Buzengeiger, Karl Ernst Bernhard 

Geburtsdatum/-ort: 18.02.1872;  Gutach
Sterbedatum/-ort: 28.12.1948;  Konstanz
Beruf/Funktion:
  • Oberlandesgerichtspräsident
Kurzbiografie: 1890 Abitur am Gymnasium Heidelberg
1890–1891 Studium in Heidelberg
1891–1892 Einjährig-Freiwilliger im Inf.-Regt. 110
1892–1894 Studium in Berlin und Heidelberg
1894 u. 1898 I. u. II. jur. Staatsexamen
1899 Sekretär im Justizministerium in Karlsruhe
1900–1914 Amtsrichter in Karlsruhe, 1905 Oberamtsrichter, 1906 Landgerichtsrat, 1914 Oberlandesgerichtsrat
1914 –1918 Militärrichter
1924 Senatspräsident
1930 Oberlandesgerichtspräsident
1932 Dr. jur. h. c. d. Univ. Freiburg
1937 Pensionierung
1940 Reaktiviert als Senatsvorsitzender
1944 kriegsbedingte Verwendung beendet
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Auszeichnungen: Bad. Jubiläumsmedaille (1902), EK II. (1914), Ritterkreuz mit Schwertern vom Zähringer Löwen I. Kl. (1914), Ehrenkreuz für Kriegsteilnehmer am I. WK (1934), Treudienstehrenzeichen (1938 u. 1941), Kriegsverdienstkreuz II. Kl. (1945)
Verheiratet: 1900 (Karlsruhe) Pauline Karoline Antonie Elisabeth, geb. Bauer (1872–1949), ev., Tochter von Gymnasialprof. Dr. Karl Bauer (1845–1905) u. Paula, geb. Schneider (1851–1934)
Eltern: Vater: Karl (1844 –1911), Bahnbaurat
Mutter: Pauline, geb. Schuemacher (* 1849)
Geschwister: 4
Kinder: ein Sohn
GND-ID: GND/141969202

Biografie: Reiner Haehling von Lanzenauer (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 53-55

Der Geburtsort Gutach an der Schwarzwaldbahn ergab sich eher zufällig, denn häufig wechselte der Dienstsitz des im Bahn- und Flussbau beschäftigten Vaters. So ist über Buzengeigers frühe Kindheitsjahre wenig bekannt, die Schulzeit lässt sich festmachen am Besuch des Heidelberger Gymnasiums vom Eintritt in die Sexta 1881 bis zum Bestehen des Abiturs 1890. Im WS 1890/91 begann Buzengeiger an der Univ. Heidelberg das Studium der Rechtswissenschaften, das durch einen einjährigen Wehrdienst unterbrochen und im Jahre 1892 zuerst in Berlin, sodann in Heidelberg fortgesetzt wurde. Er gehörte der Studentenverbindung Vineta an. Nach dem mit der Note hinlänglich bestandenen I. Staatsexamen war Buzengeiger bei verschiedenen Gerichten und Behörden des Großherzogtums als Rechtspraktikant eingesetzt. 1898 bestand er das II. Staatsexamen mit der Note gut als 2. von 63 Kandidaten. Seinen geradlinigen Berufsweg im Justizdienst durchlief er in Karlsruhe. Bei Ausbruch des I. Weltkrieges wurde Buzengeiger als Feldjustizbeamter einberufen, ab 1916 übernahm er die Funktion eines Leiters der Rechtsabteilung beim Generalkommando des XIV. Armeekorps, zuletzt im Range eines Oberkriegsgerichtsrats. Im Jahre 1924 wurde Buzengeiger zum Senatspräsidenten beim Oberlandesgericht Karlsruhe, sodann mit Wirkung vom 1. Januar 1930 zum Präsidenten dieses Obergerichts ernannt. Im Februar 1932 verlieh ihm die Universität Freiburg die Würde eines Doktors beider Rechte ehrenhalber.
War Buzengeigers beruflicher Erfolg bislang von seinen herausragenden Leistungen bestimmt, so zählte seit der NS-„Machtergreifung“ des Jahres 1933 in erster Linie die politische Einstellung. Buzengeiger hatte vor dem I. Weltkrieg einige Zeit der Jungliberalen Partei angehört, aus der DVP war er um 1930 ausgetreten. In die NSDAP ist er nie eingetreten, allerdings wurde er Mitglied in weniger gewichtigen Vereinigungen wie dem NS-Rechtswahrerbund, der NS-Volkswohlfahrt, dem Reichsluftschutzbund, dem NS-Reichskriegerbund Kyffhäuser und der Akademie für Deutsches Recht.
Da Buzengeiger trotz seiner hohen staatlichen Position der NSDAP nicht angehörte, begann für ihn eine Epoche des Behauptens und des Nachgebens, um nicht von dem mächtigen Gauleiter Robert Wagner (➝ II 297) gemaßregelt oder gar des Amtes enthoben zu werden. So nahm er schon den ersten schwerwiegenden Übergriff der neuen Herren gegen die bis dahin unabhängige Justiz widerspruchslos hin: Im März 1933 hatte der Gauleiter jüdische Richter gezwungen, um Beurlaubung nachzusuchen. Das Berufsbeamtengesetz verfügte bald darauf die Entfernung aller Richter jüdischer Herkunft aus dem Amte, insgesamt 24 waren im Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe betroffen. Dennoch darf als erwiesen gelten, dass Buzengeiger dem NS-Regime zunächst ablehnend gegenüberstand und den Einfluss der politischen Leiter von seinem Bereich fernzuhalten suchte. Der Umfang dieses Dienstbereichs wurde im Jahre 1934 erweitert durch die sogenannte Verreichlichung, indem die bad. Justiz dem Berliner Reichsministerium unterstellt wurde. Zeitgleich wurde ein Teil der Geschäfte des aufgelösten Karlsruher Ministeriums auf die Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts verlagert, womit auf den Chefpräsidenten zusätzliche Aufgaben zukamen, darunter der Vorsitz des Justizprüfungsamts Karlsruhe. Um diese Zeit zeichnete sich ein Wandel in Buzengeigers Haltung gegenüber der NSDAP ab, wie sein überschwenglicher Vortrag auf dem Bad. Juristentag in Karlsruhe im April 1934 belegt. Nachdem er die glückliche Ausschaltung der früheren Parteienmacht durch Aufrichtung des Führerprinzips begrüßt hatte, verkündete er: „Unaufhaltsam führt uns die neueste deutsche Geschichte unter der Führung Adolf Hitlers zum Ziel der völkischen Einheit und der Rechtseinheit des deutschen Volkes.“ Und er fügte hinzu, Fremdkörper aus dem römischen und dem kanonischen Recht müssten verschwinden, soweit sie nicht ihren artfremden Charakter aufgegeben hätten. Nur Wochen später regte Buzengeiger die Aufstellung einer Hitlerbüste im Sitzungssaal an, für sein Dienstzimmer beantragte er die Anschaffung eines größeren gerahmten Hitlerporträts. Als ab Juni 1936 der Reichsadler mit Hakenkreuz auf der Amtstracht der Justizbediensteten anzubringen war, gab dies Anlass zu einer Feier im Schwurgerichtssaal des Karlsruher Landgerichts. In seiner Ansprache betonte Buzengeiger, dass dieses Hoheitszeichen Schutz und Pflicht zugleich bedeute, sowie die besondere Verbundenheit der Rechtspflege mit dem NS-Staat herausstelle.
Buzengeigers hörige Haltung dürfte maßgeblich durch das Auftreten von Heinrich Reinle (vgl. S. 309) bestimmt worden sein. Der Wieslocher Amtsgerichtsrat, ein fanatischer Nationalsozialist, war gleich 1933 ins bad. Justizministerium berufen und noch im selben Jahre zum Ministerialrat befördert worden. Im Mai 1935 war Reinle zum Senatspräsidenten, im April 1937 zum Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts aufgestiegen. Er wurde Vertreter Buzengeigers und Leiter der Verwaltungsabteilung, wo über die Personalangelegenheiten zu befinden war. Hier traf er selbstherrliche Entscheidungen und wirkte zugleich als linientreuer Aufpasser. In dieser Situation suchte Buzengeiger Auseinandersetzungen zu vermeiden. Gleichwohl gibt es Anzeichen, dass er sich zuweilen für bedrängte Kollegen eingesetzt hat. Als ihm der Fall eines Waldshuter Richters vorgelegt wurde, der den Eintritt in die NSDAP verweigerte und weiter aktiv am kirchlichen Leben teilnahm, wiegelte Buzengeiger mit der Erklärung ab, der Betroffene habe das Erlebnis des neuen Staates gehabt. Und als das Gaupersonalamt wegen ähnlichen Verhaltens eines Freiburger Richters Klage führte, bemängelte Buzengeiger zwar dessen kosmopolitische Einstellung, strich indes seine fachlich guten, überdurchschnittlichen Leistungen heraus.
Erst kurz vor Buzengeigers Pensionierung forderte der „Stab des Stellvertreters des Führers“ in München im Frühjahr 1937 eine Beurteilung über die politische Zuverlässigkeit an. Die NSDAP-Gauleitung Baden in Karlsruhe berichtete daraufhin, dass Buzengeiger sich zurückhaltend zeige. Als gewissenhafter Beamter führe er die Anordnungen von Staat und Partei wohl formell durch, sei aber zu einem offenen Bekenntnis zur NS-Weltanschauung nicht fähig, da er sich von seinen althergebachten Anschauungen nicht mehr freizumachen vermöge. Charakterlich gelte er als einwandfrei, als politisch unzuverlässig sei er nicht anzusprechen. Aus heutiger Sicht lässt sich also Buzengeigers Haltung dergestalt werten, dass er unter der NS-Herrschaft anfängliche Vorbehalte bald aufgab und willfährige Anpassung geübt hat.
Als Buzengeiger 1937 in den Ruhestand trat, würdigte Reichsjustizminister Gürtner in einem Dankschreiben die Verdienste des Scheidenden, der über vier Jahrzehnte seine ganze Persönlichkeit und sein ganzes Wissen für die deutsche Rechtspflege eingesetzt und als aufrechter Richter seines hohen Amtes gewaltet habe. Anfang Mai 1940 meldete sich der Pensionär zurück, bereit zu kriegsbedingter Wiederverwendung. Man übertrug ihm eine Senatspräsidentenstelle am Oberlandesgericht. Er unterstand nunmehr seinem Amtsnachfolger, nämlich dem neuen Oberlandesgerichtspräsidenten Reinle. Im September 1944 wurde Buzengeigers Wohnung im Hause Akademiestraße 69 bei einem Bombenangriff zerstört, er selbst leicht am Kopfe verletzt. Jetzt beantragte er die endgültige Entlassung aus dem Justizdienst und zog nach Konstanz. Noch im März 1945 wurde ihm auf Betreiben Reinles das Kriegsverdienstkreuz verliehen. Im Jahre 1946 hat die französische Besatzungsmacht Buzengeigers Konstanzer Wohnung beschlagnahmt, Buzengeiger fand eine bescheidene Unterkunft im Hause Hoheneggstraße 6. Im Juli 1948 stufte ihn die Spruchkammer als Mitläufer ein und verhängte eine Sühnezahlung von 300 DM. Vor Rechtskraft dieses Spruchs ist Buzengeiger in seiner Konstanzer Bleibe verstorben.
Quellen: BA–BZ R 3001/53324; GLA Karlsruhe 3152 I, 76/1299 (Vater), 76/10162 (Schwiegervater), 234/1453, 240/73, 240/73, 240/78, 240/286, 240/307, 240/310, 240/393, 240/608, 240/Zug. 1987/53, Nr. 386, 240/1987/53/13, 240/1987/53/40, 240/Zug. 1997-38/1086,
465a/51/68/106, 465c Nr. 47, 465c/1065; Verzeichnis d. Hof- u. Staatsbeamten des Großherzogtums Baden, 6. Ausg. 1912, 52; Sterbeurkunde Standesamt Konstanz Nr. 576/1948.
Werke: Bestellung von Assessoren als Hilfsrichter bei den Landgerichten, Bad. Rechtspraxis 1921, 56; Ernst Fuchs zu Ehren, Die Justiz 1929/30, Bd. 5, 38; Ein Gruß an unsere „älteren“ u. jungen Juristen, Bad. Rechtspraxis, März 1934, 35.
Nachweis: Bildnachweise: Henssler, 1979, 47 (vgl. Literatur).

Literatur: Willy Heuß, Bad. Rechtspraxis 1934, 53; Ortwin Henssler, 100 Jahre Gerichtsverfassung. Oberlandesgerichte Karlsruhe u. Stuttgart 1879–1979, 1979, 47; Christof Schiller, Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, 1997, 45, 109, 119, 122, 297; Michael Kißener, in: Geschichte u. Verantwortung, FS für Hugo Ott, 1996, 221, 235, 236; ders. in: Franz J. Düwell/ Thomas Vormbaum (Hg.), Recht u. Nationalsozialismus, 1998, 37; ders., Zwischen Diktatur u. Demokratie, 2003, 219, 233; Werner Münchbach (Hg.), FS 200 Jahre OLG Karlsruhe, 2003, 11, 93, 165, 170; Angela Borgstedt, Bad. Juristen im Widerstand (1933–1945), 2004, 57, 116; Detlev Fischer, Karlsruher Juristenportraits, 2004, 44; R. Haehling von Lanzenauer, Karl Buzengeiger, Präsident des Oberlandesgerichts Karlsruhe 1930–1937, in: D. Fischer/M. Obert (Hgg.), FS für Dietrich Pannier zum 65. Geburtstag am 24. Juni 2010, 2010, 75–85. – Zeitungen: Karlsruher Ztg./Bad. Staatsanzeiger vom 17.2.1932; Bad. Beobachter vom 18. u. 19. 2. 1932; Führer vom 23. 2. 1932, 2. 10. 1936, 26. 5. 1937 u. 17. 2. 1942; Südkurier vom 4. 1., 6. 1. u. 22. 9. 1949.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)