Brühler, Ernst Christoph 

Geburtsdatum/-ort: 12.02.1891;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 01.09.1961;  Freiburg
Beruf/Funktion:
  • Kommunalpolitiker und MdL (Baden)-DNVP u. MdB-DP
Kurzbiografie: 1909–1914 Abitur am Realgymnasium Mannheim, dann Studium d. Geschichte, Germanistik u. Anglistik in Heidelberg, England (Ort nicht zu ermitteln) u. Freiburg; Staatsexamen, anschließend Promotion zum Dr. phil. bei Georg von Below in Freiburg: „Beiträge zur Verfassungsgeschichte d. Stadt München“
1915–1919 Teilnahme am I. Weltkrieg; zuletzt Oberleutnant
1919 Übernahme in den Staatsdienst zunächst als Lehramtspraktikant in Freiburg
1922 Stadtverordneter in Freiburg im Br.
1926 Zurücksetzung in den außerplanmäßigen Zustand; Versetzung als Gymnasialprofessor nach Breisach
1927–1933 Ausscheiden aus dem Staatsdienst u. Übernahme d. Redaktion d. „Breisgauer Zeitung“
1929 Stadtrat in Freiburg
1931–1933 MdL-DNVP, zuletzt II. Vizepräsident
1933 Wiedereinstellung; im folgenden Jahr Rektor einer Freiburger Oberrealschule; Mitbegründer d. Gemeinde d. Bekennenden Kirche in Freiburg
1936–1943 Direktor des Friedrich-Gymnasiums
1943 Schutzhaft wegen „Wehrkraftzersetzung“ u. Verstoßes gegen das „Heimtückegesetz“; erneute Entlassung aus dem Staatsdienst
1950 Leiter d. Ev. Pädagogischen Akademie in Freiburg
1953–1957 MdB-DP, seit 1955 Fraktionsvorsitzender
1958 Übertritt zur CDU
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1919 (Freiburg) Anita Emma, geb. Gräfin Holck (1888–1973)
Eltern: Vater: Karl (1864–1923), Lehrer
Mutter: Elise, geb. Ernst (1868–1944)
Geschwister: 2; Johanna (geboren 1893) u. Hermann (geboren 1897)
Kinder: keine
GND-ID: GND/140745211

Biografie: Michael Kitzing (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 54-56

Brühler, der einer nationalliberal geprägten Pforzheimer Beamtenfamilie entstammte, studierte nach dem Abitur in Mannheim zunächst in Heidelberg Geschichte, Germanistik und Englisch. Auf ein Gastsemester in England folgte der Wechsel nach Freiburg, wo er Vorlesungen bei Heinrich Finke, Friedrich Meinecke (1862–1954) und Georg von Below hörte. Trotz eines großen Interesses an Fragen der Ideengeschichte promovierte Brühler schließlich im Mai 1914 nicht bei Meinecke, sondern bei von Below. Zwei Monate zuvor hatte Brühler bereits sein Studium mit dem Staatsexamen abgeschlossen. Auf die Teilnahme am I. Weltkrieg folgte 1919 die Übernahme in den badischen Staatsdienst als Lehramtspraktikant.
Den Weg in die Politik fand Brühler 1921 durch den Eintritt in die Freiburger Sektion der DNVP, auf deren Versammlungen er sich schon bald als begabter Redner profilierte, besonders bei den jährlichen Feiern zum Gedenken an die Reichsgründung am 18. Januar 1871. 1922 wurde Brühler in Freiburg zum Stadtverordneten gewählt. Sein Eintreten für die antidemokratisch-nationalistische Partei trug dazu bei, ihn in Gegensatz zu seinem Dienstherrn, den Freistaat Baden, zu bringen. Nach der Rückversetzung in den Zustand eines außerplanmäßigen Beamten und mehreren Versetzungen, erst nach Säckingen, später nach Breisach, entschloss sich Brühler zu Jahresbeginn 1927, um seine Beurlaubung beim Kultusministerium nachzusuchen. Zunächst auf zwei Jahre beurlaubt schied er schließlich 1929 ganz aus dem Staatsdienst aus.
Bereits 1927 hatte Brühler die Redaktion der „Breisgauer-Zeitung“ übernommen, eines konservativen Blattes, das der DVP wie der DNVP seine Spalten öffnete. Als dessen Redakteur stellte Brühler seine Tätigkeit unter den Grundsatz: „Erst kommt mein Volk, dann die vielen anderen.“ Eine deutsche Zeitung dürfe in außenpolitischen Fragen niemals „objektiv“ sein und die Argumente der Gegner als in irgendeiner Form berechtigt anerkennen, vielmehr müsse sich in allen Volkskreisen die Gewissheit durchsetzen, dass deutsche Politik nur auf bewusst nationaler Grundlage betrieben werden könne. In einem Aufruf an potentielle Inserenten betonte diese Zeitung auch, dass deutsche Firmen in erster Linie diejenigen Blätter mit Aufträgen bedenken sollten, die in ihrem Textteil deutsche Interessen vertreten. Brühler selbst investierte rund 5000 RM in die Zeitung. Auflagenstärke und Wirkungskreis des Blattes blieben dennoch weit hinter der in der Stadt führenden „Freiburger Zeitung“ sowie den heftig befehdeten Organen von Zentrum und SPD zurück.
Nach einer gescheiterten Landtagskandidatur 1925 unternahm Brühler 1929 einen neuerlichen Anlauf. Im Mittelpunkt des Wahlkampfes standen diesmal die überaus polemischen DNVP-Angriffe gegen den Young-Plan: Die „Breisgauer Zeitung“ sprach im Herbst 1929 nur von den „Pariser Tributverhandlungen“, die Deutschland ohne jede Rücksicht auf seine innere und äußere Leistungsfähigkeit auf sechs Jahrzehnte unerhörte Auflagen brächten; Zentrum und SPD wurden pauschal für „Knechtschaft und Elend“ der letzten Jahre verantwortlich gemacht. Die Parole des Wahlkampfes hieß für die „Breisgauer Zeitung“: „Nationaler Wille zum festen Zusammenschluss der vaterländischen Rechten – Widerstand gegen die Herrschaft der Sozialdemokratie – Abwehr der äußeren Entehrung und Unfreiheit der Nation“. Gleichwohl konnte Brühler von der überaus harschen Sprache während des Wahlkampfes nicht profitieren: die DNVP fiel in Freiburg 1929 auf 4,2 Prozent zurück; im Vorjahr war sie noch doppelt so stark gewesen. Brühler wurde wieder nicht gewählt, erhielt jedoch genügend Stimmen, um zwei Jahre später als Nachrücker in den Landtag aufgenommen zu werden.
Seine ablehnende Haltung gegenüber der republikanisch-demokratischen Staatsform brachte Brühler nochmals 1930 in einer scharfen Polemik gegen den sozialdemokratischen Kultusminister Remmele zum Ausdruck, den er für sein Ausscheiden aus dem Staatsdienst verantwortlich machte und mit dem er „abrechnen“ wollte. Er nannte dessen Stellenbesetzungspolitik „Krippenfresserei“, gemäß der Maxime „freie Bahn dem Parteitüchtigen“ zu Gunsten der Anhänger von Zentrum und SPD. Vertreter eines „gesunden“ und gemeinwohlorientierten Berufsbeamtentums – als solchen sah sich Brühler selbst – blieben dagegen in der Republik auf der Strecke.
Die NS-„Machtergreifung“ im Januar 1933 wurde von Brühler zunächst freudig begrüßt, genauso wie er als Abgeordneter des badischen Landtages mit seiner Fraktion einem Ermächtigungsgesetz auf Landesebene zugestimmt hat. 1933 wurde Brühler noch zum II. Vizepräsidenten des Landtages gewählt, eine Funktion, der freilich kaum mehr Bedeutung zukam, da der Landtag im Juni 1933 zunächst vertagt und schließlich durch das zweite „Reichsstatthaltergesetz“ vom Januar 1934 aufgelöst wurde. Auch beruflich führte die „Machtergreifung“ zu einer neuerlichen Wende im Leben Brühlers. Auf die Wiedereinstellung in den Staatsdienst 1933 folgte 1934 seine Ernennung zum Rektor einer Freiburger Oberrealschule und schließlich 1936 zum Leiter des Freiburger Friedrich-Gymnasiums. Nach der Besetzung des Elsass durch die Wehrmacht wurde Brühler 1940/41 kommissarisch mit der Leitung eines Straßburger Gymnasiums betraut. Brühler gehörte beruflich also eindeutig zu den Profiteuren des NS-Regimes, was ihm genauso wie seine aggressiven Polemiken gegen die Weimarer Republik beim Entnazifizierungsverfahren vorgehalten wurde, zumal auf Betreiben von Prälat Ernst Föhr. Brühler suchte sich dagegen zu rechtfertigen, indem er vor der Spruchkammer sein Selbstverständnis als konservativer ev. Christ und hieraus resultierende Distanz zum NS-Regime betonte.
Tatsächlich ist Brühler erst zum 1. Oktober 1933 in die NSDAP eingetreten – nach dreimaliger Aufforderung, als ihm mit erneuter Entlassung aus dem Staatsdienst gedroht worden war. Später beteuerte er wiederholt, er habe nur zweimal Parteiversammlungen besucht, als Schulrektor dagegen schützend seine Hand über „nichtarische“ Schüler und auch Kollegen gehalten, die mit jüdischen Frauen verheiratet gewesen waren. Tatsächlich gehörte Brühler bereits 1933 zu den Gründungsmitgliedern einer Gemeinde der Bekennenden Kirche unter Leitung von Pfarrer Weber in Freiburg, an deren Gemeindeleben er in den folgenden Jahren aktiven Anteil nahm. Gerade deshalb konnte er später nicht ohne Recht behaupten, er habe „auf der Abschussliste der Partei“ gestanden. Besonders verhasst war Brühler dem Freiburger NS-Kreisleiter Fritsch, der in der Loyalitätserklärung Brühlers dem NS-Regime gegenüber vom Jahr 1933 nichts anderes erkennen wollte als „eine große und hinterlistige Lüge“. Für Fritsch war Brühler einer der „gefährlichsten und einflussreichsten Staatsfeinde in Freiburg […] Haupt jener reaktionären Miesmacher und Verräter, die sich in Freiburg herumtreiben“. Dies komme insbesondere durch seinen Bekanntenkreis und sein mäßiges Engagement für die Partei zum Ausdruck. Deshalb nahm Fritsch bereits 1937/38 in einer Eingabe beim badischen Kultusministerium gegen Brühler Stellung. Am 24. März 1943 wurde Brühler schließlich infolge einer Denunziation durch die Mutter eines ehemaligen Schülers wegen angeblicher „Wehrkraftzersetzung“ und eines Verstoßes gegen das „Heimtückegesetz“ in Schutzhaft genommen; am 4. Mai wurde er aus der NSDAP ausgeschlossen. Es kam zwar in der Folgezeit zu keinem Verfahren gegen ihn, der Kultusminister aber ließ ihn wissen, die Partei habe keinerlei Vertrauen mehr in seine erzieherische Arbeit. Am 14. Juli 1944 wurde Brühler „aus gesundheitlichen Gründen“ vorzeitig pensioniert.
Nach dem Ende des II. Weltkrieges scheiterte Brühler zunächst mit einem Rehabilitationsgesuch. Obwohl ihm noch im März 1946 durch die zuständige Kommission das vollständige Ruhegehalt zu gebilligt wurde, musste er in der Folgezeit dessen Kürzung um 10 Prozent hinnehmen. Verantwortlich hierfür machte Brühler vor allem Ministerialdirektor Dr. Fleig und den gesamten Kreis um den Prälaten Föhr, von dem sich Brühler zu Unrecht bei den Franzosen als „Militarist“, „Preuße“, „Deutschnationaler“ und „Gegner des ehem. Ministers Remmele“, kurz als „Exponent des Protestantismus“ denunziert glaubte. Ein beruflicher Neubeginn gelang ihm erst 1950. Damals wurde er Oberstudiendirektor und Leiter der Ev. Pädagogischen Akademie in Freiburg.
Seine politische Heimat fand Brühler in der Nachkriegszeit bei der Deutschen Partei, DP, einer konservativen, betont föderalistischen, christlichen und antisozialistischen, aus der Niedersächsischen Landespartei hervorgegangen Regionalpartei rechts der CDU, deren Landesvorsitz in (Süd-)Baden Brühler bereits bei ihrer Gründung in Freiburg am 31. Oktober 1952 übernahm. Die DP setzte sich besonders für die Interessen der kleinen und mittleren Betriebe in Handel, Handwerk, Industrie und Landwirtschaft ein, geriet jedoch im Zuge ihrer Ausbreitung auf das gesamte Bundesgebiet wiederholt in die Nähe rechtsradikaler Gruppierungen.
Als Brühler 1953 für die DP in den Bundestag gewählt wurde, hatte der Niedergang der Partei bereits eingesetzt. Im ersten Bundestag für die CDU noch unersetzlicher Koalitionspartner hatten sich die Kräfteverhältnisse gewandelt. Die DP verdankte den erneuten Einzug in den Bundestag lediglich der Tatsache, dass die CDU in mehreren Wahlkreisen auf Direktkandidaten verzichtet und die Wahl der DP empfohlen hatte. Deshalb mussten die Abgeordneten der DP, wie Brühler im Rechenschaftsbericht der Bundestagsfraktion 1955 in beschönigenden Wendungen eingestehen musste, bei Abstimmungen und Reden grundsätzlich auf die Position der CDU Rücksicht nehmen, so dass eine programmatische Abgrenzung vom großen Koalitionspartner überaus schwer fiel. Seit 1955 unter Brühler als Fraktionsvorsitzendem hat die DP vor allem auf dem Gebiet der Wehr-, Agrar-, Mittelstands- und Kulturpolitik versucht, eigene Initiativen zu lancieren und besonderes Profil suchte die Fraktion in der Wehrpolitik zu gewinnen. Sie trat einer pauschalen Diffamierung der früheren Wehrmacht entgegen, bewertete dabei allerdings deren Rolle im II. Weltkrieg oft reichlich unkritisch. Auf dem Feld der Kulturpolitik ist Brühler 1955 hervorgetreten, als er die Schaffung eines Bundesministeriums für Erziehung und Unterricht forderte und betonte, dass er die Staatsordnung der Bundesrepublik durch einen extremen, insbesondere im deutschen Schulwesen waltenden Föderalismus, ja Partikularismus gefährdet sehe. Engagiert hat sich Brühler auch in der Südweststaatsfrage; wiederholt unterstützte er Anträge, die auf einen Erhalt bzw. die Wiederherstellung des alten Landes Baden zielten.
Insgesamt war das Resumé der Tätigkeit Brühlers als DP-Fraktionsvorsitzender eher enttäuschend. Innerhalb der Fraktion verfügte er nur über geringe Autorität und wenig Durchsetzungsvermögen und in der Außendarstellung ist es ihm letztlich nicht gelungen, der Partei ein eigenes, von der CDU sich abhebendes Profil zu verleihen. Auch daraus resultierte das erneut schwache Abschneiden der DP bei den Bundestagswahlen 1957, was schließlich deren Auflösung einleitete. Die Mitglieder wanderten in die CDU ab. Brühler selbst vollzog diesen Schritt 1958, ohne aber in seinen noch verbleibenden drei Lebensjahren in seiner neuen Partei noch einmal hervorzutreten.
Quellen: GLA231/10956 (2), 233/24738, 235/17240, 235/18829; StAF T 1, Nachlass Brühler, D 180/2 36397 u. 79126, Entnazifizierungsakten, F 196/1 11754, Wiedergutmachungsakten; StadtA Freiburg Jahresber. d. Neuburg Oberrealschule Freiburg im Br., Schulj. 1925/26.
Werke: Breisgauer-Ztg., Jgge. 1926–1933; Warum nationale Presse, 1929; Im Zauberreich des Herrn Remmele, 1931; Rechenschaftsbericht d. Bundestagsfraktion d. DP, in: Konservative Politik ist zeitnah, 1955, 13-18.
Nachweis: Bildnachweise: GLA231/2937(1003) u.J-Ac-B Nr. 179.

Literatur: Adam Remmele, „Im Zauberreich des Herrn Remmele“ Eine Antwort an Herrn Dr. Ernst Brühler, 1931; Karl Groß (Bearb.), Handb. für den Bad. Landtag, V. Legislaturperiode 1933–1937, 1933; BZ vom 31.10.1952; Hermann Meyn, Die Deutsche Partei, 1965; Franz-Josef Rave, Das politische Leben in Freiburg. (Zulassungsarbeit für das Staatsexamen, 1976, unveröff.); Hans-Georg Merz, Beamtentum u. Beamtenpolitik in Baden, 1985; Ingo Nathusius, Am rechten Rand d. Union, 1992; Ursula Huggle, Ausgelöscht u. wiedererstanden. Das Friedrich-Gymnasium von 1904–1968, in: Schau-ins-Land 123, 2004, 163-192; Ulrich P. Ecker/Christiane Pfanz-Sponagel, Die Geschichte des Freiburger Gemeinderats unter dem Nationalsozialismus, 2008.
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