Benediktinerabtei Gengenbach 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 725 [um 725]
Zerstörung/Aufhebung: 1807 [1807]
Beschreibung: Authentische Quellen über die Anfänge der am Fuß des Kinzigtals in der Ortenau gelegenen Abtei Gengenbach sind nicht bekannt. Nach der um 850 verfassten sog. karolingischen Vita Pirmini gründete Abtbischof Pirmin zwischen 727 und 753 das Kloster Gegenbach. Die im 17. und 18. Jh. geschriebene Klosterchronik berichtet, dass der fränkische Graf Ruthard d. Ä. diese Gründung mit Dotationsgut, teilweise aus Reichsgut, ausstattete und die Kosten übernahm. Möglicherweise wurden er und seine Familie in der Gründungskirche beerdigt. Mit den anderen von Ruthard dotierten Gründungen, Schuttern und Schwarzach, war Gengenbach ein wichtiger Stützpunkt für das rechtsrheinische Vordringen der Franken. Durch Zuzug von Mönchen aus dem lothringischen Reformkonvent Gorze entwickelte sich die Abtei Gegenbach zum größten Kloster der Ortenau. Um 820 lebten hier 70 Mönche, um 826 bereits 99. Man nimmt an, dass der Konvent in karolingischer Zeit auch Reichsabtei wurde. 1007 unterstellte der König des Ostfrankenreiches und spätere Kaiser Heinrich II. († 1024) das Kloster der Lehensoberhoheit des Bischofs von Bamberg. Damit wurde aus dem königlichen Eigenkloster Gengenbach ein bischöfliches. Bischof Otto von Bamberg führte 1117 die von Hirsau vermittelte cluniazensische Ordensreform ein. Diese Erneuerung führte 1125 zur Neugestaltung der seit dem 8. Jh. bestehenden Abteikirche, einer dreischiffigen Basilika mit fünf Chorapsiden. Aus dieser Zeit stammt auch das wertvollste noch erhaltene Werk, das Gengenbacher Evangeliar von 1150. Das hoch- und spätmittelalterliche Kloster betrieb nachweislich ein eigenes Scriptorium und eine Schule. 1139 gewährte Papst Innozenz II die freie Abtswahl. Der Bischof von Bamberg vergab als oberster Lehnsherr die Schirmvogteirechte an die Zähringer (bis 1218), Staufer und Bischöfe von Straßburg (ab 1245). Die um die Abtei herum entstandene Stadt Gengenbach erhielt 1230 das Stadtrecht und wurde 1360 reichsfrei. Seit 1461 unterhielt das Kloster ein Spital für den Adel der Ortenau. Seither wurden nur noch Edelleute als Konventualen im Kloster aufgenommen. Kaiser Maximilian I. logierte 1505 und 1511 im Kloster. Abt Philipp von Eselsberg, der zum humanistischen Freundeskreis des Kaisers gehörte, schaffte 1508 in einem Vertrag mit der Stadt Gegenbach die Leibeigenschaft ab. Nach 1523 unterstützte der Rat der Reichsstadt Gegenbach die aus Straßburg geförderte reformatorische Bewegung. Der zur Reformation übergetretene Land- und Klostervogt Graf Wilhelm von Fürstenberg versuchte - zunächst vergeblich - zusammen mit dem Rat der Stadt ab 1525 den Konvent gewaltsam zu pensionieren und die Verwaltung des Klostergutes an sich zu ziehen. Der Versuch der Mönche, ihre Abtei in ein Chorherrenstift umzuwandeln, scheiterte 1530 am Widerstand Kaiser Karls V. Als Abt Philipp von Eselsberg starb, besetzte der Schirmvogt das Kloster und erzwang mit Gewalt, dass sein Wunschkandidat, der zum Calvinismus übergetretene Melchior von Honeck, zum Abt "gewählt", wurde. Gegen den Willen seines Priors Friedrich von Keppenbach wurde eine protestantische Schule unter Leitung des Straßburger Reformators Caspar Hedio eingerichtet. Das Kloster musste zwei protestantische Prädikanten beherbergen und bezahlen. In und für die protestantische Stadt wurde 1538 eine Kirchenordnung und 1545 ein Katechismus eingeführt. Die Klosterkirche wurde zur Pfarrkirche, in der katholischer und protestantischer Gottesdienst gefeiert wurde. Prior von Keppenbach verblieb als einziger Mönch in der Abtei bis er vom Landgrafen auf Schloss Ortenberg gefangen gesetzt wurde. Durch die Übergabe der Landvogtei an den katholischen Bruder Wilhelms, Friedrich von Fürstenberg und durch das 1548 von Karl V. verfügte Augsburger Interim änderten sich die Rahmenbedingungen. Friedrich von Keppenbach konnte - nun als Abt - eine katholische Reform des Klosters einleiten. Danach stieg die Zahl der Mönche, da nun auch Bürgerliche eintreten durften. Die Klosterschule wurde wieder errichtet und die Klosterkirche stand erneut den Mönchen zur Verfügung. 1551/56 kam die Ortenau durch Pfandeinlösung an das katholische Habsburg. Mit der Zugehörigkeit zu Vorderösterreich blieben Stadt und Kloster Gengenbach katholisch. In dieser Phase ab 1601 wurden die Klosterbauten wieder hergestellt. Wohl im Zusammenhang mit dem Trienter Konzil, das auch eine Reform des Ordenslebens begünstigte, ließ sich die Abtei 1607 in die Bursfelder Union aufnehmen. Diese Vereinigung von Benediktinerklöstern diente zur religiösen Erneuerung und zur wirksameren politischen Vertretung. Doch Erzherzog Leopold von Habsburg, Bischof von Straßburg (1607-1625) und Bruder Kaiser Ferdinand II., löste die sieben Abteien seines Bistums - ganz im Interesse der Jesuiten - aus der Bursfelder Union. Er zwang die Äbte 1624 in eine eigene Diözesankongregation. Damit konnte er sich seine Oberhoheit über diese Klöster sichern. Während des 17. und 18. Jhs. blieben die Gegenbacher Benediktiner in der besonderen Abhängigkeit des Straßburger Bischofs. Die weitere Geschichte ist durch kriegerische Zerstörungen und Wiederaufbau der Abtei geprägt. Nach dem 30-jährigen Krieg (1618-1648), wurde von 1660-1689 der Chor und Glockenturm der Kirche wieder aufgebaut und mit neuem Inventar ausgestattet, und nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697), setzten ab 1690 die Vorarlberger Architekten und Baumeister Franz Beer und sein Bruder Peter Beer I. die zerstörten Gebäude im barocken Stil wieder instand. Nach dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) folgte eine Phase der wirtschaftlichen und spirituellen Konsolidierung des Klosters. Zwischen 1714 und 1716 baute der Werkmeister von Franz Beer und der Vater von Abt Benedikt, Johann Jakob Rischer, wohl den 'Prälatenturm' von einem Wehrturm zum vornehmen Gartenhaus der Äbte aus. Er errichtete auch den Glockenturm der Klosterkirche, ein Meisterwerk des süddeutschen Barock. Im Wiederaufbau bis 1722 wurden auch der Innenraum der Kirche und das Inventar erneuert. Im Geiste des Merkantilismus begründete Abt Benedikt Rischer (1743-1763) eine Blaufarbenfabrik in Nordrach Mit den Blaufarben ließ er kunstvolles Tafelglas herstellen. Vom Aufschwung des Klosters wurden auch die Klosterschulen erfasst. Gelehrte und Wissenschaftlern standen im Austausch mit der Abtei St. Blasien. Durch den Reichsdeputationshauptschluss fiel 1803 die weltliche Klosterherrschaft mit allen herrschaftlichen Rechten, umfangreichem Besitz und Einkünften, die Reichsstadt Gegenbach und etwa 160 Untertanen an das Großherzogtum Baden. Die 30 Mönche wurden auf den Markgrafen von Baden verpflichtet. Der Großherzog ließ den Konvent jedoch unter dem letzten Abt Bernhard Maria Schwörer (1792-1803/1807, † 1817) zunächst weiter bestehen, er konnte sogar Mönche und Laienbrüder von Ettenheimmünster und Schwarzach aufnehmen. 1807 wurde die vollständige Aufhebung der Abtei verfügt. Das Klostervermögen wurde liquidiert, kleinere Gebäude verkauft und die Innenausstattung versteigert. 850 Bände der Bibliothek wurden an die Großherzogliche Hofbibliothek übereignet. Weitere Bestände gingen vor allem an die Universitätsbibliotheken Heidelberg und Freiburg, der Rest wurde verkauft. Im Abteigebäude wurden das Pfarrhaus, die Schule und das staatliche Obervogteiamt untergebracht. Die Klosterkirche ging 1807 an die Pfarrgemeinde über, die von einigen ehemaligen Mönchen pastorisiert wurde. 1892-1906 ließen die großherzoglich-badische Baudirektion und das erzbischöfliche Bauamt Karlsruhe die gesamte barocke Innenausstattung der Kirche zerstören, um den Innenraum in einen romanischen Zustand zurückzuversetzen, bzw. nach historischen Vorlagen neu zu gestalten, allerdings unter heftigen Auseinandersetzungen auf kirchlicher und staatlicher Ebene. In der Vorbereitung zur Innenrestauration der Kirche 1967 bis 1981 wurde erneut über die Entfernung oder Konservierung der neoromanischen Raumfassung diskutiert. Trotz der erheblichen Eingriffe während Gotik, Barock und Historismus ist die Anlage der romanischen Klosterkirche noch erkennbar.
Autor: MATTHIAS HEß - WILBIRGIS KLAIBER
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Benediktiner um 725-1807
Sonstiges: Bistum: Straßburg, ab 1821 Freiburg,
fiel an: Baden (1802)
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=395

Adresse Benedikt von Nursia Straße 01, Gengenbach

Literatur:
  • Germania Benedictina, Bd. V: Die Benediktinerklöster in Baden-Württemberg. Bearb. v. F. Quarthal. Augsburg 1975. 5 (1975) 228-242 (K. L. HITZFELD).H. SCHMID: Die Säkularisation der Klöster in Baden 1802-1811, 2. Teil. In: Freiburger Diözesan-Archiv 99 (1979) 204-208.H. BROMMER: Die Reichsabtei Gengenbach und die Klöster der Straßburger Benediktinerkongregation. Eröffnungsvortrag vom 13.10.1985 zur Ausstellung "Die Reichsabtei Gengenbach und die Klöster der Benediktinerkongregation Straßburg" in Gengenbach. In: Die Ortenau 66 (1986) 113-126.H. BROMMER: Die neoromanische Umgestaltung der Gegenbacher Marienkirche. Ein höchst bedeutendes Beispiel der Kirchenbaukunst um 1900. In: U. HILDENBRAND (Hrsg): Bilder künden Gottes Heil. Lindenberg 1998, 10-12.H. BROMMER: Gengenbach. Kirchen und Berglekapelle. Lindenberg 1999.L. SCHLAEFLI: Verschollene Bücher aus Gengenbach. In: Die Ortenau 81 (2001) 279-290.W. LEDERER: Benediktinerabtei und Reichsstadt Gengenbach Bd. 1: Äbte und Mönche der Abtei. Leben und Wirken 727-1807. Lindenberg 2007.
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