Brugger, Alois 

Geburtsdatum/-ort: 21.06.1881;  Simonswald
Sterbedatum/-ort: 29.04.1945;  Langenenslingen-Billafingen
Beruf/Funktion:
  • Geistlicher, Opfer des Nationalsozialismus
Kurzbiografie: 1888–1895 Volksschule Simonswald
1895–1900 Lendersche Lehranstalt, Sasbach
1900–1904 Gymnasium, Rastatt
21.7.1904 Abitur
1.7.1908 Priesterweihe
1908 Vikar, Mühlhausen (Hegau)
1908 Vikar, Leimen
1909 Vikar, Ulm bei Oberkirch
1911 Vikar, Lenzkirch
1911 Vikar, Ladenburg
1913 Pfarrverweser, Waldau
1914 Pfarrkurat, Lobenfeld
1915 Pfarrkurat, Schollach
1924 Pfarrer, Göschweiler
1938 Pfarrverweser, Billafingen
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Eltern: Vater: Joseph Brugger (9.3.1832–8.2.1898), Leineweber aus Altsimonswald
Mutter: Pauline, geb. Wild (29.6.1844–21.2.1929) aus Untersimonswald
Geschwister: Maria Anna (17.7.1884–14.3.1949)
GND-ID: GND/1012179737

Biografie: Christoph Schmider (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 34-35

Über Bruggers gewaltsamen Tod wissen wir nur wenig Genaues: Weder kennt man den Hergang, noch den oder die Täter, noch gar das Motiv. Sicher zu sein scheint lediglich, dass er ermordet wurde nicht obwohl, sondern weil er Geistlicher war. Daher gilt er der katholischen Kirche als Blutzeuge und wurde in das „Martyrologium des 20. Jahrhunderts“ aufgenommen.
Brugger wurde am 21. Juni 1881 in Simonswald als einziger Sohn einer materiell nicht sehr gut gestellten, bodenständigen und streng katholischen Weberfamilie geboren. Nach dem Besuch der Volksschule und der örtlichen Fortbildungsschule verbrachte er die folgenden Jahre bis Sommer 1900 auf der Lenderschen Lehranstalt in Sasbach und absolvierte schließlich als Zögling des Erzbischöflichen Gymnasialkonviktes das Gymnasium in Rastatt, wo er am 21. Juli 1904 die Reifeprüfung ablegte.
„Seine Befähigung“, hieß es in der Beurteilung des Konvikts, „ist mittelmäßig, doch so, daß er in der Seelsorge jeden Posten, der nicht allzuhohe Anforderungen stellt, wird ausfüllen können. Sein Fleiß war stets sehr löblich (…). Sein Betragen war stets sehr gut. Nach seinem Charakter ist er etwas timid, aber gut und zuverlässig. Seine Gesundheit ist gut, wenn er auch nicht sehr kräftig gebaut ist.“ Bruggers nicht allzu große Begabung machte sich auch während des Studiums und bei der Ausbildung im Theologenkonvikt und im Priesterseminar bemerkbar, doch konnte er seine Defizite durch Zuverlässigkeit und großen Fleiß gut kompensieren, wodurch allerdings seine „Nerven etwas angegriffen“ wurden. In den folgenden Jahren als Vikar und Pfarrkurat wurde Brugger häufig versetzt, bewies überall tiefe Ernsthaftigkeit und hohen Einsatz, aber auch zuweilen „in der Sorge für die temporalia (…) eine bis hart an den Geiz reichende Sparsamkeit“.
In Schollach führten Bruggers Nervosität, sein zunehmend cholerisches Temperament und seine Neigung zu unklugen Überreaktionen wiederholt zu Streitigkeiten, die freilich stets gütlich beigelegt werden konnten. In Göschweiler hingegen, wo Brugger am 23. November 1924 die kanonische Investitur erteilt wurde, kam es beinahe vom ersten Tag an zu Auseinandersetzungen, die sich immer weiter steigerten. Auslöser waren Bruggers mangelnde Bereitschaft, sich mit den eingefahrenen Traditionen abzufinden, und sein Drängen auf zeitgemäße liturgische Reformen, wobei er es offenkundig an pastoraler Klugheit und behutsamer Überzeugungsarbeit fehlen ließ. Zwar erkannte Brugger durchaus selbstkritisch, dass sein mitunter heftiges Wesen Ursache für die Auseinandersetzungen war, doch gelang es ihm nur selten, besonnener vorzugehen.
Ab 1933, als der nationalsozialistische „Kirchenkampf“ hinzukam, nahmen die Konflikte an Schärfe deutlich zu, wobei Brugger vor allem manche seiner Lehrerkollegen an der Volksschule und einzelne Schüler das Leben schwer machten. Er hatte immer mehr den Eindruck, „dass manche in der Gemeinde keinen Anlaß vorübergehen lassen, ohne mich zu ärgern“. Nach einigen Jahren musste Brugger schließlich einsehen, dass es weder seiner Gesundheit noch der Gemeinde zuträglich war, länger zu bleiben. Er ließ sich im Juni 1938 als Pfarrverweser ins hohenzollerische Billafingen versetzen, um dort noch einmal einen Neuanfang zu versuchen. Tatsächlich kam Brugger mit seinen neuen „Schäfchen“ besser zurecht als mit seinen alemannischen Landsleuten und fand schnell Zugang zu den Menschen. Bald war er, ebenso wie die Gläubigen, davon überzeugt, den rechten Ort für die letzte Station vor seiner Pensionierung gefunden zu haben. Seiner Initiative verdankte die Gemeinde eine Renovierung der Kirche, den Einbau einer Heizung und den Neubau einer Sakristei, wobei Brugger einen beträchtlichen Teil seines Gehalts zur Finanzierung beisteuerte.
Fast sieben Jahre lang wirkte Brugger unter zunehmend erschwerten Bedingungen als Seelsorger in Billafingen, auch wenn das Dorf bis zum Frühjahr 1945 von unmittelbaren Kriegsauswirkungen weitgehend verschont blieb. Mit dem Näherrücken der Front ergriff Brugger zunehmende Unruhe. Am Ostersonntag, dem 1. April 1945, machte er sein Testament und verfügte, dass sein Erbe teils dem Bonifatiusverein, teils dem Wohl kriegsgeschädigter Menschen zugutekommen sollte.
Wenige Tage vor dem Einmarsch der Franzosen, der am 25. April 1945 stattfand, beichtete Brugger bei einem Mitbruder und meinte anschließend, dies werde wohl seine letzte Beichte gewesen sein. Am vierten Sonntag nach Ostern (29. April 1945), predigte er über die Christusworte „Nur noch eine kleine Weile und ihr werdet mich nicht mehr sehen“, wobei er diese Worte auch auf sich selbst bezog (Zahlten, 29). Nach dem Mittagessen machte sich Brugger auf die Suche nach seinem entlaufenen Hund. Zur Nachmittagsandacht erschien er nicht, während der Hund im Laufe des Nachmittags ohne ihn wieder zum Pfarrhaus zurückkam. Erst rund zweieinhalb Wochen später wurde bei einer großen Suchaktion, an der sich fast die gesamte Gemeinde beteiligte, an einer abgelegenen Stelle im Wald seine mit Reisig bedeckte Leiche entdeckt. Eine gleich durchgeführte Untersuchung ergab, dass Brugger an Ort und Stelle mit mehreren Schüssen ins Herz regelrecht hingerichtet worden war.
Bis heute ist nicht geklärt, wer Brugger ermordet hat. Geschosshülsen hatte man nicht gefunden, eine kriminalistische Untersuchung der Kugeln war unterblieben. Verschiedene Spekulationen hielten sich teilweise hartnäckig über Jahrzehnte, doch bewiesen oder eindeutig widerlegt konnte keine werden. In den 1960er Jahren ermittelte die Staatsanwaltschaft Ravensburg, ohne zu neuen Erkenntnissen zu kommen, und ein im Jahr 2001 von der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ in Ludwigsburg eingeleitetes Vorermittlungsverfahren wurde 2002 von der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingestellt. Da Brugger durch seine Soutane als Geistlicher zu erkennen war, spricht vieles für die Hypothese, er sei, ebenso wie auch andere Priester, noch in den letzten Tagen des „Dritten Reiches“ von fanatischen Nazis gezielt ermordet worden.
Quellen: EAF: PA Alois Brugger, † 1945; B2 – 35 – 151 (Berichte über Kriegsereignisse).
Nachweis: Bildnachweise: Siehe Zahlten.

Literatur: Johann Adam Kraus, Zwei vergessene „Märtyrer des Dritten Reiches“, in: Hohenzollerische Heimat, (1963), 59–61 (speziell: 60–61), Necrologium Friburgense 1941 – 1945, in: FDA 70 (1950), 241; Christoph Schmider, Art. „Brugger“, in: Helmut Moll (Hg.), Zeugen für Christus. Das Deutsche Martyrologium des 20. Jhs., 4. Aufl., 2006, 188–191; Richard Zahlten, Die Ermordeten. Gedenktafel der Erzdiözese Freiburg für die verfolgten Priester (1933 bis 1945), in: „Maria Lindenberg“, nahe St. Peter/Schwarzwald, 1998.
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