Freiherr von Soden, Julius August Constantin Franz Heinrich 

Geburtsdatum/-ort: 05.02.1846;  Ludwigsburg
Sterbedatum/-ort: 02.02.1921;  Tübingen
Beruf/Funktion:
  • Gouverneur von Kamerun und Deutsch-Ostafrika, Kabinettschef des württ. Königs Wilhelm II., württ. Minister der Auswärtigen Angelegenheiten
Kurzbiografie: 1864 Abitur am Gymnasium Stuttgart
1864–1869 Studium der Rechtswiss. in Tübingen und Göttingen
1869 Erstes Staatsexamen für den Höheren Justizdienst
1869–1871 Justizreferendar in Heilbronn
1870 Kriegfreiwilliger beim 4. württ. Reiterregiment
1871 Zweites juristisches Staatsexamen
1871–1872 Hilfsarbeiter beim Generalkonsulat des Deutschen Reichs in Bukarest
1872–1876 Konsul in Algier
1876–1879 Konsul in Kanton, ab 1877 zugleich in Hongkong
1879–1882 Konsul in Havanna
1882 Kaiserlicher Geschäftsträger in Lima
1884 Konsul in St. Petersburg
1885–1890 Gouverneur von Kamerun, Generalkonsul für den Golf von Guinea, Oberkommissar für das Togogebiet
1891 Gouverneur von Deutsch-Ostafrika
1893 Rücktritt vom Reichsdienst
1899 Württ. Kammerherr
Jan. 1900 Kabinettschef des württ. Königs
Nov. 1900 Minister der Auswärtigen Angelegenheiten und des Kgl. Hauses
1906–1916 Kabinettschef des württ. Königs
1920 Übersiedlung nach Tübingen
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Ks. Deutsche Kriegsgedenkmünze (1871); (Preußischer) Roter Adlerorden 4. Kl. (1879); (Preußischer) Roter Adlerorden 3. Kl. (1887); Ehrenritterkreuz des württ. Kronenordens (1887); (Preußischer) Roter Adlerorden 2. Kl. (1893); (Preußischer) Kronenorden 1. Kl. (1899); Großkreuz des Großherzoglich Hessischen Verdienstordens Philipps des Großmütigen (1899); Fürstlich Waldeckischer Verdienstorden (1900); Großkreuz des Friedrichsordens (1901); (Preußischer) Roter Adlerorden 1. Kl. (1902); Großkreuz des Sächsischen Albrechtsordens (1902); Großkreuz des badischen Ordens vom Zähringer Löwen (1903); Großkreuz des bayerischen Verdienstordens vom Heiligen Michael (1903).
Verheiratet: 7.9.1900 Helene, geb. von Sick (1856–1946)
Eltern: Vater: Julius Freiherr von Soden, Oberstleutnant im württ. Ehreninvalidenkorps (1793–1854)
Mutter: Marie, geb. von Neurath (1805–1849)
Geschwister: Clothilde Marie; Charlotte; Julie
GND-ID: GND/117459321

Biografie: Bernhard Theil (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 210-213

In seinen Erinnerungen („Blätter aus meinem Leben“) aus dem Jahr 1937 erwähnt der Direktor des württembergischen Staatsarchivs Eugen von Schneider mehrfach von Soden. Über den Außenminister, dem damals die württembergische Archivverwaltung nachgeordnet war, schreibt er: „Von Soden war wesentlich burschikos. Er konnte mir auf der Straße nachrufen, welches das beste Wirtshaus in einem Orte sei“ (Schneider, 65). Und „Er brachte Leben in das Ministerium“ (ebda., 32). Auch der Nachruf im „Schwäbischen Merkur“ charakterisiert von Soden als „frei von aller Zugeknöpftheit“; seine Natur zeichne sich durch „Abkehr von schematischem Formalismus“ aus.
Vielleicht war diese unbürokratische Art auch ein Grund, warum von Soden, der aus einem alten Patriziergeschlecht der Stadt Hannover stammte, dessen Vater aber schon 1809 in den württembergischen Militärdienst eingetreten war, nach Absolvierung des Jurastudiums und der Referendarzeit im württembergischen Justizdienst in den diplomatischen Dienst des Reichs eintrat, wo er in der Tat nicht nur europäische, sondern auch asiatische und amerikanische Metropolen kennenlernte.
Und noch eine Seite seiner Persönlichkeit ist hervorzuheben. Seit seiner Schulzeit, die er nach dem frühen Tod seiner Eltern, behütet von seiner Großmutter Charlotte von Neurath, zunächst in Korntal, dann aber die meiste Zeit am Stuttgarter Gymnasium verbrachte, interessierte er sich für die alten Sprachen. Homer wurde sein Lieblingsautor, Dante beschäftigte ihn zeitlebens. Auch seine Studentenzeit – Soden wurde in Tübingen Mitglied des Corps „Schwaben“ und in Göttingen der befreundeten „Bremensia“ und somit Bundesbruder des späteren Königs Wilhelm II. – ist gekennzeichnet durch die geist- und humorvolle Seite seiner Persönlichkeit. Seine literarischen Interessen brachten es schließlich mit sich, dass er nach seiner Rückkehr nach Württemberg im Jahre 1900 in die Leitung des Vereins der württembergischen Kunstfreunde und des Schwäbischen Schillervereins berufen wurde. Als Vorstand des letzteren verlangte er vom württembergischen Staatsarchiv die Herausgabe von wichtigen Schiller betreffenden Dokumenten, was ihm den Protest Schneiders zuzog, freilich ohne dass sich dieser gegen seinen Vorgesetzten. durchsetzen konnte.
Der vielseitige Charakter seiner Persönlichkeit, seine reiche Erfahrung im diplomatischen Dienst, seine unbürokratische Beweglichkeit waren es denn wohl auch, die das Auswärtige Amt veranlasste, Soden 1885 als ersten Gouverneur in das soeben erworbene „Schutzgebiet“ Kamerun zu entsenden. Soden stieß hier auf die Aktivitäten der Hamburger Großkaufleute Wiermann, Jantzen und Thormälen, die schon seit 1868 bzw. 1874 im Kamerun ihre wirtschaftlichen Interessen verfolgten. So gründeten sie 1885 die „Kamerun-Land-und Plantagen-Gesellschaft Woermann, Thormälen und Co“, deren erklärtes Ziel die wirtschaftliche Ausbeutung des Landes war. Soden hatte zwar als Gouverneur den Rang eines preußischen Regierungs- und Oberpräsidenten und sollte ein gewisses Gegengewicht darstellen, seine Funktionen waren im Übrigen aber sehr weit gefasst und zumindest in der ersten Zeit stark von den Kaufleuten abhängig. So bestand die Tätigkeit Sodens am Anfang vor allem in der Absicherung des formalen deutschen Herrschaftsanspruchs und in der Beratung und Förderung der Kaufleute; eine effektive Landesverwaltung kam noch nicht zustande. Soden sollte lediglich RechtskonfIikte schlichten und für Ruhe und Ordnung sorgen. Immerhin gelang es ihm, 1887 eine Regierungsschule zu eröffnen. Das Interesse Sodens an der Erziehung der Eingeborenen stand freilich in einer gewissen Konkurrenz zur Tätigkeit der Missionen, von denen die Basler Missionsgesellschaft Ende 1886 erstmals einen Missionar schickte, die Pallotiner wurden 1889 zugelassen. Soden entsprach den Vorstellungen Bismarcks, der gegenüber einer aktiven, vor allem auch militärisch unterstützten Kolonialpolitik sehr zurückhaltend war und lediglich „Schutzgebiete“ wollte. So fanden zwar Erkundungsexpeditionen ins unbekannte Hinterland schon statt, die eigentliche militärische Unterwerfung setzte jedoch erst in den 1890er Jahren ein, nachdem Soden bereits nach Deutsch-Ostafrika versetzt worden war.
Vielleicht hatte diese Versetzung in eine klimatisch günstigere Kolonie gesundheitliche Gründe – Soden war 1889 an Malaria erkrankt und musste Kamerun verlassen –, genauso wichtig dürfte aber die Überlegung gewesen sein, Soden als ziviles Gegengewicht gegen die militärischen Aktionen eines Wissmann und Peters zu etablieren. Hier hatte sich aus der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft heraus eine „private Gewaltorganisation“ (Bührer) unter Leitung des Hauptmanns Hermann Wissmann entwickelt. Wissmann selbst war 1889 zum Reichskommissar ernannt worden mit weitreichenden militärischen und politischen Befugnissen. Seine Truppe sollte einerseits den Sklavenhandel bekämpfen, andererseits aber auch dem „imperialistischen Interesse des Deutschen Reichs“(Bührer) dienen. 1890 wurde dann aber doch der Übergang zur Schaffung einer staatlichen Schutztruppe eingeleitet, in die allerdings die meisten Offiziere der Wissmanntruppe übernommen wurden. Gleichzeitig sollte ein ziviler Gouverneur als ein Gegengewicht gegen deren Militarismus etabliert werden. Zum 1. April 1891 wurde daher Wissmann als Reichskommissar entlassen und die Geschäfte wurden an Soden übergeben, der damit auch Kommandeur der Schutztruppe wurde. Er sah sich jedoch anhaltendem Widerstand aus deren Reihen gegenüber, die den „Zivilisten“ Soden vielfach ablehnten. Soden leitete den von der Reichsleitung vorgesehenen Kurswechsel in der Kolonialpolitik in Deutsch-Ostafrika ein, der bestimmt sein sollte vom Aufbau einer Zivilverwaltung und militärisch eher defensiv charakterisiert war, konnte sich aber nie vollständig durchsetzen. Allerdings muss das Bild Sodens als schwacher Zivilgouverneur nach den neuesten Forschungen (Bührer) korrigiert werden. Er hatte zweifellos auch Erfolge in seiner Politik gegenüber den Militärs zu verzeichnen. Die Tatsache, dass er, bevor er endgültig demissionierte, mehrfach einen entsprechenden Antrag gestellt hatte, gibt andererseits aber doch zu denken. Mitgespielt haben dürften indessen auch gesundheitliche Gründe.
Soden zog sich nunmehr auf sein Gut Vorra an der Pegnitz (heute Landkreis Nürnberger Land) zurück, das er 1890 von einer Tante geerbt hatte. Hier erreichte ihn 1899 das Angebot, Kabinettschef König Wilhelms II. von Württemberg zu werden, das er nach einigem Zögern annahm. Ausschlaggebend war hier zweifellos die alte Freundschaft zwischen Wilhelm und Soden, die aus der gemeinsamen Studien- und Verbindungszeit herrührte. Soden wurde zum besonderen Vertrauten des Königs, der ihn denn auch schon wenige Monate später zum Minister des Auswärtigen ernannte. Soden, der bisher Junggeselle war, heiratete nunmehr – ein Hinweis darauf, dass er – der vielgereiste Mann – nun zur Ruhe kommen wollte. Die Ehe blieb freilich kinderlos. Als Außenminister, dem auch das Verkehrswesen unterstand, erwarb er sich vor allem Verdienste für die Vereinheitlichung der Eisenbahn durch Kooperation mit Nachbarstaaten und ihre Entwicklung in der Fläche sowie für den entsprechenden Ausbau des Postwesens. Nach seinem Rücktritt vom Amt des Außenministers übernahm er nochmals für 10 Jahre die Leitung des königlichen Kabinetts, von der er 1916, siebzigjährig, wohl aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat. Er zog nach Tübingen und widmete sich dort seinen philologischen und philosophischen Interessen; so schloss sich der Kreis zu den Anfängen seiner Jugend.
Vom Ende her betrachtet überwog in der Persönlichkeit Sodens doch der gebildete und kultivierte, vielseitig interessierte württembergische Ministerialbeamte, der freilich durch seine Tätigkeit im diplomatischen Dienst eine nicht alltägliche Öffnung vollzogen hatte, dessen Tätigkeit im Kolonialdienst aber – insgesamt nur acht Jahre – im ganzen doch Episode blieb. Soden starb, eher überraschend, nach kurzer Krankheit 75jährig; seine Asche wurde auf dem Gebiet seines Gutes Vorra verstreut.
Quellen: HStAS E 130c Bü 99 (PA), Eugen von Schneider. Archivar und Historiker zwischen Königreich und Republik. Blätter aus meinem Leben (Lebendige Vergangenheit 24), 2011; BA Berlin R 1001 (Reichskolonialamt), Deutsch-Ostafrika, Kamerun/Togo; Tansania National Archives (TNA), Daressalam, Gouvernement Deutsch-Ostafrika
Nachweis: Bildnachweise: StadtA Stuttgart B 7965 (Porträt von W. Weinerz); Lebensbilder XVI, nach 260); Koloniales BildA UB Frankfurt am Main Bild-Nr. 018 – 0087 – 04.

Literatur: J. Reuß, in: Württ. Nekrolog für das Jahr 1920 und 1921, 1928, 165-172; Nachruf in: Schwäbischer Merkur Nr. 54 vom 4. Februar 1921; E. Henning, Württ. Forschungsreisende der letzten anderthalb Jahrhunderte, 1953; H. Stoecker (Hg.), Kamerun unter deutscher Kolonialherrschaft. Studien, Bd. 1-2, 1968; K. Hausen, Deutsche Kolonialherrschaft in Afrika, 1970; L. H. Gann, The rulers of German Africa, 1977; M. von Ow, Julius Freiherr von Soden, Gouverneur von Kamerun und Deutsch-Ostafrika, Kabinettschef des Königs von Württemberg, Staatsminister der Auswärtigen Angelegenheiten, Ordenskanzler und Bevollmächtigter beim Bundesrat, in: Lebensbilder aus Schwaben und Franken XVI, (1986), 250-272; P. Sauer, Württembergs letzter König. Das Leben Wilhelms II., 1994; S. Conrad, Globalisierung und Nation im Deutschen Kaiserreich, 2006; T. Bührer, Die kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Koloniale Sicherheitspolitik und transkulturelle Kriegführung 1885-1918, Beiträge zur Militärgeschichte 70, 2011; U. Lindner, Koloniale Begegnungen. Deutschland und Großbritannien als Imperialmächte in Afrika 1880-1914, 2011.
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