Nachlass Dr. Gebhard Müller, Ministerpräsident, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, CDU-Politiker (* 1900, + 1990) 

Kurzbeschreibung: Lebensgeschichte Gebhard Müllers
Gebhard Müller kam am 17. April 1900 in dem kleinen Dorf Füramoos im damaligen Oberamt Biberach (heute zu Eberhardzell im Landkreis Biberach gehörig) zur Welt. Er war das fünfte Kind aus der Ehe des Lehrers Johannes Müller (1865-1945) mit der Josefa, geb. Müller (1872-1958), die mit der Familie ihres Mannes nicht verwandt war. Der Vater entstammte einer in Magolsheim/Oberamt Münsingen, die Mutter einer im Raum Unterhornstolz-Unterurbach-Kappel-Ostrach-Waldsee-Riedhausen ansässigen Bauernfamilie. Johannes Müller hatte die Laufbahn eines Volksschullehrers eingeschlagen. Gebhard Müller wuchs mit seinen sechs das Erwachsenenalter erreichenden Geschwistern im dörflichen Füramoos auf. Die Verbundenheit mit der Natur, die sich in diesen frühen Kinderjahren entwickelte, hob er später ebenso hervor wie die strenge Erziehung im katholischen Glauben durch die Eltern. Frömmigkeit, Sparsamkeit und Bodenständigkeit - grundlegende Charaktereigenschaften Müllers - hatten ihre Wurzel im Füramooser Elternhaus. Die sehr bescheidenen Lebensverhältnisse der Familie veranlaßten den Vater, 1906 an der kath. Volksschule in Ludwigsburg eine neue, besser dotierte Stelle anzunehmen und von Füramoos nach Ludwigsburg umzuziehen. Dort erwartete er zudem auch bessere Ausbildungsmöglichkeiten für seine Kinder. Gebhard Müller besuchte zunächst die kath. Volksschule, danach das Humanistische Gymnasium in Ludwigsburg. Seine überdurchschnittlichen schulischen Leistungen berechtigten ihn zur Teilnahme am Landexamen, einer landesweiten Auswahlprüfung, die bei erfolgreicher Absolvierung zur kostenfreien Vorbereitung auf das Theologiestudium in einem der den beiden Konvikten im Land (Ehingen und Rottweil) angeschlossenen Gymnasien berechtigte. Im Martinihaus des Progymnasiums Rottenburg wurde er seit 1914 auf das Landexamen vorbereitet, das er im Juli 1915 als Bester bestand. Danach konnte er seine schulische Ausbildung im Gymnasium in Rottweil fortsetzen, bis ihn die Einberufung zum Militär im letzten Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs zum Notmaturum zwang. Das Jahr 1918 verbrachte er zum größten Teil bei der 3. Ersatzbatterie des Feldartillerieregiments 29 in der Ludwigsburger Feuerseekaserne, mußte aber nicht mehr ins Feld ausrücken. Die überwiegend negativen Eindrücke aus dieser Zeit hat Müller später wiederholt formuliert. Der Zusammenbruch der Monarchien im Reich und besonders in Württemberg am Ende des Weltkriegs hat den jungen Soldaten Müller tief erschüttert. Ein politisches System, das in seiner Familie nie in Frage gestellt und als unveränderlicher Bezugsrahmen - weil von Gott gegeben - angesehen worden war, verschwand relativ unspektakulär von der geschichtlichen Bildfläche. Die Irritation darüber war auch bei dem an Politik bereits sehr interessierten Müller sehr groß. Als nicht unbedeutend für seine spätere Entscheidung, sich der Politik auch ganz konkret zuzuwenden, bezeichnete er eine Rede des sozialdemokratischen Reichs- und Landtagsabgeordneten Wilhelm Keil auf dem Ludwigsburger Arsenalplatz. Keil pries darin die Errungenschaften der Revolution, insbesondere den demokratischen Fortschritt, und versprach die Fortentwicklung der Verfassung in gemäßigten Bahnen. Für den schon damals allen radikalen politischen Tendenzen höchst skeptisch gegenüberstehenden Müller waren dies Worte, die ihn für die Republik gewannen. Bevor Müller 1919 das Theologiestudium aufnehmen konnte, mußte er nochmals die Schulbank drücken, um den regulären Schulabschluß nachzuholen. Geld verdiente er sich dazu, indem er dem Sohn des früheren Ministerialdirektors im Württ. Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, Staatsrat Hugo von Linden, Nachhilfe erteilte. Zum Wintersemester 1919/20 schrieb er sich für Kath. Theologie, Philosophie und Geschichte an der Universität Tübingen ein und blieb dieser Studienrichtung zwei Jahre lang treu. Nach einer Typhusepidemie im Wilhelmsstift, wo die meisten kath. Theologiestudenten lebten, drängte Müller, der schon längere Zeit schwerw iegende Zweifel an seiner Berufung zum Priester hegte, zum Wechsel des Studiengangs. Obwohl er damit vor allem seine Mutter sehr enttäuschte und auch finanzielle Belastungen in Kauf zu nehmen waren - er mußte sich das Studium durch Tätigkeiten in einer Maschinenfabrik und später in einer Bank verdienen -, blieb Müller beharrlich und studierte seit dem Sommersemester 1922 Rechts- und Staatswissenschaften sowie Volkswirtschaft. Im Sommersemster 1923 studierte er an der Universität Berlin. In dieser Zeit schloß er sich dem "Sekretariat Sozialer Studentenarbeit" von Carl Sonnenschein an und kümmerte sich um tuberkulosekranke Studenten. Seine freie Zeit verbrachte er auf der Zuschauertribüne des Reichstags. Für Kino und Theater interessierte er sich damals wie später nur wenig. Anschließend bis zum Wintersemester 1926 wieder in Tübingen, bestand er im Herbst 1926 mit bestem Erfolg die Erste Höhere Justizdienstprüfung und konnte sein Studium erfolgreich abschließen. Wie sein älterer Bruder, der Jesuitenpater Franz Xaver Müller (1897-1974), war er in Tübingen Mitglied der Kath. Studentenverbindung Alamannia geworden; in Berlin hatte er sich 1923 der Askania (Burgundia) als B-Philister angeschlossen. In dieser Verbindung knüpfte er sich später als bedeutsam erweisende Kontakte zu zahlreichen Landespolitikern wie Josef Beyerle, Lorenz Bock, Kurt Georg Kiesinger, Felix Walter u. v. a. Auch Eugen Bolz begegnete Müller erstmals im Umfeld des kath. Verbindungswesens in Tübingen. Müller war bis zu seinem Tode ein überzeugter Alamanne und empfand die Prägung durch diese Verbindung als sehr stark und richtungweisend. Nach der Justizdienstprüfung begann für Müller das Referendariat. Er war zunächst beim Amtsgericht Ludwigsburg, danach beim Landgericht und bei der Staatsanwaltschaft in Stuttgart, zuletzt kurzzeitig beim Oberamt Ludwigsburg und in der Kanzlei des Rechtsanwaltsbüros Kienzle in Stuttgart tätig, ehe er im Frühjahr 1929 auch die Zweite Höhere Justizdienstprüfung bestand. In der Referendarszeit hatte er auch seine Dissertation geschrieben. Ebenfalls 1929 wurde er mit der Arbeit "Die strafrechtliche Bekämpfung des Wuchers in der Geschichte, im geltenden Recht und in den Entwürfen zu einem Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuch" von August Schoetensack (Juristische Fakultät der Universität Tübingen) promoviert. Der nunmehrige Gerichtsassessor besaß glänzende Aussichten auf eine Karriere im württembergischen Justizdienst, schlug deshalb das Angebot, in eine Ludwigsburger Rechtsanwaltskanzlei einzutreten, die er als stellvertretender Amtsrichter bei den Amtsgerichten Stuttgart (Juni/Juli 1929) und Tübingen (Juli 1929 bis August 1930) begann. In Tübingen lernte mit Carlo Schmid und Viktor Renner zwei wichtige politische Weggefährten kennen. Zum 1. September 1930 ließ sich Müller auf Zeit beurlauben, um als juristischer Hilfsarbeiter (Steuerreferent) in die Dienste des Bischöflichen Ordinariats in Rottenburg zu treten. In den drei Jahren seiner dortigen Tätigkeit erwies er sich als effizienter Fachmann für alle Fragen der Kirchensteuer- und Vermögensangelegenheiten, wollte aber nicht endgültig aus dem württembergischen Justizdienst ausscheiden. Als die Entscheidung: Rückkehr in den Staatsdienst oder Verbleib in Rottenburg, im Frühjahr 1933 fallen mußte, entschied sich Müller für ersteres und verließ Rottenburg. In der Bischofsstadt hatte er zuvor eine weitere wichtige Entscheidung getroffen und sich aktiv der Politik zugewendet. Bereits als Schüler in Ludwigsburg hatte er oftmals seinen Vater zu Sitzungen der örtlichen Zentrumspartei begleitet. Johannes Müller versah dort das Amt des Schriftführers. Hier wurde das Interesse des jungen Müller für politische Fragen geweckt. Seine politische Sozialisation vor dem Hintergrund des Primats katholischer Interessenvertretung im Sinne der Zentrumspartei führte ihn zunächst in deren Jugendorganisation, den Windthorstbund, sowie zu konkretem sozialen Engagement im kath. Gesellenverein. Nach gelassene Redemanuskripte Müllers belegen, daß er sich vornehmlich mit weltanschaulichen Fragestellungen auseinandersetzte und sowohl in der Partei als auch in seiner Studentenverbindung, wo er erstmals als öffentlicher Redner auftrat, wiederholt über das Verhältnis der Arbeiterschaft zum Staat, über Sozialismus und Marxismus sowie über die christliche Arbeiterbewegung sprach. Seine frühen politischen Äußerungen positionieren ihn in der Zentrumspartei eher auf dem "linken" Flügel der Vertreter der christlichen Gewerkschaften und der christlichen Arbeiterbewegung - wie etwa Adam Stegerwald. Als er im Februar des Jahres 1932 zum Orts- und Bezirksvorsitzenden der Zentrumspartei in Rottenburg gewählt wurde, hatte er sich zu einem glühenden Verehrer des Reichskanzlers Heinrich Brüning entwickelt, dessen Bild noch 1990 in seinem Arbeitszimmer hing. Müller erlebte in seinem Parteiamt hautnah, wie die Weimarer Republik zerfiel. Die Wahlkämpfe der Jahre 1932 und 1933 machte er nicht nur in Rottenburg an der Seite des dort geborenen und die Stadt und den Bezikr im Landtag vertretenden Eugen Bolz, sondern auch als Gastredner in anderen Oberamtsstädten mit. Er selbst stand als Reichs- oder Landtagskandidat allerdings nicht zur Verfügung, stand nach eigenem Bekunden eher "am Rande der Politik". Nachweislich warnte er vor den Nationalsozialisten, vor ihrer Demokratie- und Kirchenfeindlichkeit vor allem. Doch wie schon 1918 mußt er erleben, wie ein politisches System kraftlos zusammenbrach. Der Vorsitzende des württembergischen Zentrums, sein von ihm hochverehrter politischer Ziehvater Josef Beyerle, erbat noch nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 Müllers Hilfe bei der Neuorganisation der Partei. Müller gab sich jedoch keinen Illusionen hin. Im Sommer 1933 löste sich die Zentrumspartei unter dem Druck der NSDAP auf. Müllers erste politische Karriere hatte ein schnelles Ende gefunden. Wenn Müller auch gewiß mit Programmatik und Zielen der neuen nationalsozialistischen Machthaber nicht einverstanden war, so ließ es sein Staatsverständnis doch zu, im richterlichen Dienst des Hitler-Staates tätig zu sein. Die Tatsache, daß Hitler rein formell gesehen verfassungsgemäß zur Macht gelangt war und auch die "Machtergreifung" in den Ländern - de facto im Wege des Staatsstreichs, de jure gesetzmäßig durch Verordnungen des Reichspräsidenten abgesegnet - auf gesetzmäßigem Wege vonstatten gegangen war, beruhigte damals die meisten Staatsbeamten. Die Annahme des sog. "Ermächtigungsgesetzes" durch den Reichstag tat ein Übriges, den Totalitarismus des werdenden Hitler-Staates mit einem Mantel der Legalität zu verkleiden. Müller, der in der zweiten Hälfte des Jahres 1933 stellvertretender Amtsrichter in Waiblingen, danach in gleicher Funktion beim Amtsgericht Göppingen tätig war, wurde am 1. April 1934 zum Amtsgerichtsrat beim Amtsgericht Göppingen ernannt und versah als solcher zeitweise auch die Amtspflichten eines Amtsgerichtsrates beim Amtsgericht Geislingen/Steige. In die NSDAP trat er trotz wiederholter Aufforderungen nicht ein, gehörte aber dem BNSDJ und der NSV an und war förderndes Mitglied der SS, "vergaß" als solches aber regelmäßig die Beitragszahlungen - angesichts seiner großen Gewissenhaftigkeit auch in finanziellen Belangen ist darin eine bewußte Maßnahme Müllers zu sehen. Den Weg strenger Rechtlichkeit ist Müller auch während des "Dritten Reiches" gegangen. Die Beispiele dafür sind zahlreich und nachprüfbar. Sie dienen als mittlerweile häufig angeführte Belege für Zivilcourage unter der Hitler-Diktatur. So stimmte Müller 1938 bei der Volksabstimmung über den "Anschluß" Österreichs mit Nein. Nachdem er seine Stimme nicht am eigenen Wohnort (Göppingen), sondern in Ludwigsburg abgegeben hatte, sprach ihn wenig später ein Gestapo-Mann auf diese Stimmabgabe an. Müller berief sich auf die von Hitler selbst ausdrücklich zugesicherte geheime Wahl. Der "Führer und Reichskanzler" sei doch wohl kein Lügner. Die Sache verlief im Sande. Ähnlich v erhielt es sich mit Müllers Auftreten in der "Reichskirstallnacht" des Jahres 1938 in Göppingen. Als Bereitschaftsrichter eilte er zur brennenden Synagoge und forderte den Landrat auf, die Feuerwehr sofort löschen zu lassen. Als dies abgelehnt wurde, erstattete Müller Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Ulm. Dies "Unbotmäßigkeit" Müllers brachte ihm noch 1938 eine Versetzung an das Landgericht Stuttgart (Landgerichtsrat) ein. Im August 1939 wurde Müller zur Wehrmacht eingezogen. Als Schreiber beim Feldartillerieregiment 25 (Ludwigsburg) nahm er am Frankreich-Feldzug bis zum Waffenstillstand 1940 teil. Zahlreiche Briefe und Postkarten an die Familie dokumentieren die Erschütterung, die er über das Grauen das Krieges empfand. Als er wieder in der Heimat war, schloß er die Ehe mit Marianne Lutz, der Tochter eines Göppinger Bierbrauers und Gastwirts. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor, die Söhne Wolfgang (* 1941), Peter (* 1946) und Thomas (* 1951). In Stuttgart hatte Müller bald Anschluß an eine Runde ehemaliger Zentrumspolitiker gefunden, die sich regelmäßig im "Europäischen Hof" (Vinzentiushaus) trafen. Mittelpunkt dieser Runde war der im März 1933 entmachtete Staatspräsident Eugen Bolz. Josef Andre, Josef Beyerle, Josef Ersing, Felix Walter, Johannes Rieder und Anton Huber gehörten zum Kern dieser Runde. Wilhelm Simpfendörfer nahm gelegenlich als Gast ebenfalls teil. Bolz hielt Müller für ein politisches Talent, und für die Zeit nach dem Kriegesende sagte er ihm eine politische Karriere voraus. Für die in der Literatur vielfach kursierende Behauptung, Bolz habe Müller in die Umsturzpläne im Gefolge des Attentatsversuchs vom 20. Juli 1944 eingeweiht und ihn sogar für die Leitung des Justizressorts in Württemberg in Aussicht genommen, existieren keine eindeutigen Belege. Im September 1944 mußte Müller nochmals zur Wehrmacht und wurde als Unteroffizier bei der in Zimmern ob Rottweil stationierten Flak-Ersatz-Abteilung 45 eingesetzt. Nachweislich befand er sich im Januar 1945 in der Nähe von Berlin, wo er möglicherweise versuchte, Näheres von Eugen Bolz zu erfahren. Dieser war nach dem gescheiterten Stauffenberg-Attentat verhaftet und zum Tode verurteilt worden. Das Urteil wurde am 23. Januar 1945 vollstreckt. Die persönliche Bekanntschaft mit Bolz gehört zu den unverzichtbaren Elementen der politischen Identität Müllers, der seine Laufbahn als Jurist, Parteimann und Parlamentarier nach 1945 wesentlich auch als Verpflichtungserfüllung gegenüber dem Andenken des im Widerstand gegen das NS-Terrorregime ermordeten Bolz definierte. Das Kriegsende erlebte Müller an der bayerisch-österreichischen Grenze. Nicht weit von seinem geburtsort geriet er im Mai 1945 in französische Gefangenschaft, als er versuchte, zu Fuß zu seiner Familie nach Göppingen zu gelangen. In Biberach inhaftiert, kam er aufgrund eines Leumundszeugnisses von Johannes Rieder, der Müllers engen Kontakt zu Bolz bestätigte, wieder frei. Am Abend des 23. Mai 1945 war er wieder in Göppingen. Während Müller häufig mit dem Fahrrad in anderen Landkreisen unterwegs war, um Lebensmittel für die Familie aufzutreiben, war er in Stuttgart bereits für Aufgaben im Bereich der Wiederingangsetzung der Rechtspflege ins Auge genommen worden. Josef Beyerle, von der französischen Besatzungsregierung in Stuttgart als "Landesdirektor der Justiz" nominiert, sollte zunächst einen Justizprüfungsausschuß aus "unbelasteten" Juristen bilden, die über die weitere Verwendung württembergischer Richter, Staats- und Rechtsanwälte befinden sollten. Gebhard Müller gehörte diesem Ausschuß auf Einladung Beyerles an und zählte damit ohne Zweifel zu den oft zitierten "Männern der ersten Stunde" im Land. Beyerle zog Müller, auf den er große Stücke hielt, auch sofort in Betracht, als er einen Stellvertreter suchen mußte. Aufgrund der zwischen den USA und Frankreich bestehenden tiefgreifenden Konflikte über die Einteilung der Besatzungszonen hatten die Amerikaner in einem Gewaltakt alle Landkr eise nördlich der Autobahn Mannheim-Karlsruhe-Stuttgart-Ulm beansprucht, während die Franzosen die südlichen Landkreise erhielten. So wurden die alten Länder Baden und Württemberg in eine nördliche und eine südliche Hälfte zerteilt. Die von den Franzosen eingesetzte Stuttgarter Landesverwaltung bemühte sich, die Verwaltungseinheit im geteilten Land zu erhalten. Zu diesem Zweck bestellte jeder Ressortleiter in Stuttgart einen Delegierten, der die entsprechenden Aufgaben im südwürttembergischen Teil wahrnehmen sollte. Gebhard Müller wurde Delegierter Beyerles und legte die Fundamente für die Wiedererrichtung der Justiz in Südwürttemberg und in Hohenzollern. Das Delegiertensystem bestand nur kurz. Nachdem Nordwürttemberg und Nordbaden am 19. September 1945 zum von General Eisenhower proklamierten Staat "Württemberg-Baden" zusammengefaßt worden waren, hatte auch Frankreich das Interesse an der Erhaltung der administrativen Einheit verloren. Der Gouverneur für Württemberg-Hohenzollern mit Sitz in Tübingen, Guillaume Widmer, ernannte am 24. September 1945 die bisherigen Delegierten zu eigenständigen Landesdirektoren. Am 16. Oktober 1945 installierte sich über eine Notverfassung, ein Statut, das "Staatssekretariat für das französisch besetzte Gebiet Württembergs und Hohenzollerns" unter dem Vorsitz von Carlo Schmid. Dieser leitete nicht nur das Ressort für Kultus und Unterricht, sondern auch das Justizressort. Gebhard Müller fühlte sich um die Früchte seiner Arbeit betrogen und wollte nach Stuttgart zurück, wo er am 24. September 1945 von Ministerpräsident Dr. Reinhold Maier zum Oberstaatsanwalt ernannt worden war. Schmid konnte Müller nur mit der Zusage in Tübingen halten, er werde weiterhin in der Landesdirektion der Justiz weitgehend freie Hand haben und überdies zum Ministerialrat befördert werden. Tatsächlich blieb Müller der faktische Ressortleiter. Ende 1946 erfolgte seine Beförderung zum Ministerialdirektor, obwohl es diese Position in Württemberg-Hohenzollern eigentlich gar nicht gab. In seinem Bemühen, das Staatssekretariat als "Abwesenheitspflegschaft" der Stuttgarter Zentralverwaltung zu etablieren, hatte Carlo Schmid das System eingefügt, alle Beamtenpositionen eine Stufe unter den entsprechenden Positionen in Stuttgart anzusetzen. Der faktische Amtschef in einer Tübinger Landesdirektion konnte also nur Ministerialrat sein - mit eben einer Ausnahme: Gebhard Müller. Neben seinen beruflichen Aufgaben engagierte sich Müller frühzeitig in der Politik. Er war zwar nicht anwesend, als am 6. Januar 1946 in Aulendorf die Gründungsversammlung der Christlich-Demokratischen Union stattfand. Nach der offiziellen Zulassung der Partei am 22. März 1946 setzte er sich in Tübingen zusammen mit Jakob Krauss, Gerhard Weng u. a. für die Gründung eines Ortsverbandes des CDU ein und hielt auf der konstituierenden Sitzung am 11. April das Grundsatzreferat über Werden und Wollen der neuen interkonfessionellen Partei. Ein Jahr später, am 29. März 1947, erfolgte Müllers Wahl zum Ersten Vorsitzenden des CDU-Landesverbandes Württemberg-Hohenzollern. In diesem Amt verblieb er bis 1955. Gebhard Müllers Verdienste als Parteivorsitzender waren grundlegend. Seine Vorgänger, Franz Weiß und Ulrich Steiner, hatten sich für die organisatorische Fortentwicklung der Union nicht interessiert und es insbesondere versäumt, die (vergleichsweise wenigen) Mitglieder evangelischen Glaubens und die (stark dominierenden) katholischen Glaubens zusammenzuführen und Mißtrauen abzubauen. Auch unter den Mitgliedern des Landesparteivorstands kriselte es beständig. Es existierte nur dem Namen nach eine Geschäftsführung, ein Parteiblatt gab es ebensowenig wie Mitgliederbetreuung. Müller hat die CDU in Württemberg-Hohenzollern erst wirklich aufgebaut, ihr mit der "Schwäbischen Zeitung" ein Sprachrohr verschafft, die Programmdiskussion weitergeführt und der Partei ihren organisatorischen Rahmen gegeben. Im Sommer 1948 holte Müller den innerparteilich nicht unumstrittenen Ku rt Georg Kiesinger als Landesgeschäftsführer in die Tübinger Parteizentrale. Kiesinger zeigte sich seiner Aufgabe gewachsen und begann dergestalt seine politische Nachkriegskarriere. Er habe Müller "alles" zu verdanken, schrieb der Alt-Bundeskanzler 1985 an Müller. Im Herbst 1946 ließen die Franzosen in Württemberg-Hohenzollern nach den Wahlen zu den Gemeinderäten und Kreistagen auch Landeswahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung zu, die sich nur "Beratende Landesversammlung" nennen durfte. Da alle Abgeordneten aus den Gemeinderäten und Kreistagen gewählt werden mußten, gehörte Müller dieser Landesversammlung nicht an, denn er gehörte weder dem Gemeinderat noch dem Kreistag an. Dennoch nahm er auf die Verfassungsschöpfung maßgeblichen Einfluß. Er beriet den von der Landesversammlung mit der Erarbeitung eines Verfassungsentwurfes beauftragten Lorenz Bock, nahm an Sitzungen des Verfassungsausschusses teil und war als eigentlicher Leiter des Justizwesens stets über den Stand der Verhandlungen informiert. Mit großer Sorge sah er, wie die mit absoluter Mehrheit im Verfasungsausschuß agierende Union ihre Maximalforderungen gegen die anderen Parteien durchzusetzen suchte und SPD, Liberale und Kommunisten zur Aufkündigung der Mitarbeit veranlaßte. Müller hielt es nach den Erfahrungen der Weimarer Republik für dringend geboten, unter den demokratischen Parteien - die KPD verstand er nicht als eine solche - unter allen Umständen den größtmöglichen Konsens herzustellen. Deshalb plädierte er später auch sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene für Koalitionen mit der SPD, die als traditionsreiche Volkspartei von der Regierungsverantwortung nicht ausgeschlossen werden durfte. Nachdem die französische Militärregierung den allein von der CDU durchberatenen und eingereichten Verfassungsentwurf als zu undemokratisch zurückgewiesen hatte, waren es Gebhard Müller und Carlo Schmid, die die zerstrittenen Parteien im Verfassungsausschuß wieder an einen Tisch brachten. Der Verfassungsentwurf für Württemberg-Hohenzollern sollte am 18. Mai 1947 im Wege der Volksabstimmung und in Verknüpfung mit der Wahl zum Landtag von der wahlberechtigten Bevölkerung angenommen werden. Gebhard Müller kandidierte als CDU-Landesvorsitzender auf dem ersten Platz der Landesliste und wurde zum Landtagsabgeordneten gewählt. Die Union erreichte erneut eine komfortable absolute Mehrheit (fast 55 Prozent) und konnte die Regierungsbildung übernehmen. Als Favorit für das Amt des Ministerpräsidenten, der in Württemberg-Hohenzollern den Titel "Staatspräsident" trug, galt Gebhard Müller. Einflußreiche konservative Parteikreise um die Staatssekretäre Dr. Franz Weiß und Dr. Albert Sauer betrieben jedoch die Kandidatur des Rottweiler Rechtsanwalts Lorenz Bock, der zwischen 1919 und 1933 dem Württembergischen Landtag angehört und seit 1924 die Zentrumsfraktion geführt hatte. Müller galt bei ihnen als zu jung und als "zu sehr mit den Herren von der SPD versippt". Bock wurde vom Landtag zum Staatspräsidenten gewählt, erhielt aber nur die Stimmen der CDU und der DVP. SPD und KPD gaben weiße Stimmzettel ab. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Oskar Kalbfell hatte im Vorfeld erklärt, die SPD werde für Müller, aber nicht für Bock stimmen. Gebhard Müller, der zum Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde, zog ernsthaft in Betracht, seine Parteiämter abzugeben. Nur sein Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein hielt ihn in Tübingen. Im Landtag, der im Schloß Bebenhausen tagte, war Müller einer der führenden Parlamentarier. Er gehörte zahlreichen wichtigen Ausschüssen an, im Sonderausschuß für das Erbhofgesetz führte er den Vorsitz. In die Regierungsarbeit des Kabinetts Bock war er von Anfang an stark einbezogen, an zahlreichen Kabinettssitzungen nahm er teil. Als Bock im August 1948 überraschend starb, lief die Staatspräsidentschaft auf Müller zu. Unter denkbar schwierigsten Umständen - am 6. August hatte der stellvertretende Regierungschef Carlo Schmid den Rücktritt der Regierung und den "Strei k" des Landtags bekanntgegeben, weil die Besatzungsmacht verboten hatte, Demontagen und Wälder-Abholzungen auch nur auf die Tagesordnung zu setzen - übernahm Müller am 13. August 1948, gewählt mit 53 von 59 Stimmen, das Amt des Staatspräsidenten von Württemberg-Hohenzollern. An der Besetzung der Ministerposten änderte er nichts, die Regierung war nur geschäftsführend im Amt. Äußerungen des Gouverneurs Widmer, sie könne deshalb nicht an den interzonalen Konferenzen der Ministerpräsidenten teilnehmen, wurden von Müller ignoriert. Müller hatte wie sein Vorgänger neben dem Amt des Staatspräsidenten zugleich auch die Leitung des Finanzministeriums übernommen. Nach dem Auszug der Liberalen aus der Regierungskoalition 1949 war Müller auch noch Wirtschaftsminister, 1950 nach Carlo Schmids Rückzug aus der Landespolitik Justizminister geworden. Während der neue Staatspräsident im In- und Ausland über die Presse bekanntmachen ließ, wie die Situation in dem kleinen Staat Württemberg-Hohenzollern aussah, während er versuchte, die alltägliche Not der Menschen zu lindern und das Land wirtschaftlich voranzubringen, war er zugleich an zwei weiteren "Fronten" aktiv: zum einen bei der Formierung eines westdeutschen Teilstaates, zum anderen bei der Länderneugliederung im Südwesten. Müller war frühzeitig auf interzonaler Ebene aufgetreten. Schon im Juli 1946 war er bei einer Tagung der Leiter der deutschen Justizverwaltungen in Bad Godesberg zugegen gewesen und hatte im Juni 1947 sowohl am gesamtdeutschen Juristentag in Konstanz sowie an der Münchner Ministerpräsidentenkonferenz teilgenommen. Auch auf der "Rittersturz"-Konferenz im Juli 1948 war Müller als Begleiter des schwerkranken Bock anwesend. Müller wußte, wie bedeutsam für Württemberg-Hohenzollern die Integration in das werdende Staatsgebilde war, das er nie anders betrachtet hat als eine Vorstufe zur Wiederherstellung des Deutschen Reiches. Der neue Staat sollte föderalistisch organisiert sein und damit der Zentralismus sowohl der Weimarer Republik als auch besonders des "Dritten Reiches" überwunden werden. Neben dem bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Hans Ehard zählte Müller zu den prononciertesten Verfechtern eines stark ausgeprägten Föderalismus, als dessen Kernstück er neben einer mit weitgehenden Befugnissen ausgestatteten Länderkammer die Finanzhoheit der Länder betrachtete. Konflikte mit Konrad Adenauer, dem Präsidenten des Parlamentarischen Rates und CDU-Vorsitzenden in der britischen Besatzungszone, waren unvermeidlich. Müller wurde von Adenauer, der für einen zentralistisch ausgeprägten Verfassungsentwurf eintrat, vorgeworfen, dieser habe Carlo Schmid (SPD) in den Parlamentarischen Rat einziehen lassen, obwohl die CDU in Württemberg-Hohenzollern beide Mandate habe beanspruchen können. Schmid aber sei es, der einer "föderalistischen Lösung" am meisten im Wege stehe. Müller entgegnete bei der Sitzung der CDU/CSU-Arbeitsgemeinschaft im Januar 1949, er habe Schmid als "gemäßigten Sozialdemokraten" bewußt nach Bonn entsendet, um an einem tragfähigen Verfassungkompromiß mitzuwirken. Die CDU erhielt dafür in Hamburg einen zusätzlichen Abgeordneten, den eigentlich die SPD hätte stellen dürfen: Paul de Chapeaurouge. Adenauer, der von Müller durchaus geschätzt wurde, blieb verstimmt. Nicht wenige despektierliche Bemerkungen des späteren Bundeskanzlers über Müller sind überliefert. In fast allen grundlegenden politischen Fragen standen sie auf verschiedenen Seiten, so bei der Frage der Regierungsbildung nach der ersten Bundestagswahl 1949 - Müller plädierte für eine Große, Adenauer für eine Kleine Koalition -, bei der Wahl des Bundespräsidenten - Müller wollte einen SPD-Bewerber, womöglich Kurt Schumacher, unterstützen, Adenauer trat für Theodor Heuss ein -, und hinsichtlich der Neugliederung der Länder im Südwesten wegen der Bundesratsmehrheit bestanden ohnehin unüberbrückbare Divergenzen. Diese Länderneugliederung war Anfang August 1948 in eine konkrete Phase getreten, nachde m sich Vertreter der drei "betroffenen" Staaten Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern auf dem Hohenneuffen getroffen und die Frage eines Zusammenschlusses zu einem Südweststaat diskutiert hatten. Müller, der bis dahin stets von einer Wiederherstellung der alten Länder Baden und Württemberg ausgegangen war, schloß sich den Überlegungen des Stuttgarter Regierungschefs Maier an, der alte Pläne u. a. von 1919 und auch der Reichsreform-Debatte umzusetzen und die beiden Länder zu vereinigen gedachte. Waren sich Stuttgart und Tübingen schnell einig, so stemmte sich Freiburg sehr nachhaltig gegen diese Lösung. Staatspräsident Dr. Leo Wohleb war an einem Zusammenschluß nicht interessiert, witterte "schwäbischen Imperialismus" und trat für die Erhaltung Badens ein. Im Verlaufe eines vierjährigen, alle Protagonisten zermürbenden Ringens wurden Dutzende von Plänen aufgestellt und wieder verworfen. Der Gegensatz war vor allem zwischen Stuttgart und Freiburg sehr groß. Müller mühte sich, nicht immer erfolgreich, als "gerechter Makler" zwischen den beiden Staatsregierungen zu vermitteln und einen Konsens zu erzielen. Als er erkennen mußte, daß dieser nicht möglich sein würde, ergriff er in buchstäblich letzter Stunde, angeregt vom stellvertretenden Tübinger Innenminister Ministerialrat Dr. Theodor Eschenburg, die Gelegenheit, über einen Sonderartikel im Grundgesetz (Art. 118) die Lösung der Neugliederungsfrage letztlich auf dem Weg über den Bundestag zu erreichen. Es ist sicher davon auszugehen, daß das Land Baden-Württemberg nicht 1952 und wohl auch nicht später entstanden wäre, hätte es den Art. 118 nicht gegeben. Nach informatorischer Volksbefragung, Verabschiedung des Zweiten Neugliederungsgesetzes durch den Bundestag, Urteil des neugebildeten Bundesverfassungsgerichts (23. 10. 1951) und Volksabstimmung (9. 12. 1951) hatten die Abstimmenden sich mehrheitlich für den Südweststaat ausgesprochen. Wahlmodus und Einteilung der Stimmbezirke werden bis heute von nicht Wenigen als fragwürdig angesehen. Leo Wohleb weigerte sich, in dem Ende Dezember 1951 gebildeten "Ministerrat für das südwestdeutsche Bundesland" mitzuwirken, zu dessen Vorsitzenden Reinhold Maier gewählt wurde. Eine Wahl Gebhard Müllers war durch die badischen CDU-Vertreter verhindert worden. Aus der Wahl zur Verfassunggebenden Landesversammlung von Baden-Württemberg am 9. März 1952 ging die CDU mit 36 Prozent vor der SPD (28 Prozent) als stärkste Partei hervor. Gebhard Müller gehörte ihr als Tübinger Wahlkreisabgeordneter an. Natürlich ging die Union davon aus, die Regierung des neuen Bundeslandes zu führen. Über den engen Müller-Vertrauten Viktor Renner (SPD), Innenminister von Württemberg-Hohenzollern, verständigte sich Reinhold Maier jedoch über die Bildung einer Koalition zwischen Liberalen, Sozialdemokraten und dem Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) unter seiner Führung. Am 25. April 1952 rief Maier in der Landesversammlung die Gründung des Südweststaates aus und ernannte die Mitglieder der ersten provisorischen Regierung. Die CDU, die dieses Vorgehen als "Staatsstreich" ansah, war in die Opposition verwiesen. Bundeskanzler Adenauer sah seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt, hatte doch die Position der CDU im Bundesrat durch diese Regierungsbildung eine erhebliche Schwächung erlitten. So war mit dem Tag, an dem sich Müllers politisches Hauptziel erfüllte, eine traumatische Erfahrung verbunden, die ihn nie mehr losgelassen hat. Mit Maier und Renner kam er erst nach über einem Jahr wieder ins Gespräch, doch von Müllers Seite konnte nur ein Vergeben, kein Vergessen erwartet werden. Als seine wichtigste Aufgabe betrachtete Müller fortan die Schöpfung einer neuen Landesverfassung. Als Vorsitzender des Verfassungsausschusses (bis Januar 1953) hat er darauf - wie die edierten "Quellen zur Verfassung von Baden-Württemberg" eindrücklich belegen - bestimmenden Einfluß genommen. Er trat im Januar 1953 an die Spitze der CDU-Fraktion in der La
Bestandsgeschichte
Präsident Gebhard Müller hatte bereits anfangs der Achtzigerjahre den grössten Teil seines Handaktenbestandes zunächst in seiner Wohnung und dann anschliessend in der Aussenstelle Militärarchiv des Hauptstaatsarchivs Stuttgart vorgeordnet. Mit Hilfe von Konservator Dr. Gerd-Friedrich Nüske (bis 1983) und Oberarchivrat Dr. Günter Codes (bis 1987) fertigte er nach dieser Sichtungsaktion ein Aktenabgabeverzeichnis an, das für die folgende Erschliessungs- und Ordnungsarbeiten massgebend blieb. Präsident Gebhard Müller schloss mit dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart am 8. beziehungsweise 11. August 1986 den Vertrag für die Übergabe und künftige Benutzung seines Handaktenbestandes beziehungsweise -nachlasses ab. Der Handaktenbestand war ursprünglich in folgende Abteilungen untergliedert: H "Geheftete Akten" 82 Einheiten B "Reden" 77 Einheiten I (Presseartikel und Korrespondenzen) 47 Einheiten D (Politische Vorgänge) 70 Einheiten M "1-5 Reden Gebhard Müllers, II. Reihe" 274 Einheiten R "1-24 Reden und Vorträge" 24 Einheiten SD "Reden, Zeitschriften, Sonderdrucke" 33 Einheiten Z "Nachlieferung März 1982" 30 Einheiten AV Tonbänder, Filmkassetten (1991 von Frau Marianne Müller übergeben) 4 Kartons Zugang von Herrn Wolfgang H. Müller vom17. Juli 1991 Fotos, offizielle Anlässe 9 Einheiten Nachlieferung I von Herrn Wolfgang Müller am 9. März 1998 69 Einheiten Nachlieferung II von Herrn Frank Raberg beziehungsweise von Herrn Wolfgang H. Müller am 9. Oktober 1998 und 26. Januar 1999 78 Einheiten Nachlieferung III von Herrn Wolfgang H. Müller im April 2013 84 Einheiten Ein kleiner Teil des Nachlasses von Gebhard Müller wird im Archiv für Christliche und Demokratische Politik (Bestand I-217) der Konrad-Adenauer-Stiftung in St. Augustin aufbewahrt. Personalakten von Gebhard Müller werden im Hauptstaatsarchiv Stuttgart im Bestand EA 1/151, Bü 30 sowie beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verwahrt. Auf besonderen Wunsch von Präsident Gebhard Müller hatten Herr Dr. Otto-Heinrich Elias und Herr Dr. Günther Bradler am 22. April 1987 vorab eine gesonderte Übersicht zu fertigen über getrennt abgelieferte amtliche Drucksachen (unter anderem Protokolle der Landrätetagungen der französischen Zone Württembergs beziehungsweise Württemberg-Hohenzollerns im Umfang von 12 Archivboxen). Diese Auflistung ist als Anhang dem ursprünglichen Abgabeverzeichnis hinzugefügt. Der gesamte Handakten- beziehungsweise Nachlassbestand erfuhr im Gebäude Gutenbergstrasse 109 einige Umlagerungen, bevor er schliesslich 1992 in das Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Konrad-Adenauer-Strasse 4, verbracht wurde. Herr Dr. Günther Bradler erhielt den sehr ehrenvollen Auftrag zur optimalen ausführlichen Erschliessung und Ordnung des umfangreichen Handaktenbestandes von Herrn Präsident a. D. Professor Dr. Dr. h. c. mult. Gebhard Müller nach zahlreichen und eingehenden Vorgesprächen verbindlich und endgültig am 29. September 1987, als er im Anschluss an die Einweihungsfeier des Hauses der Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg die neuen Räumlichkeiten des zum Infomationsdienst der Landtagsverwaltung gehörenden Parlamentsarchivs besichtigte.
Zur Ordnung und Verzeichnung des Bestandes
Der größere Teil des Nachlasses wurde vor der Übergabe an das Hauptstaatsarchiv Stuttgart von Gebhard Müller grob vorgeordnet und verzeichnet. Das von ihm zugrunde gelegte Ordnungsschema, das sich in die Gruppen H, B, D, I, M, R und Z gliederte, basierte auf Kriterien, die er für die weitere Verwendung der Unterlagen als Materialsammlung für seine Reden, Vorträge und Aufsätze schon früh festgesetzt hatte. Durch den häufigen Rückgriff auf seine Unterlagen wurde deren Ordnung allerdings nachhaltig gestört, wie die bei einigen Einheiten beiliegenden, von Gebhard Müller handschriftlich gefertigten Inhaltsverzeichnisse belegen. Die späteren Ablieferungen wurden nur rudimentär, ohne inhaltliche Erfassung als Anhang dem Findbuch beigeheftet. Die von Herrn Ministerialrat Dr. Günther Bradler, Leiter des Landtagsarchivs Baden-Württemberg, auf Wunsch des Nachlassers im Jahre 1988 begonnene, ehrenamtliche und vom Landtag genehmigte Verzeichnungstätigkeit zur Dokumentation der ursprünglichen Ordnung des Bestandes wurde 1999 abgeschlossen. Im Frühjahr 1998 zeigte sich bei der Durchsicht der bereits vorliegenden Titelaufnahmen, dass die bestehende Ordnung und Erschließung der Unterlagen für die archivische Nutzung nicht geeignet war. In Absprache mit der Familie Müller, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg bildete sich im Hauptstaatsarchiv eine abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe, bestehend aus Dr. Peter Bohl, Wilfried Braunn, Dr. Kurt Hochstuhl und Eberhard Merk, die die Ordnung und Erschließung des Bestandes nach allgemein anerkannten archivischen Standards der Verzeichnung von Nachlässen übernahm. Unter Mitwirkung von Herrn Dr. Bradler wurde die endgültige Gliederung und Ordnung des Bestandes erarbeitet. Sie orientiert sich an den Lebensabschnitten, beruflichen und gesellschaftlichen Wirkungsfeldern und Interessenschwerpunkten des Nachlassers. Entsprechend der Gliederung wurden in einem ersten Schritt die Unterlagen den festgelegten Hauptgruppen neu zugeordnet. Die Feingliederung und die Zuweisung der einzelnen Unterlagen zu den Untergruppen erfolgte im Rahmen der Verzeichnung. Die von Gebhard Müller zu einer Einheit zusammengefassten Unterlagen erwiesen sich in mehreren Fällen als sehr heterogen. Um Zusammengehörendes zu vereinigen und die Nutzung des Bestandes für die Forschung zu erleichtern, mussten Bestandteile aus den Akten herausgenommen und bei anderen Gliederungspunkten eingefügt werden. Eingriffe in die Komposition der Akten wurden in der Regel dann vorgenommen, wenn die chronologische oder thematische Reihenfolge der Schriftstücke gestört war und kein innerer Zusammenhang erkennbar war. Im Darin-Vermerk wurden Unterlagen aufgeführt, die einen vom Verzeichnungstitel abweichenden Sachinhalt betrafen, nicht aber ohne weiteres einem anderen Gliederungspunkt zugeordnet werden konnten. Die inhaltliche Erschließung der Archivalieneinheiten erfolgte über die Enthält-Vermerke, in denen die Unterlagen intensiver beschrieben und charakterisiert werden. Herr Dr. Hochstuhl verzeichnete die Hauptgruppen 1. Persönliche Unterlagen und 2. Württemberg-Hohenzollern, Herr Braunn die Hauptgruppe 3. Baden-Württemberg, Herr Dr. Bohl die Gruppen 4 Präsident des Bundesverfassungsgerichts, 5 "Politikbereiche" und 6 Vorträge, Lebenserinnerungen und Herr Merk 7 Korrespondenz und 8 Sammlungen, die Tondokumente des Bestandes wurden im Audiovisuellen Archiv des Hauptstaatsarchivs erfasst. Im Zuge der Erschließung wurden falsch zugewiesene Einheiten dem zuständigen Arbeitsgruppenmitglied ausgehändigt. Kassiert wurden aus dem Bestand nur Dubletten bei den Drucksachen, in denen keine Vermerke angebracht waren. Unterlagen, die vom Nachlasser mit dem Vermerk vernichten gekennzeichnet wurden, verblieben im Bestand. In der Regel handelte es sich bei ihnen um Materialsammlungen, vor allem Zeitungsausschnitte, die Einblicke in die umfassende Sammlungstätigkeit Gebhard Müllers gewähren. Mit dem ausführlichen Gesamtindex, in dem Orts-, Personen- und Sachbetreffe ausgewiesen werden, wurde der Nachteil der thematischen Heterogenität der Archivalieneinheiten und der teilweise in verschiedenen Gliederungspunkten zu findenden Betreffe ausgeglichen Der Bestand umfasst 1059 Verzeichnungseinheiten (22,6 lfd. m).
Erstellt (Anfang): 1914  [1914-1990 (1991)]
Objekttyp: Bestaende
Quelle/Sammlung: Landesarchiv Baden-Württemberg Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Nachlässe, Verbands- und Familienarchive
Politische Nachlässe
Bestand
Identifikatoren/​Sonstige Nummern: Q 1/35 [Bestellsignatur]
Weiter im Partnersystem: https://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-3055
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