Märkt, Gustav Adolf 

Geburtsdatum/-ort: 18.01.1861;  Böblingen
Sterbedatum/-ort: 01.09.1947;  Ludwigsburg
Beruf/Funktion:
  • Pfarrer und Waldenserforscher
Kurzbiografie:

1861–1875 3 Jahre Volksschule, dann 5 Jahre Lateinschule und Landexamen in Böblingen

1875–1879 Seminare in Maulbronn und Blaubeuren als Vorbereitung auf den Pfarrerberuf

1879–1883 Theologiestudium in Tübingen; Wohnen im Stift, I. Dienstprüfung

1883–1888 Ordination, Vikariat in drei Gemeinden

1886 II. Examen, „Wissenschaftliche Reise“ des Pfarramtskandidaten, Pfarrverweser in zwei Gemeinden

1888–1901 Pfarrer in den Waldensergemeinden Pinache mit Filialort Serres

1901–1909 Pfarrer in Hessigheim bei Heilbronn

1909–1929 Pfarrer in Birkach bei Stuttgart

1929–1947 Ruhestand in Hirsau bei Calw, dann in Ludwigsburg, mit vielen Vertretungsdiensten und Veröffentlichungen zum Waldensertum

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet:

I. 1896 (Pinache) Maria Lydia, geb. Hahn (gest. 1897);

II. 1898 (Pinache) Berta, geb. Hahn (geb. 1934), Schwester der ersten Frau, beide aus der Familie von Philipp Matthäus Hahn


Eltern:

Vater: Jakob, Kübler und Landwirt (1825–1899)

Mutter: Christine, geb. Mayer (1826–1899)


Geschwister:

Jakob (geb. 1859), Sofie (geb. 1862), Wilhelm (geb. 1868)


Kinder:

4; Charlotte (geb. 1899), Theodor (1901–1945), Pfarrer, Adolf (geb. 1903) und Gerhard (geb. 1907)

GND-ID: GND/134177290

Biografie: Gerhard Schwinge (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 371-374

Märkt wurde als Kind zur Mitarbeit in der Wirtschaft seiner Eltern herangezogen. Nach Volks- und Lateinschule in Böblingen öffnete sich mit dem sogenannten Landexamen für ihn der typische Ausbildungsgang der württembergischen evangelischen Theologen: die Jahre in den Seminaren Maulbronn und Blaubeuren mit dem sogenannten Konkursexamen als Abschluss, gefolgt vom Theologiestudium in Tübingen und Wohnen im Stift, was 1883 mit der I. Dienstprüfung abschloss. Nach der Ordination durch den Böblinger Dekan war Märkt bis 1886 Vikar in drei verschiedenen Gemeinden und nach dem II. Examen bis 1888 Pfarrverweser in zwei weiteren. Einer seiner vorgesetzten Dekane in dieser „unständigen“ Pfarrtätigkeit urteilte 1884: „Er ist ein einfacher, aufrichtiger, lauterer junger Mann.“ (Lebenserinnerungen Märkt, 2018, S. 17)

Zur Ausbildung der Theologen gehörte damals in Württemberg nach dem II. Examen die sog. Kandidatenreise, eine „wissenschaftliche Reise“ nach eigener Wahl. Märkt entschied sich Dresden, Berlin und Hamburg zu besuchen, dann England und zuletzt Paris. Er war ab Juli 1886 vier volle Monate unterwegs, schrieb ein im Pfarramtsarchiv Pinache erhaltenes Tagebuch und noch einen langen Bericht, dessen Original sich in der Personalakte befindet und je eine handschriftliche Reinschrift (316 S.) im Pfarrarchiv Pinache und im Archiv der Waldenservereinigung. In Dresden informierte er sich über die Innere Mission im Königreich Sachsen und in Berlin über die Stadtmission; über beide Stationen veröffentlichte er einen Artikel in den „Blättern für das Armenwesen“. In Hamburg besuchte er, wie schon in Dresden, einen Gottesdienst der Methodisten und ebenso bei anderen Freikirchen. In 52 Tagen England informierte er sich über die verschiedensten kirchlichen Gruppen und Einrichtungen; unter tausenden Zuhörern hörte er eine Predigt des berühmten Charles Haddon Spurgeon (1834–1892). In Paris hörte er die bekannten protestantischen Prediger Edmond de Pressensé (1824–1891) und Eugène Bersier (1831–1899).

Danach war Märkt noch zwei Jahre Pfarrverweser in der Nähe von Schwäbisch Hall, bevor er im Mai 1888 seine erste Pfarrstelle in Pinache mit dem eine Fußstunde entfernten Filialort Serres, nahe der badischen Grenze, antreten konnte. Beides waren alte Waldensergemeinden, für Märkt eine ganz neue Welt, die er sich schnell eroberte. Besondere Ereignisse während der nächsten 13 Jahre seiner Zeit dort waren zwei feierliche Jubiläen, die sich mannigfach niederschlugen, in seinen Manuskripten, Vorträgen und Veröffentlichungen und in zwei Reisen Märkts in die italienischen Waldensertäler im Piemont. Das erste war 1889 das 200-jährige Jubiläum der sog. „Glorreichen Rückkehr“, womit an die Heimkehr piemontesischer Waldenser aus dem schweizerischen Exil in ihre Heimat unter der Leitung des Waldenserführers Henri Arnaud (1643–1721) erinnert wurde, und das zweite feierte 1899 die 200–jährige Geschichte der 1699 unter Arnaud gegründeten württembergischen, badischen und hessischen Waldensergemeinden. Märkt reiste im September 1898 zur Synode der italienischen Waldenserkirche, um die Brüder zum Jubiläum 1899 nach Deutschland einzuladen. Die Verständigung erfolgte teils auf Italienisch, mehr noch auf Französisch, seltener auf Deutsch. Erwähnt sei auch die Zusammenarbeit Märkts mit dem 1890 gegründeten Deutschen Hugenottenverein und seinem Gründer Henri Tollin (1833–1902).

Diese beiden Großereignisse überragen freilich die normale Gemeindearbeit, worüber von den Pfarrern regelmäßig Pfarrberichte zu verfassen und der Kirchenbehörde vorzulegen waren. Es sind ausführliche Berichte mit statistischen Angaben. Von Märkt liegen im Landeskirchlichen Archiv in Stuttgart und im Pfarrarchiv Pinache die Pfarrberichte 1890, 1892, 1897 und 1901 vor, wovon der älteste und jüngste jetzt transkribiert und 2018 im dem Sammelband „Lebenserinnerungen Märkt“ ediert wurden und ein detailliertes Bild der beiden Gemeindeorte beinhalten.

Bis 1896, also bis zu seinem 35. Lebensjahr, war Märkt Junggeselle; dann heiratete er die Pfarrerstochter Maria Lydia Hahn, die bereits nach vier Monaten starb, und danach, über ein Jahr später, deren Schwester. Beide waren Nachkommen der berühmten schwäbischen Großfamilie des Philipp Matthäus Hahn (1739–1790). In der Personalakte fällt noch auf, dass Märkt nicht nur für seine Reisen Urlaub gewährt wurde, sondern dass er wiederholt wegen Krankheit wochenlang Urlaub beantragen musste und ihm bisweilen zur Unterstützung in der Gemeindearbeit ein Vikar zugestanden wurde.

Nach 13 Jahren in Pinache und Serres, so schrieb Märkt später in seiner Autobiographie von 1936 und 1943 „Aus meinem Leben“, „regten sich in mir Versetzungs- und Wandergedanken […]. Schmerzliche Erfahrungen in der Gemeinde […] trugen dazu bei, diesen Wunsch zu verstärken. Ich habe in den beiden Waldensergemeinden Pinache und Serres eine besondere Christlichkeit oder auffallenden kirchlichen Sinn bei meinem Aufzug 1888 nicht erwartet, auch nicht, etwa als Erbe von den Vorfahren, gefunden. In Serres war das religiöse Leben mehr entwickelt als im Mutterort.“ (Lebenserinnerungen, 2018, S. 103) An anderer Stelle heißt es, dass er sich aus den „armseligen Verhältnissen der beiden Waldensergemeinden“ Pinache und Serres heraussehnte, „namentlich aus dem engen Pfarrhaus“ (ebd. S. 26).

1901 wechselte Märkt in die Kirchengemeinde Hessigheim in der Nähe von Heilbronn, wo er acht Jahre blieb. Bis zum Eintritt in den Ruhestand 1929 mit 68 Jahren war er danach Pfarrer in Birkach bei Stuttgart. Hier wurde er mit dem Nebeneinander oder sogar Gegeneinander des hergebrachten Bauernstandes mit dem anwachsenden, SPD-beeinflussten Arbeiterstand konfrontiert. In diesen Jahren traten auch innergemeindliche Beschwernisse auf: der I. Weltkrieg – eine „Kriegschronik Birkach 1914–1918“ von Märkt befindet sich bei den Birkacher Pfarrberichten im LKA Stuttgart –, Inflationszeit, die unruhige Weimarer Republik, die beginnende Weltwirtschaftskrise. In der Kirchengemeinde gab es zudem Kräfte, die dem Pfarrer nicht wohlwollten, wie eine Beschwerde und Eingaben an den Oberkirchenrat in den Akten zeigen. So ließ Märkt sich 1929, nach 46 Jahren im kirchlichen Dienst, in den Ruhestand versetzen.

In die 18 Ruhestandsjahre bis 1947 während des NS-Regimes und des II. Weltkriegs fällt eine große Zahl von Veröffentlichungen, Vorträgen und Publikationen Märkts. Auch sonst war es für Märkt eine bewegte Zeit: Die ersten fünf Jahre lebte er mit seiner Frau in einer Mietwohnung in Hirsau bei Calw. Schon von hier aus übernahm er häufig Vakanzdienste, Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen in verschiedenen Gemeinden im Kirchenbezirk Calw, oft mit mehrtägiger Abwesenheit von seinem Ruhestandsort. So auch in Möttlingen, heute Ortsteil von Bad Liebenzell, wo zwei berühmte Vorgänger gewirkt hatten: Christian Gottlob Barth (1799–1862), eine der leitenden Gestalten der Erweckungsbewegung in Württemberg, besonders dank des von ihm gegründeten Calwer Verlagsvereins, war dort 1834 bis 1838 Pfarrer. Dessen Nachfolger dort war Johann Christoph Blumhardt (1805–1880), der bis 1852 als Pfarrer wirkte. Blumhardt hatte 1843 durch Gebet die Heilung der Gottliebin Dittus bewirkt, was auch eine Erweckungsbewegung auslöste. Zu Märkts Zeit bewirkte in Möttlingen der pietistische Laienprediger Friedrich Stanger (1855–1934) mit einer „Rettungsarche“ solche Gebetsheilungen. Märkt schreibt über die Rettungsarche, mit der die Kirchengemeinde in einem friedlichen Einvernehmen stand, wie auch umgekehrt, in seiner Autobiographie.

1931 hatte das Ehepaar Märkt Besuch aus den italienischen Waldensertälern. Nach einer Kur und Reisen starb Märkts Frau 1934 an einem Gehirnschlag. Damit begann für den Ruheständler eine Zeit von über elf Jahren als Witwer. Im März 1935 zog Märkt nach Ludwigsburg in ein Altersheim, welches er jedoch bereits im Juni 1936 wie alle Bewohner wieder verlassen musste, weil es verkauft wurde. Daraufhin suchte er sich in Ludwigsburg eine Mietwohnung und stellte eine Haushälterin ein, eine Lösung, die bis zu seinem Tode unverändert blieb. Märkt widmete sich biblischen Studien und verschiedenster Lektüre, hielt Vorträge, auch die Gottesdienstvertretungen setzte er fort. Zugleich trat das deutsche Waldensertum 1934/35/36 „in ein neues Stadium“ (Lebenserinnerungen, 2018, S. 162), woran er am Rande beteiligt war: Besuch der deutschen Waldensernachkommen und -freunde bei den italienischen Waldensern 1934 und 1939, Gegenbesuch der italienischen Waldenser in Württemberg mit aktiver Anteilnahme Märkts, auch als Übersetzer. 1936 wurde die Deutsche Waldenservereinigung und die Zeitschrift „Der deutsche Waldenser“ gegründet, und man erwarb das ehemalige Haus von Henri Arnauds in Schönenberg bei Ötisheim nahe Mühlacker, worin ein Museum und eine Bibliothek eingerichtet wurden.

1941 gratulierte Landesbischof Theophil Wurm Märkt zum 80. Geburtstag und dankte ihm für seine „eifrigen Bemühungen um die Waldensergeschichte“ – in freundschaftlichem Ton und „per Du“ aufgrund gemeinsamer Jahre in einer Tübinger Studentenverbindung. Damals brachten die Einberufungen von Amtsbrüdern während des II. Weltkriegs weitere Vertretungsdienste in zahlreichen Gemeinden mit sich. Über den 1. Advent 1943 war Märkt ein ganzes Wochenende in Pinache und Serres.

Am 8. Dezember 1943 enden Märkts autobiographische Lebenserinnerungen. Entsprechend ist über die letzten vier Lebensjahre mit fortschreitenden Anzeichen des hohen Alters weniger bekannt. Zum 85. Geburtstag gratulierte ihm wiederum Landesbischof Wurm. Kurz danach, am 24. Februar 1946, also eineinhalb Jahre vor seinem Lebensende, hielt Märkt noch in Neckarweihingen einen Vortrag über ein Waldenser-Thema. Nach einem Schlaganfall verstarb er im 87. Lebensjahr.

Märkt lebte und wirkte nur 13 Lebensjahre in Waldensergemeinden, die, nach seinem eigenen Urteil, kein besonderes kirchliches Leben aufwiesen. Wenn er dennoch als „Waldenserforscher“ gilt, dann weil die Mehrzahl seiner gedruckten Schriften und seiner Vortragsmanuskripte und bis auf zwei Ausnahmen alle Publikationsmanuskripte Waldenser-Themen behandeln. Sie stammen entweder aus der Zeit in Pinache oder aus den 18 Jahren im Ruhestand. Insofern kann Märkt als Waldenserforscher gelten, nicht aber als Waldenserpfarrer, wie der Titel des Sammelwerks über Märkt von 2018 suggeriert; denn er war 28 Jahre in anderen Gemeinden Pfarrer, abgesehen von den fünf Anfangsjahren als Vikar und Pfarrverweser.

Quellen:

LKA Stuttgart 127, 1560, Personalakte A, darin: Ausarbeitungen Märkts wie Examensarbeiten, Original des Berichts seiner Englandreise 1886, sog. Synodalaufsätze, A 29, 3641, Pfarrberichte Pinache und Serres von 1890, 1892, 1897 und 1901, davon: 1890 und 1901 ediert in: Lebenserinnerungen, 2018, 187–219; A der Deutschen Waldenservereinigung Schönenberg, Sammlung Märkt, darin: Publikations-, Vortrags- und Predigtmanuskripte, Memoiren- Manuskripte, Reinschrift des Berichts der Englandreise 1886 und Autobiographie „Aus meinem Leben“, geschrieben 1935/36–1943 (ediert), Korrespondenzen und Exzerpte; PfarrA Pinache. Tagebücher, u.a. Tagebuch der Reise von 1886 (145 S.) und Reinschrift des Berichts über die Englandreise 1886 (316 S.), Unterlagen zu den württembergischen Waldensergemeinden und Rezensionen.

Werke: (Auswahl:) In den Waldenserthälern. Bericht über die Teilnahme der württembergischen Waldensergemeinden an der 200-jährigen. Jubelfeier der Glorieuse Rentrée, 1889 (24 S); Zur Geschichte der Waldensergemeinde Pinache in Württemberg, 1896 (32 S.); (Hg.) Das Waldenserfest in Serres am 25.9.1898, 1898 (22 S.); (Hg.) Die württembergischen Waldensergemeinden 1699 – 1899, 1899 (79 S.); Die Waldensergemeinde Serres in Württemberg, 1899 (24 S.); (Hg:) Illustrierter Waldenser-Kalender für das Jahr 1900, 1899 (78 S.); (Hg. mit Alfred Sauberschwarz) Bericht über die 200-jährige Jubelfeier der württembergischen Waldensergemeinden im Jahre 1899, 1900 (55 S.); Aus meinem Leben, abschnittweise niedergeschrieben 1935/36 – 1943, gedr. in: Lebenserinnerungen, 2018, 35–186.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (o. J.) S. 368, Lebenserinnerungen, 2018, 13.

Literatur:

Albert de Lange, Die deutschen Waldenser im 19. und 20. Jahrhundert, in: 300 Jahre Waldenser in Deutschland, 1699 – 1999. Mit einem Führer durch die deutschen Waldenserorte, 1998; bes. 113–139; Lebenserinnerungen des Waldenserpfarrers Adolf Märkt (1861–1947), hgg. von Hermann Ehmer und Albert de Lange, 2018.

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