Flake, Otto 

Andere Namensformen:
  • Pseudonyme: Leo F. Kotta und Karel Manders
Geburtsdatum/-ort: 29.10.1880; Metz, Elsass
Sterbedatum/-ort: 10.11.1963;  Baden-Baden
Beruf/Funktion:
  • Schriftsteller
Kurzbiografie: 1880–1905 Jugend in Mulhouse u. Colmar bis Reifeprüfung; Studium der Germanistik, Geschichte, Philosophie und Sanskrit in Straßburg (1900–1904), Hauslehrer in St. Petersburg
1906 Feuilletonchef beim Leipziger Tagblatt
1908 Erste Veröffentlichung „Straßburg u. das Elsass“.
1913ff. Wechsel zum S. Fischer-Verlag, „Das Freitagskind“ (1913), „Horns Ring“ (1916), Feuilletonsammlung „Das Logbuch“ (1917), die Ruland-Romane (1922–1928)
1917 Theaterzensor in Brüssel
1919 Flake in Zürich dem Dada-Kreis nahestehend; „Die Stadt des Hirns“, vom Expressionismus beeinflusst; Wanderleben: Zürich, Berlin, Oberschlesien, Partenkirchen
1921–1926 Philosophisch-politische Publizistik u. Essaykritik, Mitarbeit an Zeitschriften, u.a. an d. Neuen Rundschau, die Essay-Sammlung „Das neuantike Weltbild“ (1922), philosophische Studie „Der Erkennende“ (1926), Umzug nach Klobenstein, Südtirol
1928 Kauf eines Hauses in Baden-Baden
1930 Biographischer Essay über Marquis de Sade
1931 Roman „Montijo“ u. „Die Französische Revolution“
1933 Mit „Hortense oder die Rückkehr nach Baden-Baden“ wird das 19. Jahrhundert Thema Flakes
1934–1944 Zahlreiche Romane u. Biographien
1947 schreibt an der Autobiographie „Es wird Abend“ (1960); „Old Man“ erscheint; Suhrkamp druckt „Das Quintett“ neu
1955 „Schloss Ortenau“ beim Hundt Verlag in Hattingen
ab 1959 Flakes Werk nun vom Sigbert Mohn-Verlag betreut, d. zu Bertelsmann gehört; hohe Auflagen im Lesering
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Hebel-Preis des Landes Baden-Württemberg (1954); Ehrungen d. Stadt Baden-Baden, Ehrengabe von Bundespräsident Theodor Heuss u. Großes Bundesverdienstkreuz d. Bundesrepublik Deutschland (1955); Literaturpreis d. Bayer. Akademie d. schönen Künste (1960)
Verheiratet: I. 1907 (Leipzig) Minna, geb. Mai (1886–1958), 1911 gesch.;
II. 1916 (Aachen) Antonie, geb. Herzog, 1920 gesch.;
III. 1921 (Garmisch) Erna, geb. Bruhn (1889–1929);
IV. 1932 (Baden-Baden) Marianne, geb. Hitz, (1908–1945, umgekommen bei Bombenangriff)
Eltern: Vater: Heinrich August Otto (1851–1990), Kanzlist aus Hannover
Mutter: Karoline, geb. Herzer (1857–1943), aus Kottweiler/Pfalz
Geschwister: 1 Schwester
Kinder: 2;
aus I. Thomas (1908–1945, verschollen),
aus III. Eva (1921–2011)
GND-ID: GND/118533665

Biografie: Sigrid Münch (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 113-117

Der in Metz geborene Sohn eines kleinen Beamten wollte als Schriftsteller ins gehobene Bürgertum aufsteigen. Er hatte gute Anlagen, war, auch äußerlich, eine beeindruckende Persönlichkeit. Seine Prosa vermeidet Schnörkel und Manierismen, seine Essays prägt der Begriff der Vernunft. Flake sah im Menschen ein freies, überlegenes Individuum, das Anstand und Würde selbstständig zu entwickeln weiß. Er widersetzte sich Moden, machte sich nicht parteiisch und zog mit seinen politischen Aufsätzen oft Kritik auf sich.
1900, noch Student in Straßburg, gab er mit Freunden die Zeitschrift „Der Stürmer“ heraus, später mit René Schickele den „Merker“. Flake hatte mehr Interesse an zeitgenössischer Literatur als am Studium, das er abbrach. Noch ohne die Möglichkeit, vom Schreiben zu leben, ging er 1905 mit einer Baden-Badener Familie als Hauslehrer nach St. Petersburg. 1906 wurde er Feuilletonchef beim Leipziger Tagblatt und versuchte nach ersten Veröffentlichungen ab 1909 ein Leben als freier Schriftsteller und Publizist. Sein erster Roman „Schritt für Schritt“ erschien 1912, schon 1913 wechselte er zum renommierten S. Fischer-Verlag; der Roman „Freitagskind“ war sein erster großer Erfolg. Zahlreiche Reisen lieferten ihm Stoff für Erzählungen. Flake übersetzte das „Reisetagebuch“ von Montaigne, die „Historietten“ von Tallemant des Réaux und die „Gefängnisbriefe“ des Grafen Mirabeau aus dem Französischen. Bei Kriegsausbruch 1914 gelang es Flake, Wehruntauglichkeit vorzutäuschen. Später wurde er als „garnisionsverwendungsfähig“ in Brüssel im militärischen Bürodienst als Theaterzensor eingesetzt. Bereits 1917 bekannte sich Flake zu einem vergleichenden und sich ausgleichenden Europäertum (Ein Leben am Oberrhein, 1987, S. 169). Der Roman „Der schwarze Ring“ von 1914 erschien umgearbeitet unter dem Titel „Horns Ring“ 1916 und erreichte bis 1921 sieben Auflagen. Flakes „Logbuch“, ein Reisetagebuch, erschien 1917. Mit geschultem Blick des Dichters erzählt es von Berlin, Konstantinopel, dem Elsass, deutschen Landschaften und belgischen Städten und spiegelt Einsichten des Autors in Länder und Völker, voller geistiger Klarheit, in treffender Sprache, lebendigen, eindringlichen Bildern.
Die Zeit zwischen 1900 und 1933 wurde zur produktivsten und erfolgreichsten Zeit in Flakes Schaffen. In nahezu 400 Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln war er bis Ende der 1920er-Jahre präsent. Dann kam seine Absage an die kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit Kultur, Politik und Gesellschaft seiner Zeit. 1918 emigrierte Flake in die Schweiz. In Zürich hatte er Kontakt zur Dada- Szene um Hans Arp, Tristan Tzara u.a., wobei er aber mehr Beobachter als Teilnehmer blieb. Zweifellos ist die „Stadt des Hirns“ (1919) Flakes umstrittenster, heftig diskutierter Roman; mit Alfred Döblin trug er eine öffentliche Kontroverse aus. Flake erstrebte den nachexpressionistischen Roman, der nicht in der Beschreibung des einzelnen Gegenstands verharrt, sondern das Typische hervorheben will. In der Abstraktion, Simultanität und Unbürgerlichkeit sah er methodische Grundlagen. Bisherige Wertvorstellungen gelten nicht mehr, ein neues Weltbild sollte entstehen: die unvoreingenommene Sehweise des Individuums, das in der Zeit der Krise mangels verbindlicher Sinngebungen neue erwerben muss. Das Individuum lässt die neue Welt auf sich wirken und beginnt mit dem Aufbau seiner „Stadt des Hirns“.
In „Nein und Ja“ (1920) beschreibt Flake das Zürich der Emigranten und Spitzel, wobei er seine Erlebnisse der Jahre 1918/19 stark verfremdet. Nie verwendet er den Begriff „Dadaismus“, er spricht von den „Ungegenständlichen“, womit die Abstrakten, Arp, Giacometti, Janco und Picabia gemeint sind. Vom Inhaltlichen, Sinnlichen losgelöst, verweist das abstrakte Gebilde nicht nachahmend auf die Realität, sondern auf die in Angriff zu nehmende Gestaltung des Raumes als geistige Leistung des Menschen. Das Anliegen des abstrakten Künstlers ist die Erschaffung eigener Welten, nicht die Unterordnung unter die „Welt der Erscheinungen“ schrieb er im Artikel „Abstrakte Kunst“. Die beiden „Lauda“-Romane heben sich von den bisherigen durch die Vielzahl philosophischer Reflexionen ab. Im Anschluss daran folgten weitere philosophische Arbeiten: „Die fünf Hefte“ (1920), „Pandämonium“ (1921), „Die moralische Idee“ (1921) und „Das neuantike Weltbild“ (1922).
Die Themen, mit denen sich Flake bis 1933 beschäftigte, reichen von der Elsässischen Frage über Deutschland und seine Schuld am I. Weltkrieg bis hin zur Weimarer Republik. In der Essaysammlung „Das Ende der Revolution“ (1920) befasste er sich mit dem Sozialismus und Kommunismus. „Deutsche Reden“ erschienen 1922 in der „Neuen Rundschau“ und in der „Weltbühne“. Die Essaysammlung „Zum guten Europäer“ (1924), auch dort vorabgedruckt, hat aktuelle Themen zum Gegenstand: Antisemitismus, sich ausbreitender Nationalsozialismus, die Oktober-Revolution, die Paneuropa-Idee, auch das Problem der Amerikanisierung.
Aus der Türkei, Wien, Prag, dem Ruhrgebiet und Südtirol verfasste er Reiseberichte, Filmkritiken, Rundfunkbeiträge und schrieb über die Emanzipation der Frau. Die Vielfältigkeit seiner Veröffentlichungen, etwa in der „Neuen Rundschau“, der „Weltbühne“, der „Frankfurter Zeitung“, dem „Berliner Tageblatt“, dem „Neuen Merkur“ ist enorm.
Die Ruland-Romane um den Protagonisten Karl Ruland schrieb Flake zwischen 1922 und 1928, wobei er den ersten, bereits 1913 unter dem Titel „Freitagskind“ erschienen Band 1928 überarbeitete. Unter dem Titel „Eine Kindheit“ bildet er den Anfang dieser stark autobiografischen Romanreihe. Stefan Zweig schrieb darüber in seinem Artikel „Romane um Ruland“ 1928: „[…] eines der merkwürdigsten künstlerischen Bauwerke innerhalb der gegenwärtigen deutschen Literatur, […]eines das sich keiner Tradition anschließt und nur von fernher an die bisherigen Formen des Entwicklungsromans erinnert. […] Mittelpunkt ist immer der Mensch und das geistige Gesetz, das er in sich verkörpert fühlt.“ (Frankfurter Ztg., 27.5.1928) Flake, von der zeitgenössischen Kritik oft als Philosoph bezeichnet, übertrug in seinen Romanen die Philosophie ins Konkrete. „Ruland“ erschien 1922, „Der gute Weg“ 1924, „Villa USA“ 1926 und „Freund aller Welt“ 1928. Seine Maxime „Klarheit, Gelassenheit, Sinnlichkeit und Energie“ (Max Rycher, in: „Die Tat“, 15.11.1963) bestimmen Inhalt und Form des Werkes; symbolische Überhöhungen und ideologische Zielsetzungen fehlen. Erotik spielt eine nicht geringe Rolle, weil er die gegensätzlichen Sphären Sinnlichkeit und Geistigkeit zu vereinen sucht. 1926/27 lebte Flake in Klobenstein/Südtirol, wurde aber bald von den italienischen Faschisten ausgewiesen, weil er im „Sommerroman“ für die deutschsprachigen Südtiroler Partei ergriffen hatte.
1928 kam Flake nach Baden-Baden, das er zu seiner Wahlheimat machte. Er kaufte ein Haus und fand sich auf dem Höhepunkt seines schriftstellerischen Ansehens in der oberrheinischen Landschaft seiner Jugend wieder. Er hatte damals stattliche Einnahmen und verkehrte mit international renommierten Schriftstellern: Gerhart Hauptmann, Hugo von Hofmannsthal, den Brüdern Heinrich und Thomas Mann. Flake hat in dieser Zeit das Lob auf Baden-Baden in manchem Zeitschriftenartikel gesungen, die 1987 als Taschenbuch unter dem Titel „Ein Leben am Oberrhein“ erschienen: „Das Zugleich der Gegensätze macht den Charakter Baden-Badens aus. Sie liegt gelassen in einem Spannungsfeld, ausgleichend und ausgeglichen. Die Tage sind warm, die Nächte sind kühl, das Ganze ist ein harmonisches Ereignis.“ (Ein Leben am Oberrhein, 1987, S. 233) Doch Glück und Harmonie waren nicht allein bestimmend für die 35 Jahre, die er dort lebte.
Ein Jahr nach seiner Ankunft starb seine Frau Erna und Flake war mit der halbwüchsigen Tochter allein. Von der Weltwirtschaftskrise war auch das Verlagsgeschäft betroffen. Die Einnahmen gingen immer weiter zurück, obwohl in jedem Jahr mindestens ein Buch von ihm erschien. 1932 heiratete er die viel jüngere Marianne Hitz, deren Vater Jude war, weswegen Flake dann in NS-Bücherverzeichnissen als „jüdisch versippt“ gebrandmarkt wurde. Flake sah die politische Entwicklung und die Selbsttäuschung seiner jüdischen Freunde. Er wurde missverstanden als er schrieb, dass es kein Vorteil war, Autor eines jüdischen Verlages zu sein. 1934 war er, für ihn nur selbstverständlich, einer der wenigen Mutigen an Samuel Fischers Grab.
Ab 1933 lässt sich ein Wandel seines Denkens und Schreibens erkennen, der auch die Wahl der Erzählformen und Gattungen beeinflusste. Essay, Rezension, Feuilleton spielten nun eine immer geringere Rolle. Flake wandte sich vornehmlich historischen Stoffen zu, schrieb einige Biographien. Die Romane siedelte er gerne in der oberrheinischen Landschaft an. Er hielt aber an seiner erzieherischen Aufgabe fest, indem er die Vervollkommnung des Individuums zu einem humanistisch gebildeten Weltbürger beschreibt. Historische Stoffe erlaubten ihm anfangs im Nationalsozialismus vom Schreiben zu leben. Kritik äußerte er nur verhalten. Dem Nationalsozialismus, ja der ganzen Nachkriegszeit, hielt er das Ideal des gebildeten Bürgertums entgegen. Probleme der Zeit und ihrer Literatur blendete er aus. Angesichts wirtschaftlicher Schwierigkeiten konnte er an Emigration nicht denken. Flake musste sein Haus verkaufen. 1933 unterschrieb er mit 88 deutschen Schriftstellern die „Loyalitätserklärung“ für Hitler, die emigrierte Autoren empörte. Sein Verleger Samuel Fischer allerdings hatte ihn darum gebeten, um den Verlag vor dem NS-Zugriff zu bewahren.
Bald begann Flake sich abzukapseln und verwandelte sich in den fleißigen, disziplinierten und dennoch schuldengeplagten Vielschreiber in der Inneren Emigration. Er entdeckte die ihm vertraute Landschaft neu, nicht nur als Objekt seiner Darstellungskunst, sondern als Lebensgebiet samt ihrem historischen Hintergrund, als Ansatzpunkt auch für neue, europäische Perspektiven. Das 19. Jahrhundert, als Baden-Baden seine Blüte erlebte und Sommerhauptstadt Europas war, wurde nun die Zeit, in der Flakes Romane spielen. Mit „Hortense oder die Rückkehr nach Baden-Baden“, einer Verdichtung des süßen Lebens im 19. Jahrhundert, führte er 1933 die Kurstadt in die neuere Literatur ein. Der Roman wendet sich zugleich seinem gern behandelten Thema zu von der Persönlichkeit, die alte Bindungen verlässt und sich kraft ihrer Intelligenz ein neues Leben aufbaut.
Bis 1940 erschienen dann in Folge „Die Töchter Noras“, „Die junge Monthiver“, „Anselm und Verena“, „Scherzo“, „Sternennächte am Bosporus“, „Schön Bärbel von Ottenheim“, „Türkenlouis“, „Personen und Persönchen“ und „Große Damen des Barock“. Die wirtschaftliche Situation Flakes wurde wieder besser und ermöglichte den Umzug in eine schönere Wohnung. Indes nahmen die ehelichen Spannungen zu, nicht zuletzt des Altersunterschiedes der Ehepartner wegen. In seinem autobiografisch gefärbten Roman „Scherzo“ von 1936 beschreibt er diese Situation.
1940, im Jahr seines öffentlich kaum wahrgenommenen 60. Geburtstags, erschien erstmals seit 1914 kein Buch von Flake Die Reichsschrifttumskammer war ihm auch nicht gewogen und für die zweite Auflage von „Große Damen des Barock“ wurde das Papier verweigert. Ein Großteil der Auflage seines dritten Baden-Baden-Romans „Das Quintett“ verbrannte 1943 beim Bombenangriff auf Leipzig. Der jüdische S. Fischer-Verlag, bei dem Flake hoch verschuldet war, firmierte inzwischen als Suhrkamp-Verlag, mit dem sich Flake überwarf.
Zwischen Bombenalarm und Entwarnung schrieb Flake 1944 den Essay „Ordo“ und setzte so der Verwirrung der Zeit seine Ordnung entgegen. Im April 1945 wurde Baden-Baden französisch besetzt, Flake Mitglied des antifaschistischen Kultur rats. Er lernte Alfred Döblin persönlich kennen. Den „Nietzsche-Essay“ veröffentlichte er 1946 und 1947 mit einer Auflage von je 10 000 Exemplaren. Belletristische Werke waren im totalen Krieg kaum mehr gedruckt worden. Flake litt weiter unter Existenzsorgen. Der Roman „Fortunat“, der das abenteuerliche Leben des Jakob (Jacques) Kestenholz, genannt Fortunat, erzählt, hatte Jahre in der Schublade gelegen. Das zweite Buch steht unter dem Titel „Ein Mann von Welt“. Der SWF Baden-Baden bezeichnete den in der Tradition der großen französischen Romane stehenden „Fortunat“ als geistreiche, mit unerhörtem Wissen geschriebene Kulturgeschichte in Romanform, als eine Gipfelschau und Zusammenfassung eines Jahrhunderts freierer, offenerer Menschlichkeit. Flake schrieb das Werk, das er trotz der Fülle kulturhistorischer Details als Bildungsroman verstanden wissen wollte, als 60-jähriger und setzte damit weltabgewandt und ohne Bezug zur Gegenwart der herrschenden Weltanschauung seine Sympathie-Erklärung für das 19. Jahrhundert entgegen.
Flake hatte gleich nach dem Krieg keine Geduld aufgebracht, die Neuordnung des Verlagswesens abzuwarten. Die Besatzungsmacht hatte Papier für 5000 Bände bewilligt; die Bestellungen beliefen sich auf fast 250 000. Mit „Old Man“ erschien 1947 ein weiterer, stark autobiografisch gefärbter Roman. Damals begann Flake auch seine Autobiografie „Es wird Abend“. Er versuchte sich mit Essays und Zeitschriftenartikeln über Wasser zu halten; denn die Währungsreform 1947 lastete auf dem Buchverkauf. Das Publikum wollte die billig gedruckten Nachkriegsausgaben nicht akzeptieren. Sich in den neuen Zentren des Literaturbetriebs zu zeigen, bekannte Flake sich in seiner Autobiografie als zu eigenwillig. Dennoch schrieb er weiter, um sich zu beschäftigen, auch wenn er im Literaturbetrieb nichts mehr zählte. Eine falsche Steuererklärung führte dann zu einer hohen Strafe und dem Verkauf von Wertgegenständen. Der Keppler-Verlag, bei dem Flakes Bücher zuletzt erschienen waren, gab 1952 auf. Das zwang Flake, seine Romane mehreren Verlagen anzubieten. Er stieß auf Absagen, verbrannte die philosophischen Manuskripte, schrieb neu, was er zu sagen hatte.
Im Mai 1954 erhielt Flake dann den Hebel-Preis, eine späte Anerkennung, erklärbar nur durch die verschiedenen Welten von Flake und Hebel. Arbeiten für den SWF Baden-Baden zwischen 1955 und 1963 widmeten sich wieder historischen Gestalten: Alexis de Tocqueville, Jeanne d’Arc, Nero, Elisabeth von England, Liselotte von der Pfalz, Napoleon, Wilhelm Hauff, Voltaire.
Im Juni 1957 erlitt Flake einen Schlaganfall. Es folgten fünf Monate im Sanatorium; er hegte Selbstmordgedanken. Schließlich nahm der Sigbert Mohn-Verlag, der zu Bertelsmann gehörte, sich Flakes Werk an. Im Lesering wurden u.a. mit „Die Monthivermädchen“, einer Zusammenfassung aus „Die junge Monthiver“ und „Anselm und Verena“, hohe Auflagen erzielt. „Der Pianist“ und „Es wird Abend“ erschienen 1960, „Der letzte Gott“ im Jahr darauf.
Zwischen 1960 und 1962 unternahm Flake Reisen. Er besuchte Hannover und Lüdigworth bei Cuxhaven, wo sein Vater herkam, Zürich, Luxemburg, Trier, La Tranche und Dijon. Dann erkrankte er an Lungenentzündung, woran er starb. „Die Gottheit“ bleibt Fragment.
1973, zehn Jahre nach Flakes. Tod, erschienen bei S. Fischer „Werke in Einzelausgaben“. Im Nachwort dieser Ausgabe formulierte Peter Härtling diese treffende Charakteristik Flakes: „Er war ausgefallen, es gab ihn, trotz unzähliger Leser, nicht. Es war ihm gelungen, auf einer rigorosen Distance beharrend, sich zu löschen. […] Einer, der verletzt wurde, weil er sich politisch und literarisch nicht anbiederte […]“ (Werke, Bd. 1, S. 453)
Quellen: Nachlass im Literaturmuseum der Stadtbibliothek Baden-Baden; Dt.-Literatur-Archiv Marbach a. N.
Werke: Bibliographien: Michael Farin, Otto-Flake Lauda Romane.- Dokumentation- Analyse-Bibliographie, 1979. – Werke, 5 Bde. 1973–1976. – Einzelwerke: Straßburg u. das Elsass, 1908; Die Leute vom Simplicissimus, 1908; Rund um die elsässische Frage, 1911; Das Mädchen aus dem Osten, 1911; Schritt für Schritt, 1912; Der französische Roman u. die Novelle, 1912; Freitagskind, 1913; Der schwarze Ring, 1914; Die Prophezeiung u.a. Novellen, 1915; Horns Ring, 1916; Das Logbuch, 1917; Abenteurerin. Im dritten Jahr, 1918; Die Stadt des Hirns, 1919; Wandlung, 1919; Das Ende d. Revolution, 1920; Nein u. Ja, 1920; Die fünf Hefte, 1920; Pandämonium, 1921; Die moralische Idee, 1921; Das kleine Logbuch, 1921; Kaiserin Irene, 1921; Das neuantike Weltbild, 1922; Die Simona, 1922; Deutsche Reden, 1922; Ruland, 1922; Erzählungen, 1923; Die Unvollendbarkeit d. Welt, 1923; Die zweite Jugend, 1924; Der gute Weg, 1924; Zum guten Europäer, 1924; Villa U.S.A., 1926; Der Erkennende, 1927; Sommerroman, 1927; Unsere Zeit, 1927; Die erotische Freiheit, 1928; Freund aller Welt, 1928; Es ist Zeit, 1929; Ulrich von Hutten, 1929; Die Scheidung, 1929; Marquis de Sade, 1930; Montijo oder die Suche nach der Nation, 1931; Die Geschichte Mariettas, 1931; Bilanz, 1931; Christa, 1931; Ausfahrt u. Einkehr, 1931; Maria im Dachgarten u. andere Märchen, 1931; Die Französische Revolution 1789–1799, 1932; Hortense oder die Rückkehr nach Baden-Baden, 1933; Der Straßburger Zuckerbeck u.a. Märchen, 1933; Die Töchter Noras, 1934; Die junge Monthiver, 1934; Anselm u. Verena, 1935; Scherzo, 1936; Schön Bärbel von Ottenheim, 1937; Die vier Tage, 1937; Türkenlouis, 1937; Personen u. Persönchen, 1938; Große Damen des Barock, 1939; Straßburg, 1940; Das Quintett, 1943; Nietzsche, 1946; Fortunat, 1946; Die Deutschen, 1946; Versuch über Oscar Wilde, 1946; Versuch über Stendhal, 1947; Old Man, 1947; Jakob Burckhardt, 1947; Der Reisegefährte, 1947; Ein Mann von Welt, 1947; Über den Pessimismus, 1947; Amadeus, 1947; Die Söhne, 1947; Zuweisungen, 1948; Ordo, 1948; Der Handelsherr, 1948; Traktat vom Eros, 1948; Gedankengut, 1948; Als die Städte noch standen, 1949; Kaspar Hauser, 1950; Die Sanduhr, 1950; Traktat vom Intensiven, 1950; Schloss Ortenau, 1955; Der Pianist, 1960; Es wird Abend, 1960; Der letzte Gott, 1961; Über die Frauen, 1961; Spiel u. Nachspiel, 1962; Die Deutschen, 1963; Lichtenthaler Allee, 1965; Finnische Nächte, 1966; Die Verurteilung des Sokrates, 1970; Das Logbuch, 1970; Das Bild u. a. Liebesgeschichten, 1971; Die Dame Brabant, 1973; Ein Leben am Oberrhein, 1986.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (1932) in: Baden-Württembergische Biographien 6, S. 109, Bestand Stadtbibliothek Baden-Baden. – Konrad von Kardorff, Porträt Flakes von 1928; Totenmaske von Alex Stauch, 1963; zahlreiche Fotos unterschiedl. Lebensabschnitte in: Literaturmuseum d. Stadtbibliothek Baden-Baden.

Literatur: Auswahl: Michael Farin, Otto Flakes Lauda-Romane. „Die Stadt des Hirns“ u. „Nein u. Ja“. Dokumentation, Analyse, Bibliographie, 1979; Sabine Graf: „Als Schriftsteller leben“, 1992; Michael Georg Conrad, Von Emile Zola bis Gerhart Hauptmann. Erinnerungen zur Geschichte d. Moderne, 1902; Leopold Ziegler: Der Philosoph Otto Flake, in: Die neue Bücherschau, Folge 2, 1922. (5 S.); Ernst Möwe, Otto Flake. Leben, Werk, Gestalt, Beispiel, 1931; Adolf Frisé, Otto Flake, in: Neue Rundschau 44, 1933, Bd. 2 (9 S.); Stefan Zweig, Die Welt von gestern. Erinnerungen eines Europäers, 1955; Alfred Döblin, Aufsätze zur Literatur, 1963; Rolf Hochhuth, Flake oder das vergessliche Publikum, in: FAZ vom 13.11.1963; Peter Härtling, Otto Flake u. Peter Suhrkamp, in: Der Monat, Heft 263, 1970; Peter de Mendelssohn, S. Fischer u. sein Verlag, 1970; Klaus Fischer, Pathos u. Distanz. Otto Flakes „Logbuch“. Rundfunkbeitrag im SWF Baden-Baden vom 11.7.1971; Carl Sternheim, Gesamtwerk Bd. 10, 2: Nachträge, 1976; Nichole M. Schoenberger Darmon, Frauen u. Erotik in Otto Flakes Romanwerk, Diss. in German Languages and Literature, Univ. of Pennsylvania, 1976 (stark fehlerhaft); Wilhelm Krull, Prosa des Expressionismus, 1984; Klaus Fischer, Der Wikinger u. das Eskimomädchen, in: Stuttg. Ztg. vom 12.1.1985; Klaus Fischer, Ohne Abstand ist alles unheilig. Otto Flakes literar. Laufbahn, in: Allmende, Heft 18/19, 1987 (13 S.).
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