»... der Reichsordnung nach ungemeß befunden«

Probationstage als Kontrollinstrument des Münzwesens im Heiligen Römischen Reich

Das vom fränkischen, bayrischen und schwäbischen Kreis veröffentlichte Augsburger Münzedikt von 1608, in der linken Spalte zu sehen sind Silbertaler, welche wegen ihres geringen Silbergehalts verboten wurden, darunter auch der Taler Agostino Spinolas (unten links). Quelle: Landesarchiv BW, HStAS C 12 Bü 10.. Zum Vergrößern bitte klicken.
Das vom fränkischen, bayrischen und schwäbischen Kreis veröffentlichte Augsburger Münzedikt von 1608, in der linken Spalte zu sehen sind Silbertaler, welche wegen ihres geringen Silbergehalts verboten wurden, darunter auch der Taler Agostino Spinolas (unten links). Quelle: Landesarchiv BW, HStAS C 12 Bü 10. Zum Vergrößern bitte klicken.

Den Feingehalt an Gold oder Silber verringern und den nicht edelmetallischen Anteil vergrößern und schon lässt sich mit demselben Einsatz an Edelmetall mehr Geld schlagen. So verführerisch dies war, so häufig wurde dies auch bei der Münzprägung angewandt.

Um derartigen Münzverschlechterungen entgegenzuwirken, mussten im Heiligen Römischen Reich wirksame Maßnahmen eingesetzt werden. Dazu wurden in den Reichsmünzordnungen die sogenannten Probationstage vorgeschrieben, über welche die Reichskreise Aufsicht hatten. Bei diesen mehrmals im Jahr stattfindenden Zusammenkünften wurden durch die Wardeine, fachlich ausgebildete und vereidigte Gutachter, die sich im Umlauf befindlichen und die durch die münzberechtigten Kreisstände neu geprägten Münzen auf Schrot und Korn probiert. Das heißt ihr Feingehalt und Gewicht wurden genau analysiert.

Der Schwäbische Kreis, für den der Herzog von Württemberg als sogenannter Obrist die Leitung hatte, war angehalten, zweimal jährlich gemeinsam mit den correspondierenden Kreisen Franken und Bayern einen Probationstag abzuhalten. Am 12. Oktober 1608 fand ein solcher in Augsburg statt. Bei der gegenseitigen Kontrolle der innerhalb der drei Kreise geprägten Münzen gab es keine Beanstandungen. Hingegen dokumentierte der fränkische Münzwardein Johann Huefnagel in seinem Analysebericht bei insgesamt 22 aus dem Umlauf entnommenen Silbermünzen fremder Herkunft, dass diese nicht den Vorgaben der Münzordnungen entsprachen.

Ein extremes Beispiel bildet hier der Silbertaler von Agostino Spinola, Graf von Tassarolo. In seiner kleinen piemontesischen Grafschaft nutzte er das Münzrecht, um durch international agierende Geldhändler minderwertiges Geld schlagen zu lassen. Über das Münzbild mit Bindenschild im Doppeladler wurde eine trügerische Ähnlichkeit mit habsburgischen Münzen erreicht, sodass es im Deutschen Reich gewinnbringend in Umlauf gesetzt werden konnte. Zu den Hintermännern solcher Geschäfte gehörte beispielsweise der Schweizer Kupferstecher und Stempelschneider Martin Martini, ein begabter Künstler, der bereits wegen Münzfälschung in Erscheinung getreten war und 1610 als Münzmeister in Tassarolo verstarb. Die Messung Huefnagels ergab ein Fehlen von 39,79 Prozent zum vorgeschriebenen Silbergehalt der Reichsmünzen, woraufhin Agostino Spinolas Taler neben drei weiteren durch das Augsburger Münzedikt von 1608 verboten wurde.

Einen geringeren Fehlgehalt von bis zu einem Sechstel zeigten z. B. viele Kleinmünzen, vor allem Groschen aus anderen Reichskreisen. Solche Münzen blieben für den weiteren Umlauf zugelassen, ihr Geldwert wurde entsprechend des Feingehalts jedoch herabgesetzt.

In ihrem Abschied erkannten die Teilnehmer des Probationstags die allgemeine Tendenz der Geldverschlechterung. Trotz aller Mahnungen konnten sie aber den Trend nicht aufhalten, welcher zwölf Jahre später in einer katastrophalen Inflation, der sogenannten Kipper- und Wipperzeit zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs gipfelte. Die Prioritäten der Landesherren sahen 1608 anders aus: Rüstung und Festungsbau für die sich bereits anbahnende große Auseinandersetzung.

Eva Ilisch

Quelle: Archivnachrichten 64 (2022), Seite 24-25.

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