»Wenn es nur noch um das Geld geht…«

Ehe- und Familienstreitigkeiten in den Stuttgarter Amtsgerichtsakten

Amtsgerichtsgebäude in Esslingen, aufgenommen im Jahr 1978. Quelle: Landesarchiv BW, StAF W 134 Nr. 112393b.. Zum Vergrößern bitte klicken.
Amtsgerichtsgebäude in Esslingen, aufgenommen im Jahr 1978. Quelle: Landesarchiv BW, StAF W 134 Nr. 112393b. Zum Vergrößern bitte klicken.

Die Beklagte habe sich weder um ihn noch um die Kinder noch um den Haushalt gekümmert. […] Obwohl der Kläger der Beklagten monatlich mindestens DM 300.- als Wirtschaftsgeld gegeben habe, habe sie laufend beim Gärtner, Metzger u. sogar bei der Hausangestellten Schulden gemacht.

Ehe- und Familienstreitigkeiten schlagen sich in staatlicher Überlieferung auch in den sogenannten Elternsachen nieder, die an den Amtsgerichten verhandelt wurden. Bis 1976 wurden Ehen durch Scheidungsverfahren am Landgericht nach dem Schuldprinzip geschieden. Die Folgen der Ehescheidung, vor allem das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder und der Unterhalt, beschäftigten aber die Amtsgerichte. Wer schuldig geschieden wurde, musste die Kosten des Scheidungsverfahrens tragen, bekam keinen Ehegattenunterhalt und verlor häufig auch die elterliche Gewalt über die gemeinsamen Kinder.

Im eingangs erwähnten Zitat zeigt sich exemplarisch, wie gesellschaftlich die innerfamiliären Aufgaben gesehen wurden: Die Frau hatte sich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern, wofür ihr der Mann als Familienernährer ein ausreichendes Wirtschaftsgeld zur Verfügung stellen musste. Ein Versagen in dieser festgelegten Geschlechterrolle konnte für beide Seiten zum Negativ-Argument im Scheidungsstreit gereichen.

Geld wurde zudem bei der Sorgerechtsregelung zum Streitpunkt zwischen den Beteiligten. Da Männer meist die Alleinverdiener waren und demnach häufiger Unterhalt nach einer Scheidung zu zahlen hatten, konnte einer Ex-Frau schnell der Vorwurf entgegengebracht werden, sie wolle nur möglichst viel aus ihm herausschlagen. Auch Frauen warfen Männern finanzielle Interessen vor, wie ein weiteres Beispiel aus den Akten zeigt, in dem sich der Vater erst dann für seine Kinder zu interessieren scheint, als diese selbst bald erwerbstätig werden und er erwarten kann, von seiner Zahlungspflicht befreit zu sein.

Zusätzlich zu den Unterhaltszahlungen konnten Frauen auch selbst eine Erwerbstätigkeit ergreifen, um ihren Lebensunterhalt besser zu finanzieren. Vielfach war dies notwendig, um eine ausreichend große Wohnung für sich und die Kinder anmieten zu können. Weibliche Erwerbstätigkeit wirkte sich aber nicht immer positiv auf den Sorgerechtsstreit aus, wenn Väter die elterliche Gewalt ebenfalls erstreiten wollten. Argumentiert wurde in diesen Fällen, dass eine Betreuung der Kinder nur durch Verwandte geleistet würde oder die Kinder gar in einer Kindertagesstätte untergebracht werden müssten. Demnach würden die Mütter ihrem Erziehungsauftrag nicht gerecht. Hingegen wurde von Männern gesellschaftlich nicht erwartet, sich selbst um die Kinder kümmern zu müssen.

Die hier geschilderten Beispiele zu Familienstreitigkeiten entstammen den GR-Akten des Amtsgerichts Stuttgart, die nun gesichtet, bewertet und in das Staatsarchiv Ludwigsburg überführt wurden. Sie bilden familiäre oder zwischengeschlechtliche Streitkultur um Familienbilder, Lebensumstände von getrennten Paaren und den Umgang mit ihren Kindern sowie deren wirtschaftliche Lage ab. Sie werfen sozialgeschichtliche Schlaglichter auf Stuttgarter Familienverhältnisse von 1946 bis in die 1960er Jahre, wie sie sonst in staatlicher Überlieferung nur selten zu finden sind.

Simone Ruffer

Quelle: Archivnachrichten 64 (2022), Seite 39.

Ergänzende Angaben

Die beiden Zitate stammen aus dem Bestand Landesarchiv BW, StAL FL 300/30 III, Bü 2878, Bl. 1v bzw. LABW, StAL FL 300/30 III, Bü 2878, S. 59v.

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