Im Elend

Von Laëtitia Brasseur-Wild

 

 

Alphonsine Lichtle

Prostituierte
Geboren am 16.2.1892

 

„Ich finde weder als Stundenfrau, noch in irgend einer Fabrik lohnende Beschäftigung und will das Gewerbe als Dirne ausüben.“
(Mülhausen, 28. Mai 1915)

 

Foto aus der Polizeiakte. (Quelle: Landesarchiv BW, GLA 456 F 3, Nr. 194)

Foto aus der Polizeiakte. (Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 456 F 3, Nr. 194)

Nachdem ihr Ehemann als Soldat an die Front geschickt worden war, zog Alphonsine Lichtle ihre beiden Kinder, René und Joseph, nahe bei Mülhausen mit Mühe auf. Zweimal wegen Prostitution verurteilt, erklärte sie, in großer Armut zu leben. Ihre einzigen Einkünfte bestanden aus der staatlichen Kriegsunterstützung und der Sozialhilfe. Sie gab zu, regelmäßig in ihrer Wohnung Besuch von Soldaten empfangen zu haben, die ihr Ohrringe und Wäsche anboten oder sie ins Wirtshaus einluden, bestritt aber die Anschuldigung, sie habe ihre Kinder vernachlässigt, von denen das jüngste im Alter von sechs Monaten mit Tuberkulose ins Krankenhaus Hasenrain gebracht worden war. Dort starben beide Kinder im April 1915. Ihr Mann, der sich zur Genesung in einem Karlsruher Lazarett befand, verlangte, als er vom Schicksal seiner Kinder hörte, von den Militärbehörden, man möge seiner Frau jegliche Unterstützung entziehen. Im Lauf des Jahres 1915 wurde die mit Syphilis infizierte Alphonsine Lichtle mehrfach ins Krankenhaus gebracht und schließlich im Arbeitshaus in Hagenau interniert. Dort verblieb sie in Schutzhaft bis Januar 1917. Die Behörden waren der Ansicht, sie bedeute mit ihren Geschlechtskrankheiten „eine Gefahr für die Sicherheit des Heeres und damit auch indirekt eine Gefahr für die Sicherheit des Reiches.“ Anschließend wurde sie in ein Gefangenenlager nach Niedersachsen geschickt. Im April 1918 frei gelassen, fand sie in der dortigen Umgebung eine Arbeit. Sie kehrte nach Frankreich zurück, dort verliert sich ihre Spur im Jahr 1922.

 

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