Wolfsberger, Karl 

Geburtsdatum/-ort: 05.01.1889;  Königschaffhausen
Sterbedatum/-ort: 18.12.1962;  Emmendingen
Beruf/Funktion:
  • Maler und Grafiker
Kurzbiografie:

1895–1903 Volksschule Müllheim

1903–1907 Lithografenlehre in Müllheim und Lahr

1907–1909 Gesellenjahre und Weiterbildung in Esslingen, Lahr, Dresden und Hannover

1909–1911 Militärdienst im badischen Leibgrenadierrgt.109 Karlsruhe

1911–1914. Lithograf in Hannover

1914–1915 Kriegsdienst, im Frühjahr 1915 bei Epinal schwere Verwundung

1915–1919 Kunstakademie Karlsruhe

1920–1924 Wohnsitz und Atelier in Müllheim

1924/25 Reise nach Italien

ab 1925 Wohnsitz und Atelier in Karlsruhe; Mitarbeit bei der Restaurierung der Schlosskirche Rastatt

1932 IX 1–1945 Eintritt in die NSDAP, Mitglieds Nr. 1 298 076, Austritt im Dezember 1932, Wiedereintritt 15. April 1935

1933 Teilnahme an der Ausstellung „Markgräfler Künstler“ des „Kampfbunds für deutsche Kultur“ in Lörrach, bis 1944 neben großformatigen Ölbildern auch große Wandbilder

1944/45 Beim Landesschützen-Bataillon 5 in Lahr

1945 Wohnsitz in Müllheim

1945–1962 Wohnsitz und Atelier in Karlsruhe

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet:

1927 (Karlsruhe) Anna (1899–1973) geb. Köhl, Modistin, gesch. 1930


Eltern:

Vater: Karl (1862–1924), Arbeiter

Mutter: Magdalena (1865–1947), geb. Hiezler


Geschwister:

4; Anna, Ida, Fritz, Hermann


Kinder:

keine

GND-ID: GND/1012777723

Biografie: Markus Eisen, Jan Merk (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 581-584

Eine zufällige Begegnung mit Großherzogin Hilda von Baden ermöglichte dem begabten Wolfsberger die künstlerische Ausbildung. Zwischen rein rückwärtsgewandter Idylle und gegenstandslos werdender Moderne fand er zu einem realistischen Stil, ohne dem heroischen Pathos der 1930er Jahre zu erliegen, und wurde in seiner Zeit ein bekannter badischer Künstler.

Wolfsberger, das älteste von fünf Geschwistern, entstammte einfachen Verhältnissen. Sein Vater Karl war als Arbeiter zeitweise in der Kaisermühle in Müllheim beschäftigt. Die kleinstädtisch- idyllische badische Amtsstadt mit ihrem bescheidenen Wohlstand durch Weinbau und Gewerbe prägte seine Jugendjahre. Nach einem ersten Berufsversuch in einer Sattlerwerkstatt begann er hier um 1904 eine Lithografenlehre. Als der Betrieb einging, konnte er seine Ausbildung in Lahr in der Lithografenanstalt Herrmann Pfaff abschließen. Ab 1907 folgten Gesellenjahre in Esslingen, Lahr und Dresden, wo er bei einem Modejournal arbeitete und nebenher Abendkurse an der Kunstgewerbeschule besuchte. Um sich beruflich zu verbessern, ging er dann nach Hannover, wo er Lithograf an einer Kunstanstalt war. Nach seinem Militärdienst in Karlsruhe beim badischen Leibgrenadierregiment 109 kehrte er 1911 zu diesem Betrieb zurück. Er entwarf jetzt u. a. Gebrauchsgrafiken für die Keksfabrik Bahlsen.

Auf der Wanderschaft nach Italien wurde Wolfsberger 1914 in Genf vom Beginn des I. Weltkriegs überrascht. Mit seinem Karlsruher Regiment nahm er im August 1914 an der Schlacht bei Mülhausen im Elsass teil, danach an den Kämpfen in den Vogesen. Im Frühjahr 1915 wurde er auf einem Patrouillengang bei Epinal schwer verwundet. Die nachfolgenden Monate in einer Genesungskompagnie in Mannheim nutzte er zu künstlerischer Betätigung. Seine Arbeiten beeindruckten die Großherzogin Hilda bei einem Besuch so stark, dass sie ihm ein Stipendium für ein Kunststudium verschaffte und für seine Befreiung vom Militärdienst sorgte.

Das Studium an der Akademie Karlsruhe von 1915 bis 1919 bei den Professoren Friedrich Fehr (1862-1927), Malerei, und Caspar Ritter (1861–1923), Portraitmalerei, fiel in die letzten Jahre der Ägide Hans Thomas (1839-1924) als Akademiedirektor. Noch dauerte die Vorherrschaft des Kunsttraditionalismus an, 1918 begann der Einzug der Moderne. Nachwirkungen des Jugendstils, Personen-, Genre- und Landschaftsmalerei prägten ihn in Karlsruhe, wenngleich eine behutsame Öffnung hin zu neuen Themen Wolfsbergers frühes Ölbild „Arbeiter mit Bierflasche“ von 1916 zeigt. Der mit bloßem Oberkörper auf einem Stuhl sitzende Arbeiter, der sichtlich von der Arbeit ausgezehrt ist, hat eine durchaus sozialkritische Komponente, wie sie im späteren Werk Wolfsbergers nur selten vorkommt.

Nach seinem Kunststudium kehrte Wolfsberger in seine Heimatstadt Müllheim zurück, wo er bis 1924 seinen festen Wohnsitz in der Werderstraße 15 hatte. In diesen Jahren zeigt seine hohe Schaffensintensität, dass er offenkundig um die Etablierung als junger Künstler kämpfte: 1918, 1919, 1923 und auch später hatte er in Müllheim Einzelausstellungen. Wolfsbergers Ortswechsel von der Großstadt in die Provinz mag ein Ausweichen vor der Auseinandersetzung mit dem nach 1918 an der Akademie Karlsruhe vordringenden Zeitgeist der Moderne gewesen sein, zumindest war es ein Rückzug auf sicheres Terrain, um die vielfältigen Anregungen aus Studium und aktueller Kunstentwicklung zu verarbeiten und seine eigene Position zu finden.

Wolfsbergers damaliges künstlerisches Schaffen ist ganz von der Darstellung heimatlich-ländlicher Motive gekennzeichnet. Die Landschaftsgemälde zeigen malerisch gelegene Orte des Markgräflerlandes und stille Winkel in Winzerorten. Seine figürlichen Motive stellen einfache Leute, Bauern zumal, bei ihrer Arbeit dar, in Wolfsbergers grafischen Arbeiten, vorwiegend Radierungen und Lithografien, finden sich typische Gebäude und Ensembles, auch Plätze aus Müllheim und Umgebung. Wolfsberger erlangte damit Anerkennung in der lokalen und regionalen Öffentlichkeit, ersichtlich an positiven Pressebesprechungen und Porträtaufträgen, wie dem des ehemaligen Müllheimer Bürgermeisters Karl Nicolaus (1855–1923) von 1922. Dieses Bildnis eines alt und ruhig gewordenen, desillusionierten Mannes ist ausdrucksstark, farbkräftig und mit starkem Pinselstrich gemalt. Das 1924 entstandene Kücheninterieur aus der Müllheimer Unterstadt, wozu ihn vielleicht die schlichte Küche seiner Kindheit inspirierte, hielt Wolfsberger später für eines seiner schönsten und besten.

Solche Sujets sind für Wolfsbergers Werke der Müllheimer Periode typisch: sie mühen sich um Lebensnähe, zeigen einen einfühlsamen Blick und großes handwerkliches Können. Er geriet aber auch in die Gefahr, zu sehr zu idyllisieren, besonders bei Genreszenen und figürlichen Darstellungen. Eine Radierung von 1919 mit zwei Gestalten auf einer Sitzbank unter einem Laubbaum trägt den Titel „Christus und Rosegger“. Mit dem Verweis auf den Volksschriftsteller Peter Rosegger (1843–1918) als Ahnherr der rückwärtsgewandten Heimatkunst bekennt sich Wolfsberger zur damals populären Kunst, die eine von der Industrialisierung unberührte vergangene Welt verklärte.

Vielleicht klang in diesem Zug auch die Enge an, neben der Traditionsverhaftung mit der eigenen Heimat, jedenfalls entschloss sich Wolfsberger 1924 erneut zu einer Italienreise, die ein ganzes Jahr dauern sollte. Darüber veranstaltete er im Mai 1925 einen Vortragsabend in Lahr und im Juli 1926 gab er seiner Ausstellung im Müllheim den Titel „Italienische und deutsche Heimatbilder“. Das so anklingende erweiterte Heimatverständnis mag auch ein stückweit Provokation seiner Heimatstadt gewesen sein, wo er als bildender Künstler mit einer unsicheren Existenz mancherlei Enttäuschung erfahren hat. Zu dieser Ausstellung kamen am 29. Juli 1926 auch der ehemalige Großherzog Friedrich mit seiner Frau Hilda aus dem nahegelegenen Badenweiler.

Von 1925 an wohnte Wolfsberger wieder dauerhaft in der badischen Landeshauptstadt, wo er zunächst ein Atelier im Akademiegebäude erhielt, auch eine kurze Ehe einging. Jetzt konnte Wolfsberger neue Einflüsse auf sich wirken lassen, sich modernen Tendenzen ein Stück weit öffnen. In dem 1926 entstandenen Bild „Erntezeit“ kann man dezentes Einbeziehen von Gegenwärtigem erkennen: „Auf die Diskrepanz zwischen Stadt und Land stößt man bei Wolfsberger insofern, als zwischen den Bauern eine in der Mode der Jahrhundertwende gekleidete Städterin mit einer Bäuerin oder Magd steht.“ (Rödiger-Diruf, 2006, S. 168). Doch Wolfsberger blieb bei seiner traditionellen Auffassung. Im Kulturkampf zwischen den Protagonisten der Moderne und den Traditionalisten, der in den späten 1920er Jahren in Karlsruhe aufflammte, stand er eindeutig bei den Traditionalisten.

Bei der vom „Kampfbund für Deutsche Kultur“ veranstalteten „Ausstellung Markgräfler Künstler“ im Dezember 1933 in Lörrach gehörte Wolfsberger unter insgesamt 31 beteiligten Künstlern zu den drei Vertretern der Gruppe „Reichskartell für bildende Künste“. Dieser zunächst freiwillige Zusammenschluss von NS-nahen Kulturschaffenden ging zum Jahresende 1933 in der „Reichskulturkammer“ auf. Jetzt war die Mitgliedschaft in dieser staatlichen Körperschaft verpflichtend, um den Künstlerberuf ausüben zu können. Zu seiner NSDAP-Zugehörigkeit gab Wolfsberger 1946 in seinem Meldebogen an: „Nach kurzer Mitgliedschaft habe ich im Frühjahr 1934 Austritt erklärt“. Diese Selbstauskunft wurde im Spruchkammerurteil vom 16. Januar 1948 bestätigt. Die NSDAP-Mitgliederkartei Wolfsbergers hingegen offenbart folgende Einträge: Eintritt 1. September 1932, Austritt Dezember 1932, Wiedereintritt 15. April 1935. Ohne Zweifel war Wolfsbergers Ausstellung vom August bis September 1934 in Müllheim eine Gegendemonstration zu der im Sommer 1933 dort gerade noch einmal möglich gewesenen Ausstellung von Emil und Adolf Riedlin, Mitgliedern der bald politisch verfolgten und verbotenen Malergruppe der „Badischen Secession“.

Wolfsbergers Schaffen der 1930er Jahre ist statt der idyllischen Heimatsujets von groß angelegten Landschaftspanoramen gekennzeichnet, so die „Ziegelei Mall in Daxlanden“ 1935. Auch das Bild „Kartoffelernte“ von 1936 zeugt von einem zeitkonformen Realismus, dem aber das für die 1930er Jahre typische Pathos fehlt. Wolfsbergers nun vorwiegend aus großformatigen Ölbildern bestehendes Schaffen wirkt durchaus ambitioniert. Den Durchbruch erreichte er auch jetzt nicht; bei den großen Kunstausstellungen jener Zeit war er nicht vertreten. Mehr Erfolg hatte er bei Aufträgen für große Wandbilder, so für eine Karlsruher Kaserne oder für die Landwirtschaftsausstellungen in Mannheim und Straßburg. Er widmete sich zunehmend der konventionellen Schwarzwaldmalerei mit Einzelhöfen in Berglandschaften. Das Motiv „Blick vom Innerberg nach dem Blauen“ mit Rebbergen vor der Schwarzwaldkulisse malte Wolfsberger dreimal in nahezu identischer Ausführung: 1940, 1942 und 1943, wohl nur, um sein Überleben zu sichern. Sein Schaffen lässt bald kunstgewerbliche Züge durchscheinen.

Beim Volkssturmaufgebot ab September 1944 wurde Wolfsberger zum Militärdienst beim Landesschützenbataillon 5 in Lahr eingezogen, wo er 1945 Obergefreiter wurde. Im Meldebogen von 1946 gibt Wolfsberger hierzu an, er sei wegen regimekritischen Äußerungen eingezogen worden, im harten Dienst erkrankt und in ein Gefangenenlager gekommen. Sein Karlsruher Atelier war zerstört, vermutlich beim Luftangriff vom 4. Dezember 1944.

Nachdem Wolfsberger von 1930 bis 1945 dauerhaft in der Westendstraße gewohnt hatte, wechselten seine Adressen nach 1945 in Karlsruhe oft, was auf schwierige wirtschaftliche Verhältnisse schließen lässt. Er malte wieder Sujets aus der Karlsruher Umgebung. Motive aus Müllheim und dem Markgräflerland wurden in der Zeitschrift „Die Markgrafschaft“ gedruckt, herausgegeben vom neugegründeten Hebelbund Müllheim unter seinem Bruder, dem Dialektdichter Fritz Wolfsberger (1902–1959). 73-jährig verstarb Wolfsberger im Psychiatrischen Landeskrankenhaus in Emmendingen an einer Hirndurchblutungsstörung.

Am Vorabend von Wolfsbergers 70. Geburtstag veröffentlichte der Müllheimer Journalist Fritz Fischer ein Lebensbild, in dem er das Schaffen Wolfsbergers zu charakterisieren versuchte: „Dem Kampf des Lebens setzte er seine Kunst entgegen, die in seinen Bildern wie eine große Sehnsucht sich offenbart. […] Ihre Vorwürfe sind Landschaften des Friedens, der Ruhe und Stille, ob sie in Deutschland oder Italien liegen, ob auf dem Schwarzwald oder an der Adria.“ (Fischer, 1958, S. 69 f.). Ob dies das Werk im Ganzen charakterisiert, sei dahingestellt.

Quellen:

BA R 9361 VIII, NSDAP-Kartei; GLA Karlsruhe 456 h Nr. 14829, XIV. (Bad.) Armeekorps; Adressbuch der Landeshauptstadt Karlsruhe; StA Freiburg B 725/1 Nr. 8777, Ausstellung 1934; Markgräfler Museum Müllheim, Inventarkarten Bestand KB KW; StadtA Emmendingen, Personenstandsregister, Todesurkunde; StadtA Karlsruhe, Heiratsbuch 1927/Nr. 124; StadtA Müllheim, Personenstandsregister, Wohnorte.

Werke: Städt. Galerie Karlsruhe; Markgräfler Museum Müllheim; Dreiländermuseum Lörrach; Oberrheinisches Bäder- und Heimatmuseum Bad Bellingen.
Nachweis: Bildnachweise: Ölgemälde „Selbstbildnis vor Landschaft“ 1930, Städt. Galerie Karlsruhe, Inv. Nr. 60/2136, S. 573. – Foto (Markgräfler Museum Müllheim).

Literatur:

Tageszeitung „Oberrheinischer Anzeiger“, Müllheim 1919–1934; Rudolf von Freydorf: Das 1. Bad. Leib-Grenadier-Regiment Nr. 109 im Weltkrieg 1914–1918, 1927; Markgräfler Künstler, Verzeichnis der Ausstellung der Kampfbunds deutscher Künstler in Lörrach 9.–18.12.1933; Fritz Fischer, Karl Wolfsberger, der Maler aus dem Markgräflerland, in: Ekkhart 1958, 69 ff.; ders.: Nachruf zum Tode Karl Wolfsbergers, in: BZ vom 20.12.1962; Kunst in Karlsruhe 1900–1950, Ausst. der Staatl. Kunsthalle Karlsruhe, 1981; Leo Mühlfarth, Kleines Lexikon der Karlsruher Maler, 1987, 199; Stilstreit und Führerprinzip. Künstler und Werk in Baden 1930–1945, Ausst. im Kunstverein Karlsruhe, 1987, 272; Erika Rödiger-Diruf: Angriff auf die Moderne – die Traditionalisten im Karlsruhe der 1920er Jahre; in: Die 20er Jahre in Karlsruhe, 2006, 168; Werner Burkart (Hg.), Daxlanden. Die Ortsgeschichte, 2007; Fellhauer Manfred (Hg.), Grünwinkel. Gutshof, Gemeinde, Stadtteil, 2009; Jan Merk, Ein Aufbruch, der schnell wieder endete. „Roaring Twenties“ in Müllheim? Trotz Krisenzeiten brach sich ein moderner Lebensstil Bahn, in: BZ vom 22.3.2019.

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