Finckh, Eberhard Julius Heinrich 

Geburtsdatum/-ort: 07.11.1899;  Kupferzell
Sterbedatum/-ort: 30.08.1944; Plötzensee
Beruf/Funktion:
  • Oberst im Generalstab des Heeres
Kurzbiografie: Volksschule in Kupferzell; Realschule in Künzelsau; Notabitur
1916 siebzehnjährig kriegsfreiwillig zur Artillerie
1918 Fronteinsatz bei der Frühjahrsoffensive; Eisernes Kreuz II. Klasse; Unteroffizier
1919-1920 kurzes Studium der Ingenieurswissenschaften an der Technischen Hochschule Stuttgart; Finckh wohnt im Hause des Generals Walter Reinhardt, der das Hochschulstudium künftiger Generalstabsoffiziere forderte
1920 Aufnahme in die Reichswehr; Offiziersanwärter im Artillerieregiment 5 in Ludwigsburg
1925 Leutnant im nach Ulm verlegten Artillerieregiment 5
1936 Batteriechef der 3. Schweren Batterie des Artillerie-Regiments 41 auf dem Unteren Kuhberg in Ulm; begrüßt die Batterie nach wie vor nicht mit „Heil Hitler“, sondern mit „Heil Artillerie“
1937-1939 auf Fürsprache Ludwigs Becks auch ohne Wehrkreisprüfung zur Kriegsakademie zugelassen; Freundschaft mit den Lehrgangskameraden Graf Stauffenberg und Mertz von Quirnheim
1939 Sep. im Polenfeldzug als Generalstabsoffizier (Ib) verantwortlich für die Versorgung eines Panzerkorps
1940 Mai Oberquartiermeister beim Generalquartiermeister des Heeres; Verbindungsoffizier zur 6. Armee unter General Oberst von Reichenau
1942 Herbst Oberquartiermeister der Heeresgruppe Süd von Manstein; Ringen um die Versorgung der 6. Armee bei Stalingrad
1942 1. Sep. Beförderung zum Oberst
1944 Mai Auszeichnung mit dem selten verliehenen Ritterkreuz zum Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern für die Versorgung der Heeresgruppe Süd
1944 23. Jun. Oberquartiermeister der Heeresgruppe B Rommel im Westen
1944 26. Jul. Verhaftung durch die Gestapo wegen Teilnahme am Staatsstreich
1944 30. Jul. Hinrichtung in Plötzensee, zusammen mit General von Stülpnagel
1965 29. Jul. Bundeswehrkaserne in Großengstingen wird „Eberhard Finckh Kaserne“
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: Annemarie, geb. von Weyrauch
Eltern: Vater: Dr. med. Julius Hugo Finckh (geb. 3.5.1866 in Stuttgart, gest. 27.5.1934 in Kupferzell), Landarzt
Mutter: Marie Martha Mathilde Finckh, geb. Roser (geb. 24.4.1874 in Stuttgart, gest. 12.4.1961 in Urach)
Geschwister: Gertrud (1896-1974), Diakonisse
Maya (1898-1977)
Eberhard
Kinder: Peter (geb. 1937)
Christine (geb. 1939)
Barbara (geb. 1942)
GND-ID: GND/123565235

Biografie: Heinrich Bücheler (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 78-80

Durch gut organisierte Logistik oder Versorgung allein ist noch keine Schlacht und noch kein Krieg gewonnen worden. Mit mangelhafter Logistik aber gehen alle Schlachten und alle Kriege letztlich verloren. – Diese Erfahrung machte an der Westfront 1917/18 auch der siebzehnjährige kriegsfreiwillige Artillerist Finckh. Mit allen Einsichtigen in Deutschland erkannte der junge Finckh, dass gegen die überwältigende materielle und personelle Überlegenheit der Alliierten es keine Hoffnung auf einen „Sieg-Frieden“ mehr gab. – Finckhs Vorfahren waren in Reutlingen vor allem Ärzte, aber auch Pfarrer und Kaufleute. Es mag überraschen, dass der philosophisch veranlagte junge Finckh trotz der Erfahrung der deutschen Niederlage 1918 doch Soldat bleiben wollte. Gewiss lag viel Sinn für Kameradschaft in ihm. Die Sorge um das Wohl deutscher Soldaten, die er 1917/18 hungernd gesehen hatte, machte ihm die Truppenversorgung zur Lebensaufgabe.
Als Artillerist fand Finckh überall bedeutende Vorgesetzte. In Ulm, wo seine Batterie bei Schießübungen brillierte, wurde der Regimentskommandeur Ludwig Beck auf ihn aufmerksam. Beck förderte Finckh dann auch als Chef des Generalstabs.
Artillerist war auch der Oberbefehlshaber des Heeres von 1934-1938, Generaloberst Freiherr von Fritsch. Schon an der Staatsstreichsplanung im September 1938, deren Fäden nach der Demissionierung Becks bei dessen Nachfolger Franz Halder zusammenliefen, war auch der Fachvorgesetzte von Finckh, der Generalquartiermeister Eduard Wagner maßgeblich beteiligt. Auch Wagner war Artillerist und ein treuer Anhänger Becks. Fünf Jahre älter als Finckh, kam er aus der bayerischen Feldartillerie und war im Grunde seines Wesens Monarchist geblieben. Hitler war Wagner verhasst. Seit August 1940 war Wagner Generalquartiermeister des Heeres. Der mit ihm fachlich wie weltanschaulich übereinstimmende Finckh wurde sein engster Mitarbeiter. Der Polenfeldzug im September 1939 und auch der Westfeldzug im Mai/Juni 1940 waren für das deutsche Heer auch logistisch noch lösbare Aufgaben. Das änderte sich mit dem Angriff auf die Sowjetunion. Der russische Raum und der Winter 1941/42 brachte auch dem erfahrenen Logistiker Finckh ein Novum: die Bedeutung geeigneter Bekleidung. Vor allem im Mittel- und Nordabschnitt kam es zu Erfrierungen und Amputationen. Nach der Winterkrise schrieb Finckh am 27. 3. 1942 an seine Frau: „Da muss halt beizeiten was geschehen, um hier nach der Sach' zu sehen ... Vielleicht entwickelt sich mal wieder ein geschickter Gedanke zu Plan und Tat ...“. Im Spätherbst1942 zeichnete sich die Einschließung der 6. Armee in Stalingrad ab. Verbrecherisch leichtsinnig versicherte Göring, er könne die 6. Armee aus der Luft versorgen. Zeitzeugen erinnerten sich, der Oberquartiermeister Finckh, schlohweiß geworden, habe in seinem damaligen Hauptquartier Charkow bei Lagebesprechungen beschwörend darauf hingewiesen, dass „dreihundertvierzigtausend Mann unmöglich längere Zeit aus der Luft versorgt werden könnten“. Dass die 6. Armee, der Finckh sich besonders verbunden fühlte, trotz seiner verzweifelten Bemühungen zur Armee der Verhungerten und Erfrorenen wurde – nur 6000 sahen nach Jahren die Heimat wieder – machte ihm die „Oberste Führung“ noch mehr verhasst. Vom Generalquartiermeister wurde Finckh auch laufend über die Attentatspläne des Jahres 1943 informiert. Eine andere, zivile Informationsquelle war die Familie seiner Frau, die mit der hessischen Adelsfamilie von Trott zu Solz verwandt war. Der Legationsrat Adam von Trott zu Solz verband auf seltene Art Heimatliebe mit Weltkenntnis – „weitestem Umfassen der heutigen Welt“ (E. Zeller). Auch mit der Familie des einstigen Reichsaußenministers von Neurath war ein Onkel von Finckhs Frau, Annemarie, verwandt.
Als Graf Stauffenberg am 1.10.1943 Chef des Stabes des Allgemeinen Heeresamtes unter General Friedrich Olbricht wurde, übernahm das Ersatzheer die Zentrale des militärischen Widerstandes. Die NS-Propaganda versicherte jetzt, dass die Abwehr der 1944 zu erwartenden Invasion im Westen dem Feind die Uneinnehmbarkeit der „Festung Europa“ beweisen und damit den „Endsieg“ bedeuten werde. – Doch die Abwehr der Invasion vom 6. Juni 1944 misslang. Sehr viel hing jetzt von der laufenden Versorgung der deutschen Normandiefront ab. Unter der Wucht der alliierten Luftoffensive war der Versorgungsverkehr westlich Paris bei Tage fast unmöglich, bei nacht machte der Maquis die Straßen unsicher. Nach einer Beratung mit Rommel berief der Generalquartiermeister Wagner seinen besten Nachschubfachmann von der Ostfront ab und machte Finckh am 23. Juni 1944 zum Oberquartiermeister der Heeresgruppe Rommel. Am gleichen Tage traf Finckh im Berliner Bendlerblock mit Graf Stauffenberg, Mertz von Quirnheim und General Olbricht zusammen. Der Ablauf des Staatsstreichs im Westen und die vorgesehenen Friedensverhandlungen mit den Westmächten dürften besprochen worden sein. Finckh überbrachte Instruktionen der Berliner Zentrale dem mitverschworenen Militärbefehlshaber in Frankreich, General von Stülpnagel, und meldete sich am 25. Juni 1944 im Schloss La Roche Guyon bei Rommel. – Die Abriegelung der Landeköpfe und die Versorgung der dort kämpfenden Truppen lag auch im Interesse der Verschwörer. Oberst Finckh „... kam nach Paris und stürzte sich in die Arbeit. Ja, er arbeitete wie ein Berserker ...“ (W. von Schramm). Die Schwierigkeiten waren enorm. Das Eisenbahnnetz westlich Paris fiel durch Luftangriffe und Sabotage total aus. Kraftfahrzeuge konnten bei gutem Wetter nur nachts fahren. Finckh ließ eine Flak-Jagdgruppe, sogenannte „Flak-Gassen“ in die nach der Normandie führenden Straßen bilden. Die Wasserwege, über denen die Nebel sich am längsten hielten, wurden vermehrt genutzt. „Förderkörbe“ dienten als Rückhaltbasis an der Maas, Umschlagplätze bei Paris und westlich unterstanden den Straßenkommandanten. – In den wenigen Wochen von Finckhs Nachschubtätigkeit „besserte sich die Versorgungslage der Truppe spürbar“ (General der Panzertruppe Heinrich Eberbach).
Der Generalquartiermeister Wagner und die Berliner Staatsstreichplaner hatten Finckh auch mit der Übermittelung der Attentatsnachricht an die Pariser Verschwörer beauftragt. Dadurch exponierte er sich so, dass sein Schicksal besiegelt war, als der Staatsstreich nach Anfangserfolgen auch in Paris scheiterte. Zudem stand sein Name auch auf einer „Berliner Liste“. Am 26. Juli frühmorgens wurde Finckh verhaftet. Auch jetzt dachte er noch an die Truppenversorgung. Er soll gebeten haben, noch solange zu arbeiten, bis die Truppe zureichend versorgt sei. – Man ging darauf nicht ein, zum Nachteil der nun rasch zusammenbrechenden Westfront. Am 29. August stand Finckh, zusammen mit dem General von Stülpnagel und dessen Stabschef, Oberst von Linstow, vor dem Präsidenten des Volksgerichtshofes, Roland Freisler. Alle drei wurden zum Tode verurteilt und am 30. August 1944 in Plötzensee erhängt. – Oberst Finckh habe oft „mehr wie ein schwäbischer Landpfarrer“ als wie ein Generalstabsoffizier ausgesehen, wurde geschrieben (W. von Schramm). Wer ihn anrief und sein breitschwäbisches „Hier ischt Finckh“ hörte, konnte gewiss sein: Hier ist jemand, der alles tun wird, um zu helfen.
Quellen: www.dzokulm.telebus.de/mitteilungsblatt4111.html; Bundesarchiv-Militärarchiv (BA-MA) Freiburg, RH IV/176; Peter Finckh (Sohn, Ulm); Christine Funk-Finckh (Tochter, Zürich).
Nachweis: Bildnachweise: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin Stauffenbergstraße; Bildanhang „20. Juli 1944“, Bundeszentrale für Heimatdienst, 1961.

Literatur: Eberhard Zeller, Geist der Freiheit. Der 20. Juli 1944, hg. von der Bundeszentrale für Heimatdienst, 1961; Wilhelm von Schramm, Aufstand der Generale. Der 20. Juli in Paris, 1977; Peter Hoffmann, Widerstand, Staatsstreich, Attentat, 1985; Heinrich Bücheler, Stülpnagel. Soldat, Philosoph, Verschwörer, 1989; A. Stahlberg, Die verdammte Pflicht. Erinnerungen 1932-1945, 1987; Joachim Fest, Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli, 1994; Florian Funk-Finckh, „Hier ischt Finckh“, in: Der 20. Juli 1944 in Paris, hg. von Bengt von zur Mühlen/Frank Bauer, Chronos Film GmbH, 1995.
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