Bader, Karl Siegfried 

Geburtsdatum/-ort: 27.08.1905;  Waldau
Sterbedatum/-ort: 13.09.1998; Zürich
Beruf/Funktion:
  • Rechtshistoriker
Kurzbiografie: 1911-1915 Volksschule Gutmadingen
1915-1924 Gymnasium Donaueschingen bis Abitur
1924-1927 Studium in Tübingen, Wien, Heidelberg, Freiburg
1927-1930 Vorbereitungsdienst als Gerichtsreferendar
1927 Dr. jur.
1930-1933 Gerichtsassessor in Freiburg
1933 Rechtsanwalt in Freiburg
1941 Dr. jur. habil.
1942 Dozent in Freiburg
1941-1945 Wehrdienst
1945 außerordentlicher Professor, Oberstaatsanwalt in Freiburg
1946-1951 Generalstaatsanwalt in Freiburg
1951 ordentlicher Professor für Rechtsgeschichte und Kirchenrecht in Mainz
1953 ordentlicher Professor in Zürich
1972 Dr. phil. h. c. der Universität München
1975 Emeritierung
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg (1984), Bundesverdienstkreuz I. Klasse (1985), Goldene Ehrenmedaille der Stadt Singen (1986), Ehrenbürger der Städte Elzach (1949) und Geisingen (1995)
Verheiratet: 1. 1929 Grete, geb. Weiss (1904-1941), rk., Rechtsanwaltstochter aus Wien, geschieden 1936
2. 1938 Eva, geb. Müller (1913-1996), ev., Kaufmannstochter aus Freiburg
Eltern: Vater: Karl (1868-1940), Hauptlehrer
Mutter: Rosa, geb. Baur (1873-1933)
Geschwister: 3: 2 Schwestern, 1 Bruder
Kinder: 3 aus 2. Ehe: 2 Töchter, 1 Sohn
GND-ID: GND/118505726

Biografie: Reiner Haehling von Lanzenauer (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 8-11

Erste Veröffentlichung des 17-jährigen Gymnasiasten bildete eine heimatkundliche Studie über den Meierhof in Gutmadingen. Gleichwohl ergriff er später den Juristenberuf. Doch die Historik ließ ihn nicht los: In einem richtungweisenden Lebenswerk hat er Rechts- und Landesgeschichte zu gültiger Synthese geführt.
Von Waldau, dem Geburtsort Baders, übersiedelte die Familie früh nach Gutmadingen, heute Stadtteil von Geisingen, wohin der Vater als Schullehrer versetzt worden war. Hier, im Herzen der Baar, verbrachte Bader seine Jugendzeit, von hier aus fuhr er täglich nach Donaueschingen ins Gymnasium. Schon bald führte ihn der Weg in den Lesesaal der Hofbibliothek, für den Schüler eine Fundgrube historischer Literatur und Urkunden. Nach dem Abitur studierte Bader Rechtswissenschaften in Tübingen, Wien, Heidelberg und Freiburg. 1927 legte er das I. juristische Staatsexamen ab, arbeitete als Gerichtsreferendar im Raum Freiburg. Im Jahre 1928 wurde er an der Universität Freiburg bei Rudolf Schultz zum Dr. jur. promoviert. Seine Dissertation über das Schiedswesen im schwäbischen Mittelalter belegt, dass reges Geschichtsinteresse fortdauerte. 1930 bestand Bader die II. juristische Staatsprüfung und trat in den badischen Justizdienst ein, der junge Gerichtsassessor wurde als Richter und als Staatsanwalt verwendet. Nach der NS-Machtergreifung sah er sich im Oktober 1933 aus politischen Gründen, der Heirat mit einer damals sogenannten „Halbjüdin“, aus dem Staatsdienst entlassen. Er eröffnete in Freiburg eine Anwaltskanzlei, in der auch politisch Verfolgte und drangsalierte Juden Hilfe und Unterstützung fanden. Zu diesem Personenkreis zählte namentlich die Freiburger Caritashelferin Dr. Gertrud Luckner, die wegen ihres selbstlosen Eintretens für jüdische Mitbürger in ein Konzentrationslager verschleppt worden ist. Im Jahre 1937 wurde Bader durch das NS-Blatt „Stürmer“ wegen Verteidigung einer jüdischen Mandantin vor einem Freiburger Gericht öffentlich angegriffen. Neben der Anwaltstätigkeit folgte Bader weiterhin seinen geschichtlichen Neigungen, wovon mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen jener Zeit, auch die Herausgabe der Schriftenreihe „Das Rechtswahrzeichen“ von 1939 bis 1942 zeugen. Bereits Anfang November 1937 war Bader im Nebenberuf zum Leiter des Fürstenbergischen Archivs in Donaueschingen berufen worden. Im Jahre 1941 habilitierte er sich an der Freiburger Universität. Dem Rektorat teilte er unter dem 5. Januar 1941 mit: „Ich erkläre hiermit, dass ich die akademische Laufbahn als Lebensberuf erstrebe.“ Im April 1942 hat ihn die Universität zum Dozenten für Deutsche Rechtsgeschichte berufen. Doch schon im Februar 1941 war Bader zur Wehrmacht einberufen worden. Er hatte in einem Infanterie-Ersatzbataillon in Ulm, später in Freiburg Dienst zu tun, zuletzt im Dienstgrad eines Unteroffiziers. Während des Einsatzes in Freiburg war er dem Personal des Wehrmachtgefängnisses zugeteilt, so konnte er zeitweise an der Universität Vorlesungen halten. Vor allem aber musste er als Strafverteidiger amtieren für Soldaten, die vor den Militärgerichten angeklagt waren.
Anfang Mai 1945 geriet Bader unweit des Chiemsees in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Drei Monate später nach Freiburg zurückkehrend wurde Bader im August zum außerordentlichen Professor berufen. Schon im Juli 1945 war der politisch Unbelastete kommissarisch und im Oktober dann endgültig zum Oberstaatsanwalt in Freiburg ernannt worden. Im März 1946 wurde ihm das Amt des Generalstaatsanwalts beim neu gebildeten Oberlandesgericht Freiburg übertragen. Er widmete sich engagiert dem Aufbau einer rechtsstaatlichen Justiz, der Heranbildung geeigneten Nachwuchses, zugleich betrieb er nachdrücklich die Ahndung von NS-Verbrechen. In der Hauptverhandlung gegen Heinrich Tillessen, des Mordes an dem ehemaligen Finanzminister Matthias Erzberger angeklagt, übernahm der Generalstaatsanwalt selbst die Sitzungsvertretung. Ebenso trat er als Ankläger auf im Schwurgerichtsprozess gegen zwei Ärzte, die sich der Euthanasie geisteskranker Patienten schuldig gemacht hatten. Im Rahmen seines Wirkens an der Universität hielt Bader von 1946 an das Seminar für Badische Rechts- und Verfassungsgeschichte, aus dessen Mitte zahlreiche rechtshistorische Arbeiten hervorgegangen sind. Bader beteiligte sich an der Herausgabe der „Deutschen Rechtszeitschrift“, später in der „Juristenzeitung“ aufgehend, und der „Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte“. Zum Sommersemester 1951 ging Bader als Ordinarius für Rechtsgeschichte und Kirchenrecht an die Universität Mainz, zugleich gab er sein Staatsanwaltsamt auf. Im Jahre 1953 erging ein Ruf der Universität München, Bader folgte indessen der Berufung an die Universität Zürich, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1975 den Lehrstuhl für Schweizerische und Deutsche Rechtsgeschichte innehatte. Das Amt des Generalbundesanwalts, das man ihm von deutscher Seite antrug, hat er Anfang 1962 abgelehnt. In Zürich gründete er die Forschungsstelle für Rechtssprache, Rechtsarchäologie und Rechtliche Volkskunde, ferner führte er über lange Jahre die Zürcher Ausspracheabende für Rechtsgeschichte durch. Schweizer, deutsche und österreichische Vereinigungen haben Bader zu ihrem Ehrenmitglied ernannt. Seinen Lebensabend verbrachte Bader in der Zürcher Wahlheimat. Beschaulich meinte der Emeritus in einem Brief vom 7. Juni 1979 an den Freiburger Dekan Prof. Kroeschell: „...des Menschen Bahnen werden anderswo gelenkt und ich blicke dankbar auf das zurück, was mir, da oder dort, zuteil geworden ist.“
Bader hinterlässt ein mehrere hundert Veröffentlichungen umfassendes Werk. Die frühen Schriften befassen sich mit dem Sozialmodell des mittelalterlichen Dorfes in historischer Sicht, wobei die fürstenbergischen Archivalien, ebenso wie eigenes lokales Forschen in der heimatlichen Baar, Quelle sein konnten. Aufbauend auf diesen Untersuchungen zu Grundlagen, Strukturen und Gewohnheiten des bäuerlichen Zusammenlebens gelingt es Bader, ein dynamisches Bild vom Heranwachsen genossenschaftlicher und adliger Herrschaftsformen im Südwesten zu zeichnen. Diese seine im Jahre 1950 erschienene Schrift gilt als landesgeschichtlicher Klassiker. Und immer stärker treten im fortschreitenden Gang von Baders Publikationen die Verbindungslinien zur eigentlichen Rechtsgeschichte hervor. Dies belegen beispielsweise die Arbeiten über die rechtlichen Gehalte der Zimmerischen Chronik oder über Stadtrecht und Bürgerfreiheit im alten Villingen sowie der veröffentlichte Vortragstext zur Geschichte des Strafrechts und der Verbrechensbekämpfung. Während der ersten Nachkriegsjahre hat Bader in mehreren Schriften rechtspolitische Zeitprobleme thematisiert, beispielsweise zur deutschen Schuldfrage, zum deutschen Juristenstand oder zur Soziologie der deutschen Nachkriegskriminalität. Kompetent geht da der zu keiner Zeit Verstrickte den Ursachen der Katastrophe des „Dritten Reiches“ auf den Grund. Er mahnt zu objektiven Denkweisen fern bequemer Geschichtsmythen, er fordert Einsicht in vorwerfbares Tun, zeigt Zukunftswege auf. In der geistigen Leere nach dem Zusammenbruch von 1945 sind Baders Worte erwartungsvoll aufgenommen worden, haben Anstoß zu Neubeginn gegeben. Aus der Themenvielfalt der nachfolgenden Jahre ragt die mehrteilige Untersuchung zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes. Hier geht es dem Autor im ersten Band um Strukturen der dörflichen Gemeinschaft, im zweiten Band um deren Heranreifen zu einem eigenständigen Rechtsraum und im dritten Band um Rechtsregeln bei der Bodennutzung im Agrarbereich. Daneben wendet sich Bader immer wieder Fragen der Rechts- und der Geschichtsphilosophie zu. Das literarische Werk lässt – unbeirrt auch über die gesamte NS-Zeit hinweg – die humanistische und christliche Gesinnung eines weltoffenen Gelehrten spüren, der sich bei all dem als badisch-schweizerischer Regionalist verstanden hat.
Quellen: Dokumentationsstelle für Univ.-Gesch. Zürich, Nachlass Bader; GLA Karlsruhe N/Nachlass Bader, betr. nur den Großvater J. M. Bader, 1821-94; StAF C 20/5, C 25/8, C 25/58, Nachlass T 1/Wohleb, Leo, Nr. 66, 103; UA Freiburg B 24/74, B 29/1301, B 34/1053, B 34/1054, B 28/ 2, dort Brief an Kroeschell vom 7. 6. 1979; StadtA Freiburg B 1/389, B 1/389a, Dwc 3910; Korrespondenz-Nachlass im StadtA Singen, Bd. 147; Stadtverwaltung Elzach 005/3 u. 005/4, Ehrenbürgerakte; Stadtverwaltung Geisingen 021.43/II, Ehrenbürgerakte; UA Zürich Dozentenakte/Abt. AB; Bader, Der Wiederaufbau. Tagebuch Juli 1945 bis Juni 1946, in: Paul-Ludwig Weinacht (Hg.), Gelb-rot-gelbe Regierungsjahre, 1988, 33, ungekürzt in: StadtA Freiburg B 1/389; Fürstl. FürstenbergA Donaueschingen, Personalakte Ba 89; Tonbandkassette Qt 23 d. Forschungsstelle Widerstand, Univ. Karlsruhe, Aufzeichnung eines Gesprächs mit Bader vom 10. 7. 1998.
Werke: Bibliographien in: Schriftenverzeichnis (1922-1947) Prof. Dr. K. S. Bader, Oberbad. Druckerei u. Verlagsanstalt Singen 1948; ZGO 100, 1952, 7; FS für K. S. Bader, hgg. v. Ferdinand Elsener u. Wilhelm Heinrich Ruoff, 1965, 503; Zwei Jahrzehnte Rechtsgesch. an d. Univ. Zürich, 975, 83. – Auswahl: Das Schiedsverfahren in Schwaben vom 12. bis zum ausgehenden 16. Jh., Diss jur. Freiburg 1928, 1929; Der schwäb. Untergang, Studien zu Grenzrecht u. Grenzprozess im Mittelalter, 1933; Das baden-fürstenbergische Kondominat im Prechtal, 1934; Das Freiamt im Breisgau u. die freien Bauern am Oberrhein, 1936; Zur Geschichte des Eisenerzabbaus u. des Hüttenwerks zu Blumberg, 1938; Die Zimmerische Chronik als Quelle rechtlicher Volkskunde, 1942; Unter bestraften Soldaten, Beobachtungen u. Erfahrungen im dt. Wehrstrafvollzug, 1945, unveröfftl. Manuskript im A des Instituts für Zeitgesch. München, Ms 126; Ursache u. Schuld in d. geschichtl. Wirklichkeit, Kritik geschichtswidrigen Denkens, 1946; Die dt. Juristen, 1947; Soziologie d. dt. Nachkriegskriminalität, 1949; Der dt. Südwesten in seiner territorialgeschichtl. Entwicklung, 1950; Das mittelalterliche Dorf als Friedens- u. Rechtsbereich, 1957; Dorfgenossenschaft u. Dorfgemeinde, 1962; Rechtsformen u. Schichten d. Liegenschaftsnutzung im mittelalterlichen Dorf, 1973; Ausgew. Schriften zur Rechts- u. Landesgeschichte, 3 Bde., hg. v. Clausdieter Schott, 1983/84.
Nachweis: Bildnachweise: Ölbild von Eva Bader (gemalt von Erwin Heinrich) im Stadtmuseum Baden-Baden (Inv.-Nr. 93/175), in d. FS, 1965 u. in: Ausgewählte Schriften, 1983/84; BH 1995, 670.

Literatur: Eberhard Dobler, Der Hegau 1970/71, 378; Walter Mallmann, Juristenzeitung 1975, 495; Singener Jahrb. 1977, 153; Karl Kroeschell, Juristenztg. 1985, 734; Zs. d. Savigny-Stiftung für Rechtsgesch., 102. Bd., 1985, XV; Herbert Berner in: Nit anders denn liebs u. guets, 1986, 1-17 (= Hegau Nr. 47/48, 1990/91, 336); MunzingerA 25/86; Ulrich Weber, Juristenztg. 1995, 819 u. 1999, 566; Josef Weber in: Bader, Das badisch-fürstenbergische Kondominat im Prechtal, neu hg. v. d. Ortschaftsverwaltung Prechtal 1996, Vorblatt; Friedemann Maurer in: BH 1995, 671 (= Schriften des Vereins zur Gesch. u. Naturgesch. d. Baar 39, 1996, 9); Adolf Schmid, BH 1998, 700; Claudio Soliva, Schweizerische Juristenztg. 1998, 477; Adolf Laufs, Jb. d. Heidelberger Akad. d. Wiss. für 1998, 1999, 158; Hans-Josef Wollasch, „Betrifft: Nachrichtenzentrale des Erzbischofs Gröber in Freiburg“, 1999, 43, 60; Hermann Baltl, Almanach d. österr. Akad. d. Wiss., 1999, 493; Gerhard Dilcher, Juristenztg. 1999, 567; Clausdieter Schott, Univ. Zürich, Jahresber. 1998/99, 1999, 213; Reiner Haehling von Lanzenauer, ZGO 2000, 369; ders., Zs. für Strafvollzug u. Straffälligenhilfe 2004, 226; ders., BH 2005, 298; Clausdieter Schott, Zs. d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgesch. 119, 2002, 1; Kurt Hochstuhl, in: StadtA Freiburg (Hg.), Badens Mitgift, 2002, 518; Alexander Hollerbach, Freiburger Univ.-Blätter, H. 170 vom Dez. 2005, 85; Helmut Maurer, Schrr. des Ver. für Gesch. u. Naturgesch. d. Baar Bd. 49, 2006, 84. – BZ vom 3./4. 2. 1962; FAZ vom 27. 8. 1980 u. vom 26. 8. 1995; BZ vom 23. 9. 1998; NZZ vom 29. 9. 1998.
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