Ortslage und Siedlung (bis 1970): | Wilflingen ist der Namensform nach eine alemannische Gründung. Entsprechende Gräberfunde fehlen bislang, aber der Flurname Auf der Lehr (von althochdeutsch »hleo«-Grabhügel) am westlichen Ortsrand deutet in diese Richtung. Das Dorf liegt zentral in der Gemarkung (573 Hektar Fläche), es entwickelte sich entlang kleiner, vom Lemberg kommender Bachläufe. Siedlungskern war das zollerische Hofgut, heute der Bereich um das Gasthaus Krone, und der nicht weit entfernt gelegenen Gallus-Kapelle. Einen zweiten Kristallisationspunkt bildete der Haupthof der rottenmünsterschen Grundherrschaft, den man beim Gasthaus Klösterle vermutet. Die Zahl der Hofstellen betrug um 1500 kaum über 20. Die heute zum Teil ins 17. Jahrhundert zu datierenden Bauernhöfe sind überaus stattliche aufgestockte Einhäuser mit Stall, Scheune und Schopf unter einem Dach. Die Bauern wirtschafteten auf einer klassischen Dreizelgenflur (Zelgen am Lainenberg, Mattenberg und Hochberg). Wilfingen hat ein Neubaugebiet im Nordwesten. |
Geschichte: | Wilflingen wird 1095 erstmals genannt, als ein Ritter Wortwin, vermutlich kein Angehöriger eines Ortsadels, zwei Höfe im Ort an das Kloster St. Georgen schenkte. Auch später ist kein Ortsadel erwähnt. Der St. Georgener Besitz in Wilflingen wird nach 1139 nicht mehr erwähnt. Die ursprünglichen Herrschaftsstrukturen sind schwer zu fassen. Das erst im 17. Jahrhundert überlieferte Gallus-Patrozinium der Wilflinger Kirche lässt zwar an frühen St. Galler Besitz denken, doch wurde der Heilige auch auf der Reichenau verehrt. Dazu passt, dass das Bodenseekloster tatsächlich als Oberlehensherr im Ort erscheint: Graf Friedrich Ostertag von Zollern bekannte 1318, dass seine Familie das Dorf mit Leuten, Gütern und allem Zugehör von alters her von Reichenau zu Mannlehen innehatte. Während Reichenau als Oberherr später nicht mehr auftritt, sollten die Grafen von Zollern bis zum Ende des Alten Reiches die Ortsherrschaft ausüben, die Hochgerichtsbarkeit besaß spätestens im 15. Jahrhundert, wohl aber schon seit 1381 Österreich. Dies lässt darauf schließen, dass die Rechte in Wilflingen ursprünglich zwischen den stammgleichen, um 1170 voneinander geschiedenen Häusern Zollern und Hohenberg geteilt waren. Die Konkurrenz zwischen Zollern und Österreich spielte jahrhundertelang keine Rolle, bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts Österreich Anspruch auf die volle Territorialhoheit geltend zu machen begann. Die Grafen von Zollern besaßen in Wilflingen die Vogtei, die niedere Gerichtsbarkeit, das Zehntrecht und die Pfarrpräsentation. Hinzu kam die Leibherrschaft über einen Teil der Bevölkerung und eine ansehnliche Grundherrschaft um das herrschaftliche Hofgut. Neben Zollern gab es seit dem Mittelalter eine Reihe weiterer Grundherren, das Kloster Rottenmünster hatte sechs Höfe, Einzelhöfe gehörten darüber hinaus den Klöstern Berau beziehungsweise Alpirsbach, den Dominikanern und Dominikanerinnen sowie den Johannitern in Rottweil und der Heiligenpflege in Feckenhausen. Seine Rechte an Wilflingen hat das Haus Zollern fast dauernd zu Lehen beziehungsweise zu Pfand ausgegeben. Von 1311 bis 1426 befand sich das Lehen in der Hand der Rottweiler Patrizierfamilie von Balgingen, dann wechselte es in schneller Folge den Inhaber, bis es 1484 den Charakter einer Pfandschaft annahm. Im 16. Jahrhundert scheinen die Grafen von Zollern das Dorf an sich gezogen zu haben, doch nach dem 30jährigen Krieg versetzte das notorisch verschuldete Fürstenhaus Hohenzollern-Hechingen zunächst das Hofgut, dann den ganzen Ort als Pfand. Die Pfandherren wechselten rasch. Gemeindestrukturen (»Gepursami« und Dorfvogt) lassen sich erst spät, 1513, nachweisen. Seit dieser Zeit ist die Reihe der Dorfvögte lückenhaft bekannt. Der Dorfvogt wurde beim Jahrgericht aus der Mitte der Gemeindeversammlung gewählt (1548). Eine Anzahl kommunaler Aktivitäten ist überliefert, Bittschriften verschiedener Inhalte sind erhalten (1576, 1589, 1658, 1739). Die Gemeinde entwickelte unter den verschiedenen Pfandherren eine durchaus politische Rolle. Für 1697 ist ein Aufruhr gegen Baron von Arzt belegt, bei dem die meisten Untertanen verschuldet waren. Von 1750–1753 gab es Unruhen gegen die Pfandherrschaft Baratti, die den Ort seit 1703 innehatte. Die anhaltende Unzufriedenheit mit dieser Familie endete 1765 mit dem Ende der Pfandherrschaft und mit dem Erwerb der hohenzollerischen Güter durch die Gemeinde. Der hohenzollerische Landesvergleich von 1798 zeigt das Wilflinger Gemeindesiegel mit dem Bären, Attribut des heiligen Gallus. Hohenzollern versuchte im 18. Jahrhundert mehrfach, das als Exklave vom Territorium getrennte Dorf zu verkaufen. Aber alle Interessenten sprangen ab, weil Wilflingen nicht uneingeschränkt der Herrschaft Hohenzollern unterstand. Als Hohenzollern in Wien wegen Abtretung der Hochgerichtsbarkeit vorfühlen ließ (1739–1741), intervenierte Österreich plötzlich wegen der seit geraumer Zeit praktizierten Salpetersiederei in Wilflingen mit der Begründung, Österreich besitze hier die »Territorialsuperiorität«. Die Auseinandersetzungen zwischen Hohenzollern und Österreich um Landeshoheit, Bergrecht und Zollstock in Wilflingen zogen sich bis 1797 hin und hätten wohl zugunsten des letzteren geendet. 1806 zog Württemberg als Rechtsnachfolger Österreichs im Ort auf und setzte den Streit fort, bis es 1821 den Ort »in allen Beziehungen als Ausland« erklärte. Damit besaß Hohenzollern-Hechingen erstmals die volle Souveränität über Wilflingen. Der Ort gehörte zum hohenzollerischen Amt Hechingen, 1969 vom Landkreis Hechingen an Landkreis Rottweil. |
Wirtschaft und Bevölkerung: | Wilflingen war von der Bevölkerungszahl her ein kleines Dorf. Am Beginn der Neuzeit hatte es weniger als 100 Einwohner (17 Familien 1548). 1598 sind 26 Familienväter genannt (circa 120 Einwohner). 1618/19 lassen sich 37 Haushalte ermitteln (circa 170 Einwohner), während unmittelbar nach dem 30jährigen Krieg (1654) nur noch 24 Haushaltsvorstände gezählt wurden (circa 110 Einwohner). Von 1660 an (30 Familienväter, circa 135 Einwohner) über 1727 (40 Haushalte, circa 180 Einwohner) und 1740 (68 Haushalte, circa 340 Einwohner) ist die Bevölkerung im 18. Jahrhundert dramatisch gestiegen, eine amtliche Statistik nennt 1811 erstmals exakt 521 Einwohner. Es gab einen erheblichen Anteil an bäuerlichem Eigenbesitz. Um 1740 verfügten 15 Familien über die Hälfte der lehenbaren Nutzfläche, die andere Hälfte verteilte sich auf die restlichen 53 Familien. 1669 wird das soziale Gefälle auch von der Vermögensschätzung her bestätigt: Unter 28 Familien besaßen zehn kein nennenswertes Vermögen, weitere elf Familien brachten ein Vermögen zwischen 100 und 200 Gulden auf, nur sieben Familien lagen über dem Durchschnitt von 173 Gulden und nur drei besaßen über 500 Gulden. Der Kauf des zollerischen Hofguts (1765) durch die Gemeinde hatte den Zweck, den Hof (98 Jauchert Acker, 65 Mannsmahd Wiesen) unter den armen Familien aufzuteilen, was die Not nur vorübergehend linderte. Seit 1679 und zunehmend seit 1765 ist sporadisch Auswanderung nach Osteuropa zu belegen. Die Bauern lebten überwiegend von der Landwirtschaft. Seit 1553 ist eine herrschaftliche Taverne belegt, die spätestens Mitte des 18. Jahrhunderts den Namen Zur Krone trug. Unter den Pfandherren von Baratti war dem Wirtshaus eine Brauerei angegliedert. Seit dem 16. Jahrhundert lassen sich annähernd kontinuierlich Schmiede nachweisen. Anderes Handwerk (Zimmerleute, Sattler, Schuhmacher, Schlosser) ist seit dem 17. Jahrhundert sporadisch überliefert. Ein bemerkenswertes Kapitel der Gewerbegeschichte bildete die Salpetersiederei, die seit Anfang des 18. Jahrhunderts unter den Herren von Baratti betrieben wurde. Mit Beginn der Auseinandersetzungen um die Salpetersiederei 1745 war längere Zeit an einen geregelten Betrieb in der Salpeterhütte nicht mehr zu denken. Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Betrieb eingestellt. |