Dornier, Claudius jr. 

Geburtsdatum/-ort: 10.12.1914;  Friedrichshafen
Sterbedatum/-ort: 30.04.1986; München
Beruf/Funktion:
  • Flugzeugkonstrukteur und Unternehmer
Kurzbiografie: 1934 Abitur in Friedrichshafen, anschl. Marinesoldat
1935–1939 Studium des Maschinenbaus an d. TH München, Abschluss Dipl. Ing.
1939 auf Vermittlung des Familienfreundes Charles Lindbergh Praktikant bei General Motors in Detroit, USA
1941– 1946 Argentinienaufenthalt
1946– 1948 aus Argentinien abgeschoben, kurzzeitig im ehem. KZ Neuengamme, 1948 über Buenos Aires nach Madrid
1950 dort Gründung d. Oficinas Técnicas Dornier, Entwicklung d. Do 25 u. Do 27
1955 Rückkehr nach Deutschland u. ab Nov. Mitglied d. Geschäftsführung d. Dornier Werke
1957–1962 auch Geschäftsführer d. Reparaturwerft Dornier-International GmbH in Oberpfaffenhofen
1963–1980 nach dem Rückzug des Vaters Vorstandsvorsitzender d. Dornier-Werke GmbH Friedrichshafen/München, ab 1966 Dornier GmbH; nach dem Tod des Vaters Wahl des jüngsten Halbbruders Donatus zum Konzernchef, d. am Tag d. Amtsübernahme im März 1971 mit dem Auto tödlich verunglückt
1966–1970 Präsident des Bundesverbandes d. dt. Luft- u. Raumfahrtindustrie
1972–1981 Ausbau des urspr. reinen Flugzeugbauers zum Konzern für Luft- u. Raumfahrt mit neuen Tätigkeitsfeldern Elektronik, Verkehrs-, Umwelt- u. Energietechnik
1974 XI 22 15. Otto-Lilienthal-Gedächtnisvorlesung vor d. Association Aéronautique et Astronautique u. d. DGLR in Le Bourget
1976 Präsident des AECMA, Verband d. europ. Luft- u. Raumfahrtindustrie
1985 nach Differenzen in d. Familie Verkauf des Unternehmens mit ca. 9000 Besch. an den Daimler-Benz Konzern im Zuge d. Umgestaltung Edzard Reuters zum Integrierten Technologiekonzern; Dornier hielt daran noch 20 Prozent
2015 IX 23 Claudius Dornier jr. Dissertationspreis von d. DGLR erstmals vergeben
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen (Auswahl): Verdienstorden von Bayern (1969), von Baden-Württemberg (1979); Professor des Landes Baden-Württemberg (1976); Ehrenmedaille d. Stadt Friedrichshafen u. Ehrenmitglied d. Dt. Gesellschaft für Luft- u. Raumfahrt (1980); Chevalier de la Légion d’honneur (1981)
Verheiratet: 1944 (Buenos Aires) Iris, geb. Pagano (1922–1996)
Eltern: Vater: Claude Honoré Desiré (1884-1969), Dipl. Ing., Flugzeugkonstrukteur u. Unternehmer
Mutter: Olga, geb. Kramer (1895–1918)
Geschwister: Peter (1917–2002) u. 6 Halbgeschwister aus d. II. Ehe des Vaters: Silvius (geboren 1927), Prosper (1928–1935), Dorothea (geboren 1933), Justus (geboren 1936), Donatus (1936–1971) u. Christoph (1938–2008)
Kinder: 4; Claudio (geboren 1945), Cristián (geboren 1949), Conrado (geboren 1953) u. Camilo (geboren 1956)
GND-ID: GND/1019528850

Biografie: Fred Ludwig Sepaintner (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 71-75

Der älteste Sohn Claude Dorniers wurde zum wichtigsten Bewahrer des väterlichen Vermächtnisses. Im bewussten Zusatz des „Junior“ hinter seinem Namen wie im gesamten Wirken als Konzernchef brachte er diese Nachfolge zum Ausdruck.
Dornier erlebte in frühester Jugend die Anfänge des Metallflugzeugbaus und wuchs in das prosperierende väterliche Unternehmen hinein. Nach dem überraschenden frühen Tod seiner Mutter – sie starb an der spanischen Grippe, was vielleicht eine noch stärkere Anlehnung an den Vater erklärt – heiratete Claude Dornier 1926 wieder; aus dieser Ehe gingen sechs Kinder hervor. Dornier machte das Abitur in Friedrichshafen, absolvierte den Wehrdienst bei der Marine und studierte dann wie sein Vater und später auch sein Bruder Peter an der TH München Maschinenbau. Der junge Diplomingenieur konnte danach auf Vermittlung von Charles Lindbergh (1902–1974) ein Praktikum bei General Motors in Detroit/Michigan beginnen und wertvolle Erfahrungen sammeln. Des Krieges wegen musste der Deutsche 1941 die USA verlassen. Auf Empfehlung seines Vaters kehrte er nicht nach Deutschland zurück, sondern begab sich auf dem Landweg nach Argentinien.
Der Kontakt zur Familie lief bald nur noch über Verwandte in der Schweiz. Das angenehmste, auch nachhaltigste Ereignis war wohl das Zusammentreffen mit seiner späteren Frau, einer Argentinierin aus angesehener Familie. Im Übrigen blieb die Situation bedrückend: ohne feste Anstellung, nur „mit kleiner Unterstützung“ (Camilo Dornier/P. Pletschacher, 2014, S. 20), die er über die Schweiz bezog, musste Dornier die Kriegszeit überstehen. Sein wichtigstes geschäftliches Vorhaben, in Argentinien ein eigenes Werk zu errichten, ließ sich nicht realisieren. Kaum war der Krieg vorüber, wurde er beschuldigt, deutscher Spion zu sein, und ausgewiesen. Er kehrte nach Deutschland zurück und wurde für kurze Zeit im ehemaligen Konzentrationslager Neuengamme interniert. Bis 1948 blieb er von seiner Familie getrennt. Dann konnte er wieder in Argentinien einreisen, um anschließend samt Frau und den damals zwei Söhnen nach Europa zurückzukehren. In Madrid erwartete ihn eine große Aufgabe. Nach dem II. Weltkrieg war der Flugzeugbau in Deutschland verboten. Darum gründete Dornier in Absprache mit seinem Vater mit einem Stab junger Ingenieure, aber auch erfahrener Dornier -Konstrukteure, 1950 das Entwicklungsbüro Oficinas Técnicas Dornier Das spanische Luftfahrtministerium schrieb noch im gleichen Jahr ein STOL-, Dornier i. Short Take Off and Landing, Flugzeug mit guten Langsamflugeigenschaften aus. Dornier erhielt mit dem Projekt der Do 25 den Zuschlag. Der von der spanischen Firma CASA gebaute Prototyp absolvierte seinen Erstflug bereits am 25. Juni 1954 und ging dann in Serie.
Um die Mitte der 1950er-Jahre war der Fortbestand der Firma Dornier in Deutschland gesichert. Von der Neudefinition des Geschäftszwecks im Gesellschaftervertrag: „Herstellung und Vertrieb von Maschinen und Leichtkonstruktionen“ (Handelsregister Amtsgericht Tettnang Abt B Nr. 15, auf Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.10.1954), über den Wegfall der Zwangsverwaltung der Dornier-Werke in Friedrichshafen bis zur Wiedererlangung der deutschen Lufthoheit war es ein langer Weg. Dann war die Weiterarbeit auf deutschem Boden gesichert.
Dornier kehrte zurück, wurde in die Geschäftsführung aufgenommen und arbeitete fortan im München. Die Do 27, eine Fortentwicklung der Do 25 mit höherer Leistung, war das erste deutsche Nachkriegsflugzeug und erlebte am 17. Oktober 1956 seinen Erstflug. Mit ihm begann ein neues Kapitel der Firmengeschichte: die Produktion robuster STOL-Flugzeuge für den Mehrzweckeinsatz. Die Do 27 ging in Serie, wurde bis in die zweite Hälfte der 1960er-Jahre mit über 600 Stück gebaut, bei der Bundeswehr eingesetzt und in Europa und weltweit militärisch wie zivil genutzt. Sie war das Ausgangsmuster für die Entwicklung einer ganzen Reihe von Weiterentwicklungen. Die Do 28, ursprünglich als Nachfolgemodell der Do 27 gedacht, war 1962 als Do 28-A1 in der ersten Serienversion mit 60 Exemplaren gelaufen. 1963 wurde die Do 28-B2 in gleicher Zahl produziert und fand in ihrer Turbolader-Version in mehreren Ländern Europas, in Japan und sogar in den USA Interesse. Zum mit Abstand erfolgreichsten Typ dieser Linie aber wurde ab 1966 die Do 28D Skyservant. Dank ihrer hervorragenden Steigflugleistung hatte dieses Modell zu Anfang der 1970er-Jahre mehrere Weltrekorde erreicht. Ursprünglich aus der Not heraus entwickelt, weil Afrika als intendierter Hauptabsatzmarkt aus politischen Gründen nicht beliefert werden durfte, wurde sie mit vergrößerter Nutzlast dem deutschen Militär angeboten und war mit 124 Exemplaren von 1974 bis Mitte der 1990er-Jahre in Luftwaffe und Marine im Einsatz. Als Turboprop-Versionen fanden die Do 128 und die Do 228 ebenfalls internationalen Anklang.
Seit 1957 hatte die Firma ihren eigenen Wartungsbereich aufgebaut. Die Reparaturwerft in Oberpfaffenhofen bei München stand bis 1962 direkt unter Dorniers Leitung und betrieb neben der Wartung aller Do 27- und 28-Modelle die Instandhaltung firmenfremder Produkte, von der Fiat G-91 bis, in späteren Jahren, zum Alpha Jet und der AWACS Maschinen.
Daneben arbeitete Dornier unter maßgeblicher Beteiligung von Peter Dornier an einem Projekt von weit größerer Dimension, der Do 31. Vorarbeiten daran hatten 1959 begonnen. Der eigentliche Entwicklungsauftrag, für den Dornier zusammen mit seinem Vater verantwortlich zeichnete, kam im Februar 1962 und lautete auf einen Kampfzonentransporter der 25-Tonnen-Klasse, der etwa 36 vollausgerüstete Soldaten oder einen Dreitonner Lastwagen im Rumpf unterbringen sollte. Die Do 31 wurde als bisher weltweit einziges Transportflugzeug mit Strahltriebwerken konzipiert, das senkrecht starten und landen konnte. Um die Startmasse von 21 t senkrecht heben zu können, waren insgesamt 10 Triebwerke unter den Flügeln befestigt. Zwei Hub- und Marschtriebwerke mit schwenkbaren Schubdüsen lieferten Antrieb von 2 × 68 kN beim Senkrechtstart und der -landung wie im Horizontalflug. Am Flügelende in Gondeln fest eingebaut waren je vier Hubtriebwerke mit je 19,6 kN Leistung, die den Start- und Landevorgang unterstützen. Diese innovative Lösung ging auf Peter Dornier zurück. Die Do 31 hatte eine Reichweite von 680 km und erreichte in einer Höhe von 10 700 m eine Höchstgeschwindigkeit von 710km/h. Der Erstflug fand 1967 statt. Darauf folgte eine dreijährige Flugerprobung der zwei Experimental-Prototypen mit insgesamt 255 ausnahmslos unfallfreien Testflügen in 98 Flugstunden. Dann aber wurde das erfolgversprechende 200 Mio. DM-Projekt, wovon etwa 40 Prozent für die Triebwerke an britische Firmen gegangen waren, eingestellt; die NATO-Vorgaben hatten sich geändert. Zwar war der wirtschaftliche Erfolg ausgeblieben, die Reputation des Flugzeugherstellers Dornier aber dadurch gefestigt. Erfahrungen aus der Do 31 wurden nutzbringend umgesetzt, auch in ähnlich gelagerten amerikanischen Vorhaben. NASA-Piloten hatten 1971 die Do 31 über mehrere Monate lang erprobt und sehr positiv beurteilt.
Nach dem Rückzug des inzwischen 78-jährigen Vaters wurde Dornier 1963 Vorstandsvorsitzender des Dornier-Konzerns. Als Claude Dornier 1969 verstorben war, erbten die Witwe und alle Kinder aus beiden Ehen das Unternehmen. Mehrheitlich wählten sie Dorniers Halbbruder Donatus 1971 zum Konzernchef. Diese Entscheidung kam aber tatsächlich nie zum Tragen, da Donatus am Tage seiner Amtsübernahme tödlich verunglückte. Dornier blieb Konzernchef.
Noch während der Ära Claude Dorniers hatte sich die Firma auch ganz anderen Bereichen zugewandt. Einen wichtigen Zweig und bis heute in Besitz der Nachkommen von Peter Dornier befindlich stellt das Lindauer Werk zur Herstellung von Webautomaten dar. Dorniers Bruder Peter war darin u.a. mit der von ihm entwickelten Greifer Webmaschine derart erfolgreich, dass die Firma Dornier bald zum Textil- und Sondermaschinenhersteller mit Weltgeltung wurde.
Ohne nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg dagegen blieben Entwurf und Bau von Kleinstwagen. Zu Beginn der 1950er-Jahre hatte Dornier seinen Entwurf des Dornier-Delta vorgestellt. Trotz bescheidener 2,30 m Länge und 1,50 m Breite fanden in dem Viersitzer mit gegeneinander gestellten Sitzen über dem Mittelmotor bis vier Personen Platz. Beide nach oben schwenkenden Front- und Hecktüren eröffneten einen erstaunlich großen Innenraum. Der Motorradhersteller Zündapp erwarb die Delta-Lizenzrechte und ging damit unter dem Namen Janus mit einem 248 ccm Motor Mitte 1957 in Produktion. Nach dem Bau von 6902 Wagen wurde die Serie eingestellt. Der Herstellungspreis war mit 3330.- DM offenbar zu hoch; denn das Standardmodell des VW-Käfers hatte nur 450.- DM mehr gekostet. Ausgehend vom Erstentwurf präsentierte Dornier 1969 die Projektstudie Delta II, die bei der Münchener Olympiade 1972 als Elektroauto Delta IIe eingesetzt wurde, das noch heute höchsten Anforderungen an E-Mobile entspräche.
Wirtschaftlich weit bedeutender und zukunftsweisend für das Unternehmen war Dorniers Einbringung der Firmenkompetenz bei europäischen Kooperationen, worauf auch seine Position als Präsident des Verbandes der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie hinweisen mag, besonders aber die Zusammenarbeit mit französischen Unternehmen. Ein frühes Beispiel dieser Entwicklung stellte anfangs der 1960er-Jahre die Breguet Atlantique BR 1150 dar, ein von vornherein für diesen Zweck konzipiertes Seeaufklärungs- und U-Boot-Abwehrflugzeug, an dessen Entwicklung französische, belgische, niederländische und deutsche Unternehmen unter Federführung von Breguet bei Toulouse beteiligt waren. Dort wurde das Flugzeug auch endmontiert. Die Firma Dornier konstruierte das Rumpfheck und Leitwerk und übernahm die Betreuung, Überholung und Reparatur in Deutschland. Maschinen dieses Typs wurden an Frankreich, Italien, die Niederlande und Deutschland verkauft, wo sie bei der Marine bis 2010 eingesetzt waren.
Sehr innovativ geriet auch die Entwicklung des Alpha Jets. Er wurde in Kooperation mit dem französischen Hersteller Dassault produziert, der übrigens Breguet übernommen hatte. Das erste deutsche Modell startete am 9. Januar 1974 in Oberpfaffenhofen. Nach Abschluss der Testphase in der 2. Hälfte der 1970er-Jahre wurden in Deutschland auch technisch fortschrittlichere Versionen der Maschine durch Dornier angeboten. Die A-Version fand mit 175 Maschinen in der Luftwaffe Eingang, wo sie bis in die 1990er-Jahre verwendet wurde. Der Alpha Jet wurde in zahlreiche Länder exportiert. Insgesamt wurden von beiden Herstellern über 500 Exemplare in elf Versionen ausgeliefert. Die argentinische IA 63 beruht teilweise auf Erkenntnissen der Alpha Jet-Entwicklung.
Außerdem liefen bei der Firma Dornier eine ganze Reihe von Lizenzfertigungen, so der Hubschrauber BELL UH-1D und der Jet FIAT G-91. Im Auftrag des Bundesministeriums für Forschung und Technologie griff Dornier auch noch einmal den klassischen Entwicklungszweig der Wasserflugzeuge auf, mit denen der Erfolg der Firma in den 1920er-Jahren durch den Wal und die Do X seinen Ausgang genommen hatte. Die Do 24 ATT ist eine amphibische Weiterentwicklung der Do 24 aus den 1930er-Jahren mit u.a. einem Einziehfahrwerk, neuen Tragflächen, Turboprop-Antrieb und neuem Cockpit, das vor allem für die Seenotrettung gebaut wurde.
Eines der letzten Projekte von Dornier , nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen, griff noch einmal das Vermächtnis seines Vaters auf. Dornier entwickelte mit der Do Seastar die moderne Version eines Wasserflugzeuges. Hierfür gründete er 1985 noch einmal ein eigenes Unternehmen, die C. D. Seastar GmbH& Co KG. Das Projekt wird bis in die Gegenwart von seinem Sohn Conrado Dornier weiterverfolgt.
Neuland auf dem Sektor Flugzeugbau war bereits mit der Do 31 betreten worden. So gesehen erscheint die Gründung der System GmbH für Raumfahrt, Elektronik und neue Technologien 1962 nur als ein Schritt in Richtung der bereits sichtbaren Entwicklung. Hierin manifestiert sich der Grundzug der Entwicklungsstrategie des Firmenlenkers Dornier: Diversifikation mit möglichst kalkulierbarem Risiko, darum auch eine deutlich den zivilen Sektor einbeziehende Fortentwicklung. Die Firma Dornier wurde beispielsweise im Bereich Raumfahrt ein international anerkannter Entwickler und Hersteller von Forschungssatelliten und Raumsonden. Unter Dorniers Leitung spezialisierte sich das Unternehmen auf Erdbeobachtungs- und Forschungssatelliten. Ergebnisse waren 1972 und 1974 die Satelliten AEROS A und B, mit deren Hilfe die äußerst zuverlässige Messung der extrem-ultravioletten Strahlung der Sonne gelang. Auf vielerlei Gebieten wurden hochkomplexe elektronische Komponenten benötigt. Daraus entstand der Bereich Elektronik, der Lösungen für unterschiedlichste Gebiete, vom Bildverarbeitungsgerät über Fernsteuerungssysteme, Kraftwerkfernüberwachungen, Radarsysteme bis hin zu Umweltmessnetzen lieferte. Eine Medizintechnik GmbH wurde gegründet und vertrieb sehr profitabel einen Nierensteinzertrümmerer, ein Nebenprodukt, das aus Erkenntnissen der militärischen Forschung resultierte. Zumal militärisch verwendbar waren die von Dornier entwickelten Drohnensysteme und Lenkwaffen, deren Einsatzwert er zutreffend in der Dornier-Post, dem Kundenmagazin des Unternehmens, 1977 zum Auftakt des 32. Aérosalons in Paris beschrieben hat.
Maßgeblich hatte Dornier schließlich auch Anteil an der Gründung der Arbeitsgemeinschaft Airbus, bei der die Koordination der deutschen Beteiligung am europäischen Projekt lag. Er leitete die Gründungssitzung dieses Gremiums am 3. Dezember 1965. Die Firma Dornier scherte zwar später zeitweise aus, letztendlich aber gewann sie doch wieder Anteil am Airbus-Produktionsprogramm.
Dornier, der maßgeblich am Wiederaufbau der Deutschen Luftfahrtindustrie Anteil hatte, war von 1966 bis 1970 Präsident des Bundesverbandes Deutscher Luftfahrtindustrie, eine Zeit lang Vizepräsident der Eurospace und auch Präsident des europäischen Verbandes der Luft- und Raumfahrtindustrie, AECMA. Altershalber schied er Ende 1981 aus dem Familienunternehmen aus, dem er über 30 Jahre, seit 1955 als Geschäftsführer und seit 1963 als Vorsitzender, angehört hatte. Es hatte unter seiner Führung inzwischen mehr als 8000 Mitarbeiter; Umsatz und Gewinn waren verdreifacht. Zuvor wurde ihm im Mai dieses Jahres noch die Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt verliehen. Symbolisch geradezu, seine Lebensleistung würdigend und gleichermaßen den technischen Stand des Unternehmens kennzeichnend: die Ehrung fand nach der Landung der ersten Boeing D E-3 Sentry statt, des unter dem Namen AWACS bekannten, technisch hochkomplexen Radarflugzeugs mit dem großen, auf dem Heck montierten Radarschirm. Es war zur Luftaufklärung und als Frühwarnsystem in der NATO eingesetzt gewesen. Eine AWACS war auf dem Dornier-Flugplatz in Oberpfaffenhofen gelandet. Die Firma hatte gegen internationale Konkurrenz den Auftrag zum Einbau der hochkomplexen Elektronik in der gesamten Flotte erhalten. Auch deren Wartung geschah bei Dornier. Nicht weniger symbolträchtig im gleichen Jahr geriet die Verleihung des Ritterkreuzes der französischen Ehrenlegion in Le Bourget.
1985 wurde die Firma Dornier, an der er sowie sein Bruder Silvius dann jeweils noch einen Anteil von rund 20 Prozent behielten, nach internen Differenzen über die weitere strategische Ausrichtung von Daimler Benz übernommen. In den Folgejahren wurde sie über den Luft- und Raumfahrtkonzern DASA in die EADS bzw. deren Nachfolgeunternehmen Airbus Group integriert. Im Verlauf übernahm der amerikanische Flugzeughersteller Fairchild Aviation 1996 die Dornier Luftfahrt GmbH, in der die Flugzeugbauaktivitäten von Dornier gebündelt waren. Er firmierte fortan mit dem Doppelnamen Fairchild-Dornier, verkaufte aber bereits 1999 wieder. Im Namen unverändert waren danach Clayton, Dubilier& Rice sowie Allianz Capital Partners, eine Allianz-Tochter, zusammen mit einem deutschen Bankenkonsortium Besitzer des Traditionsunternehmens. 2002 nach der Luftfahrtkrise im Zusammenhang mit den Anschlägen in New York meldeten die Besitzer Insolvenz an. Das Unternehmen wurde zerschlagen.
Quellen: Auskünfte des A d. TU München, des Dornier-Museums, Friedrichshafen, u. von Peter Pletschacher, Aviatic, Fachverlag für Luft- u. Raumfahrt, Oberhaching, u. Herrn Camilo Dornier vom November u. Dezember 2015.
Nachweis: Bildnachweise: Foto in Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), S. 61, Portrait Claudius Dornier, 1981 gemalt von seinem Onkel Marcel Dornier, Abdruck genehmigt von Camilo Dornier – 100 Jahre, 2014, passim.

Literatur: Dornier Post, Zs. für die Freunde des Hauses Dornier 2, 1977; Jb. d. Dt. Gesellschaft für Luft- u. Raumfahrt, 1986, 892-894; Claudius Dornier, in: Internat. Biogr. Archiv 28, 1986 vom 30.6.1986; Michaela Haeffner, Nachkriegszeit in Südwürttemberg. Die Stadt Friedrichshafen u. d. Kreis Tettnang, 1999; Camilo Dornier [Sohn]/Peter Pletschacher, 100 Jahre Claudius Dornier jr., 10.12.1914–30.4.1986, (deutsch u. englisch, 81 S), 2014; Walter Rundel, 100 Jahre Claudius Dornier jr. – Ein Leben für Vater u. Firma, in: Südkurier vom 10.12.2014.
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