Krämer, Joseph 

Geburtsdatum/-ort: 11.10.1901;  Reilingen
Sterbedatum/-ort: 02.11.1991;  Mosbach
Beruf/Funktion:
  • Geistlicher, Dekan, MdL-CDU
Kurzbiografie:

1914–1918 Katholische Heimschule Lender in Sasbach

1918–1922 Humanistisches Gymnasium Rastatt

1922–1927 Abitur in Rastatt und Studium der Philosophie und Theologie in Freiburg mit Seminarjahr in St. Peter/Schwarzwald

1927 19.III. Priesterweihe in Freiburg

1927–1930 Vikar in Oberkirch

1930–1935 Vikar in St. Bonifatius, Heidelberg

1935–1937 Kaplaneiverweser in Krautheim

1937–1941 Pfarrverweser in Schlierstadt

1941–1946 Pfarrer in Ölfingen

1946–1966 Stadtpfarrer von St. Cäcilia, Mosbach

1947 Dekan des Landkapitels Mosbach und Wahl zum Vorsitzenden des Caritasverbandes im Lkr. Mosbach

1947 Gründer der kirchlichen Neuen Heimat, heute Familienheim, Mosbach

1952 Geistlicher Rat

1952–1960 MdL-CDU

1967–1980 Gründer und Leiter des ersten Dekanatsaltenwerks der Erzdiözese Freiburg in Mosbach

Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Auszeichnungen: Ehrungen: Ehrendekan (1964); Goldenes Caritaskreuz des DCV (1971); Ehrenbürger der Stadt Mosbach (1972).
Verheiratet:

unverheiratet


Eltern:

Vater: Georg (1863–1939), Landwirt und Gemeinderat

Mutter Barbara, geb. Mitsch (1868–1947)


Geschwister:

6; Otto (geb. 1892), Oskar (geb. 1893), Karl (geb. 1895), Arthur (geb. 1896), Helena Magdalena (geb. 1899) und Theodor (geb. 1905).


Kinder:

keine

GND-ID: GND/133130584

Biografie: Michael Kitzing (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 315-317

Der Sohn eines Landwirtes wuchs in einem katholisch geprägten Hause auf. Nach dem Besuch der Volksschule in Reilingen und der Heimschule Lender in Sasbach legte er das Abitur am Gymnasium Rastatt ab, studierte Theologie in Freiburg und entwickelte bereits starkes soziales Engagement. Er war einer der Gründer der studentischen Selbsthilfe und arbeitete auch im Caritasverband mit.

Am 19. März 1927, seinem Namenstag, empfing er die Priesterweihe und durchlief danach mehrere Stellen bis zum Pfarrverweser von Schlierstadt. Ölfingen wurde 1941 seine erste Pfarrstelle. Seine lange Tätigkeit war nur 1936 durch eine schwerere Erkrankung unterbrochen.

Der längste und wichtigste Teil seines Lebens begann gleich nach dem Ende des II. Weltkrieges mit seinem Amtsantritt als Pfarrer von St. Cäcilia in Mosbach, um die er sich gegen 13 Konkurrenten erfolgreich beworben hatte. Über 40 Jahre lang nahm Krämer fortan im politischen und sozialen Leben Mosbachs und des Landkreises eine zentrale Rolle wahr.

Das gesamte badische Hinterland hatte seit dem 19. Jahrhundert unter der Abwanderung in die Industriestädte gelitten, vor allem ins florierende Handels- und Industriezentrum Mannheim, aber auch unter Auswanderung nach Übersee. Davon war auch der Landkreis Mosbach betroffen, der um die Mitte der 1940er Jahre noch ganz agrarisch geprägt war und als eher rückständig galt. Zwar gehörten das Bauland und der Odenwald zu den Gebieten, die kaum unter Kriegszerstörungen litten, die landwirtschaftlichen Erträge aber reichten nicht einmal zur Versorgung der Einheimischen. Am Ende des II. Weltkrieges wurde der strukturell schwache Kreis mit wenige Arbeitsplätzen in der Industrie durch Flüchtlinge und Heimatvertriebene zusätzlich belastet. Die Unterbringung von bis zu 25 000 Menschen, darunter zuweilen bis zu 6000 Evakuierte, stellte ein schier unlösbares Problem dar.

In dieser Situation sah es der Seelsorger Krämer, der die Lage der Heimatvertriebenen unmittelbar mitbekam, als seine Pflicht an, das Flüchtlingselend beseitigen zu helfen. Damit rückte die sozial- karitative Arbeit ins Zentrum seiner Tätigkeit. Auch kirchliche Interessen waren tangiert; denn die große Mehrheit der Heimatvertriebenen war katholisch, anders als die gemischtkonfessionelle Kreisbevölkerung. 1947 gründete Krämer die Baugenossenschaft Neue Heimat Mosbach, die in den folgenden zweieinhalb Jahrzehnten unter seiner Leitung erfolgreich wirkte. Im Oktober 1949 konnte in Anwesenheit von Erzbischof Wendelin Rauch das Siedlungsprojekt Marienhöhe mit 88 Häusern übergeben werden. Weitere Projekte folgten. Bis 1972 waren über 3150 Wohneinheiten fertiggestellt. Selbstverständlich profitierten von diesen Bauten nicht nur Heimatvertriebene, auch das örtliche Baugewerbe kam in Schwung. Krämer erhielt wegen dieses Engagements den Ehrentitel „Baudekan“. Er fand auch in der Bundes- wie Landespolitik große Anerkennung. Altbundeskanzler Konrad Adenauer (1876–1967) lobte bei seinem Besuch auf der Burg Hornberg im April 1964 den Einsatz des Dekans für den Familienheimbau. Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger machte 1961 den symbolischen ersten Spatenstich für eines der von Krämer initiierten Bauobjekte. Krämer, der „reuige Sünder“ gern bei den Bauarbeiten mitwirken ließ, bewies übrigens bei der Wohnungsvergabe große Eigenständigkeit und Kritikresistenz. Er nahm sich auch der Anliegen von der Kirche fernstehenden Personen an, selbst von Kommunisten.

Während der Zeit Krämers als Stadtpfarrer und seit 1947 als Dekan des Landkapitels Mosbach wurde auch eine ganze Reihe von Neubauten für kirchliche Institutionen errichtet. Schon 1947 hatte Krämer im damaligen Barackenlager der Heimatvertriebenen in der Hammerwegsiedlung einen provisorischen Kindergarten bauen lassen. Zwischen 1950 und 1967 kamen die Kindergärten St. Cäcilia, St. Josef, Maria Königin und Bruder Klaus hinzu. Mit St. Josef und Maria Königin wurden zwei neue Kirchen gebaut, im ehemaligen Steyler Missionsseminar St. Bernhard und im Kreiskrankenhaus in Mosbach neue Hauskapellen. Ein persönlicher Erfolg für Krämer mag es gewesen sein, dass seine Pfarrkirche, deren Geläut während des II. Weltkrieges eingeschmolzen worden war, die drei größten Glocken der ehemals schlesischen Abteikirche Grüssau erhielt, deren Konvent in Bad Wimpfen untergekommen war. Der Glockenturm der Wimpfener Kirche hatte sich als zu klein erwiesen.

Ungeachtet seiner seelsorgerischen Arbeit, vieler Stunden Religionsunterricht, seines Engagements für die Neue Heimat Mosbach und den Caritas-Kreisverband erklärte sich Krämer auf Wunsch der CDU-Nordbaden und mit erzbischöflicher Genehmigung 1952 bereit, für den Landtag zu kandidieren. Er hatte Erfolg und wurde auch gleich in den CDU-Fraktionsvorstand gewählt. Während seiner acht Jahre als Abgeordneter gehörte Krämer dem Verfassungsausschuss, dem Wohnungs-, dem Landwirtschafts-, dem Sozial-, dem kulturpolitischen und dem Finanzausschuss an.

Krämers Ausschussmitgliedschaften lassen seine politischen Schwerpunkte erkennen: Fragen der Wohnungs- und Sozialpolitik sowie Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur im Bauland und im Odenwald. Immer wieder machte er auf die Wohnungsnot aufmerksam und forderte Kredithilfen für jung verheiratete Paare, kinderreiche Familien und Geringverdienende. Zur Stärkung der strukturschwachen Kreise Mosbach und Buchen wollte er deren verkehrstechnische Erschließung vorantreiben. Er verwies darauf, dass täglich 4000 Pendler mit der Schmalspurbahn von Mudau in die Kreishauptstadt zur Arbeit fahren mussten, deren „Wagenmaterial und die Lokomotiven […] seit 60 Jahren“ (Verhandlungen des Landtags von Baden-Württemberg, II. Wahlperiode, S. 698) die gleichen seien. Das nötige Geld für vorgesehene schnellere Loks fehle noch immer. Auch die Elektrifizierung der Strecken von Bad Friedrichshall – Jagstfeld nach Neckarelz und Osterburken und der Bahnlinie von Heidelberg nach Würzburg mahnte er an und forderte, die Heidelberger Strecke für D-Züge auszubauen. Ein weiteres Anliegen Krämers war die Unterstützung der finanzschwachen Gemeinden des badischen Hinterlandes beim Straßen- und Schulhausbau. Den Neubau des Matthias-Grünewald- Gymnasiums in Tauberbischofsheim sah er als vordringlich. Für die Industrieansiedlung in Mosbach forderte er günstige Kreditanreize und über die Flurbereinigung, wofür er ein Amt in Mosbach forderte, das erst bei der Kreisreform verwirklicht wurde, suchte er die Arbeitsbedingungen der Landwirtschaft zu verbessern. All das brachte ihm den Ruf ein, einer der Väter der Strukturförderung für Odenwald und Bauland zu sein.

Die Landtagswahl 1960 löste den politischen Rückzug Krämer aus; denn das erzbischöfliche Ordinariat wollte fortan vom direkten Engagement Geistlicher in Parlamenten mit Rücksicht auf die parteipolitische Neutralität absehen. Zusammen mit dem ebenfalls ausgeschiedenen CDU-Fraktionsvorsitzenden Franz Hermann wurde Krämer so einer der letzten geistlichen Parlamentarier, die in der Tradition von Franz-Xaver Lender, Theodor Wacker und Joseph Schofer standen.

Auch im Ruhestand, in den Krämer 1966 trat, blieb er aktiv und unterrichtete noch in der Schule. Nun kümmerte er sich aber vor allem um die ältere Generation und bot in den kath. Gemeinden Mosbachs ein breit gefächertes Programm für ältere Menschen an, das Vorträge, Fahrten und Diskussionen, auch Altengymnastik umfasste. So wurde er zum „Initiator der Altenbewegung in Mosbach“ (J. Müller, Ehrendekan, 2001, S. 100).

1986 feierte Krämer sein 40–jähriges Pfarrjubiläum in St. Cäcilia. Gesundheitlich angeschlagen wurde es bald ruhiger um ihn. Er verstarb fünf Jahre danach, kurz nach Vollendung seines 90. Lebensjahres.

Das Wirken Krämers hat zahlreiche Würdigungen erfahren, auch durch Erzbischof Oskar Saier (1932–2008), der seine kirchliche Laufbahn 1957 bis 1962 als Kaplan Krämers begonnen hatte. Für Saier war Krämer „prägendes Vorbild eines großen Priesters, […] der für seine jüngeren Mitbrüder zum Freund und Vater geworden ist“ (in: Müller, 1987, S. 67).

Quellen:

HStA Stuttgart J 191, Krämer, Joseph, Zeitungsausschnitte; Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung von Baden-Württemberg und Verhandlungen des Landtags von Baden-Württemberg, 1952–1960; Zusammenstellung der Landtagsreden von Joseph Krämer, in: Caritasverband für den Neckar-Odenwald-Kreis (Hg.), Joseph Krämer: Seelsorger, Caritasmann, Bauherr, Sozialpolitiker, 1987, 85–157.

Werke: Denkschrift. Über die Wohnungsnot in Mosbach und im Kreise und die Lage der Flüchtlinge, 1946 (wiederholt genannt, jedoch bibliogr. nicht nachweisbar); (mit Bernard Jung) Sankt Josef Mosbach/Baden, 1962.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (ca. 1990) S. 306, PfarrA St. Cäcilia, Mosbach. – C. Jung in: Kirche und Religion, 2009, 232 (vgl. Literatur).

Literatur:

25 Jahre 1947 –1972: Neue Heimat, Gemeinnützige Baugenossenschaft für den Lkr. Mosbach e. G. m. b. H., 1972; Georg-Norbert Müller, 25 Jahre St. Josef, 1982; Pfarrei St. Cäcilia Mosbach (Hg.), St. Cäcilia in Mosbach, 1935–1985. Kirchliches Leben in Vergangenheit und Gegenwart, 1985; Josef Müller, Joseph Krämer: Seelsorger, Caritasmann, Bauherr, Sozialpolitiker, hgg. vom Caritasverband für den Neckar-Odenwald-Kreis, 1987; Oskar Saier, „Beten Sie für Ihren kommenden Chef – Der Herr Dekan ist immer für uns eingestanden“, ebd. 64–67; Josef Müller, Joseph Krämer, Porträt eines kath. Priesters, in: Unser Land, 1988, 99–102; Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Neckar-Odenwald-Kreis, Der Neckar-Odenwald- Kreis, 2 Bde., 1992; Heinrich Heidegger, Krämer, Joseph, in: FDA 116, 1996, 145–147; Alois Hafner, 50 Jahre Baugenossenschaft Neue Heimat/Familienheim, in: Mosbacher Jahresheft 7, 1997, 166–182; Josef Müller, In memoriam Ehrendekan Joseph Krämer, ebd. 11, 2001, 81–104; Karl Heinz Neser, Politisches Leben im Neckar-Odenwald-Kreis – gestern und heute, 2005; Christian Jung u.a. (Hgg.), Zukunft mit Heimweh – Integration und Aufbauleistung der Vertriebenen und Flüchtlinge im Neckar-Odenwald-Kreis, 2009; Karl Heinz Neser, Die Unterbringung und Wohnsituation der Flüchtlinge und Vertriebenen in den Nachkriegsjahren, ebd., 86–99; ders., Der Neckar-Odenwald-Kreis als ehemaliges „Notstandsgebiet“ des Landes, ebd. 175–184; Christian Jung, Kirche und Religion, ebd., 231–235; Manfred Leitheim, Die soziale und kirchliche Integration der Vertriebenen im Neckar-Odenwald-Kreis, ebd., 236–244; Auskunft des KreisA Rhein-Neckar-Kreis zur Familie Krämers vom 19.10.2016.

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