Ortslage und Siedlung (bis 1970): | Das Stadtgebiet in den Grenzen von 1970, also vor der Kreisreform, gliedert sich heute in die 9 Stadtteile Ulm-Mitte, Oststadt, Böfingen, Weststadt, Eselsberg, Söflingen, Grimmelfingen, Wiblingen und Donautal. Diesen Gebietsumfang hatte die Stadt seit der Eingemeindung von Grimmelfingen und Wiblingen 1926/27. Ulm-Mitte, der zentrale Stadtteil umfasst die Baufläche der historischen Reichsstadt einschließlich der Stadterweiterung des 19. Jahrhunderts nach Norden (»Neustadt«), den Gaisenberg und Michelsberg sowie das Gelände zwischen Stuttgarter Straße und Örlinger Tal mit dem Neuen Friedhof. Auf der Blau-Donauebene bilden im Westen die Bahnanlagen mit dem Hauptbahnhof, im Оsten die Münchner Straße (ehemaliger Stadtgraben) - König-Wilhelm-Straße die Grenzen. So hat der Stadtteil Mitte die Form eines etwa 5 Kilometer langen, nach Norden spitz zulaufenden Streifens mit der etwa 1,2 Kilometer langen Donaufront der Reichsstadt als Basis. Seine innere Gliederung unter städtebaulichem Aspekt von Süden nach Norden spiegelt zugleich die wichtigsten Etappen der historischen Entwicklung wider. Innerhalb der durch den Mauerzug des 14. Jahrhunderts umgrenzten Altstadt lässt das Grundrissbild noch den Bereich der älteren, staufischen Stadt erkennen. Im Anschluss an die karolingische Pfalz beim Weinhof reicht die Marktsiedlung des 12. Jahrhunderts etwa bis zur Nordseite des Münsterplatzes, an die Hafengasse, Grünhofgasse und den Grünen Hof. Die wichtigsten Straßen verlaufen hier von Westen nach Osten, vielleicht vorbestimmt durch den Hochsträß-Fernweg. Dagegen quert keine der rippenförmig nach Norden und Süden abzweigenden Gassen diesen Bezirk ganz. Etwa in der Mitte der ungefähr rechteckigen Anlage ein nord-südlich gerichteter Straßenmarkt, später durch Seitenplätze erweitert. Durch die Vergrößerung im 14. Jahrhundert auf das Vierfache der Fläche entstand der ovale Grundriss der Reichsstadt, der noch heute im Straßenzug Promenade-Friedrich-Ebert-, Olga-, Heim- und Münchner Straße deutlich ist. Die Straßenführung in diesem neueren Teil der Altstadt ist großzügiger und regelmäßiger, wobei die Nord/Süd-Straßen als Hauptachsen hervortreten. In Kleinformen des Grundrisses sind vielleicht noch die Dorfsiedlungen Pfäfflingen und Westerlingen zu erkennen. Der Altstadtbereich des 14. Jahrhunderts, unverändert bis Anfang 19. Jahrhunderts, ist mit über 70 Hektar bemerkenswert groß. Seit dem 16. Jahrhundert bestimmte der Festungsbau die Entwicklung der Stadt bis an die Schwelle des 20. Jahrhunderts; von den Befestigungen des 16. bis 18. Jahrhunderts sind nur noch Reste einiger Erdwerke vorhanden, von der Bundesfestung des 19. Jahrhundert dagegen noch mächtige Anlagen (zum Teil unter Denkmalschutz). Der Grundriss der Altstadt erfuhr seit dem 15. Jahrhundert kaum Veränderungen. Durch Abbruch von Häuserblocks entstanden neue Plätze, so Erweiterung des Marktplatzes 2. Hälfte 15. Jahrhundert. In Etappen bildete sich der große Münsterplatz (Westteil 1529 und 1874/80 durch Abbruch des Barfüßerklosters, Südteil durch Auflassung des Kirchhofs 1807, Ostteil 1870/72, Nordteil 1899). Durchbruch der Bahnhofstraße 1865, Straße zur Gänstorbrücke 1911. Seit der Zerstörung Ulms durch die Luftangriffe 1944/45 wird das Stadtbild außer von dem weiterhin beherrschenden Münster nur noch punktuell von historischer Bausubstanz geprägt. Am meisten blieb in drei Bezirken erhalten: im Nordosten zwischen Bockgasse und Seelengraben, nördlich des Münsters zwischen Hafengasse und Neuem Graben sowie im Süden zwischen Blau und Donau. Beim Wiederaufbau wurde 1954/57 eine neue, 1,2 Kilometer lange Ost/West-Verkehrsachse mitten durch die Altstadt geschaffen (Neue Straße), sonst das alte Straßennetz teilweise verbreitert und begradigt. Zwischen der Olgastraße und dem Michelsberg (Bahnlinie) erstreckt sich auf dem ehemals feuchten, einige Meter tiefer als die Altstadt gelegenen »Boden« die Neustadt der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts mit einem uniformen Straßengitternetz, dem Karlsplatz-Quadrat als Zentrum und dem aufgelassenen Friedhof, der als Grünzone erhalten blieb. Die Nordrichtung der Stadterweiterung war bestimmt durch den Festungsbau ab 1842, der nur hier Raum ließ, und durch die Bahnhofsanlagen im Westen der Altstadt seit 1850. Dieser Bezirk, der 1944/45 ebenfalls starke Zerstörungen erlitt, besteht hauptsächlich aus Mietwohnblocks und gewerblichen Betrieben. Der Südhang des Michelsbergs ist im Gegensatz zur Neustadt ein Villenviertel vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Auf der Höhe des Berges die ehemalige Zitadelle (Wilhelmsburg und Wilhelmsfeste) als Kernstück der Bundesfestung und das nach Norden vorgeschobene Fort Prittwitz. Am Osthang der neue Friedhof (1894). Auf dem Vorsprung des Gaisenbergs wich eine Festungsbastion 1960 dem Neubau der Fachhochschule. |
Geschichte: | 813 Ulmam . . .villam (Fälschung 2. Drittel 12. Jahrhundert), 854 Hulmam palatio regio (wohl von mittelhochdeutsch ulmic = sumpfig). Die 854 genannte königliche Pfalz nahm die niedrige Kuppe nördlich der Donau, den heutigen Weinhof, ein. Diese war schon im 7. Jahrhundert von Alemannen besiedelt. Dabei handelte es sich aber offenbar nicht um eine der bäuerlichen alemannischen Gruppensiedlungen, wie sie, an ihrem Ortsnamen auf -ingen erkennbar, in der Umgebung häufig vorkommen. Ob zu dieser ältesten Siedlungsschicht die beiden Orte Westerlingen (im Blauviertel) und Pfäfflingen (im Osten, 1244, 1279 Pheplingin) zu rechnen sind, die 1316 in die beginnende Stadterweiterung einbezogen wurden, ist noch unsicher. Daher muss auch die Zuordnung des mit circa 420 bekannten Bestattungen recht umfangreichen Reihengräberfeldes am Kienlesberg (heute Bahnhofsbereich) aus der Zeit um 450 bis 700 offen bleiben. Dasselbe gilt für die alte Pfarrkirche »ennet feldes« im heutigen Alten Friedhof, für die auch die Entstehung im Zusammenhang mit dem Königshof in Frage kommt. Dessen Anlage wird auf das 8. Jahrhundert angesetzt. Nach der auf 813 gefälschten Urkunde schenkte Karl der Große den königlichen Ort Ulm (Ulmam nostram regalem villam) dem Kloster Reichenau. Da der Fälschung eine Urkunde Ludwigs des Deutschen zugrunde liegt, wird vermutet, dass dieser dem Kloster nur die Pfarrkirche samt Zubehör geschenkt hatte, was dann auf das ganze Reichsgut in Ulm ausgedehnt werden sollte. Die Pfalz entwickelte sich zur wichtigsten im alemannischen Raum. Die mit dem Herzogtum Schwaben belehnten Staufer bauten die sich räumlich anschließende, 1028 oppidum genannte, bereits 1060 und 1090 über eine Münze verfügende Marktsiedlung vom Ende des 11. Jahrhunderts an zur Stütze ihrer Macht aus. Als solche trafen sie auch gegnerische Angriffe, so 1131 und besonders 1134, als der Welfe Heinrich der Stolze das oppidum völlig zerstörte. Der Wiederaufbau der Pfalz samt dem »Luginsland« als Bergfried war wohl bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts abgeschlossen, und noch im 12. Jahrhundert wurde die sich im Оsten und Norden anschließende Marktsiedlung in die Befestigung einbezogen (»Stauferstadt«). Ihre drei Tore standen im Bereich des westlichen Münsterplatzes, der Frauenstraße und an der Südostecke der Stadt. Eine »obere Brücke« über die Donau ist 1240 genannt. Sie lag in der Nähe des Spitals, das sich damals aber vermutlich noch innerhalb der »Stauferstadt« befand. Die Stadt wurde 1245/46 durch den Gegenkönig Heinrich Raspe vergeblich belagert. Bis zum Ende der Staufer blieb Ulm die bevorzugte schwäbische Pfalz. Die Stadtwerdung vollzog sich allmählich, vielleicht schon seit dem 11. Jahrhundert. Unter Kaiser Friedrich I. ist 1181 die Bürgerschaft (civitas) genannt. 1255 bestätigten Amman, Rat und Bürgergemeinde (minister, consules et universitas civium), die dabei erstmals bezeugt sind, Graf Albert von Dillingen, seine Familie habe von alters her das Amt des Reichsvogts innegehabt, das heißt die Herrschaftsrechte für den König ausgeübt. Nach dem Aussterben der Dillinger 1258 übertrug Konradin die Vogtei 1259 an Graf Ulrich von Württemberg. In nachstaufischer Zeit gelang es der Stadt, die Reichsunmittelbarkeit zu wahren. Die Reichsvogtei erlosch zwischen 1357 und 1361; letzter Träger dieses Amts war Herzog Stefan von Bayern. Während der Vogt die Hochgerichtsbarkeit innehatte, übte der erstmals 1222 nachweisbare Amman (minister) als Vorsitzender des Stadtgerichts die Niedergerichtsbarkeit aus. Der Amman wurde alljährlich von 63 vornehmen Stadtbürgern gewählt, was erstmals für 1296 nachgewiesen werden kann. 1347 gelang es der Stadt, dem Reich das Amt abzukaufen; an seine Stelle trat allmählich das des erstmals 1292 genannten Bürgermeisters. Um die Beteiligung der erstarkten Zünfte am Rat und damit am Stadtregiment entbrannte um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert ein erbitterter Streit mit den bisher herrschenden patrizischen Familien. Die Zünfte erkämpften sich bis um 1325 die Ratsmehrheit und stellten sich zusammen mit dem Bürgermeister an die Spitze. Der Streit hielt jedoch an und überdauerte die Verpfändung der Stadt 1331 bis 1342 durch den Kaiser an Graf Berthold von Graispach und Marstetten, genannt von Neuffen. Auf der Grundlage eines Sühnevertrags schufen die beiden Stände mit dem »Kleinen Schwörbrief« 1345 eine neue Stadtverfassung, die den 17 Zünften mit je einem Sitz im 31köpfigen Rat die Mehrheit sicherte. Alljährlich am Schwörtag leistete die Bürgerschaft zusammen mit dem neugewählten Bürgermeister und dem neuen Rat darauf den Eid. Der »Große Schwörbrief« von 1397, das bedeutendste Verfassungsinstrument der Reichsstadt, führte diese Entwicklung fort, verstärkte nochmals die Stellung der Zünfte und bestätigte den Bürgermeister als Stadtoberhaupt. Der Amman behielt den Vorsitz im Stadtgericht. Durch kaiserliche Privilegien erlangte die Stadt 1359 die Freiheit von fremden Gerichten und 1397 den Blutbann. Nach der Unterwerfung Ulms im Schmalkaldischen Krieg beseitigte Kaiser Karl V. 1548 die in den Schwörbriefen festgelegte Stadtverfassung. Der Einfluss der Zünfte wurde stark zurückgedrängt und diese selbst vorübergehend aufgehoben. Die Verfassungsrevision von 1558 brachte zwar eine neue Verfassungsurkunde und an diesen »Schwörbrief« angeknüpft die Wiederaufnahme der Schwörfeiern, doch blieben die Zünfte politisch entmachtet. Diese Regelung bestand bis zum Ende der Reichsstadtzeit. Die Erweiterung der Stauferstadt zu Anfang des 14. Jahrhunderts leitete die spätmittelalterliche Blütezeit ein. Die 1316 begonnene Neubefestigung gab der Stadt ihre bis ins 19. Jahrhundert nahezu unveränderte Ausdehnung. Außerhalb blieb die Pfarrkirche »ennet feldes«. 1376 verbot der Rat den Neubau von Häusern in dem gegenüberliegenden Vorstadtweiler Schwaighofen, siedelte die Bewohner in die Stadt um und ließ die Gebäude abbrechen. 1375 begann der Ausbau der Donauinsel zu einem Brückenkopf mit einer befestigten Handwerkersiedlung. Die 4 Haupttore waren das Frauen-, Herdbrucker-, Glöckler- und Neutor, alle im 19. Jahrhundert abgebrochen. Erhalten sind der Metzgerturm von vor 1349, der Gänstorturm um 1360 (Oberteil 1495, Dach 1956) und der Seelturm ebenfalls aus dem 14. Jahrhundert (Zundeltor; seit 1638 Wasserturm, renoviert 1974). Teile des Mauerzugs stehen vor allem noch entlang der Donau sowie am Frauen- und Seelengraben, wo die bemerkenswerten Grabenhäuschen, Soldatenwohnungen der Zeit um 1610/30, angebaut sind. Bis ins 16. Jahrhundert hatten die Bemühungen der Stadt, ihr Territorium zu erweitern, Erfolg. Dieses zählte schließlich - nur noch mit dem der Reichsstadt Nürnberg vergleichbar - zu den größten reichsstädtischen Herrschaftsgebieten. Über den reichen Juden Jäcklin erwarb Ulm 1377 die Stadt Langenau und 1383/85 Stadt und Herrschaft Albeck der Grafen von Werdenberg-Sargans. Etwa gleichzeitig (1382/96) folgte (zunächst als Pfand) die Grafschaft der Helfensteiner mit der Stadt Geislingen und dem Schloss Helfenstein sowie schließlich 1453 die Stadt Leipheim (Bayern). Die Herrschaft Wain gehörte 1571 bis 1773 als Exklave zum Stadtterritorium, dessen weiterer Arrondierung auch die Erwerbungen des Spitals der Reichen Siechen zu Sankt Katharina dienten. Ein wichtiger Schritt bei der Verdrängung fremden Einflusses aus der Stadt war der Aufkauf der Güter des Klosters Reichenau. Dieses hatte in der Umgebung, nach der Tradition von Karl dem Großen, bedeutenden Besitz, darunter die Pfarrkirche »ennet feldes« erhalten. Weitere Erwerbungen führten schließlich zu einem umfangreichen Verwaltungskomplex; der Reichenauer Hof ist allerdings erst 1246 nachweisbar (vermutlich in dem östlich gelegenen Pfäffingen). 1264 erwarb die Reichenau den im Gelände des Grünen Hofs gelegenen Salemer Klosterhof. 1383 kaufte die Stadt das Präsentationsrecht der Pfarrei im Zusammenhang mit dem Baubeginn am Münster. Dies war aber offenbar kirchenrechtlich nicht voll gültig, so dass 1434 Streit darüber ausbrach. Schließlich konnte die Stadt 1446 den gesamten Klosterbesitz mit allen zugehörigen Rechten um 25000 Gulden erwerben. Damit war der letzte fremde Einfluss innerhalb der Mauern endgültig beseitigt. Mit dem Heranwachsen der reichsstädtischen Freiheiten begann für Ulm die Zeit der selbständigen Vertrags- und Bündnispolitik. Nachdem die Stadt schon bei mehreren Landfriedenseinungen als politisch führend anerkannt worden war, folgte 1376, ebenfalls unter ihrer Führung, der Zusammenschluss von 14 Reichsstädten zum Schwäbischen Städtebund. Noch im selben Jahr Belagerung durch den Kaiser. Dieser Städtebund hatte trotz dem Rückschlag infolge der Niederlage gegen Württemberg bei Döffingen 1388 bis über den 2. Städtekrieg von 1449/50 hinaus Bestand, verlor dann aber an Bedeutung. 1488 ging aus ihm der »Schwäbische Bund« hervor; der Bündnisvertrag wurde mehrfach, zuletzt 1522 (bis 1534), verlängert. Ulm war als Vorort der Städte Schauplatz der meisten Städtetage und militärischer Stützpunkt, so 1519 im Kampf gegen Herzog Ulrich von Württemberg und 1525 im Bauernkrieg. Die Nachfolge des Schwäbischen Bundes übernahm seit den 1530er Jahren in gewissem Sinne der als reichsrechtliche Institution geschaffene Schwäbische Reichskreis. Ulm wurde 1542 zum ständigen Sitz der Kreiskasse bestimmt und fortan als Tagungsort bevorzugt. Zugleich wuchs der Stadt der - allerdings von Augsburg immer wieder bestrittene - Vorsitz der Städtebank zu. In der Kreisfestung sollte schließlich die Kreisartillerie gelagert werden. Die politische und wirtschaftliche Bedeutung Ulms ermöglichte die Modernisierung der Stadtbefestigung, die 1527 begann. Schon 1480 war eine Mauer vom Herdbruckertor nach Westen entlang der Donau gezogen und damit die Befestigung begradigt worden. Jetzt trug man die mittelalterliche Stadt- und Zwingermauern teilweise ab und verwandelte sie durch Auffüllung des Zwingers in einen Wall. Dieser wurde durch vorgelegte Basteien oder Vorwerke (erhalten: Wilhelmshöhe, 1527 Bastei unter den Fischern, 1617 Bastion Lauseck) verstärkt. Die Befestigung bewährte sich bei der Belagerung durch ein starkes Heer im Markgrafenkrieg 1552. 1564 erfolgte die Sicherung der Westseite der Donauinsel durch das »Steinerne Werk«. Die 1566 neu errichtete Donaubrücke musste schon 1569/73 durch einen Neubau ersetzt werden. Der Unterbringung des Kriegsgeräts dienten das Zeughaus in der Nordostecke der Stadt sowie die Büchsenstadel. Eine entscheidende Veränderung des Stadtbildes brachte die bis 1622 fertiggestellte Bastionärbefestigung, die die Verteidigungslinien weit in das Vorfeld hinausschob. Die Reste der Bastionen stellen die Adlerbastion (1606/07) und die Wilhelmshöhe (Umbau 1617) dar; weitere sind noch im Bereich des Zeughauses sichtbar. Der 30jährige Krieg verursachte in Ulm Bevölkerungsverluste, einen Niedergang von Handel und Gewerbe sowie wesentliche Vermögenseinbußen, doch wurde die Reichsstadt während des ganzen Krieges nie von feindlichen Truppen eingenommen. Dies gelang aber 1702 im Spanischen Erbfolgekrieg einer bayerischen Abteilung, die sich der Stadt verkleidet näherte und nach Überrumpelung der Wachen das Gänstor öffnete. Die bayerisch-französische Besatzung zog zwar 1704 wieder ab, doch trafen die finanziellen Belastungen dieses Krieges und der Franzoseneinfälle von 1707 die bereits geschwächte Stadt so schwer, dass sie sich davon nicht mehr erholte. Während der Feldzüge der Jahre 1799/1800 hatte sie österreichische Besatzung, die sich 1800 gegen eine französische Belagerung behauptete. Im Waffenstillstand dann doch an die Franzosen ausgeliefert, begannen diese sofort mit der Schleifung der Festungswerke bis auf den mittelalterlichen Mauerring, die auch nach 1803 weiter anhielt. Nach dem Frieden von Lunéville vollzog Bayern bereits 1802 die Besitzergreifung, die 1803 der Reichsdeputationshauptschluß legalisierte. 1803 wurde Ulm nach Auflösung der provisorischen Regierungen in Dillingen und Kempten Sitz der kurpfalzbayerischen Landesdirektion und damit Hauptstadt der Provinz Schwaben. Im dritten Koalitionskrieg belagerte Napoleon nach der Schlacht bei Elchingen 1805 die Stadt nochmals. Die österreichische Besatzung musste kapitulieren. Im Staatsvertrag von 1810 wurde das linke Ufer der Iller und der Talweg der Donau als bayerische Landesgrenze festgelegt und daher Ulm an Württemberg abgetreten. Dieses richtete hier den Sitz der Landvogtei an der Donau und 1817 den Sitz der Kreisregierung für den Donaukreis (1924 aufgehoben) ein. Zugleich wurde Ulm 1810 Oberamtsstadt. Im 19. Jahrhundert spielte Ulm nochmals eine Rolle als Bundesfestung und als Festung des Deutschen Reichs. Der Ausbau war schon 1815 beschlossen worden. Die Arbeiten begannen unter der Leitung des preußischen Ingenieur-Majors von Prittwitz aber erst 1842. Sie waren 1859 zu beiden Seiten der Donau abgeschlossen. Die zum Teil heute noch wohlerhaltenen Anlagen bestanden aus einer bastionären »inneren Umwallung« mit 4 Defensivkasernen und 13 vorgeschobenen Forts auf württembergischer Seite. Die innere Umwallung umschloss die Stadt, von der Wilhelmsburg (Defensivkaserne) und Wilhelmsfeste auf dem Michelsberg ausgehend, im Westen über die Bastion Kienlesberg und die Mittelbastion zur oberen Donaubastion mit Defensivkaserne, im Оsten über die obere und untere Gaisenbergbastion mit Defensivkaserne sowie den »Kavalier« an der unteren Bleiche zur unteren Donaubastion, abermals mit Defensivkaserne. Von den Toren stehen noch das Ehinger und das Blaubeurer Tor; das Stuttgarter Tor wurde abgebrochen. (Die Forts sind bei den einzelnen Stadtteilen genannt.) In Neu-Ulm entstanden außerhalb der Ringbefestigung drei weitere Forts. Bereits 1886 wurde Ulm jedoch zur »Festung 2. Ordnung« herabgestuft, und 1899 ging die als Verteidigungsanlage bedeutungslos gewordene Umwallung an die Stadt über. Nach der Jahrhundertmitte neigte die Stadt in den Landtagswahlen parteipolitisch der Deutschen (nationalliberalen) Partei und der Demokratischen Volkspartei zu, die sich bis zum 1. Weltkrieg abwechselten. In den Wahlen zum Reichstag (Wahlkreis XIV zusammen mit den Oberämtern Geislingen und Heidenheim) setzten sich bis zum 1. Weltkrieg abwechselnd die Nationalliberale Partei, die (freikonservative) Reichspartei und die Demokratische Volkspartei durch. 1938 wurde der Stadtkreis Ulm durch Ausgliederung aus dem Landkreis gebildet. Am Ende des 2. Weltkrieges erlitt die Stadt durch Luftangriffe, der schwerste am 17. Dezember 1944, weitere am 22. Februar, 1. März und 4. März 1945, umfangreiche Zerstörungen. Die Altstadt sank zu etwa 80 Prozent in Trümmer. Am 24. April 1945 wurde die Stadt von amerikanischen und französischen Truppen gemeinsam besetzt. Erhaltene beziehungsweise wiederhergestellte Gebäude (außer Kirchen und Stadtbefestigung): Rathaus mit Ostflügel von 1420/34 (Uhrengiebel 1520) und Nordflügel (Arkadenbau) von 1539. 1539/40 einheitlich zusammengefasst und bemalt (Bemalung 1950 erneuert). Die beiden alten Flügel des Rathauses entstanden zunächst als Kaufhaus. 1899/1905 Erweiterungsbau und baulich verändert. 1944 teilweise zerstört, 1949/50 wiederhergestellt. Schwörhaus am Weinhof, 1612/13 erbaut. 1785 und 1944 ausgebrannt, zuletzt 1954 wiederhergestellt (heute Stadtarchiv und -bibliothek). Vom 1433 erstmals erwähnten Zeughaus (1522 neu erbaut, 1596 durch 2 Trakte erweitert) stehen noch der Löwen- und der Reiterbau von 1666/67 (renoviert 1975/76; Gesundheitsamt). Büchsenstadel (heute Jugendhaus) von 1485. Schuhhaus (Ausstellungssaal), 1537 als Tanzhaus des Patriziats erbaut. Steuerhaus (heute Weinhofschule), 1951 wiederaufgebaut. Kaisheimer Hof von 1522 (1811 bis 1903 Oberamtei, seitdem Postamt). Ochsenhauser Hof (um 1500; Universitätsverwaltung) und Salmansweiler Hof (Wasserwirtschaftsamt). Der »Neue Bau« (Polizeidirektion), 1585/93 als Lagerhaus erstellt, 1924 und 1944 abgebrannt. Salzstadel von 1592. Kornhaus (Konzertsaal) von 1594. Patrizierhäuser: Ehinger Hof (um 1535, darin mit Fresken ausgemalter Prunksaal von um 1370), Haus Frauenstr. 19 (1577). Bürgerhäuser: Haus Drei Kannen (mit barocker Loggia im Garten), Kiechelhaus (Ulmer Museum), Leubesches Haus. Fischkasten-Brunnen auf dem Marktplatz von Jörg Syrlin dem Älteren 1482 (Kopie), Löwenbrunnen vom Ende des 16. Jahrhunderts (ebenfalls Kopie). Der 1294 erwähnte rector puerorum war wohl Vorsteher einer Lateinschule. Nach 1614 bürgerte sich für sie der Titel Gymnasium ein. 1622 zum Gymnasium academicum erhoben, 1809 aber aufgelöst, als Bayern eine »Studienanstalt« einführte. 1811 Unter- und Obergymnasium (heute Humboldt-Gymnasium). Seit 1803/10 stand damit ein »Realinstitut« in Verbindung, 1844 als selbständige Anstalt ausgegliedert, 1878 in eine Doppelanstalt mit Realgymnasium umgewandelt. 1903 wurde die Realschule zur Oberrealschule (heute Kepler-Gymnasium) und 1931 das Realgymnasium verselbständigt (heute Schubart-Gymnasium). 1819 »Höhere Töchterschule«, 1878 höhere Mädchenschule (heute Hans- und Sophie-Scholl-Gymnasium). Privates Mädchengymnasium Sankt Hildegard seit 1950; Vorgängerin war seit 1922 die Katholische Töchterschule (1937 geschlossen). Gewerbliches Schulwesen seit 1826. Die Fachhochschule Ulm wurde als Staatliche Ingenieurschule 1960 gegründet. Die »Hochschule für Gestaltung«, nach 1950 durch die Geschwister-Scholl-Stiftung ins Leben gerufen, musste 1968 geschlossen werden. Als Nachfolgeeinrichtung wurde das der Universität Stuttgart angegliederte Institut für Umweltplanung noch bis 1972 fortgeführt. Die Universität Ulm, eine Medizinisch-Naturwissenschaftliche Hochschule, wurde 1967 gegründet. Der Lehrbetrieb begann im Winter 1969/70. |
Wirtschaft und Bevölkerung: | Für die frühe Bedeutung der Donau als Wasserstraße spricht, daß Ulmer Kaufleute bereits vor 1164 in der steiermärkischen Stadt Enns (Eisenhandel) nachweisbar sind. Auch die Landverbindungen waren günstig; hier trafen sich Handelswege von der Baar, aus dem Ries, vom mittleren Neckar und aus Augsburg, über die Alpen nach Italien führten Fernpaß und Brenner. Schon 1255 waren Ulmer Kaufleute in Genua. Der Handel setzte vor allem die Erzeugnisse der Leinwand- und Barchentweberei (letztere seit dem 14. Jahrhundert) ab, beschäftigte sich aber auch in größerem Umfang mit dem Umschlag von Wein, Eisen und Salz. Die städtische Leinwand- und Barchentschau sicherte eine gleichbleibende hohe Qualität der Erzeugnisse. Im Spätmittelalter waren diese über das gesamte europäische Wirtschaftsgebiet verbreitet. Die Barchentweberei ging bis zum 30jährigen Krieg stark zurück, wogegen sich die Leinenweberei seit 1600 erneut belebte und zum wichtigsten Gewerbe der Stadt wurde. Im 18. Jahrhundert ging auch sie, und in ihrem Gefolge der Handel, wegen steigender Konkurrenz sehr zurück. Mit einem ersten, 1473 erschienenen Druckwerk ist Ulm der früheste Druckort des Bundeslandes. Mit dem Stand der städtischen Wirtschaft scheint die Entwicklung der Einwohnerzahl verbunden, die seit dem 15. Jahrhundert anstieg und um 1600 rund 21000 betrug. Im und nach dem 30jährigen Krieg war sie rückläufig und fiel um die Wende 18./19. Jahrhundert auf rund 11500 zurück. Nach 1810 wirkte sich die Randlage der Stadt an der württembergisch-bayerischen Grenze nachteilig aus. Jedoch bemerkenswert frühe Ansätze der Industrialisierung: Hutfabrik 1800, Gießerei 1820, Zementfabrik 1838, Pflugfabrik 1854, Feuerwehrgerätefabrik 1867. Eine wirtschaftliche Belebung, die vor allem der Zement- und Ziegelindustrie zugute kam, brachte der Festungsbau, der bis zu 8000 auswärtige Arbeitskräfte (1848) gleichzeitig beschäftigte. Der ebenfalls in der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende Eisenbahnverkehr löste die um 1570 aufgekommenen flach und breit gebauten Zillen, die bekannten »Ulmer Schachteln«, für den Güterverkehr donauabwärts ab. |