Fischer, Johannes
Geburtsdatum/-ort: | 1880-12-06; Münsingen |
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Sterbedatum/-ort: | 1942-05-09; Stuttgart |
Beruf/Funktion: |
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Kurzbiografie: | 1894–1897 Flaschnerlehrling 1898 Flaschnergeselle 1904–1909 Sekretär der Ev. Arbeitervereine Württembergs 1909–1914 Politischer Sekretär von Friedrich Naumann 1912–1918 MdL Württ. (Abgeordnetenkammer) 1914–1917 Geschäftsführer des Verbandes württ. Eisenbahn- und Dampfschiffahrts-Unterbeamten Stuttgart 1918–1919 Sekretär der FVP bzw. DDP Württemberg 1919–1920 Chefredakteur des „Der Beobachter“ 1919–1920 Mitglied der Württ. Verfassunggebenden Landesversammlung 1920 Wahl zum Vorstandsmitglied der württ. DDP 1920–1924 Regierungsrat in der Pressestelle des Württ. Staatsministeriums 1929–1933 MdL Württemberg 1930 Vorsitzender der Ortsgruppe Groß-Stuttgart der Deutschen Staatspartei (DStP) 1933 „Schutzhaft“ in einem Stuttgarter Gefängnis und KZ Heuberg 1933/34 Niederschrift seiner Memoiren |
Weitere Angaben zur Person: | Religion: ev. Verheiratet: Berta, geb. Kehrer Eltern: Vater: Johann Kaspar Fischer (1839–1917), Handweber und Kleinbauer Mutter: Marie Katharina Scholl (1842–1915) Geschwister: 6 Kinder: 5, darunter: Liselotte; Gertrud; Elsbeth; 2 früh verstorben |
GND-ID: | GND/118919709 |
Biografie
Biografie: | Christoph Dembek (Autor) Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 61-63 „So wollen wir nun auch diese Zeit der Demütigung miteinander durchhalten in der sicheren Gewissheit, dass über Gesinnung und Wert eines Lebens letztlich nicht das Urteil wechselvoller Menschen, sondern das Urteil des ewigen Gottes entscheidet.“ Mit diesem kraftvollen Satz wandte sich der württembergische Landtagsabgeordnete Fischer aus dem Stuttgarter Gefängnis im Juni 1933 in einem Brief an seine Familie. Sein liberal-demokratisches Politikverständnis bestrafte der nationalsozialistische Verfolgungsapparat zusätzlich mit „Schutzhaft“ im Konzentrationslager Heuberg, in dem er weiteren Misshandlungen ausgesetzt war. Zahlreiche schriftliche Hinterlassenschaften zeugen jedoch von einem freiheitlichen Geist, den weder radikale Strömungen der Weimarer Zeit noch der Nationalsozialismus trüben konnten. Der 1880 in Münsingen geborene Johannes Fischer stammt aus einfachen Verhältnissen. Als jüngstes von sieben Kindern wuchs er in einer religiösen Handweber- und Nebenerwerbsbauernfamilie auf. Nach Abschluss der Volksschule erlernte er das Flaschnerhandwerk und zog als Geselle „auf der Walz“ von Württemberg bis in die norddeutschen Hafenstädte Hamburg, Bremen und Kiel. Von 1904 bis 1909 wirkte Fischer als Sekretär des württembergischen Landesverbandes der Evangelischen Arbeitervereine, dessen Vorsitzender und Reutlinger Pfarrer Jakob Schöll ihn zur dortigen Mitarbeit ermunterte. Seine politische Heimat fand Fischer in den liberalen Kreisen um Friedrich Naumann, für den er zusammen mit Theodor Heuss die Reichstagswahl 1907 organisierte. Von 1909 bis 1914 arbeitete Fischer als Sekretär Naumanns für dessen Wahlkreis Heilbronn. 1912 wurde er für die Fortschrittliche Volkspartei als jüngster Abgeordneter in den Württembergischen Landtag gewählt. Zu dieser Zeit besuchte Fischer das europäische Ausland, unter anderem die Brüsseler Weltausstellung und Italien, um die auswärtig gewonnenen Erkenntnisse an sein heimatliches Publikum weiterzureichen. Im Ersten Weltkrieg wurde Fischer zum Jahreswechsel 1915/16 kriegsverpflichtet. Er diente zunächst im Range eines Rekruten des Feld artillerie-Regiments in Ludwigsburg. Verwendet wurde Fischer bis Kriegsende in der Aufklärungsarbeit des Heeres und der Zivilbevölkerung. Hierfür hielt er Vorträge in der Heimat sowie an der fernen Front. Fischer war zu dieser Zeit weder Pazifist noch Monarchiegegner. Er verstand sich vielmehr als politischer Seelsorger. „Kriegsgewinnler“ und „wucherischen Profitgeist“ prangerte er allerdings energisch an. Die Revolution der Arbeiter- und Soldatenräte zum Ende des Großen Krieges missbilligte er ausdrücklich. Den „revolutionären Elan“ verstand er als „rein theoretischen Radikalismus und Dogmatismus“ und versuchte diesen in die Bahnen demokratischer und parlamentarischer Denk- und Arbeitsweisen überzuleiten. So gelang es ihm auch auf Bitten des württembergischen Kriegsministers von Marchthaler Ende 1918, Soldatenversammlungen in Ludwigsburg und auf dem Esslinger Schloss von gewaltsamen Umsturzplänen abzubringen und zu besonnenem Verhalten zu veranlassen. Seine Kritik am Klassenkampf des linken Parteienspektrums setzte er auch in der Weimarer Republik fort. Von 1919 bis 1920 vertrat Fischer in der Verfassunggebenden Landesversammlung die liberalen Vorstellungen der DDP in Württemberg, die er hier mitbegründete und deren Landesvorstand er jahrelang angehörte. Ab 1920 arbeitete Fischer als nichtbeamteter Schriftleiter und Regierungsrat in der Pressestelle des Württembergischen Staatsministeriums. Im Zuge einer Personalabbauverordnung wurde jedoch sein Dienstvertrag 1924 gekündigt. In den 1920er Jahren schrieb Fischer zudem als freier Mitarbeiter für das „Stuttgarter Neue Tagblatt“, die „Württemberger Zeitung“, den „Schwarzwälder Boten“, den „Reutlinger Generalanzeiger“ und den „Der Hohenstaufen“. Des Weiteren war Fischer als Chefredakteur der liberalen Zeitung „Der Beobachter“ und als Korrespondent der „Frankfurter Zeitung“ tätig. 1925 berichtete er seinen Lesern von der Friedenskonferenz in Locarno. Im Folgejahr begab sich Fischer auf eine weitere Studienreise, die ihn unter anderem nach Spanien, Tunesien und Libyen führte. In der Weimarer Republik hielt Fischer darüber hinaus zahlreiche Vorträge bei öffentlichen Versammlungen und politischen Tagungen in Württemberg. In seinen Zeitungsartikeln und Reden wandte sich Fischer scharf gegen die reaktionäre und destruktive Politik der Deutschnationalen und anderer völkischer Parteien. Den Rechtsparteien warf er vor allem subversive Tätigkeit gegenüber dem neuen Weimarer Staat vor. Dem „Dolchstoß“-Vorwurf, Antisemitismus, „falschem Herrentum“ oder Revanchismus trat Fischer wortgewaltig entgegen. Wie sehr Fischer bereits 1923 im Fadenkreuz der Rechtsradikalen stand, zeigt ein Artikel im „Völkischen Beobachter“, in dem Fischers Ausführungen bei einer öffentlichen Versammlung der DDP in Kirchheim/Teck als „elende und gemeine Verleumdung“ der NSDAP eingestuft wird. Im Jahr 1929 gelang ihm jedoch für die DDP zunächst der erneute Einzug in den Württembergischen Landtag, den er unter anderem in Untersuchungsausschüssen bis 1933 vertrat. Seit 1930 hielt Fischer als Nachfolger von Reinhold Maier darüber hinaus den Parteivorsitz der Deutschen Staatspartei in Groß-Stuttgart. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlor Fischer nicht nur sein Abgeordnetenmandat, sondern auch seine Freiheit am 13. Juni 1933. Seine Entlassung aus etwa einmonatiger Haft verdankte er letztlich dem Einsatz von Freunden. Mit Meldepflichten, Schreib- und Redeverbot belegt, musste sich Fischer seinen Lebensunterhalt in den Folgejahren als Kohlen- und Schreibmaschinenvertreter verdingen. Als Freimaurer konnte sich Fischer allerdings auch auf die Hilfe der brüderlichen Gemeinschaft verlassen. So erhielt er in dieser schweren Zeit vom Ludwigsburger Orgelbauer Walcker und vom Trossinger Harmonikafabrikanten Hohner, deren Mitinhaber Logenmitglieder waren, den Auftrag deren Firmen- und Familiengeschichte niederzuschreiben. Eine wichtige Quelle zum Leben und Wirken Fischers stellen seine für den Druck vorgesehenen Memoiren von 1933/34 dar, die erst der Württembergische Geschichts- und Altertumsverein 1990 herausgebracht hat. Das Thema „Hitler“ und der „Nationalsozialismus“ blendet Fischer in diesem Werk – der Verfolgung und Zensur geschuldet – quasi aus. Jedoch geht deutlich hervor, dass sein gottesfürchtiger Glaube und liberale Eckpfeiler wie Leistungsbereitschaft, Eigenverantwortung und „geistige Selbständigkeit“ wichtige Anhaltspunkte in seinem Leben darstellten. Zudem vertritt er auch hier eine parlamentarische und freiheitliche Grundordnung wie das allgemeine und gleiche Wahlrecht. Seine Handlungsmaxime galt dem Wohl von „Volk und Staat“. Im Frühjahr 1942 verstarb das Sprachrohr der württembergischen Liberalen infolge eines Herzleidens, das wesentlich durch die Schikanen und Verfolgungspolitik der Nationalsozialisten hervorgerufen wurde. Bei seiner Trauerfeier erklang auf eigenen Wunsch – gleichsam als Bekenntnis zur Freimaurerei und ihren moralischen Idealen – Sarastros Arie „In diesen heil’gen Hallen“. |
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Quellen: | HStAS Q 1/54 Bü 1–Bü 21 (NL); Q 1/9 Bü 82; E 130 a Bü 1421; E 130 a Bü 1461; E 130 c Bü 29 (Personalakte); E 131 Bü 184; StAL EL 350 I Bü 25225. |
Werke: | Revolutionsgedanken, in: Politische Aufklärungsschriften, Heft 7, o. J.; Die Evangelischen Arbeitervereine. Wesen und Arbeit der Evangelischen Arbeitervereine Württembergs, hg. vom Landesverband Evangelischer Arbeitervereine in Württemberg, 1906; Als Arbeiter auf der Weltausstellung. Mit einem Vorwort von D. Fr. Naumann, 1911; Irrlichter. Kritisches zu Dr. Rudolf Steiner, Dreigliederungsbewegung, 1921; Aus fünfzig Jahren. Eine Niederschrift von 1933/34. Mit einem Nachwort von Theodor Heuss, bearb. von Günther Bradler, 1990. |
Nachweis: | Bildnachweise: HStAS Q 1/54 Bü 7. |
Literatur + Links
Literatur: | Raberg, Biogr. Handbuch, 210-211; Rainer Braun, Freimaurer im Parlament des Bundeslandes Baden-Württemberg und seiner Vorläufer seit 1818 (Quatuor Coronati. Jahrbuch für Freimaurerforschung Nr. 45/2008. Sonderdruck), 2009, 42. |
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