Kollegiatstift St. Peter Wimpfen 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 965 [vor 965]
Zerstörung/Aufhebung: 1803 [1803]
Beschreibung: Wann genau das Kollegiatstift zu Wimpfen im Tal gegründet wurde, ist nicht mehr zu ermitteln. Auf jeden Fall entstand es im Areal einer ausgedehnten römischen Siedlung. In den Ungarnstürmen um 900 zerstört, wird es in einer Urkunde Kaiser Ottos des Großen von 965 erstmals ausdrücklich erwähnt; der Wandel vom ursprünglichen Kloster zum Stift vollzog sich wohl um die Mitte des 10. Jahrhunderts. Die ersten Anfänge der hiesigen geistlichen Gemeinschaft sind aber gewiss schon im späten 7. oder frühen 8. Jh. zu suchen, im Kontext der Wormser Missionierung und Pastorisierung im Neckarraum. Die Schlüsselposition, die Wimpfen dabei nicht zuletzt aufgrund seiner Lage an einer bereits von den Römern erbauten Neckarbrücke zukam, wird u. a. darin deutlich, dass es unmittelbar dem Bischof zugeordnet war und sein Vorsteher jahrhundertelang als einer der vier Archidiakone der Wormser Diözese fungierte. Der Archidiakonat des Propsts von Wimpfen reichte links des Neckars von Besigheim bis unmittelbar vor Heidelberg. Die Zuständigkeit für das Gebiet östlich des Neckars entfiel bereits um die Mitte des 8. Jhs. mit der Gründung des Bistums Würzburg. Den Stiftspropst ernannte anfangs der Bischof von Worms; seit dem 13. Jh. wurde er vom Kapitel gewählt, später wieder vom Bischof nominiert. Als sein Vertreter ist seit dem 12. Jh. der Dekan bezeugt, der bald eine immer größere Bedeutung erlangte und seit 1632/34 dem Stift allein vorstand. Ein Offizial tritt erstmals 1312 in Erscheinung. Die Zahl der Kanonikerpfründen, für deren Erwerb zunächst adlige Herkunft oder ein akademischer Grad erforderlich waren, belief sich anfangs auf zwölf; im späten 13. Jh. kamen sechs sogenannte Sexpräbenden (Halbpfründen) hinzu und bis zum Ende des 14. Jhs. noch 22 Vikariatspfründen. Zwei Kanonikerpfründen wurden 1398 der Universität Heidelberg zugewiesen. Dignitäten waren die Propstei, die Dechanei und die Kustodie. Die Stiftsangehörigen rekrutierten sich im Mittelalter aus dem Adel der näheren und weiteren Umgebung, in der Neuzeit aus dem städtischen Bürgertum, erlangten ihre Pfründen aber mitunter auch aufgrund königlicher Erster Bitten. Die noch heute geläufige Bezeichnung als Ritterstift kam erst im 17. Jh. auf, als die adlige Exklusivität des Kapitels längst dahin war. Daher steuerte das Stift in der Frühen Neuzeit zwar mit seinem Besitztum Finkenhof zur Kraichgauer Rittertruhe, war aber im Übrigen bei dem Ritterkanton nicht immatrikuliert. 1802/03, als es infolge seiner Zugehörigkeit zum Hochstift Worms von Hessen-Darmstadt säkularisiert bzw. aufgehoben wurde, zählte man nur noch sechs Kapitulare, drei Domizellare und vier Vikare. Die Vogtei über das Stift hatten 1143 die Grafen von Lauffen; 1281 zog der König sie an sich. 1382 wurden damit die Pfalzgrafen bei Rhein betraut, im frühen 15. Jh. im Wege der Delegation vorübergehend die Neipperg (1401) und die Helmstatt (1405), und schließlich gelangte sie 1504 mit den übrigen Pfälzer Gerechtsamen im Heilbronner Raum an die Herzöge von Württemberg. Der aus einer frühen, nicht mehr zu rekonstruierenden Grundausstattung und aus zahlreichen frommen Zustiftungen bestehende Stiftsbesitz streute im späteren 13. Jh. von Walldorf im Westen bis nach Oberkessach im Osten und von Kleineicholzheim im Norden bis nach Niefern im Süden, hatte indes nach 1300 seine Schwerpunkte fast ganz im östlichen Kraichgau und im Zabergäu. Bis ins 14. Jh. gehörte dazu auch die Herrschaft über die Talstadt von Wimpfen. Spätstens seit dem Ende des hohen Mittelalters stagnierte die Entwicklung des Stifts; nach der Reformation bestand es zwar fort, verlor aber weiter an Bedeutung. Die Stiftskirche, in deren unmittelbarer Nachbarschaft eine Reihe von Stiftsgebäuden aus dem 18. Jh. noch heute erhalten ist, entstand im 13. Jh. anstelle eines frühromanischen Zentralbaus, dessen Westwerk der frühgotische Neubau (seit 1269) bewahrt hat. Die unter dem Stiftsdekan Richard von Deidesheim erbaute Kirche - eine dreischiffige Gewölbebasilika, mit Querhaus und drei polygonalen Apsiden - orientiert sich an französischen Vorbildern (opere francigeno) und zählt insofern unter die bedeutendsten Kunstdenkmäler Baden-Württembergs. Fertiggestellt wurde sie freilich erst im späten 15. Jahrhundert. Neben dem Hochaltar zu Ehren St. Peters sind in der Kirche und ihren Kapellen für das 14. Jh. folgende Altarpatrozinien nachgewiesen: St. Maria, St. Eucharius, Heilige Drei Könige, St. Kilian, St. Johannes, Heilig-Kreuz, St. Nikolaus, St. Katharina und St. Michael; später kamen noch St. Maria Magdalena und St. Elisabeth hinzu. 1919 ließen sich in Wimpfen aus der Tschechischen Republik vertriebene deutschstämmige Benediktinermönche nieder und erfüllten die seit mehr als 100 Jahren verwaisten alten Mauern erneut mit geistlichem Leben; ihr Kloster wurde 1924 zur Abtei erhoben. 1940 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt, kehrte dann seit 1947 noch einmal monastisches Leben ein, diesmal in Gestalt von Mönchen aus der böhmischen Benediktinerabtei Grüssau, jedoch fand 2004 auch diese Gemeinschaft ihr Ende.
Autor: KURT ANDERMANN
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Chorherren, weltliche vor 965-1803
Sonstiges: Bistum: Worms, ab 1821 Mainz,
fiel an: Hessen-Darmstadt (1802)
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=97

Adresse Lindenplatz 07, Bad Wimpfen

Literatur:
  • J. F. SCHANNAT: Historia episcopatus Wormatiensis, Bd. 1. Frankfurt a. M. 1734, 115-120.L. FROHNHÄUSER: Geschichte der Reichsstadt Wimpfen, des Ritterstifts St. Peter zu Wimpfen im Thal... Darmstadt 1870.Cronica ecclesiae Wimpinensis auctore Burcardo de Hallis (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores 30,1). Hg. von H. BÖHMER, Hannover 1896, 659-677.H. BÜTTNER: Das Bistum Worms und der Neckarraum während des Früh- und Hochmittelalters. In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 10 (1958) 11-34.Germania Benedictina, Bd. V: Die Benediktinerklöster in Baden-Württemberg. Bearb. v. F. Quarthal. Augsburg 1975. 673-677 (A. MICHALSKI).P. KURMANN: Gotik als Reformprogramm. Die Stiftskirche St. Peter zu Wimpfen im Tal. In: S. LORENZ / P. KURMANN / O. AUGE (Hgg.): Funktion und Form. Die mittelalterliche Stiftskirche im Spannungsfeld von Kunstgeschichte, Landeskunde und Archäologie (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 59). Ostfildern 2007, 175-185.Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, Hs. 2297.Hessisches Staatsarchiv Darmstadt.
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