Schmidt, Franziska 

Geburtsdatum/-ort: 31.08.1899;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 10.11.1979;  Heilbronn
Beruf/Funktion:
  • Journalistin, Kommunalpolitikerin, MdL-SPD
Kurzbiografie:

1927 Eintritt in die SPD; Sekretärin beim SPD-Landesverband Baden in Mannheim; Mitarbeit an der Frauen-Beilage der „Volksstimme“

1933–1936 arbeitslos nach NS-Besetzung der SPD-Geschäftsstelle im „Haus der Volksstimme“ im März 1933

1936 Anstellung bei der Reederei Schwaben in Mannheim

1938 Leiterin der Kahn-Abteilung dieser Reederei

1946–1949 Schriftleiterin der „Heilbronner Stimme“

1946–1952 Mitglied des Landtags von Württemberg-Baden

1947–1971 Mitglied des Stadtrats von Heilbronn

1949–1964 Lokalredakteurin des „Neckar-Echo“, Heilbronn

1950–1952 Vorsitzende des Bücherei-Ausschusses im Landtag Württemberg-Baden

1953–1968 Gründungsmitglied und stellvertretende Vorsitzende der Europa-Union in Heilbronn

1968–1976 Vorsitzende des Tierschutzvereins Heilbronn

1971 Vorsitzende der Verbraucherberatung Heilbronn

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Auszeichnungen: Ehrungen: Ehrenmitglied der Europa-Union Heilbronn (1968); Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland am Bande (1969); Ehrenring der Stadt (1971) und Franziska-Schmidt Weg Heilbronn (1999).
Verheiratet:

unverheiratet


Eltern:

Vater: Adam (geb. 1873), Kaufmann

Mutter: Fanny Wilhelmine, geb. Mohrig (1877–1955)


Geschwister:

Jakob


Kinder:

keine

GND-ID: GND/1012390845

Biografie: Michael Kitzing (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 486-489

Schmidt, die einem bürgerlichen Haushalt entstammte, schloss sich durch das Erlebnis des I. Weltkriegs der SPD an. Nach der Volks- und Handelsschule sowie einer kaufmännischen Lehre wurde sie Sekretärin des SPD-Landesvorstandes Baden in Mannheim und arbeitete bei der Frauenbeilage der Parteizeitung „Volksstimme“ mit und musste miterleben, wie das Haus der Zeitung von den Nationalsozialisten im März 1933 gestürmt wurde. Immerhin waren rechtzeitig wichtige Unterlagen vor der NSDAP in Sicherheit gebracht worden. Im Frühjahr 1933 trafen sich SPD-Mitglieder dann in der Wohnung von Schmidts Eltern, die einen Fernsprecher hatten. Schmidt übernahm danach Kurierdienste ins Saarland und Elsass und die Verteilung von Flugblättern.

Um Pfingsten 1933 wurde die Oppositionstätigkeit von Schmidt enttarnt. Sie wurde im Polizeirevier sieben Stunden lang verhört. Nach ihrer eigenen Schilderung wurde sie erst entlassen, als sie einem der Beamten damit drohte, die Namen all der Beamten bekannt geben, die früher der SPD angehört hatten. Schmidt konnte so ihre Verhaftung abwenden, war aber danach arbeitslos.

Erst 1936 wurde sie Hilfskraft bei der Reederei Schwaben und wechselte zwei Jahre später mit dem Unternehmen nach Heilbronn. Sie war nun für die Kahn-Abteilung zuständig und besaß Handlungsvollmacht. Da die Vorgesetzten in der Reederei Schwaben keine Nationalsozialisten waren und Schmidt in Heilbronn unbekannt war, stand sie dort nicht mehr unter Beobachtung der NSDAP.

Beim Bombenangriff auf Heilbronn am 4. Dezember 1944 wurde das Haus von Schmidt in der Pfühlstraße vollkommen zerstört. Die Beschießung vor der Einnahme der Stadt durch die Amerikaner erlebte sie in einem Keller zusammen mit zwei verschleppten Franzosen. Diese stellten sie dann den amerikanischen Soldaten als Gegnerin des NS-Regimes vor.

Danach entwickelte sie sich schnell zu einer der prägenden Persönlichkeiten in der Heilbronner SPD. Von 1946 bis 1949 war sie Lokalredakteurin der neu gegründeten „Heilbronner Stimme“, stand der Lizenz-Zeitung im Grunde aber distanziert gegenüber. Wie viele Politiker, die ihre Prägung in der Weimarer Republik hatten, erstrebte sie die Rückkehr zur Parteipresse und verlangte eine Neugründung der Heilbronner SPD-Zeitung „Neckar-Echo“. Die nach der „Machtergreifung“ enteigneten Verlagsräume wurden aber erst 1949 im Zuge der Generallizenz zurückgegeben, sodass das „Neckar-Echo“ 1950 in seine alten Räume zurückkehren konnte. Inzwischen hatte sich die Lizenzpresse aber den Löwenanteil der Leser gesichert; die Zeit der Parteizeitungen war vorüber. Das „Neckar-Echo“ erschien nur bis 1967. Schmidt war dort von 1949 bis 1964 Lokalredakteurin.

Ihr Einstieg in die Politik in Heilbronn geschah, nachdem sie Walter Vielhauer (1909–1986), einem der Stellvertreter des Oberbürgermeisters Emil Beutinger, ihre Bereitschaft zur Mitarbeit signalisiert hatte. Ihr politischer Aufstieg danach geschah zügig. 1946 wurde sie in den Landtag von Württemberg-Baden gewählt und nach ihrer Wiederwahl 1950 nahm sie bald den Vorsitz des Landtags-Büchereiausschusses ein und war die einzige Frau im Stuttgarter Nachkriegslandtag bis 1952, die einen Ausschuss leitete. Nur im Freiburger Landtag war mit Hildegard Teutsch (1898–1977) eine weitere Frau Vorsitzende des Sozialausschusses.

„Ich bin dagegen, dass man den Frauen nicht zutraut, politisch denken zu können“ (Heilbronner Stimme vom 30.8.1974), formulierte Schmidt und monierte die geringe Zahl von Frauen in Parlamenten. Es sei geradezu unmöglich, dass im ersten Bundestag 371 Männern nur 29 Frauen gegenübersäßen und unter den 100 Abgeordneten im Stuttgarter Landtag nur acht Frauen seien. Darum müsse es deren Ziel sein, ihre in der Demokratie eingeräumten Rechte auch umzusetzen. Darum erhob sie im Landtag auch Einspruch gegen den sogenannten „Zölibatsparagraphen“, der von Lehrerinnen verlangte, nach ihrer Eheschließung aus dem Staatsdienst auszutreten. Mehr noch störte Schmidt, dass Frauen, die eine Witwenrente bezogen, nach dem II. Weltkrieg von der Kultusverwaltung entlassen worden waren. Letztlich blieb sie aber erfolglos. Der „Zölibatsparagraph“ fiel erst 1957. Neben ihrer Arbeit im Landtag war die Mitbegründern der SPD-Frauengruppe und der Arbeitsgemeinschaft Heilbronner Frauen auch im Frauenbeirat der SPD in Bonn engagiert.

Im Stadtrat, in den sie Ende 1947 gewählt worden war, wollte sich Schmidt da einsetzen, „wo der wirtschaftlich Schwache bedroht ist“ (Neckar-Echo vom 5.11.1959). Wieder vertrat sie Frauenrechte und bezog zu „Fragen des Schulwesens, der sozialen Fürsorge und der Erstellung von Wohnungen, Kindergärten und Kinderspielplätzen“ (ebd.) Position. Immer wieder nannte sie es unverständlich, wenn angesehene Mitstreiter an der Ansicht festhielten, es bedürfe keiner Kindergärten, da sie ja in der Kinderschule auch nur beaufsichtigt worden seien. Dennoch sei etwas aus ihnen geworden. Man müsse in Deutschland endlich erkennen, „dass Kindergärten […] ein wichtiger Faktor kulturellen Lebens wie auch […] sozialpolitische Aufgabe“ seien (Der Anzeiger vom 16.2.1968). Von 6112 Kindern in Heilbronn hätten lediglich 2565 einen Platz in einem kirchlichen Kindergarten; die Stadt entziehe sich dieser Verantwortung. Ziel von Schmidt war es, dass Kindergärten an Schulen angegliedert werden und 12 bis 15 Kinder pro Pädagogin betreut würden. Der Kindergarten sei keine „Bewahranstalt“, er müsse den Ansätzen von Friedrich Fröbel (1872–1840) und Maria Montessori (1870–1952) entsprechen. Schmidt ging noch einen Schritt weiter und forderte den Ausbau von Sonderkindergärten für bildungsschwache oder körperlich behinderte Kinder.

Ein weiteres kommunalpolitisches Anliegen von Schmidt um die Mitte der 1960er Jahre war der Bau einer Frauenklinik, da die Klinik in Sontheim veraltet und überlastet war. Es gehe doch nicht an, dass knapp 50 000 Frauen aus Heilbronn im Krankheitsfalle in eine Klinik nach Heidelberg oder Stuttgart eingeliefert werden müssten, nur weil die Frauenklinik in Sontheim überbelegt sei. Das Projekt Frauenklinik sei ebenso wichtig wie der Neubau von Schulen oder eines Hallenbades. In all diese Objekte müsse gleichzeitig investiert werden, Schmidt blieb aber den Finanzplan schuldig und begnügte sich mit der Forderung, dass die Stadt auf dem Kapitalmarkt Geld beschaffen müsse, auch wenn „Nörgler“ die Städte wegen Überschuldung angriffen. Dies seien notwendige Investitionen, nachdem entsprechende Projekte nach dem I. Weltkrieg, der Inflation und Weltwirtschaftskrise und dann wegen einseitiger Ausrichtung im „Dritten Reichs“ auf Rüstungs- und Kriegspolitik über Jahrzehnte unterblieben waren. Den Verkauf von städtischen Aktien – die Stadt Heilbronn besaß Anteile am Zementwerk Lauffen – lehnte sie aber ab, da so langfristig erhebliche Dividenden anfielen, also Mittel für künftige Investitionen. Schmidt forderte auch den Neubau des Stadttheaters, der sich dann über Jahrzehnte hinzog, und engagierte sich im von Hans Franke begründeten Kleinen Theater.

Auch wenn dies bei Vertretern der Kommunalverwaltung teilweise auf Kopfschütteln stieß, galt ihre persönliche Liebe den Tieren. Sie scheute sich nicht, im Stadtrat darauf hinzuweisen, dass Streusalz Verletzungen an Tierpfoten hervorrufe. Als Vorsitzende des Tierschutzvereines Heilbronn konnte sie ein neues Tierheim im Widmannstal bei Neckargartach realisieren. All ihre Anliegen brachte Schmidt im Stadtrat und regelmäßig in brillant formulierten Leserbriefen in der „Heilbronner Stimme“ zum Ausdruck.

1953 gehörte Schmidt zu den Mitbegründern der Heilbronner Europaunion, deren stellvertretenden Vorsitz sie anderthalb Jahrzehnte einnahm. Weitere Betätigungsfelder der alleinstehenden Dame bildeten die von ihr über mehrere Jahre geleitete Verbraucherberatung, der „Verein der Freunde der Kilianskirche“ und der Indische Kulturverein. Bei ihrem 65. Geburtstag stellte das „Neckar-Echo“ fest: „Im ganzen Unterland kennt fast jedes Kind die Franziska – das spricht wohl für sich selbst“ (ebd. vom 31.8.1964).

Quellen:

StadtA Heilbronn ZS–10361, Franziska Schmidt, E 007–Zeitzeugengespräche Albert Großhans mit Franziska Schmidt (1973/1974) und Dr. Elke Schulz-Hanßen mit Paul Mack (2010); Verhandlungen des I. Württembergisch-Badischen Landtags 1946–1950; Verhandlungen des II. Württembergisch-Badischen Landtags 1950–1952; Heilbronner Stimme 1946–1949; Neckar-Echo 1949–1964.

Werke: Dr. Schumacher sprach, in: Heilbronner Stimme vom 25.5.1946; Verrückte Welt – Berliner Probleme, in: Neckar-Echo vom 29.7.1949; Bürgermeister Hanser empfing die Gäste, in: Neckar-Echo vom 29.2.1964; Das Kriegsopferrecht als Ziel, ebd.; Die Stadt pfeift nicht aus dem letzten Loch, in: Heilbronner Stimme vom 17.3.1966; Die großen Tage im Frühjahr 1945, ebd. vom 3.4.1967; Das Neckar-Echo Heilbronn von 1908 bis 1967, 1979, Manuskript, in: StadtA Heilbronn, ZS–10361.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (um 1955) Schmidt 481, Fotosammlung StadtA Heilbronn, Aufnahme: Mangold.

Literatur:

Die SPD-Kandidaten für den Gemeinderat Heilbronn: Franziska Schmidt, in: Neckar-Echo vom 5.11.1959; Frauen kandidieren für den Gemeinderat, in: Heilbronner Stimme vom 5.11.1959; Mit 65 Jahren – zu jung für den Ruhestand, in: Neckar-Echo vom 31.8.1964; Führungswechsel beim Tierschutzverein, in: Heilbronner Stimme vom 26.5.1967; Vom „Kinderschüle“ zum Kindergarten, in: Der Anzeiger vom 16.2.1968; 100 Jahre im Kampf um Humanität und Menschenwürde, ebd. vom 1.3.1968; Verdienstkreuz für Franziska Schmidt in: Heilbronner Stimme vom 23.7.1969; Der Hundebiss, in: Heilbronner Stimme vom 4.1.1971; Fünf Kommunalpolitiker mit Ehrenring ausgezeichnet, ebd. vom 31.7.1971; 25 Jahre SPD-Gemeinderatsfraktion Heilbronn 1946–1971, 1971; Albert Grosshans, 100 Jahre SPD. 1874 –1974, 1974; ders., Neckar-Echo. Eine Frau der ersten Stunde, in: Heilbronner Stimme vom 31.8.1974; Ethischer Tierschutz bedeutet nicht Vermenschlichung der Tiere, ebd. vom 13.2.1976; Franziska und die Tiere, ebd.; Tageszeitung für das werktätige Volk, 1983; Wilfried Hartmann, Der Weg der Frau in die Kommunalpolitik, in: Heilbronn-Journal 9, 1983, 34–36; Ina Hochreuther, Frauen im Parlament, 1992, 113 Franziska; Gedenken an eine große Heilbronnerin, in: Heilbronner Stimme vom 16.2.1999; Vom Journalismus zur Politikerin, ebd. vom 23.3.2000; Elke Schulz-Hanßen, Eine engagierte Politikerin und Journalistin. Franziska Schmidt (1899–1979), in: Heilbronner Köpfe VI, 2011, 171–186; Iris Bars-Werner/Roswitha Löffler, Zwischen Tradition und Fortschritt – Rollenbilder der Frauen, in: Christhard Schrenk (Hg.), Die 1950er Jahre in Heilbronn, 2017, 52–63.

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