Ortslage und Siedlung (bis 1970): | Die Stadt erstreckt sich über das Neckar- und das Ammertal. Ihre neueren Teile klettern die durch Seitentäler vielfach zerschnittenen Hänge hinauf. Darüber auf der Hochfläche am Südrand des Schönbuchs liegt das jüngste und größte Neubaugebiet. Ältester Teil auf einer Einsattelung des Bergrückens zwischen den beiden Haupttälern, wo dieser zugleich am schmälsten ist (»Jörgensattel«). Der mittelalterliche Stadtgrundriss ist infolge der topographischen Verhältnisse und mangels einer Durchgangsstraße völlig regellos. Nur kleine Teile nach Bränden im 18. Jahrhundert planmäßig neu angelegt (Neue Straße, Neugäßle). Ab 1840 erfolgte die erste größere Stadterweiterung durch das neue Universitätsviertel im Ammertal, mit der vom ehemaligen Lustnauer Tor ausgehenden Wilhelmstraße als Hauptachse. Kliniken und medizinische Institute an den Ammertalhängen. In der 2. Hälfte 19. Jahrhunderts weitere lockere Hangbebauung mit Villen, auf dem Schloss- und Österberg studentische Verbindungshäuser im Stil der Zeit, Ausdehnung nach Süden über die Alleenzone am Neckar (deren Anfänge schon im 16. Jahrhundert) hinaus ebenfalls seit etwa 1840, verstärkt nach dem Bahnbau 1861. Nekkarkorrektion und Anlagensee um 1910. Nach Eingemeindung von Lustnau am Schönbuchrand, wo die durch den Schönbuch kommende Fernstraße wohl schon im Mittelalter den Neckar überquerte, sowie von Derendingen am Südrand des Neckartals 1934 verstärkte sich das Siedlungswachstum in beiden Richtungen. Die Industrie hatte in diesen Vororten schon früher als in der Stadt selbst Fuß gefasst. Im Neckartal Kasernenbauten (älteste schon 1875). Nach 1945 entstanden ein neues Industriegebiet im Оsten zwischen Neckar und Bahnlinie sowie kleinere im Steinlachtal und im Ammertal. Östlich der Steinlach wird die Talbebauung vom Durchgangsverkehr beeinflusst. Miethäuser säumen einen Straßenstern, der in der Mitte des Dreiecks zwischen Reutlinger Straße (Bundesstraße 28) und Stuttgarter Straße (Bundesstraße 27, kurz vor dem 2. Weltkrieg als Umgehungsstraße gebaut) zusammenläuft. Westlich der Steinlach, die seit der Flusskorrektion im 19. Jahrhundert schnurgerade verläuft, bildet zwischen den alten Derendinger Industriebetrieben und dem Bahnbetriebswerk das Hochhaus der Landespolizeidirektion den Anfang eines zukünftigen Behördenzentrums. Das Bahnhofsviertel (Karl-, Friedrichstraße) entwickelte sich in jüngster Zeit zu einem zweiten Geschäfts- und Einkaufszentrum neben dem alten Stadtkern. Neue, aufgelockerte Wohnbebauung am Galgenberg, auf dem Österberg und Schlossberg. Tübingens größtes und architektonisch markantestes Neubaugebiet ist aber die »Nordstadt« auf dem zum Schönbuch ansteigenden stark gegliederten Gelände und der anschließenden Hochfläche. Vorläufer der Entwicklung waren hier das Paul-Lechler-Krankenhaus (Tropengenesungsheim 1916), das Versorgungskrankenhaus (Standortlazarett 1940) auf dem Denzenberg, die Wohnsiedlung auf dem Sand 1950 und die Max-Planck-Institute (1951 folgende). Der erste Großbau des neuen Universitätsviertels auf der Höhe war die Medizinische Klinik 1962, gefolgt von Hochhäusern der naturwissenschaftlichen Institute mit neuem Botanischen Garten (1967) und Mensa. Die Wohnbebauung dieses Gebiets variiert zwischen Ein- und Zweifamilienhäusern zum Teil noch aus der Vorkriegszeit in den unteren Hanglagen sowie neuen Flachdachbungalows, Wohnblöcken und Hochhäusern der »Nordstadt« auf der Hochfläche. Hier entstanden seit 1960 die Wanne-Siedlung als erster großer, einheitlich geplanter Neubaubezirk der Stadt mit Ladenzentrum und seit 1968 neben dem alten Weiler Waldhausen das Wohngebiet Waldhäuser-Ost, ebenfalls mit Geschäftszentrum und geplant für 9000 Bewohner (darunter fast 1500 Studenten im »Studentendorf«). Die Hochhäuser und Wohnblöcke prägen zusammen mit den neuen Universitätsbauten die Horizontlinie der Stadt im Norden. |
Geschichte: | 1078 (Chronik um 1100) Twingia und (Chronik 1. Hälfte 12. Jahrhundert, Корie 16. Jahrhundert) Duwingen (Personenname Tuvo, Tuo ?). Vermutlich Siedlung der alemannischen Landnahmezeit. Reihengräberfeld westlich der Stiftskirche mit Funden aus der 1. Hälfte 7. Jahrhundert. Die Grafen, spätestens seit 1146 Pfalzgrafen von Tübingen treten hier vermutlich bereits mit dem 1079 genannten Graf Hugo auf; erste sichere Nennung um 1081. Durch die Heirat Graf Hugos mit Elisabeth von Bregenz (vor 1152) erbten sie reichen Besitz in Oberschwaben, am Bodensee und in Rätien. Bei der Erbteilung bildete sich das Grafenhaus von Montfort, das Ende 18. Jahrhunderts ausstarb. Nach Abtrennung weiterer Seitenlinien zu Horb, Herrenberg (die sogenannten Scheerer), Böblingen und Asperg erlitt das Geschlecht im 14. Jahrhundert einen Niedergang und siedelte in die Herrschaft Lichteneck (Breisgau) über. Ausgestorben 1634/67. Die spätere Grafenburg ist 1078 erstmals genannt. Wahrscheinlich an ihrer Stelle steht das Schloss, das seine heutige Form unter Herzog Ulrich bis Mitte 16. Jahrhunderts erhielt. Vierflügelanlage um rechteckigen Innenhof. Von den vier Ecktürmen wurde der im Südosten nach Sprengung 1647 durch eine polygonale Bastion (»Fünfeckturm«) ersetzt. Front der Vorburg mit Renaissancetor von 1606. Gesamtrenovierung seit 1978. Abgegangene Ödenburg (so schon 1291) auf dem Spitzberg. Der vorstädtische Siedlungskern ist zwischen Schloss und Stiftskirche zu suchen, wo auch der herrschaftliche Fronhof und der für die Mitte des 12. Jahrhunderts aus der Münze zu erschließende Markt gelegen haben müssen. Wohl noch im 12. Jahrhundert erste Stadterweiterung im Ammertal. Von Ende 13. Jahrhundert bis in das frühe 19. Jahrhundert umschloss die Stadtmauer ein unregelmäßiges Rechteck mit der durch Schenkelmauern einbezogenen Burg an der Südwestecke. Im Westen verlief die Mauer quer durch die anmoorige Ammer-Talsohle, im Norden an der Ammer, im Оsten auf dem Bergrücken über der heutigen Mühlstraße (Einschnitt 1887, aber schon um 1450 hier Kanaldurchstich von der Ammer zum Neckar) und im Süden am Fuß des Steilhangs zum Neckar. Fünf Tore (Schmiedtor, Lustnauer Tor, Neckartor, Hirschauer Tor, Haagtor), alle um 1830 abgebrochen. 1231 erstmalige Nennung als Stadt (civitas). Tübinger Meß vor 1243. Gericht und Rat seit Mitte 13. Jahrhundert; Mauern 1262 erwähnt. Die Stadt erreichte schon beim Wiederaufbau nach dem Stadtbrand von 1280 ihren späteren Umfang. 1302 Marktplatz an heutiger Stelle. Die Herrschaftsrechte übten die Pfalzgrafen aus, deren Wappen im Stadtsiegel wiederkehrt. Die Stadtherren mussten schon 1294 ihren Fronhof an ihr Hauskloster Bebenhausen verkaufen; der Erwerb der ganzen Stadt durch das Kloster scheiterte 1301/02. Schließlich überließen die Pfalzgrafen Burg, Stadt und Amt 1342 an Württemberg. Fortan stand die Stadt nach Größe und Bedeutung bis ins 18. Jahrhundert in Grafschaft und Herzogtum an zweiter Stelle hinter Stuttgart. Während der Landesteilung 1442 bis 1482 überflügelte sie die Hauptstadt Urach. Münzstätte 1472 bis 1495. Stets Mittelpunkt des Amts, seit 1759 Oberamt, 1938 Landkreis Tübingen. Im Tübinger Vertrag 1514 wurde die Grundlage für die ständische Verfassung des Landes gelegt. 1514 bis 1805 dauernder Sitz des württembergischen Hofgerichts. 1947 bis 1952 Hauptstadt des Bundeslandes Württemberg-Hohenzollern. Seit 1952 Sitz des Regierungspräsidiums. Reste der Stadtbefestigung mit daraufgebauten Giebelhäusern sind am Neckar erhalten (»Neckarfront«), dazu gehört der Hölderlinturm. Weitere Reste am westlichen Altstadtrand (»Im Zwinger«). Rathaus von 1435, erhöht wohl im 16. Jahrhundert, astronomische Uhr von Joh. Stöffler 1511. Ziergiebel an der Traufseite zum Marktplatz 1598. Außenbemalung 16. und 17. Jahrhundert sowie 1876, diese 1967/69 erneuert. Herzoglicher Fruchtkasten (heute Albert-Schweitzer-Realschule), mächtiger Fachwerkbau Ende 15. Jahrhundert. Nonnenhaus, spätes 15. Jahrhundert, und zahlreiche andere spätgotische Fachwerkhäuser, die das Bild der Altstadt noch heute bestimmen. Marktbrunnen (Neptun) 1617 aus Sandstein nach Entwurf von H. Schickhardt, rekonstruierende Bronzesäule 1948. Nymphengruppe am Anlagensee 1810 von J. H. Dannecker. Die Eberhard-Karls-Universität wurde 1477 von Graf Eberhard im Bart gegründet. Tübingen war damals die bedeutendste Stadt des Uracher Landesteils. Zur Besoldung von Kanzler und Professoren verlegte Graf Eberhard die Propstei und 8 Chorherrenpfründen des Sankt-Martins-Stifts in Sindelfingen an die Georgskirche. In unmittelbarer Nähe (Bebenhäuser Hof, heute Münzgasse 22) fanden Professoren und Studenten die erste Unterkunft. Nahe dabei erste Neubauten, so 1547 die heutige Alte Aula und ein Botanischer Garten. Die 1480 erbaute Bursa (heute Kunsthistorisches Institut und Philosophisches Seminar) war zunächst Internat der Artistenfakultät, sank aber zum Kosthaus für Bedürftige herab, als seit Mitte des 16. Jahrhunderts die Studenten auch in Bürgerhäusern wohnen durften. Erster Rektor und 1482 bis 1509 Kanzler war Johann Vergenhans (Nauklerus), Lehrer und Vertrauter Graf Eberhards. Schon früh vier Fakultäten: Artistenfakultät sowie die »höheren Fächer« Theologie, Jurisprudenz und Medizin. Der Rektor übte die Gerichtsbarkeit über alle »Universitätsverwandten« aus, die damit nicht dem Stadtgericht unterstanden. Die Reformationszeit bescherte der jungen Gründung neben einer Stärkung ihrer wirtschaftlichen Ausstattung vor allem die wichtige Aufgabe, als evangelische Landesuniversität über die »reine Lehre« zu wachen und einen fähigen Pfarrerstand zu schaffen. Der seit 1561 als Professor und Kanzler wirkende Jakob Andrea war maßgeblich am Zustandekommen der Konkordienformel von 1577 beteiligt. Eine wichtige Rolle spielte dabei auch das 1536 gegründete Evangelische Stift, ein Wohn- und Studienheim, vor allem für die württembergischen Theologiestudenten, seit 1547 im ehemaligen Augustinerkloster. Nachdem es Herzog Christoph an die Spitze seines Systems der Klosterschulen gestellt hatte, entwickelte es sich zum Treffpunkt der heranwachsenden bürgerlichen Elite Württembergs. Höhepunkt seiner geistigen Geschichte waren die Jahre, als Hegel, Hölderlin und Sendling hier studierten. Gleichsam das weltliche Gegenstück zum Stift bildete das Collegium Illustre, anfangs gedacht als Internatsschule für angehende Staatsdiener. Es erhielt 1592 einen Neubau an der Stelle des aufgehobenen Franziskanerklosters und wurde 1594 in eine Ritterakademie umgeformt. Diese war bis zum 30jährigen Krieg eine über die Landesgrenzen hinaus bekannte Schule des protestantischen Adels, erreichte diese Blüte später aber nicht mehr. Herzog Karl Eugen trat als besonderer Gönner der Universität auf und verlieh ihr als »zweiter Gründer« 1769 den Namen Eberhardina-Carolina. Gleichzeitig gefährdete er aber vorübergehend ihre Existenz durch die Gründung der Karls-Akademie in Stuttgart, die 1781 Universitätsrang erhielt, aber schon 1794 wieder aufgehoben wurde. Nach der Entstehung des paritätischen Königreichs Württemberg erhielt die Universität 1817 eine Katholische-Theologische Fakultät (1812 in Ellwangen errichtet). In die Gebäude des aufgehobenen Collegium Illustre verlegte man im gleichen Jahr das Katholische Konvikt (Wilhelmsstift). Renovierung und teilweise Umbau 1974 folgend. Wegen des Wegfalls der im Collegium bis dahin angebotenen Unterrichtsfächer erfolgte ebenfalls 1817 die Gründung der Staatswirtschaftlichen Fakultät. Auf dem Schloss war schon 1752 eine Sternwarte eingebaut worden. Ab 1803 dort weitere Institute, 1816 erhielt die Universität das ganze Schloss (der Rittersaal diente 1819 bis 1912 als Bibliothek). Die aus dem Mittelalter stammende wirtschaftliche Ausstattung der Universität, zuletzt unter der Aufsicht des Syndikus mit Hilfe von 12 Pflegen verwaltet, wurde 1825/28 durch direkte staatliche Finanzierung abgelöst. Mit der Aufnahme der Naturwissenschaften als 7. Fakultät 1863 war die Universität lange Zeit in Deutschland führend. In der 1. Hälfte 19. Jahrhunderts entstand das neue Universitätsviertel vor dem Lustnauer Tor im Ammertal (1805 Botanischer Garten, 1835 Anatomie am Österberghang, 1841/45 als Mittelpunkt die »Neue Aula« im klassizistischen Stil, erweitert 1929/31). Kliniken und Institute schlossen sich an (unter anderem Frauenklinik 1890, Nervenklinik 1894, Universitätsbibliothek von P. Bonatz 1912, Chirurgische Klinik 1935). Neubauten nach dem 2. Weltkrieg waren hier unter anderem Hegelbau 1957, Erweiterung der Universitätsbibliothek 1963, Mensa 1966, Kupferbau 1968, Neuphilologikum 1974. Insbesondere erfolgte aber die bauliche Entwicklung der jüngsten Zeit auf der Hochfläche am Rand der Nordstadt, wo das neue naturwissenschaftliche Zentrum und die ersten Teile des neuen Klinikums entstanden. Die Zahl der Studenten, die 1900 rund 1450 betrug, wuchs bis 1953 auf 4400, 1963 auf 10900 und 1977 auf 18500 an. 1969 wurden die Fakultäten durch 17 Fachbereiche ersetzt und 1972 die fast 500 Jahre alte Rektoratsverfassung durch das Präsidialsystem abgelöst. Eine Lateinschule ist von 1312 an nachweisbar. 1819 Lyzeum, 1855 Gymnasium (heute Uhland-Gymnasium). Realschule seit 1842 selbständig, 1910 Oberrealschule und erstes Abitur, heute Kepler-Gymnasium. Seit 1896 Höhere Mädchenschule, 1937 Oberschule für Mädchen, 1940 erstes Abitur, heute Wildermuth-Gymnasium (seit 1970 auch für Jungen). |