Eisenmenger, Hermann 

Geburtsdatum/-ort: 08.11.1925;  Heilbronn
Sterbedatum/-ort: 12.01.2007;  Heilbronn
Beruf/Funktion:
  • Pressefotograf
Kurzbiografie: 1940 Abschluss d. Volksschule in Heilbronn
1940–1943 Ausbildung bei „Foto-Wendnagel“ in Heilbronn; Gehilfenprüfung
1943–1944 Reichsarbeitsdienst
1944–1945 Einberufung in den II. Weltkrieg, Einsatz an d. Ostfront, dann bei d. Ardennenoffensive u. in Norddeutschland
1945–1949 Tätigkeit bei verschiedenen Fotografen in Heilbronn, zuletzt „Foto-Späth“
1947 Erneute Gehilfenprüfung
1950–1990 Bildredakteur bei d. Heilbronner Stimme
2015 Ausstellung d. Werke Eisenmengers im Haus d. Stadtgeschichte/Otto Rettenmaier Haus, Heilbronn
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1956 (Heilbronn) Elke, geb. Drews
Eltern: Vater: Wilhelm Karl (gestorben 1933), Küfer
Mutter: Marie, geb. Bracher (1900–1983), 1944 wiederverheiratete Siedler
Geschwister: 10; Paul (geboren 1927), Heinrich (geboren 1928), Elisabeth (geboren 1929), Siegfried (geboren 1931), Rosa Lina (geboren 1914), Emma Ida (1915–1968), Karl Friedrich (geboren 1916) u. Hermann Heinrich (gestorben 1918), Halbgeschwister aus einer ersten Ehe des Vaters; Erich Bracher (1923–1942), Halbbruder aus einer ersten Verbindung d. Mutter, u. Marliese Bracher (geboren 1939), Halbschwester aus späterer Verbindung d. Mutter
Kinder: 3; Sabine, Petra u. Anja
GND-ID: GND/119013592

Biografie: Michael Kitzing (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 85-87

Die Familie Eisenmengers kam aus Jagsthausen. Sein Vater war Küfer; überaus einfache Verhältnisse kennzeichnen seine Jugend. Er sollte nach der Schulzeit das Bäckerhandwerk erlernen. Diese Perspektive schwand, als ein Verwandter in Nürnberg, der die Lehrstelle zugesagt hatte, 1940 einberufen wurde. Gegen seinen Willen sollte Eisenmenger dann Installateur werden, reagierte aber auf eine Zeitungsannonce und wurde Lehrling beim Heilbronner Fotogeschäft Wendnagel.
Damit scheint seine Neigung getroffen; denn sein seit dem 10. Lebensjahr geführtes Tagebuch lässt eine beachtliche Beschreibungsgabe und den Blick für Details deutlich erkennen. Er hatte auch Talent zum Zeichnen, das er nur privat auslebte. Die 1940 begonnene Lehre verlief nicht zufriedenstellend. Letztlich fällt es fast schwer, von einer geregelten Ausbildung zu sprechen. Der Lehrherr, Gottlob Wendnagel, wurde einberufen, nur der Seniorchef blieb als Lehrherr. Wieder nennt Eisenmengers Tagebuch Einzelheiten: veraltete Ausstattung von Fotoatelier und Labor; erst nach zweieinhalb Jahren durfte er Außenaufnahmen machen. Dem Abschluss der Lehre im April 1943 folgte die Einberufung zum Reichsarbeitsdienst und schließlich zur Wehrmacht. Vom Frühjahr bis Spätsommer 1944 war Eisenmenger an der Ostfront, dann bei der Ardennenoffensive eingesetzt und zuletzt in Norddeutschland, bezeichnenderweise „in einer Beobachtungsabteilung, die mit fototechnischen Geräten Bombenabwürfe, Abschüsse und Einschläge ortete“ (Eberlein, 2015, S. 13).
Bei Kriegsende geriet Eisenmenger bis Ende Juli 1945 in Gefangenschaft. Heimgekehrt fand er zunächst beim Fotografen Willy Nuß, ab November 1946 bei Ludwig Ritzmann, schließlich im Geschäft von dessen Schwiegersohn „Foto-Späth“ Anstellung. Die berufliche Situation der Nachkriegszeit gestaltete sich schwierig. Fotomaterial war knapp, der deutschen Bevölkerung fehlten die Mittel. Lediglich bei amerikanischen Soldaten gab es Aufträge. Drum wurde Eisenmenger von seinen Arbeitgebern immer wieder von der Arbeit freigestellt. Außerdem musste er seine Fotogehilfenprüfung im Mai 1947 auf Wunsch Ludwig Ritzmanns wiederholen, mit ziemlich durchschnittlichem Ergebnis übrigens. Die handwerklichen Kenntnisse des Fotografen hatte er weitgehend autodidaktisch erworben.
Ende April 1950 begann die Anstellung bei der Heilbronner Stimme, für die Eisenmenger bis zu seinem Ruhestand 1990 tätig war. Diese Laufbahn eines Fotojournalisten steht paradigmatisch für den Bildjournalismus in regionalen Tageszeitungen. In der von Hermann Schwerdtfeger (1903–1988) und Paul Distelbarth herausgegebenen Zeitung gab es in der ersten Nachkriegsjahren fast keine Bilder, es sei denn, Agenturaufnahmen überregionaler Ereignisse konnten verwendet werden. Erst allmählich wurden regionale Bildredaktionen eingerichtet, auch in Heilbronn. Miriam Eberlein vermutet, dass die größere Bedeutung des Bildes aus der damals schärferen Konkurrenz der Regionalblätter resultierte (2015, S. 15f.); denn nach der Generallizenz für Zeitungen in der amerikanischen Zone 1949 waren in Heilbronn mit dem „Neckar-Echo“ und dem „Heilbronner Mittag“ zwei Konkurrenzorgane aufgekommen, die den Kampf um Leser anfachten.
Als Fotograf der Heilbronner Stimme erlebte Eisenmenger sämtliche „Berufsrisiken eines Zeitungsfotografen“ (ebd., S. 16). Exemplarisch sein erstes in der Zeitung veröffentlichtes Foto: ein Bild des damaligen Heilbronner Abgeordneten und Innenministers Fritz Ulrich vom 1. Mai 1950. Nur ein kleiner Ausschnitt wurde gedruckt. Die späteren Jahre bei der Heilbronner Stimme kennzeichnete Professionalisierung, auch ein höheres Maß an Wertschätzung von Eisenmengers Arbeit. Bald wurden seine Aufnahmen nicht mehr mit „HSt-Bildstelle“, sondern namentlich gekennzeichnet. Er wurde auch besser bezahlt: 1950 erhielt er 230.– statt anfänglich 180.– DM im Monat. Später kam er immerhin auf 80 Prozent eines schreibenden Redakteurs.
Die Zahl der Bildaufträge stieg. Die „Heilbronner Stimme“ begann in den 1950er-Jahren mit bebilderten Wochenend- und umfangreichen Heimatbeilagen, so dass die Fähigkeiten des Fotografen häufiger gefragt waren. Im April 1951 kam Eisenmengers erste Bildreportage zum Thema „600 Jahre Neuenstein“. Bald wurden auch lokale Wirtschaftsbetriebe portraitiert, die Situation der Landwirtschaft und der Wiederaufbau von Heilbronn, im Hohenloher Land und dem Kraichgau. Dazu kam das Außergewöhnliche, die Heilbronner Stimme berichtete 1958 im „Brüsseler Bilderbogen“ von der Weltausstellung. 1965 wurde ein zweiter Pressefotograf eingestellt. Zuletzt stand Eisenmenger an der Spitze eines Stabes von sechs weiteren Bildjournalisten.
„Aktuell, originell und typisch waren nach seinen Worten für Eisenmenger die drei wichtigsten Kriterien, von denen ein Foto mindestens eines, nach Möglichkeit zwei und im Glücksfall drei erfüllen muss“ (Jakobi, 2015, S. 23). Mit diesem Anspruch näherte er sich fotografisch seiner Heimatstadt, die er immer wieder vom Turm der Kilianskirche aufnahm. Nach 1945 zeigen die Fotos die geradezu gespenstische Szenerie nach dem Luftangriff vom 4. Dezember 1944. Die Stadt war fast vollständig zerstört, alles lag in Schutt. Dann folgen Bilder von Baracken und Provisorien, bis der Wiederaufbau in den 1950er-Jahren Fahrt gewann. Eisenmenger fotografierte Bundespräsident Theodor Heuss bei einer Rede vor der Ruine des Rathauses, zahlreiche Grundsteinlegungen und Richtfeste, den Ausbau der Staustufe Heilbronn 1952, den 1958 erweiterten Neckarkanal zwischen Gemmrigheim und Stuttgart. Das Wirtschaftswunder gewann Gestalt; Fotos zeigen die neuen Kaufhäuser, Schulen, Brücken und Siedlungen, die Festhalle „Harmonie“. Emotionen bei Sportveranstaltungen wurden festgehalten, Bezüge zur großen Politik im Bild hergestellt. Eisenmenger ließ sich bei seinen Recherchen vom Verbot der Besatzungsmacht auch nicht abhalten, das Heilbronner Pershingunglück zu zeigen, bei dem 1985 drei amerikanische Soldaten umgekommen waren. Auch Katastrophen wie das Dachsteinunglück bildete er ab, das sich Ostern 1954 ereignet hatte. Dreizehn Schüler und Lehrer aus Heilbronn waren auf einer Wanderung bei einem Schneesturm ums Leben gekommen. Die vergebliche Rettungsaktion, mit 400 Bergrettern eine der größten in der alpinen Geschichte, zeigen Eisenmengers Fotos genauso wie die Beisetzung der Opfer auf dem Heilbronner Friedhof. 1959 fertigte er erschreckende Aufnahmen eines Busunglücks bei Lauffen am Neckar. Die Bahnschranke war offen geblieben, Bus und Zug kollidiert. 37 Menschen kamen um. Stimmungsvolle Impressionen der Stadt und ihrer Umgebung sind unter den Bildern. Licht und Schatten waren ein beliebtes Thema Eisenmengers: die Silhouette von Wimpfen im Nebel eines Novembertages 1986, Schattenrisse vom Kiliansturm. Große Bekanntheit gewann eine Schattenaufnahme von Günter Grass auf der Waldheide. Das Foto wurde „zum Symbol für die Friedensbewegung in Heilbronn“ (Jehle, 2015, S. 37).
Eisenmenger verstand sich vor allem als Handwerker. Aber er suchte Kontakt zu Künstlern; ein bevorzugtes Motiv: der Künstler vor seinem Werk, im Atelier. Er zeigte Menschen in besonderen Situationen, Trümmerfrauen, bettelnde Kriegsversehrte, die Menge bei einer Kaufhauseröffnung, und den Kontrast dazu: gelangweilte Besatzungssoldaten, den Muskelprotz im Freibad.
1990 ist Eisenmenger bei der Heilbronner Stimme ausgeschieden. Es blieben ihm noch 10 Jahre bei bester Gesundheit, bis er erkrankte und starb. Bei seinem Tod wurde gewürdigt, dass er „Maßstäbe für das Bild in der Zeitung“ gesetzt habe (Heilbronner Stimme vom 15. 1. 2007). Sein fotografisches Werk überdauerte, neben der Zeitung seit 1954 auch in Bildbänden über Blüte, Untergang und Wiedererstehen Heilbronns. 1991 war sein Werk auch Gegenstand einer Ausstellung.
Vier Jahre nach seinem Tod sind unterstützt von der Heilbronner Stimme durch einen Journalisten knapp 50 000 Fotografien Eisenmengers ins Stadtarchiv Heilbronn gelangt und wurden verzeichnet und seither benutzt – Bleibende Spuren von Eisenmengers Schaffen: vom November 2015 bis Mai 2016 machte das Stadtarchiv Eisenmengers Werk einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich.
Quellen: StadtA Heilbronn F 014, Nachlass Hermann Eisenmenger, ZS 808 Foto Mangold, Hermann u. August Mangold, Fotogeschäft, ZS-14016 Hermann Eisenmenger, Pressefotograf.
Werke: Heilbronner Stimme 1950–1990; Heilbronn – Blüte, Untergang, Wiedererstehen einer Stadt, 1954; Heilbronn: d. Pulsschlag dieser Stadt, 1969; (mit Christoph Duncker u. Walter Schellenberg) Ausblick von d. Weibertreu, 1973; (mit Uwe Jacobi) … mehr als 1000 Worte. Hermann Eisenmenger. 40 Jahre Pressefotografie im Unterland, 1991; Heilbronn: Bilder einer Stadt, 1992; (mit Uwe Jacobi) Heilbronn, 1999; Hermann Eisenmenger Fotografien. Heilbronner Zeitbilder 1947–2000, 2015.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (1979er Jahre) in: Baden-Württembergische Biographien 6, S. 84, Hermann Eisenmenger Fotografien (vgl. Werke) – StadA Heilbronn F 014 N 201125938, Titelbild, 9, 12.

Literatur: Uwe Jacobi, Zur Person, in. ders./Hermann Eisenmenger, … mehr als 1000 Worte, 1991, 5; ders., Die Geschichte d. Heilbronner Stimme, in: Frank Distelbarth (Hg.), 50 Jahre Heilbronner Stimme – 250 Jahre Heilbronner Presse, 1995, 47-111; Tilman Distelbarth (Hg.), Die Stimme d. Region – 60 Jahre Heilbronner Stimme, 2006; Nicole Hoppe, Bilder in d. Tagespresse. Die „Saarbrücker Zeitung“ u. die FAZ im Vergleich (1955–2005), 2007; Hermann Eisenmenger ist tot, Reporter des Unterlandes mit d. Kamera, in: Heilbronner Stimme vom 15.1.2007; Miriam Eberlein, Hermann Eisenmenger (1925–2007), Zur Biografie, Hermann Eisenmenger Fotografien. Heilbronner Zeitbilder 1947–2000, 2015, 9-21; Uwe Jacobi, Die andere Art zu erzählen, ebd. 23-31; Mathäus Jehle, Kolleg u. Vorbild, ebd. 33-37; Tilman Distelbarth, Die Zeitungsfotografie durch das Weitwinkelobjektiv des Verlegers, ebd. 39-47; Fünf Jahrzehnte Handwerk u. Kunst, in: Heilbronner Stadtztg. vom 29.10.2015.
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