ortsteil von Limbach ist. 1904 wurde er Gemeinderat seiner Heimatgemeinde, 1909 ihr ehrenamtlicher Bürgermeister und 1914 wiedergewählt. Seine berufliche Tätigkeit lief nebenher. Von 1910 bis 1914 war er auch Bezirksrat.

Nach dem I. Weltkrieg wurde der Bürgermeister direkt gewählt. Damm erhielt am 9. Juni 1919 158 von 159 abgegebenen Stimmen. Bei der Kreistagswahl kandidierte er auf der Liste des Zentrums, das in Wagenschwend 164 von 165 Stimmen erhielt. Damm wurde Kreisrat. Nach seiner Wahl in den Reichstag legte der Gemeinderat die wöchentliche Arbeitszeit des Bürgermeisters auf zweieinhalb Stunden fest, die während der Sitzungswochen „vornehmlich sonntags“ zu leisten waren. Bei Bürgerausschusssitzungen wochentags musste vielfach sein Stellvertreter amtieren; ansonsten führte der Ratschreiber die Amtsgeschäfte. Vielleicht war Damms häufige Abwesenheit der Grund, dass er bei der Bürgermeisterwahl 1928 einen Gegenkandidaten hatte und „nur“ 105 von 197 gültigen Stimmen erhielt, immerhin noch 53,3 Prozent.

Als Bürgermeister und Kreisrat unter Standeskollegen genoss Damm hohes Ansehen. Das mag ein Grund gewesen sein, dass ihn die badische Zentrumspartei 1920 als Kandidaten zum Reichstag nominierte, weil besonders bäuerliche Wähler angesprochen werden sollten. Unterstützt vom Bauernverband erhielt er den sicheren Platz 5 der badischen Parteiliste. Im Zentrumsblatt Mosbacher Volksblatt wurde seine Nominierung begründet: „Für uns Hinterländer ist besonders die Kandidatur des Herrn Bürgermeisters Damm in Wagenschwend von hohem Interesse; sie muss namentlich die Landwirte des Odenwalds mit Stolz und besonderer Freude erfüllen” und im Wahlaufruf seiner Partei vom 15. Mai für den Kreis Mosbach hieß es, dass seine: „reiche bäuerliche Erfahrung, sicheres Auftreten und große Verdienste um Gemeinde und Partei“ die Gewähr böten, dass er im Reichstag „die Interessen des badischen Hinterlandes aus genauester Kenntnis der Sachlage heraus zu vertreten“ wisse. Damm wurde als fünfter von sechs Zentrumsabgeordneten aus Baden gewählt. In Wagenschwend erhielt er 203 Stimmen, auf andere entfielen 14 Stimmen, 6,9 Prozent also. Der ganze Raum war stolz, erstmals einen Reichstagsabgeordneten stellen zu können, kamen doch Abgeordnete der Kaiserreichszeit fast durchweg aus Großstädten.

Bei der Wahl 1924 musste das Zentrum Verluste hinnehmen; allein Damm, wieder 5. in der Liste, war erneut erfolgreich, auch wenn andere Bewerber in Wagenschwend nun 16 Prozent der Wähler hinter sich wussten. 1928 erhielt er erneut fast 91 Prozent Zustimmung in seiner Heimatgemeinde, 1930 sogar über 93 Prozent.

1932 endete Damms Abgeordnetentätigkeit. Zur Reichstagswahl im Juli dieses Jahres hatte er einer Frau seinen Listenplatz abtreten müssen und rückte auf Platz 7; nur 6 bad. Zentrumsabgeordnete wurden gewählt. In Wagenschwend übrigens lauteten damals nur 80 Prozent der Stimmen auf das Zentrum, 11 Prozent votierten für die Hitlerpartei.

Damm war mit dem Reichsfinanzminister Heinrich Köhler und den Reichskanzlern Wilhelm Marx (1863–1946) und Constantin Fehrenbach befreundet; letzterer war sogar bei der Wahl 1920 als Wahlredner im Odenwald aufgetreten. Über das parlamentarische Wirken Damms aber ist kaum etwas überliefert. In den digital einsehbaren Verhandlungen des Reichstags wird er im Sprech- und Sachregister überhaupt nicht genannt. Seine Bedeutung beschränkte sich auf den regionalen Bereich. 1928 unterstützte er nach einer Meldung der Eberbacher Zeitung vom 19. April 1928 das Bahnprojekt Eberbach-Winterhauch-Mudau-Buchen, das aber nicht zur Ausführung kam. – Eine detailliertere Darstellung der Tätigkeit Damms als Bürgermeister und Vertreter lokaler und regionaler Interessen im Reichstag ist Desiderat, da die vorliegende Ortschronik von Wagenschwend die Zeit zwischen dem Beginn des I. Weltkriegs und der NS-Diktatur nur streift. Erwartungsgemäß wurde beim Aufstieg der NSDAP auch der Zentrumspolitiker Damm Ziel von Verleumdungen. 1931 wurde er in der NS-Zeitung „Heidelberger Beobachter”, aus der 1932 „Die Volksgemeinschaft“ wurde, als „Zentrumsleuchte“ (7.1.1931) herabgewürdigt und als „schwarzes Musterbönzlein“ (14.7.1932) diffamiert.

Die NS-„Machtergreifung“ am 30. Januar 1933 blieb auch in der Zentrumshochburg Wagenschwend nicht ohne Folgen, auch wenn die Mehrheitsverhältnisse dort nahezu unverändert waren. Bei der eingeschränkt freien Reichstagswahl vom 5. März 1933 hatten nur 31 Prozent der Wähler braun gewählt, der Rest war der katholischen Partei treu geblieben und in gleicher Weise endete auch die Gemeinderatswahl vom April 1933. Allein schon durch den „Anti-Hitler-Bürgermeister” sahen 26 örtliche Nationalsozialisten die Ruhe und Ordnung „gefährdet” (Schreiben vom 3.5.1933 an das Bezirksamt Mosbach und die NS-Kreisleitung) und forderten eine sofortige Beurlaubung Damms und Überstellung in Schutzhaft. An Damms Statt solle NSDAP-Ortsgruppenleiter Karl Banschbach als kommissarischer Bürgermeister eingesetzt werden. Am 5. Mai wurden die Vorwürfe weiter dramatisiert: Ein Mann wie Bürgermeister Damm, der erst durch die Gendarmerie aufgefordert werden musste, die Fahnen der nationalen Erhebung am Tag nach der Wahl hissen zu lassen und der nach seinen eigenen Aussagen auf dem Rathaus die Gründung von SA, SS und NSDAP für Wagenschwend als vollkommen überflüssig bezeichnete, habe keinen Platz in den Reihen nationaldenkender Bürger, besonders nicht einen Platz als Bürgermeister im neuen Reich, äußerte jetzt die NS-Ortsminderheit.

Man vermag sich die damaligen Spannungen in dem kleinen Dorf vorzustellen, bis Damm dem Druck nachgab und „freiwillig” den Rücktritt einreichte, „aus gesundheitlichen Gründen”, wie das „Mosbacher Volksblatt“ am 11. Mai meldete, dem der SA-Bericht in der Ausgabe vom 20. Mai des gleichen Blatts aufsetzte: „um einer Enthebung zuvorzukommen”. Sichtbar erleichtert konnte der Landrat am 12. Mai auf dem Schreiben der örtlichen Nationalsozialisten handschriftlich vermerken „durch Rücktritt erledigt”. Dann aber karteten die neuen NS-Gemeinderäte nach und lehnten das Ruhegehalt für den langjährigen Bürgermeister ab. Erst nach längerem Rechtsstreit vor dem Landgericht Mosbach obsiegte Damm.

So begann für ihn und seine Familie die schwere Zeit, in der er u. a. als Vertreter für Messwein tätig war. Er blieb beim passiven Widerstand und verweigerte den neuen Herren jegliche Reverenz. Seit dem Tag der „Machtergreifung“ soll er kein Lokal mehr betreten haben, um den Hitlergruß zu vermeiden. Im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 wurde dreimal gegen Damm Haftbefehl erlassen. Das Eingreifen des NS-Bürgermeisters bewahrte ihn aber davor.

Nach dem II. Weltkrieg nahm Damm trotz seines hohen Alters wieder am politischen Wiederaufbau teil. Er war CDU-Gründungsmitglied in Wagenschwend und in den 1950er Jahren auch im CDU-Kreisvorstand. Späte Anerkennung war die Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Gemeinde Wagenschwend an den inzwischen 83-jährigen, auf den Tag genau 24 Jahre nach seinem zwangsweisen Amtsverlust als Bürgermeister. Damm starb in seiner Heimatgemeinde im Alter von 88 Jahren.

Quellen:

GemeindeA Limbach A 42, 47 u. 48 sowie Protokollbuch der Bürgerausschusssitzungen; GLA Karlsruhe 364/1983/37, 520 Bürgermeisterwahlen; ACDP 02–409 Gründung CDU Ortsverband Wagenschwend

Werke: Der Küfermeister auf der Reichstagsbank, Biographie Damms belegt in: Martin Schumacher (Bearb.), M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus, 3. Aufl. 1994, 84 f. Nr. 237. – Memoiren Damms befanden sich demnach im A der Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, die bei deren Umzug nach Berlin dem BA weitergegeben wurden, wo sie nicht mehr auffindbar sind.
Nachweis: Bildnachweise: Foto S. 87, (1950er Jahre), Ausschnitt aus Gruppenaufnahme, Familienbesitz.

Literatur:

Heidelberger Beobachter vom 7.1.1931, Die Volksgemeinschaft vom 14.7.1932; Rudolf Morsey (Bearb.), Die Protokolle der Reichstagsfraktion und des Fraktionsvorstandes der deutschen Zentrumspartei 1926–1933, 1969; ders. (Bearb.), Die Protokolle der Reichstagsfraktion der deutschen Zentrumspartei 1920–1925, 1981; Karlheinz Neser, Der Odenwälder Politiker Anton Damm, in: Heimatkalender Unser Land, 1992, S.152–156; Martin Schumacher (Bearb.), M. d. R. Die Reichstagsabgeordneten d. Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus, 3. Aufl. 1994, 84 f. Nr. 237; Bernd Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der deutschen Zentrumsfraktion 1871–1933, 1999, 303; Wolfgang Frankhauser, 675 Jahre Wagenschwend, 1. Teil Aus d. Geschichte, 2001; ders., Wagenschwend, 2. Teil, Bilder aus d. Geschichte, 2002; Karlheinz Neser, Der Odenwälder Politiker Anton Damm, in: Mosbacher Jahrb. 2007, 113–118; ders., Der Odenwälder Politiker Anton Damm, in: Der Wartturm, 2015, 2–5; Anton Damm, in: Politisches Leben im Neckar-Odenwald-Kreis – gestern u. heute, 2005, 68 –71.

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