Keppler, Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 14.12.1882;  Heidelberg
Sterbedatum/-ort: 13.06.1960;  Friedrichshafen
Beruf/Funktion:
  • Ingenieur, Fabrikant, NS-Wirtschaftspolitiker, Mitglied des Reichstags
Kurzbiografie: 1901-1910 Studium des Maschinenbaus an den Technischen Hochschulen Karlsruhe und Danzig
1903-1904 Einjähriger Freiwilliger
1910 Leutnant der Reserve 2. Badische Feldartillerie Regiment Nr. 30
1911 Ingenieur in der Chemischen Industrie
1921 Aufbau der Chemischen Werke Odin in Eberbach (Baden), schließlich deren Teilhaber und Direktor (bis 1932)
1927 Mitglied der NSDAP Nr. 62424
1933 Reichstagsabgeordneter des Wahlkreises 32 (Baden)
1938 Staatssekretär zur besonderen Verwendung im Auswärtigen Amt
1942 SS-Obergruppenführer SS-Mitgliedsnummer 50816
1949 Verurteilung als Kriegsverbrecher
1951 Begnadigung
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev. luth. (bis 1937)
Eltern: Vater: Georg Keppler, Schneidermeister, Kaufmann in Heidelberg
Mutter: Luise, geb. Käßberger
GND-ID: GND/118777076

Biografie: Hans-Erich Volkmann (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 149-151

Nach dem Besuch der Gymnasien in Heidelberg und Rastatt, hier machte Keppler sein Abitur, absolvierte er ein von freiwilligem Militärdienst unterbrochenes technisches Studium. Danach arbeitete Keppler – erfolgreich – als Ingenieur in der Chemischen Industrie, um sich dann dem Auf- und Ausbau der Odin-Werke zu widmen, denen er später als Anteilseigner angehörte und als Direktor vorstand. Es handelte sich um ein modernes Unternehmen, um den Branchenführer zur Foto-Gelatine-Herstellung in Deutschland, an dem der amerikanische Eastman-Kodak-Konzern zu 50 % beteiligt war. Mitten in der Weltwirtschaftskrise verließ Keppler seinen Chefsessel, gab schließlich auch seine Beteiligung an dem Unternehmen auf, um sich fortan in der nächsten Nähe Hitlers und später auch Himmlers, zwar relativ unauffällig aber desto wirksamer, mit seiner ganzen Kraft in den Dienst des Nationalsozialismus und des NS-Regimes zu stellen. Seit 1927 Mitglied der NSDAP, wurde er für seine Verdienste um die Partei mit deren Goldenem Ehrenzeichen, später für seine Kriegsdienste in verschiedenen Funktionen mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse ausgezeichnet.
Frühzeitig hatte Keppler sich kritisch mit den in sich widersprüchlichen Aussagen der NSDAP zu Fragen der Wirtschaft auseinandergesetzt. Da gab es das Schlagwort von der „Brechung der Zinsknechtschaft“ (Gottfried Feder, früher Chefprogrammatiker der Partei), da huldigte man dem mittelalterlich anmutenden Ständegedanken (Wilhelm Wagener, Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung der Reichsleitung der NSDAP), während die Gebrüder Gregor und Otto Strasser einen gewerkschaftsnahen pseudosozialistisch-nationalistischen Kurs zu steuern suchten. Während deutsche Wirtschaftskreise angesichts des Niedergangs der Weimarer Republik den außen- und ordnungspolitischen Vorstellungen der Hitler-Partei durchaus Positives abzugewinnen wußten, vermochten sie, von wenigen Industriellen und Agrarlobbyisten abgesehen, den abstrusen ideologieverprämten Wirtschaftsthesen der NSDAP zunächst weder Schlüssigkeit noch Praktikabilität oder gar Wirtschaftsfreundlichkeit zu entnehmen. Dies sollte sich ändern, als Himmler 1931 Hitler mit Keppler zusammenbrachte, der nun zum persönlichen Wirtschaftsberater des Parteiführers ernannt wurde und den Auftrag erhielt, respektable Persönlichkeiten des Wirtschaftslebens an die NSDAP heranzuführen, mit diesen eine mit nationalsozialistischen Grundsatzpositionen vereinbare Wirtschaftskonzeption zu erarbeiten und über diese durch vertrauensbildende Maßnahmen die deutsche Wirtschaftsrepräsentanz für die Nationalsozialisten und ihren Führer einzunehmen. Und dieses Vorhaben gelang: Man einigte sich außenwirtschaftlich auf die Autarkie im europäischen Großwirtschaftsraum – was mit Hitlers Lebensraumideologie zusammenpaßte –, verwarf den Ständegedanken zugunsten der Beibehaltung der überkommenen privatkapitalistischen Wirtschaftsstruktur, und man einigte sich auf das Weiterbestehen der Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft, wobei die von Partei und Staat gesteckten ökonomischen Ziele in unternehmerischer Eigenverantwortlichkeit unter Beachtung des Prinzips der Profite und unter Ausschaltung der Gewerkschaften angesteuert werden sollten. Zum „Keppler-Kreis“ zählten so prominente Mitglieder wie der ehemalige Weimarer und spätere NS-Reichsbankpräsident Schacht, der Generaldirektor der Vereinigten Stahlwerke Vogler und der Bankier Kurt Freiherr von Schröder, um nur einige zu nennen. Keppler war es auch, der mit Hilfe von Schröders das folgenschwere Treffen zwischen dem ehemaligen Reichskanzler von Papen mit Hitler, Himmler und Heß Anfang Januar 1933 vermittelte, aufgrund dessen Ende des Monats die Koalition zwischen der NSDAP und der DNVP mit Hitler als Reichskanzler und von Papen als seinem Stellvertreter zustandekam. Keppler, Schacht und von Schröder sind auch zu den Initiatoren einer Unterschriftensammlung unter führenden Industriellen anzusehen, mit deren Hilfe Reichspräsident Hindenburg Ende 1932 dazu bewogen werden sollte, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen.
Nachdem Hitler die Macht übernommen hatte, das getroffene Arrangement zwischen den führenden Wirtschaftskreisen und den Nationalsozialisten sich als haltbar und tragfähig erwies, hätte sich der „Keppler-Kreis“, in seinen eigentlichen Funktionen erschöpft, wohl aufgelöst, wenn sich nicht der Reichsführer SS seiner angenommen hätte. Der nunmehrige „Freundeskreis“ Himmler diente insbesondere im Kriege dazu, die SS, die vor allem im Osten zahlreiche Betriebe übernahm, als eine beachtliche wirtschaftspolitische Größe zu installieren. Als Himmler zwischen 1943 und 1945 Befehlshaber des Ersatzheeres wurde, gelang es ihm nur mit Hilfe seines „Freundeskreises“, die in aller Eile aufzustellenden Divisionen auch materiell auszurüsten. Zudem flossen der SS über ein Sonderkonto beachtliche finanzielle Mittel zu.
Obwohl Keppler 1935 der SS beitrat und dort eine steile Karriere machte, büßte er die eigentliche Führung des „Freundeskreises“ allmählich ebenso ein, wie seinen unmittelbaren Einfluß auf Hitler. Zwar trug ihm dieser nach dem Rücktritt Hugenbergs das Reichswirtschaftsministerium an, doch schlug Keppler, der öffentliches Auftreten und Repräsentation sowie die Handhabung eines großen Beamtenapparates scheute, das Angebot aus. Er wurde nun zum Wirtschaftsbeauftragten des Führers und Reichskanzlers mit unmittelbarem Vortragsrecht ernannt, dem alle Kabinettsvorlagen, soweit sie Wirtschaftsprobleme berührten, vorgelegt werden mußten. Als Nachfolger Wageners in der Leitung der Wirtschaftspolitischen Abteilung der Reichsleitung der NSDAP wurde nun der Ständegedanke in der Partei endgültig zu Grabe getragen. Im Stab des Stellvertreters des Führers in der NSDAP, Heß, übernahm er die Position des Sachbearbeiters für Wirtschaftsfragen, leitete schließlich die Zentralstelle der wirtschaftspolitischen Organisation der NSDAP und fungierte so, zumindest theoretisch, als Koordinator der Wirtschaftspolitik von Regierung und Partei.
Mit der Ernennung Schachts zum amtierenden Reichswirtschaftsminister (1934) und Görings zum Beauftragten für den Vierjahresplan (1936) wurde Keppler allmählich aus dem engen Beraterkreis Hitlers herausgedrängt, um fortan Aufgaben im Bereich praktischer Wirtschaftsforschung, -führung, -politik und Unternehmenslenkung anzugehen. So finden wir ihn als Mitglied der Akademie für Deutsches Recht und des Aufsichtsamts für das Kreditwesen. Als Leiter der Kommission für Wirtschaftspolitik diente Keppler fortan als Anlaufstelle für die Gauwirtschaftsberater, und als persönlicher Mitarbeiter Görings erhielt er in der Vierjahresplanorganisation ein Büro für Roh- und Werkstoffe.
Interessant ist, daß Hitler Keppler unmittelbar vor dem Anschluß Österreichs nach Wien entsandte, um zunächst auf eine wirtschaftspolitische Verbindung zwischen der Alpenrepublik und dem Deutschen Reich hinzuwirken. Nach dem Einmarsch fungierte Keppler für kurze Zeit als Reichskommissar für Österreich, um die notwendigen Maßnahmen der ökonomischen Integration in die deutsche Rüstungswirtschaft zu ergreifen, für die er im Herbst 1938 mit der Ernennung zum Staatssekretär zur besonderen Verwendung im Auswärtigen Amt honoriert wurde. Mit ähnlichem Auftrag reiste Keppler in die Slowakei und nach Danzig. Während des Krieges war er mit der Leitung polnischer Betriebe bzw. mit deren Überführung in deutsche Hand und als Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Umsiedlungstreuhandgesellschaft mit der agrarischen Kolonisation Polens durch deutsche Siedler betraut. Nicht zuletzt wegen dieser Tätigkeit verurteilte ihn das Nürnberger Tribunal zu zehn Jahren Haft.
Werke: Der Vierjahresplan 1937, 131 f., 454 f.; desgl. 1939, 38 f.
Nachweis: Bildnachweise: Die wirtschaftspolitische Parole 2. 1937. 23, 1-5.

Literatur: Gerhard Botz, Wien vom „Anschluß“ zum Krieg, 1980; Matthias Riedel, in: NDB 11, 1977, 50 f.; Norbert Schausberger, Der Griff nach Österreich, 1978; Reinhard Vogelsang, Der Freundeskreis Himmler, 1972; Robert Wistrich, Wer war wer im Dritten Reich?, 1987, 199 f.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)