Bolz, Eugen Anton 

Geburtsdatum/-ort: 15.12.1881;  Rottenburg am Neckar
Sterbedatum/-ort: 23.01.1945; Berlin-Plötzensee
Beruf/Funktion:
  • Jurist und Politiker der Zentrumspartei, württ. Staatspräsident
Kurzbiografie: 1888–1900 Volks- und Lateinschule in Rottenburg, Karlsgymnasium in Stuttgart
1900–1905 Studium der Rechtswiss. in Tübingen, Bonn und Berlin
1905–1909 Referendar in Rottenburg, Ravensburg und Stuttgart
1909–1914 Hilfsarbeiter und Assessor bei den Staatsanwaltschaften in Ulm und Stuttgart
1912–1918 MdR
1913–1918 Mitglied der Zweiten Kammer des Württ. Landtags
1919–1920 Mitglied der Nationalversammlung; Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung
1919–1923 Württ. Justizminister
1920–1933 MdR
1920–1933 MdL
1923–1928 Württ. Innenminister
1928–1933 Württ. Staatspräsident
1933–1944 Steuerberater im Kloster Beuron
1944 Inhaftierung; Todesurteil durch den Volksgerichtshof unter Roland Freisler
1945 Hinrichtung im Zellengefängnis Lehrter Straße in Berlin-Plötzensee
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Auszeichnungen: Dr. oec. publ. h. c., Univ. Tübingen (1928); Ehrenbürger der TH Stuttgart (1929); Ehrenbürger der Stadt Rottenburg (1931)
Verheiratet: 1920 (Beuron) Maria, geb. Hoeneß (1882–1948), 1946–1948 Mitglied des Gemeinderats der Stadt Stuttgart (CDU)
Eltern: Vater: Joseph Bolz, Kaufmann in Rottenburg (1832–1899)
Mutter: Theresia, geb. Huber (1841–1918)
Geschwister: 12
Kinder: Dr. Mechthild Rupf-Bolz (1922–2011)
GND-ID: GND/118665944

Biografie: Ansbert Baumann (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 22-25

Als zweitjüngstes und erstes männliches Kind einer Kaufmannsfamilie wuchs Bolz in Rottenburg auf. Eine prägende Erfahrung war der schon im Elternhaus tief verwurzelte katholische Glaube, der für ihn zeitlebens eine zentrale Rolle einnahm. Von Kindheit an hatte er außerdem eine besonders enge Bindung zu seiner Mutter.
Während des Besuchs der Volks- und Lateinschule in seiner Heimatstadt Rottenburg baute er sich einen Freundeskreis auf, zu dem unter anderem sein späterer Ministerkollege Josef Beyerle gehörte. Am Stuttgarter Karlsgymnasium, an das er 1896 wechselte, trat er jedoch eher als disziplinierter Einzelgänger in Erscheinung. Nach sehr gut bestandener Reifeprüfung begann er im Wintersemester 1900/01 sein Jurastudium an der Universität Tübingen, wechselte zum Sommersemester 1901 an die Universität Bonn und zum Wintersemester 1901/02 nach Berlin, von wo er wieder nach Tübingen zurückkehrte. Schon in seinem ersten Semester schloss er sich der katholischen Verbindung Guestfalia Tübingen an, über welche er viele Kontakte knüpfte; wichtig wurde dabei vor allem die Beziehung zu dem Zentrumspolitiker Felix Porsch, der ihm während seines Berlin-Aufenthaltes erste Einblicke in die politische Praxis verschaffte.
Allerdings schlug Bolz zunächst, nachdem er die erste höhere Justizdienstprüfung im Januar 1905 mit hervorragendem Ergebnis absolviert hatte, die Laufbahn eines Juristen ein, die ihn anschließend für ein Jahr als Referendar ans Amtsgericht seiner Heimatstadt Rottenburg führte. Daraufhin leistete er seine einjährigfreiwilligen Militärdienstzeit beim 2. Württembergischen Feldartillerieregiment in Ulm ab, ehe er sein Referendariat beim Landgericht Ravensburg und bei einer Anwaltskanzlei in Stuttgart fortsetzte. Obwohl er in dieser Zeit offenbar eine schwere depressive Krise durchlebte, bestand er die zweite höhere Justizdienstprüfung im Frühjahr 1909 mit Bravur und erhielt so im Juli 1909 seine erste Beamtenstelle im württembergischen Justizdienst als Hilfsarbeiter an der Staatsanwaltschaft Ulm. Der tatkräftige junge Mann fühlte sich in dieser Funktion jedoch nicht ausgelastet, so dass er zunehmend konkreter daran dachte, seine juristische Laufbahn zugunsten einer politischen Karriere zu beenden. Aus diesem Grund ließ er sich im Oktober 1910 vom Justizdienst befreien und ging für fünf Monate nach Berlin, um an der dortigen Universität volkswirtschaftliche und staatskundliche Vorlesungen zu besuchen. Nach seiner Rückkehr im Februar 1911 wurde er Assessor bei der Staatsanwaltschaft in Stuttgart. Als solcher trat er noch im gleichen Jahr dem dortigen Windthorstbund, der Jugendorganisation der katholischen Zentrumspartei, bei, wo er sich sogleich aktiv engagierte.
Dennoch war es eher ein Zufall, dass Bolz im Dezember 1911 von den Vertrauensmännern des Zentrums für den Wahlkreis Württemberg XIII (Aalen-Ellwangen-Gaildorf-Neresheim) als Reichstagskandidat aufgestellt wurde. Bei den Wahlen vom 12. Januar 1912 gewann er das Mandat allerdings mit einem hervorragenden Ergebnis. Wenige Monate später wurde er dann auch als Landtagskandidat seiner Heimatstadt nominiert und vertrat nach einem überragenden Wahlsieg ab November 1912 das Oberamt Rottenburg in der Zweiten Kammer des württembergischen Landtags. Wegen seines doppelten Mandats konnte er jedoch während der Sitzungsperioden des Reichstags in Berlin nicht an den Landtagssitzungen in Stuttgart teilnehmen.
Nach Ausbruch des Krieges wurde der ambitionierte junge Politiker im August 1914 in sein Regiment nach Ulm eingezogen, von wo aus er im März 1915 zu einem neu zusammengesetzten Feldartillerieregiment nach Ludwigsburg abkommandiert wurde. Jenes wurde im April 1915 ins Oberelsass verlegt, wo Bolz in den folgenden Monaten an den schweren Kämpfen um den Hartmannsweiler Kopf teilnahm. Im Sommer 1916 kam er zurück nach Ulm, da er in die Reichsentschädigungskommission verpflichtet worden war. Für jene war er zwischen November 1916 und Januar 1917 auch in Brüssel tätig. Ab dem Frühjahr 1917 lebte er wieder in Ulm und pendelte zu den Parlamentssitzungen nach Stuttgart und Berlin. Obwohl ihn die parlamentarische Arbeit in Kriegszeiten wenig zufrieden stellte, lehnte er eine ihm 1916 an gebotene Festanstellung als Amtsrichter in Stuttgart ab und blieb somit im Zivilberuf unbezahlter Gerichtsassessor.
In den letzten Kriegstagen musste Bolz mit dem Tod seiner Mutter am 28. Oktober 1918 einen schmerzhaften persönlichen Verlust verkraften. Die Novemberrevolution erlebte er als Reichstagsabgeordneter in Berlin. Auch wenn er gewalttätige revolutionäre Prozesse prinzipiell ablehnte, setzte er sich im Laufe der folgenden Wochen engagiert für die neue staatliche Ordnung ein, die seinem politischen Gestaltungswillen freien Raum ließ. Obwohl er auf der Landesliste des Zentrums nur den 27. Platz einnahm, wurde er am 12. Januar 1919 in die Verfassunggebende Landesversammlung gewählt, wo er sich für den Verfassungsentwurf des Tübinger Juristen Wilhelm von Blume und für die Vereinigung von Württemberg mit Baden und Hohenzollern einsetzte. Den Schwerpunkt seiner politischen Arbeit sah er vorerst allerdings in der Deutschen Nationalversammlung, in welche er am 19. Januar 1919 über den Listenplatz 4 des Zentrums ebenfalls gewählt worden war. Aus diesem Grund fiel es ihm zunächst nicht leicht, dem Vorschlag seiner Partei zu folgen und in der Nachfolge des verstorbenen Johannes von Kiene am 29. Oktober 1919 im Kabinett des sozialdemokratischen Staatspräsidenten Wilhelm Blos das Amt des württembergischen Justizministers zu übernehmen. In dieser Funktion trug er dann jedoch mit seiner nüchternen Politik entscheidend dazu bei, dass der Freie Volksstaat Württemberg rasch zu einem der sichersten Länder des Reiches wurde. Nach den Wahlen vom 6. Juni 1920 blieb er auch unter der von Johannes Hieber geführten Minderheitsregierung im Amt und fungierte ab dem 30. Juni 1920 zudem als stellvertretender Staatspräsident.
Im gleichen Jahr veränderte sich die private Lebenssituation des inzwischen 38jährigen einschneidend: Zwei Jahre nach dem Tod seiner Mutter, die bis dahin seine wichtigste Bezugsperson gewesen war, heiratete er am 11. Oktober 1920 Monika Hoeneß, die er bereits seit seinem Freiwilligendienstjahr in Ulm als Wirtstochter des von ihm häufig frequentierten Hotels „Baumstark“ kannte. Sie war eine gebildete, politisch interessierte und selbständige Frau und arbeitete inzwischen als Studienrätin in Düren im Rheinland. Nach der Eheschließung gab sie ihren Beruf auf und wurde in der Folgezeit zu einer wichtigen Stütze ihres Mannes. Am 1. März 1922 wurde die Tochter Mechthild geboren, benannt nach der mit der Stadt Rottenburg eng verbundenen Erzherzogin von der Pfalz.
Nach dem Tod des württembergischen Innenministers und Parteifreundes Eugen Graf übernahm Bolz am 2. Juni 1923 das Innenministerium, welches er bis 1933 mit großem Geschick leitete. Obwohl er sich dabei, vor allem aufgrund seiner rigiden Sparpolitik, keineswegs nur Freunde machte, erwarb er sich in dieser Tätigkeit ein allgemein anerkanntes staatsmännisches Profil. Als die Regierungskoalition aus DDP und Zentrum nach dem Scheitern der von ihr geplanten Verwaltungsreform im Landtag zerbrach, blieb er auch in dem von Staatsrat Rau geführten Übergangskabinett im Amt, in welchem er vorübergehend auch die Amtsgeschäfte des Finanzministeriums übernahm. Nach den Landtagswahlen vom 4. Mai 1924, welche dem aus Bürgerpartei/DNVP und dem Bauern- und Weingärtnerbund gebildeten Rechtsbündnis die Mehrheit im württembergischen Parlament verschafft hatten, beanspruchte Bolz weiterhin das für die rechtsstaatlichen Verhältnisse zentrale Innenministerium und blieb tatsächlich unter der von Wilhelm Bazille am 3. Juli 1924 aus Rechtsbündnis und Zentrum gebildeten Minderheitskoalition im Amt. Seine Durchsetzungskraft zeigte sich besonders nach den Landtagswahlen vom 20. Mai 1928: Obwohl die SPD zur stärksten Kraft geworden war und die Regierungsparteien Stimmenverluste erlitten hatten, gelang es ihm in geschickten Verhandlungen, dass die unter seinem Vorgänger etablierte Minderheitsregierung unter seiner Führung fortgeführt wurde. Somit wurde Bolz am 8. Juni 1928 zum Staatspräsidenten des Freien Volksstaats Württemberg gewählt. Als im Januar 1930 auch die DDP und die DVP an der Regierung beteiligt wurden, hatte jene mit 49 von 80 Sitzen im Landtag eine deutliche parlamentarische Mehrheit hinter sich. Dies änderte sich allerdings nach den Landtagswahlen vom 24. April 1932, in welchen die NSDAP 23 Sitze gewann und zur stärksten im Parlament vertretenen Partei wurde. Bei der am 24. Mai 1932 vollzogenen Staatspräsidentenwahl fielen auf den nationalsozialistischen Kandidaten Jonathan Schmid zwar zwei Stimmen mehr als auf den Amtsinhaber Bolz, da Schmid die absolute Mehrheit aber dennoch verfehlt hatte, blieb die Regierung Bolz geschäftsführend im Amt. Nach dem Vorbild des Präsidialkabinetts unter Heinrich Brüning führte das Minderheitskabinett die Geschäfte nun im wesentlichen über Notverordnungen weiter. Dabei gelang ihm allerdings eine Konsolidierung der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse, die entscheidend dazu beitrug, dass Württemberg von den Folgen der Weltwirtschaftskrise mittel- bis langfristig weitaus weniger betroffen wurde als andere deutsche Länder.
Die neuen Machtverhältnisse in Württemberg, aber auch das Ergebnis der Reichstagswahlen vom 31. Juli 1932 zwangen den Staatspräsidenten, seine Position gegenüber der NSDAP zu revidieren: Obwohl er im Jahr 1923 zunächst einer der wenigen deutschen Innenminister gewesen war, der die von der Partei ausgehende Gefahr ernst genommen hatte, sah er, nach dem kläglichen Scheitern des damaligen Putschversuchs, in den Nationalsozialisten und in ihrem Führer Adolf Hitler für lange Zeit keine ernsthafte Bedrohung der demokratischen Rechtsordnung. Ab dem Spätjahr 1932 stellte er sich den Nationalsozialisten jedoch entschieden entgegen, sogar noch nachdem Adolf Hitler am 30. Januar 1933 eine neue Reichsregierung gebildet hatte. Daher untersagte er jenem, am 15. Februar 1933 auf dem Stuttgarter Schlossplatz eine Wahlkampfrede zu halten. Als Hitler deswegen in die Stadthalle ausweichen musste und die Rundfunkübertragung seiner dort gehaltenen Rede infolge eines kommunistischen Sabotageakts nach kurzer Zeit abbrach, machte er die württembergische Staatsregierung für dieses Desaster verantwortlich, und Bolz zog sich den persönlichen Hass des „Führers“ zu. Am 15. März 1933 wurde er im Zuge der „Gleichschaltung der Länder“ als Staatspräsident abgesetzt.
Nachdem er am 5. Mai 1933 eine Rede auf dem Parteitag der Christlichsozialen Partei Österreichs in Salzburg gehalten hatte, wurde er von der nationalsozialistischen Presse des Vaterlandsverrats beschuldigt und am 19. Juni 1933, weil er einer Vorladung ins Stuttgarter Polizeipräsidium nicht nachgekommen war, inhaftiert. Bolz blieb bis zum 12. Juli 1933 in „Schutzhaft“ auf dem Hohenasperg und zog sich anschließend für sechs Wochen ins Kloster Beuron zurück, dessen Steuerberater er dann bis zu seinem Tod blieb. Unter strenger Beobachtung der Gestapo war er außerdem als juristischer Berater des Caritasverbandes in Stuttgart tätig und seit 1935 Teilhaber der dortigen Deckensteinfabrik C.H. Bauer&Co. Trotz fortdauernder Bespitzelung durch das NS-Regime traf sich Bolz regelmäßig zu Gesprächsrunden mit demokratischen Politikern, überwiegend ehemaligen Mitgliedern des Zentrums, im „Europäischen Hof“ in Stuttgart. Seit Beginn des Jahres 1942 stand er in Kontakt mit Carl Goerdeler und wurde zu einem wichtigen Vertreter der bürgerlich-konservativen Widerstandsbewegung. In Goerdelers Planungen für die Zeit nach der Entmachtung des NS-Regimes galt er als Kandidat für das Amt des Reichskulturministers oder eventuell des Reichsinnenministers.
Der letzte württembergische Staatspräsident wurde nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 am 12. August 1944 verhaftet und zunächst im Amtsgerichtsgefängnis Stuttgart festgehalten. Von dort wurde er am 27. August 1944 nach Berlin gebracht und ins KZ Ravensbrück überführt. Dort musste er mehrere, teilweise mit Folter verbundene Verhöre erdulden. Ab dem 2. November 1944 war er im Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit inhaftiert. Am 21. Dezember 1944 verurteilte ihn der Erste Senat des sogenannten Volksgerichtshofes unter Roland Freisler wegen „Aufforderung zum Hochverrat und Feindbegünstigung“ zum Tode. Die Zeit bis zur Vollstreckung des Urteils wurde er unter erschwerten Haftbedingungen im Zellengefängnis Lehrter Straße untergebracht. Bolz starb am 23. Januar 1945 unter dem Fallbeil. Die Geradlinigkeit und Würde, mit der er bis zuletzt seine Überzeugungen konsequent vertreten hatte, bewirkte, dass Bolz schon unmittelbar nach Kriegsende große Anerkennung entgegengebracht wurde. Tatsächlich prägte der verantwortungs- und machtbewusste Politiker, der beinahe 14 Jahre lang ununterbrochen Mitglied der Regierung gewesen war, die württembergische Landespolitik während der Zeit der Weimarer Republik mit seiner starken Persönlichkeit entscheidend und hat sich beispielsweise auch durch die Förderung großer Infrastrukturprojekte oder des Bausparwesens bis heute bleibende Verdienste erworben.
Quellen: HStAS EA 4/150 Bü 128; HStAS, Q 1/25 NL.
Nachweis: Bildnachweise: HStAS J 300 Nr. 165; Reichstags-Handbuch, 1. Wahlperiode 1920, Berlin 1920, 434; Reichstags-Handbuch, 8. Wahlperiode 1933, Berlin 1933, 392.

Literatur: Max Miller, Eugen Bolz. Staatsmann und Bekenner, 1951; Rudolf Morsey, in: Jürgen Aretz /Anton Rauscher (Hg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern, Bd. 5, 1982, 88-103; Raberg, Biogr. Handbuch, 2001, 91-94; ders., Eugen Bolz. Zwischen Pflicht und Widerstand, 2009; Dominik Burkard, Staatspräsident Eugen Bolz (1881 – 1945) zum 70. Jahrestag seiner Hinrichtung (mit unveröffentlichten Quellen), in: ZWLG 75 (2016), 291-337.
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